Die Laube

Nimmer, nimmer werd ich dein vergeßen,
Laub', in deren Einsamkeit
Meine Laura, weiland, oft geseßen,
Und des Frühlings sich gefreut.
Schauer wird durch meine Nerven beben,
Werd ich deine Blüthen sehn,
Und ihr Bildniß mir entgegenschweben,
Ihre Gottheit mich umwehn.
Thränenvoll, werd ich, beym Mondenlichte,
In der Geisterstunde Graun,
Dir entgegenzittern, und Gesichte
Auf Gesichte werd ich schaun.
Mich in manchen Göttertraum verirren,
Bis Entzückung mich durchbebt,
Und nach meinem süßen Täubchen girren,
Deßen Abbild vor mir schwebt.
Wenn ich auf der Bahn der Tugend wanke,
Erdvergnügen mich bestrickt;
Dann durchschaure flugs mich der Gedanke,
Was in dir ich einst erblickt.
Und ich werde deiner Taumelschalen,
Wollust, fluchen, und das Bild
Feuriger in meine Seele mahlen,
So den Himmel mir enthüllt.
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Notes
Entstanden 1773. Erstdruck in: Musenalmanach 1775, Göttingen (J.C. Dieterich).
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hölty, Ludwig Christoph Heinrich. Die Laube. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7D8C-C