Der vergnügte Weg des Himmels und der Welt

Die Welt.

Der Weg zum Himmel hat viel Dornen unter sich.
Drum ist mein breiter Weg viel lieblicher zu wandern.
Himmel.

Die Lüste sind dein Dorn; auch diese stechen dich/
Wenn du sie hast vergnügt. Ein Dorn folgt auf den andern.
Dein Weg ist allzeit schwer:
Welt.

Ist denn der deine leicht/
Worauf man arm und schlecht/ und den Beraubten gleicht/
Bey denen nichts von Lust/ von Anmuth/ Pracht und Schätzen?
Denn haben sie es gleich/ darf sie es nicht ergetzen.
Himmel.

Der sich der Last beraubt/ die auf der Reise drückt/
Und letzt das Leben nimmt/ ist klug und auch beglückt.
Mein Wanders-Mann ist arm/ an deinen Seltenheiten/
Reich/ weil er nichts bedarf von solchen Eitelkeiten.
Vergnügt bey jedem Gut/ so weit es tugendhafft.
Dem ist kein Gut nicht gut/ dem es den Todt verschafft.
Doch ist auf deiner Bahn wohl eine rechte Lust?
[75] Welt.

Ja freylich/ und bey dir ist nichts davon bewust.
Himmel.

Wenn du dich nun ergetzt/ was sagen die Gedancken?
Mischt unterweilen sich kein heimlichs qvälen ein?
Welt.

Manchmahl/ durch neue Lust muß es vertrieben seyn.
Himmel.

Komt es nicht wiederum? und macht es keine Pein/
Scheint manchmahl nicht in dir sich was mit dir zu zancken/
Das deinen Wandel strafft/ das viel Verdruß gebührt/
Das Angst zu nennen ist?
Welt.

Ich muß zum öftern streiten.
Was ist in mir/ das mich zum Richter-Stuhle führt/
Diß strafft mich/ und versaltzt die meisten Lustbarkeiten.
Himmel.

Verliehrt es sich denn nicht?
Welt.

Offt denck ich nicht daran/
Bin in mich selbst verliebt/ mein Schatz muß mich beseelen.
Doch plötzlich kommt ein Fall/ der mich erschrecken kan.
Himmel.

Und was entsteht dadurch?
Welt.

Ein Aufruhr/ und ein Qvälen
In meinem innersten. Denn hab ich keine Ruh.
Bald thu ich diß und das; nichts geht vernünfftig zu.
Mein Hertz ist als ein Meer/ das seinen Grund beweget.
Biß nach und nach der Sturm durch neue Lust sich leget.
[76] Himmel.

Denn bleibest du befreyt?
Welt.

Biß daß es wieder kehrt:
Es wechselt stets mit mir.
Himmel.

Erbärmliches Vergnügen!
Welt.

Was rühmest du dich doch? nichts wird von dir gehört/
Als sterben vor der Zeit/ und alle Lust besiegen.
Himmel.

Mein Weg scheint anfangs schwer: ich leugne dieses nicht:
Doch wer die Lüste dämpft/ wer die Begierden bricht/
Mit Gott und seinem Glück zufrieden lebt auf Erden/
Dem muß sein Hertz vergnügt zu allen Stunden werden.
Er stirbet diesem ab/ was ihn allzeit betrübt.
Hingegen lebt er Gott/ der ihn unendlich liebt.
In dieser Liebe herrscht die allergröste Wonne.
Es scheint auf meinen Weg die helle Gnaden Sonne.
Kein Leiden wird gehört; der Schmertz muß Zucker seyn.
Bey meinen Wanders-Mann spricht lauter Seegen ein.
Geruhig und vergnügt ist seine beste Weise.
Ihn frißt kein Sorgen-Brodt/ und keine Wollust-Speise
Bringt ihn zu früh ins Grab. Sein Creutz ist solcher Art/
Daß er dem Höchsten danckt/ und nie die Freude spart.
Welt.

Wie läst sich keine Qvaal auf deinen Wegen finden?
Himmel.

Wovon der Deine voll/ die muß bey mir verschwinden.
Es legt die dumme Welt nur diesem Wahne bey:
Daß voller Lustbarkeit der Weg zur Höllen sey.
Die Wege dieser Welt sind reich von Dornen-Hecken/
Da auf des Himmels-Bahn nur Freuden Rosen stecken.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Moralische Uber-Schrifften- und Gedichte. Der vergnügte Weg des Himmels und der Welt. Der vergnügte Weg des Himmels und der Welt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-86BF-4