[318] 2. Fabel

Von der Poesie

Die Poesie gieng einst spatzieren/
Und traf die Lust/ Verstand und Weißheit an/
Sie hörte sie den schärfsten Wort-Streit führen/
Wem wohl die Welt am meisten unterthan.
Die Lust sprach: Ich beseele sie;
Vor meinem Pfeil entflieht ein Hertze nie.
Doch wandte der Verstand hier ein:
Mein Scepter prangt: wo rechte Menschen seyn.
Und ich kan mich verehret sehen/
So gab die Weißheit drauf/
Wo Seelen nach dem Himmel gehen.
Geliebte/ höret auf/
So sprach die Poesie/ kommt/ ich will euch entscheiden:
Mein Reich kan euch zusammen leiden
Doch seyd ihr nicht zusammen wohl vergnügt/
Nun wohl/ so sey es so gefügt:
Zehn Jahre soll das Reich geschickter Lust gebühren/
Und zwantzig der Verstand das kluge Scepter führen/
Die Weißheit trägt der Crone Kostbarkeit
Auch ohngefehr so lange Zeit.
Ach edle Poesie! so sprachen sie zugleich/
So sind wir wohl vergnügt/ drauf theilten sie das Reich
Auch unter sich/ und ohne streiten/
Und zwar in die vier Jahres Zeiten:
Die Sinnen reiche Lust nahm erst den Frühlings-Schein/
Den Sommer der Verstand/ den Herbst die Weißheit ein.
Mein Leser/ fragst du nun/ wo doch der Winter bleibt?
Matz Tasche sitzet da erfroren:
Da herrschen zwey bekandte Thoren:
Der übel von mir spricht/ und üble Verße schreibt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Poetische Fabeln. 2. Fabel. 2. Fabel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-87FE-0