Tugend-Liebe

Die Schönheit ist ein Feind der frey und reinen Brust/
Die Liebe/ die sie pflantzt/ ein Feind der Ruh und Lust.
Doch diese Feinde kan die Kranckheit überwinden/
Die Tugend aber nicht/ in der wir Ruhe finden.
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Drum liebt ein edler Geist zwar einen schönen Leib/
Jedoch entflammt ihn mehr ein Engel-gleiches Weib/
Und will in der Natur er die Natur besprechen/
Muß ihm der Tugend-Hand der Schönheit Rosen brechen.
Der Himmel schlichtete den sonderbahren Streit/
Und sprach: der Tugend nur bleibt die Vortrefflichkeit.
Doch zancket nicht darum/ vereinigt euch zusammen:
Der Menschen-Liebe muß durch euch vollkommen flammen.
Er rief: was ich gesagt/ sey itzo Sonnen-klar/
Und suchte gleich darauf ein ihm beliebtes Paar.
Dem gab er sie/ und sprach: den süßen Brand zu heilen/
Solt ihr euch beyde nun in diese viere theilen.
Ich nehme sprach die Braut/ die Tugend in mein Hertz:
Sie ist der Seelen-Schatz/ der Engel Lust und Schertz;
Die Schönheit an den Leib. Wer will die Liebe haben?
Die beyden ersten sind bey mir des Himmels-Gaben.
So kom mein Edler Wolff/ nim beydes Lieben an.
Ich find an deinem Thun/ was mich entzücken kan:
Gelehrsamkeit/ Verstand/ die Anmuht in Geberden:
Wo durch ich schätzbar kan vor vielen Weibern werden.
Die erste Liebe soll nach meiner Tugend gehn;
Du wirst dem Glück dadurch unüberwindlich sehn.
Die Tugend ist ein Schmuck an Frauen hochzuschätzen/
Ein Atlas in dem Creutz/ ein Leitstern im Ergetzen.
Der Schönheit Liebe nimmt dein Hertz in die Gewalt/
Und giebt der Augen Lust beliebten Aufenthalt.
Sie soll die Dienerin von iener Liebe bleiben:
In Tugend die Natur vergnügen und vertreiben.
[238]
Die ungemeine Braut sprach so viel schönes aus.
Denn zog der Bräutigam in ihrer Tugend-Haus/
Und hat der liebe Geist/ den ihre Schönheit rühret/
In ihre keusche Brust durch Priesters-Hand geführet.
Drauf kam er Seegens-Mund und Schloß die kluge That:
Verliebt/ doch keusches Paar/ das nebst der Tugend hat
In Schönheit sich verliebt/ du wirst in kurtzen schauen/
Wie durch sein schön Geschöpff Gott will Geschöpffe bauen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Glückwünschungs-Gedichte. Der Streit der Schönheit und Tugend-Liebe. Tugend-Liebe. Tugend-Liebe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-87B9-A