Töffel und Käthe,

eine Ballade


Zween fromme Wunderthäter,
Vom Ost bis West bekannt,
Durchwanderten, mit Ablaß
Bepackt, das Schwabenland.
Verbannten manchen Kobold
Und manchen bösen Alp,
Und heilten manchen Junker
Und manches kranke Kalb.
Sie kamen, als die Sonne
Zum Ocean entwich,
Und flötend Hirt und Schäfer
Durch Abendschatten schlich,
In ein umbüschtes Dörfchen,
Ersahn des Amtmanns Haus,
Und baten, tiefgebücket,
Sich eine Mahlzeit aus.
Der Amtmann sprach: ihr Herren,
Kehrt in den Gasthof ein,
Ich habe keinen Braten,
Und keinen Tropfen Wein;
Und warf darauf die Hausthür
Vor ihrer Nase zu,
Und brummt' heraus zum Fenster:
Fort, angenehme Ruh!
[102]
Der Pfarrer und der Küster
Schalt sie nicht minder fort.
Sie stolperten durchs Dörfchen,
Und fanden keinen Port.
Doch endlich guckte Töffel
Zum Stubenfenster aus,
Und lud die Wunderthäter
Durch einen Wink ins Haus,
Empfieng, mit bloßen Haupte,
Die Herren an der Thür,
Und murmelte: mein Kätchen,
Hohl eine Kanne Bier,
Daneben Brodt und Butter,
Und Schweizerkäs' und Wurst. –
Sie stillten ihren Hunger,
Und löschten ihren Durst;
Erzählten, nach der Mahlzeit,
Am hellen Tannenfeur,
Dem lieben Wirth und Wirthin,
Viel hundert Ebentheur:
Daß sie den Teufel einstens
Beym Hexentanz ertappt,
Der sich in einen Schaafbock,
Mit langem Schwanz verkappt;
Die Hexen und den Teufel,
Der fürchterlich geblöckt,
Durch ein allmächtig Ave
Zur Hölle fortgeschreckt;
[103]
Die scheuslichsten Gespenster
In einen Sack geschnürt,
Und, bald in öde Schlößer,
In Wälder bald, geführt.
Sie schwatzten, bis der Morgen
Durchs Hüttenfenster schien.
Herr Bruder, sprach der eine
Zum andern: laßt uns ziehn.
Was ziehn? Nein, dieses Dörfchen
Soll, eh wir weiter gehn,
Das schwör ich dir, Herr Bruder,
Ein Strafexempel sehn.
Schnell rollten Wetterwolken,
Von Blitz und Donner schwer,
Herauf; die Fluthen stürzten
Schnell auf das Dorf daher;
Des Blitzes Feuerflügel
Schoß durch die Luft dahin;
Der Amtmann schwamm im Waßer
Nebst seiner Amtmannin.
Nicht minder schwamm der Pfarrer,
Erbärmlich anzuschaun,
Im Schlafrock und Pantoffeln.
Das Schrecken und das Graun
Saß auf den Waßerwogen.
Es flatterte, voll Schaums,
Manch knotigte Perücke
Im Wipfel eines Baums.
[104]
Kontuschen, Strümpfe, Mieder,
Und Hauben sonder Zahl,
Des Pfarrers Priestermantel,
Und Kragen allzumal,
Durchtaumelten die Fluthen,
Nebst einem halben Schock
Zerrißner blauer Hosen,
Und manchem Unterrock.
Des Küsters Festperücke
Hieng, jämmerlich durchnäßt,
Am Wetterhahn des Thurmes,
Wie man berichtet, fest.
Kein Eselein, kein Oechslein,
Kein Mensch entkam der Fluth;
Der fette Braten schmeckte
Dem, Gott sey bei uns, gut.
Die Mönche sagten: Töffel,
Du bist dem Tod entflohn;
Die andern Bösewichter
Empfiengen ihren Lohn.
Dein kleines, schwarzes Hüttchen,
Du guter Biedermann,
Soll eine Kirche werden,
Mit einem Thurm daran.
Urplötzlich stand die Kirche,
Mit ihrem Thurme, da.
Er machte große Augen,
Wie er die Kirche sah.
[105]
Der Keßel ward zur Glocke,
Und hieng itzt umgekehrt,
Der Sorgestuhl zur Kanzel,
Und zum Altar der Heerd.
Voll trunkener Entzückung,
Sprang er auf einem Bein,
Und rief: daß dich der Teufel,
Hier möcht' ich Pfarrer seyn!
Die Mönche lachten Beifall.
Ein geistlicher Ornat,
Ein kahler Rock und Mantel
Lag schon für ihn parat.
So kam per fas et nefas
Der gute Mann zu Brodt.
Er malte seinen Bauern
Die Hölle ziemlich roth.
Sein Element war Ruhe,
Sein Petum, optimum,
Der Armstuhl und die Zeitung
War ihm Elysium,
Saß, mit verschränkten Beinen,
Verhüllt in Petumduft,
Und bließ manch blaues Wölkchen
Zufrieden in die Luft.
Sein Kätchen war ein Muster
Von einer braven Frau;
Kein Auge war im Dörfchen
So heiter und so blau!
[106]
Kein Ehestand vergnügter,
Seit Adam Evgen nahm.
Er laß in der Postille,
Sie saß am Näherahm.
Dann zogen ihre Wangen
Des Gatten frommen Blick
Vom heiligen Gepolter
Des Bußsermons zurück.
Dann regneten die Mäulchen
Auf ihren rothen Mund;
Ein hübsches festes Siegel
Für ihren Ehebund!
So rollten Jahr auf Jahre,
Voll süßer Freud', herum.
Die beiden Gatten lebten
Beynah ein Seculum,
Betraten endlich beide,
Steinalt und lebenssatt,
An einem Mayenmorgen,
Den düstern Todespfad.
Vor ihrem Tode giengen
Viel Ahndungen vorher:
Ihr Sterbelichtgen hüpfte
Den Kirchenweg daher.
Der Spuk des Todtengräbers
Grub, was nachher geschah,
Um Mitternacht, zwo Grüfte,
Wie Heinz der Küster sah.
[107]
Das Heimchen zirpte kläglich,
Das lange nicht gezirpt.
Gelt, sagten alle Bauern:
Gelt, unser Pfarrer stirbt.
Sie starben beide richtig.
Ihr grauer Leichenstein
Kann, wenn ihr es nicht glaubet,
Davon ein Zeuge seyn.
Holunderbüsche ragen,
Um ihre Gruft, empor,
Und flüstern manchen Schauer
Der Dörferinn ins Ohr.
[108]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hölty, Ludwig Christoph Heinrich. Gedichte. Sämtliche Gedichte. Töffel und Käthe. Töffel und Käthe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7DC7-4