Capvt 3

Naemi sprach einsmals zu ihr:
Solt ich nicht darnach sehen
Mein Tochter/ Ruh zu suchen dir
Daß es dir wol mög gehen?
Nun wolan/ merck was ich dir sag/
Der Mann bey dem du g'wesen/
Vnd bey des Dirnen diese tag
Du Korn hast auffgelesen/
Boas/ unser verwandter Freund
Des Nam'n du wol thust kennen/
Der wird sein Gersten worfflen heint
Diese nacht auf der Tennen.
So folg mir liebe Tochter nun/
Es soll dir seyn ohn schaden/
Was du zu dieser zeit solt thun:
Nemblich du solt dich baden/
Auch salben/ und ziehn an dein Kleid/
Vnd gehn hin auff die Tenne/
Doch merck wol die gelegenheit/
Auff daß dich niemand kenne/
Biß Boas wol getruncken hat/
So merck den Ort gar eben/
Dahin er sich zu Abends spat
Zu schlaffen thut begeben.
So kom alßdann und lege dich/
Sein Füß soltu auffdecken/
[97]
Wenn er denn wird besinnen sich/
In dem du jhn thust wecken/
So wird er wol anzeigen dir/
Was du solt ferner machen.
Gehorch mein liebe Tochter mir/
Vnd folg in dieser Sachen.
Die Ruth nam diß in guter acht/
Vnd wolt nicht widerstreben/
Sprach: was ihr itzt zu mir gesagt/
Dem will ich folgen eben.
Also ging sie auffs best geschmückt
Hinab auff Boas Tennen/
Weils Abend war/ es ihr auch glückt/
Daß niemand sie thet kennen.
Vnd da Boas gelebt frölich
Getruncken hatt und gessen/
Wolt er zur ruh begeben sich/
Vnd legt sich nach dem essen
Hindr einen Mandl und Gersten hauff.
Ruth merckt den Ort mit fleisse:
Sie kam und deckt sein füsse auff/
Vnd legt sich zu ihm leise.
Da es nun kam zur mitter-nacht/
Ward Boas solches innen/
Als er von seinem schlaff erwacht/
Kont sich doch nicht besinnen.
Erschrack des ohne masse sehr/
Wandte sich hin und wider/
Vnd sieh/ ein Weib sah ligen er
Bey seinen Füssen nider.
Er sprach: Wer bist? Was machstu hie?
Gib dich mir zu erkennen.
Ich ewer Magt Ruth/ antwort sie/
Bin kommen in die Tennen.
Breit uber mich ewr Flügel nun/
Daß ich eur gunst erwerbe.
[98]
Von Rechts wegen solt ihr es thun/
Dieweil ihr seyt mein Erbe.
Er sprach zu ihr: Gesegnet seyst
Mein Tochter/ von dem Herren/
Grösser gutthat hast itzt beweist/
In dem du mich in Ehren
Begerst/ und zu mir kommen bist/
Gegn mich mit Lieb umbfangen/
Vnd keines wegs auß böser lust/
Den Jünglingn nachgegangen.
Darumb solt gar nicht fürchten dich/
Alles nach deinem willen/
Was du gesagt/ will trewlich ich
Verrichten und erfüllen.
Die gantze Stadt meins volckes weiß/
Daß du ein Weib auffrichtig
Vnd tugendsam bist/ das mit fleiß/
Sich stets verhalten züchtig.
Wahr ist/ ich bin der Erb/ wie du
Sagst/ doch solt du auch wissen/
Einer gehört dir näher zu/
Dem werd ichs kundt thun müssen.
Nimt er dich morgen/ so will ich
Hierinn nicht widerstreben:
Wo nicht/ so will ich nehmen dich/
So wahr der Herr thut leben.
Daran solt gar nicht zweiffeln du/
Schlaff nur ohn furcht und sorgen.
Sie legt sich nieder da zu ruh/
Vnd schlieff biß an den morgen.
Darnach eh es ward tag und liecht/
Sie auß dem schlaff erwachte/
Ehe einr den andern kennen mücht/
Sie sich vom Bett auffmachte.
Boas hatt sie geweckt so früh/
Gedacht/ ich möcht mich schemen/
[99]
Daß ein Weibs-bild gewesen hie/
Niemand soll diß vernehmen.
Er sprach: lang her dein Schürtztuch mir/
Das du hast umbgeschürtzet.
Sie hielt es ihm/ alßbald Er ihr
Drinn sechs maß Gersten stürtzet.
Legts auff sie/ ließ sie von ihm gehn/
Im tunckel und verborgen.
Sie kam da man noch nicht kont sehn
Zur Mutter früh am Morgen/
Die sprach zu jhr: wie stehts mit dir
Vnd wie bistu empfangen?
Das sag mein liebe Tochter mir
Wie ist es dir heint gangen?
Ruth zeigt Naemi solches an/
Vnd sagt ihr alles eben/
Was ihr gethan Boas der Mann/
Vnd was er ihr hatt geben.
Sechs Maß Gersten/ sprach sie/ gab er
Mir/ die hab ich genommen/
Denn er sprach du sollt itzt nicht leer
Zu deiner Schwieger kommen.
Naemi sprach: sey du nur still/
Du wirst es bald erfahren
Wie sich der handel schicken will:
Kein fleiß wird Boas sparen
(Weis ich gewiß) und ruhen nicht/
Biß er noch heut am Tage
Diß alles hab glücklich verricht/
Dran ich kein zweiffel trage.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hoyers, Anna Ovena. Gedichte. Geistliche und Weltliche Poemata. Das Buch Ruth. Capvt 3. Capvt 3. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-846A-3