An Daphnens Kanarienvogel

Liebes Vögelein, ach, wie ruhig schläfst du,
Dein gesunkenes Köpflein unterm Fittig;
Träumst Gesänge des Tages, pickst aus Daphnens
Schönen Händen ein Stücklein Zucker, oder
Was für herrliche Träume dich umgaukeln.
Neidenswerther, ach, zehnmal neidenswerther
Ist, o Vogel, dein Schicksal, als das meine!
Nie umflattert des Schlummers Rosenfittig
Diese weinenden Augen. Daphne klopfet
Mir in jeglichem heißem, lautem Herzschlag;
Und die Wage der Götter wog uns Trennung.
O was frommet mir solch ein Trauerleben!
O verwandelten mich die guten Götter
In dieß Vögelein! O wie wollt ich Daphnens
Busen zwitschernd entgegenflattern, mich auf
Ihren Armen ein Weilchen wiegen, und auf
Ihrer Schulter ein Minneliedchen flöten!
In die Saiten des Flügels wollt ich girren,
Wann ihr fliegender kleiner Finger spielte,
Bis ihr Mündlein mit einem Kuß mir dankte!
Dann, dann würd ich mit keinem Sultan tauschen,
Wann auch hundert der schönsten Landesjungfraun
Um die Ehre des seidnen Schnupftuchs buhlten!
Traun, dann würden die Götter samt und sonders
Mich, im hohen Olymp, ein wenig neiden!
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hölty, Ludwig Christoph Heinrich. Gedichte. Sämtliche Gedichte. An Daphnens Kanarienvogel. An Daphnens Kanarienvogel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7DDF-0