[143] Abschieds-Brief an seine vorgewesene Liebste/

im Nahmen eines andern.


Beliebte/ Nimm diß Blat mit solchen Augen an/
In deren Strahlen ich die Tugend lesen kan;
Und dencke/ daß dein Hertz mit Unrecht Feindschafft heget/
Da der/ dem du nicht schreibst/ noch Freundschaft zu dir träget.
Ich bin dir noch geneigt/ ob deine wehrte Hand
Mir in zwölf Wochen gleich kein Schreiben zugesandt.
Ich muß indem du schweigst/ auch für dich selber sprechen/
Und heiße wohlgethan/ was sonsten ein Verbrechen.
Ich glaube/ lieben ist Abwensend schlecht verguügt/
Und daß in deinem Sinn was neues wieder liegt.
Was man sich angewehnt/ und süß dabey gefunden/
Davon wird man hernach mit Marter nur entbunden/
Viel besser sich vergnügt/ viel besser fort geliebt.
Biß uns die Liebe selbst im Alter Abschied giebt.
Viel süsser rennest du in deinen Liebes Schrancken/
Als daß dein Hertz sich qvält mit welchen Buß-Gedancken.
Drum so vergnüge dich; ich wünsche Glück darzu.
Und die ich vorgeliebt/ war keine Seel als du.
Nun aber/ da wir uns nicht gegenwärtig grüssen/
Und du mich erst vergißt/ werd ich auch wechseln müssen.
Es ist die Höhre Macht/ die unsre Gluth verstöhrt/
Weil wir uns mehr geliebt/ als wie wir sie verehrt.
Indessen scheint es doch/ daß noch was auf der Erden/
Da ich durch andere/ wie du/ vergnügt kan werden.
Es ist – – – Jedoch ich schweig'/ ich will erst glücklich seyn/
Ehr geh ich jetzo nicht ein völlig Bündniß ein.
Wenn nun mein Hertz in sich ein ander Hertz geschlossen/
So glaube/ daß es dich nicht gäntzlich hat verstossen.
Nein glaube/ nennet man – – –
So sag' ich/ daß ich noch ihr Freund und Diener bin.
[144]
Der Nahme der Person soll im Gedächtniß schweben/
Mit der ich sonst gewünscht verehliget zu leben.
Ich wuste nichts/ als guts: doch – – glaube diß darbey/
Spricht man/ daß ich in dich verliebt gewesen sey;
Und nennt dich ohngefehr ein freyes Frauenzimmer/
So schwer ich ewig nein/ und ich gesteh es nimmer.
So ist und bleibet es/ ich bin dein wahrer Freund/
Allein der – – – ihr abgesagter Feind.
Wer sich von dieser Art/ die sündlich ist nur nennet/
Der machet/ daß in mir auf ihn der Eyfer brennet.
Geht ihr Gedancken geht. Zufrieden leb ich nun/
Der Himmel kan gewiß mit mir nicht besser thun.
Ich glaube dich vergnügt/ so glaube mich zufrieden/
Gott hat doch jedem noch sein rechtes Theil beschieden.
Weil aber/ zürne nicht/ daß ich was bitten muß/
Bey deiner Lebens Art so manch galanter Fuß/
Dein Zimmer itzt betritt/ und dich pflegt abzuhalten/
An mich die Freundschaffts-Pflicht im Schreiben zu verwalten:
So bitt ich/ dencke doch/ ob was ich einst gethan/
Bey deinem Schränckgen nicht ein andrer gleichfals kan.
Der mit der Kunst vieleicht weiß besser umzugehen/
Und durch die Briefe dürft in manch Geheimniß sehen.
Und daß man sie verbrennt/ will ich auch warlich nicht.
Nun weist du schon/ worauf mein Bitten ist gericht.
Die gantze Welt hälts so: daß wenn man nicht mehr liebet/
Aus Tugend man zurück/ was erst die Liebe giebet.
Das Deine soll zugleich der Post geliefert seyn:
Denn alte Liebe bringt nur böse Grillen ein.
Was uns der Himmel wehrt/ und wir auch selbst verachten/
Das ist auch nicht vergönnt im Bildniß zu betrachten.
Wer siehet/ dencket nach; durch dencken sündigt man.
Ach Gott! daß ich nicht gleich was aus mir reißen kan!
Wer in der Aschen wühlt/ kan leichtlich Funcken finden/
Die in Gedancken auch zur großen Sünd' entzünden.
Geliebte/ lebe wohl/ der Titul kömt dir zu/
Wer war vor einem Jahr so angenehm als du?
Daß nun die Liebe bricht/ macht selber unsre Liebe:
Du weist beständig sind nur Himmel reine Triebe.
[145]
Zur Ehestandes Lust reimt sich kein ledig seyn:
Denn letzlich schläget doch ein hart Gewissen drein.
Immittelst wünsch ich dir ein reineres Vergnügen/
Und daß du alles magst/ nur nie ein Unglück kriegen.
Gedencke/ denckest du zuweilen auch an mich/
Der Mensch hat mich geliebt/ doch nun bekehrt er sich.
Ja dencke/ wenn dem Hertz soll Himmels-Trauben lesen/
Was wir nun sollen seyn/ und nicht was vor gewesen.

W.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Galante und Vermischte Gedichte. Abschieds-Brief. Abschieds-Brief. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-881F-7