Lied eines Mädchens
auf den Tod ihrer Gespielin

Vier trübe Monden sind entflohn,
Seit ich getrauert habe;
Der falbe Wermuth grünet schon
Auf meiner Freundin Grabe.
Da horch ich oft, im Mondenglanz,
Der Grillen Nachtgesange;
Und lehn an ihren Todtenkranz
Die bleichgehärmte Wange.
Da sitz ich armes, armes Kind
Im kalten Abendhauche;
Und manche Sehnsuchtsthräne rinnt
Am falben Wermuthstrauche.
Der Ahorn und die Linde wehn
Mir bange Seelenschauer;
Und hohe, düstre Schatten gehn
Rings an der Kirchhofmauer.
Die Kirchenfenster regen sich,
Es regen sich die Glocken,
Es glänzt, mich däucht, ich schaue dich,
Und deine hellen Locken.
Der Mond ists, so der Wolk entrollt,
Ins Kirchenfenster schimmert,
Am rothen Band, am Flittergold
Der Todtenkränze flimmert.
[170]
O komm zurück, o komm zurück
Von deines Gottes Throne,
O komm, auf einen Augenblick,
In deiner Siegerkrone.
In deinem neuen Engelreiz
Erscheine mir, erscheine,
Wenn ich, gelehnt ans schwarze Kreuz,
Auf deinem Grabe weine!
[171]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hölty, Ludwig Christoph Heinrich. Gedichte. Sämtliche Gedichte. Lied eines Mädchens auf den Tod ihrer Gespielin. Lied eines Mädchens auf den Tod ihrer Gespielin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7E7F-F