[234] Er ligt alt und kranck und kombt sich für geschlagner denn Hiob!

Ode Jambica.


Nun bün ich fast schon siebtzig Jahr/
das Leben hat mich wie zerschmissen;
bald weiß kein Mäntsch mehr/ wer ich war/
kaum drohstet nachts mich noch mein Kissen.
Der Welt ihr Seiffen-Ball zersprang/
mein Lauten-Spihl ward Harffen-Klang!
Ich bün auß Staub und muß vergehn/
kein Bisam-Büxgen wird mir nizzen.
Was soll mir Rom noch und Athen?
Von Fern her seh ich Salem blizzen!
Nur Eins wird noch von mir gepreisst:
Die grosse Kunst/ die Stärben heisst!
[235]
Mein Leib/ dihß für so fäste Hauß/
ligt spakk darnihder/ fast zerbrochen/
die Ahdern trukkneten ihm auß/
ich hänge kaum noch in den Knochen.
Mich krümmt der Grieß/ mich narbt die Gicht/
erbärmlich bün ich zugericht!
Allnächtlich dappt er sich schon für/
der alte außgefeimte Rakker.
Bald knaxt die Diehle/ bald die Dhür/
der Wind heult hohl vom Stoppel-Akker.
Itzt bocht es an und will herein –
mir grähst ins innerste Gebein!
Was würde strakks mit mir geschehn/
wann meine Augen itzt verrönnen?
Der allerweiseste Galen
hat nichts darvon verrahten können.
Da hülfft kein Jammer/ kein Geschrey/
mein Hertz ist gantz darvon entzwey!
Eins ist mir sicher und gewiß:
acht Bretter werden mich ümbhägen/
Egyptens schwartze Fünsterniß
wird wie auß Sonne seyn dargägen!
Mein Fleisch/ das lüderlich geprasst/
fäult dan alß Wurm- und Schlangen-Mast!
[236]
Zwar das geehrte Testament
verheisst uns dröhstlich die Posaune:
uns wekkt/ wenn alles sich gewendt/
die gleichsahm himmlische Karthaune.
Sey sein Gebein auch lengst zerstäubt/
der wird erhöht/ wer dran gegläubt!
Doch sälbst gesezzt/ daß dihß geschicht/
ich war ein arger Satans-Brahten/
vihlleicht so hält sich das Gericht
an meine nichts wie Frefel-Dhaten.
Die Zunge kläbt mir und verdorrt/
dan schlukkt mich ein der Schwefel-Port!
Ein Rabe draussen krokkt crass crass/
wer weiß/ ob ich ihn rächt verstehe?
Ob ich dihß volle Stunden-Glaß
noch ein-mahl abgeloffen sehe?
Ob sich das blancke Morgen-Licht
noch ein-mahl ümb mein Lager flicht!
O HERR/ wie drükkt auff mir Dein Joch!
Nein/ nein/ ich will nicht läppisch flennen!
Nur ein-mahl/ ein-mahl/ ein-mahl noch
laß mir Dein lihbes Früh-Roht brennen!
Der Himmel schnarcht/ die Hölle wacht/
verlisch mir nicht/ du Glaubens-Dacht!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Holz, Arno. Gedichte. Dafnis. Angehänckte Auffrichtige und Reue-mühtige Buß-Thränen. Er ligt alt und kranck und kombt sich für geschlagner denn Hiob!. Er ligt alt und kranck und kombt sich für geschlagner denn Hiob!. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-80F1-2