[192] An Gleim

Im December.


Freund, der Du am Kamine,
Zu Dir, mit Chloens Miene,
Im leichten Hermeline
Die Weisheit kommen siehst;
Und um Dich her durch Lieder
Für sie des Amors Brüder
Zu kleinen Weisen ziehst!
Bestrafe doch die Thoren,
Die, nicht für sie geboren,
Die sanfte Huldgöttin,
Im schulgelehrten Tone,
Zur mürrischen Matrone,
Zur strengen Richterin
Unschuld'ger Freude machen;
Doch nein! sie nur belachen,
Und singen wollen wir.
[193]
O Freund! es sagten mir
Die mit den Charitinnen
Vertrauten Pierinnen,
Was wahre Weisheit sey,
Von trockner Schulgesetze
Verworrenem Geschwätze,
Von leeren Formeln frey.
Sie gleichet Deiner Leyer,
Ist lauter Harmonie,
Glüht oft von edelm Feuer,
Oft aber scherzet sie.
Sie weiß in kleinen Bildern
Uns lächelnd das zu schildern,
Was hundert Thoren quält;
Sie lehrt uns, wenn wir klagen,
Daß selbst den trüben Tagen
Nicht alle Freude fehlt.
Soll ich Dir wieder sagen,
Wie auf dem alten Wagen
Von Stürmen hergetragen,
Sie mir den Winter zeigt?
An seinen Stab gebeugt,
Lappländisch wild behangen
Mit Häuten mancher Art,
Steht er; um seine Wangen
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Starrt ein gefrorner Bart.
Wie scheußlich! dennoch hüpfen
Die Scherze ganz vertraut
Um ihn herum, und schlüpfen
In eine Bärenhaut.
Da liegen sie, und schielen,
Wenn Hirt und Schäferin
Am Herde traulich spielen,
Muthwillig lächelnd hin;
Gesammelt werden Pfänder;
Das flatternde Gewand
Der Mädchen, Haar und Bänder
Verrathen bald die Hand
Der allzu dreisten Knaben,
Die nicht ein jedes Pfand
Um Einen Kuß nur gaben.
Schon sind die Felder weiß,
Und ein Palast von Eis
Beherbergt die Najaden;
Sie trösten sich, und laden,
Um dennoch froh zu seyn,
Zu bunten Maskeraden
Den alten Flußgott ein.
Des Faunus Kinder schleichen
Vergebens durch den Wald,
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Dort sind die festen Eichen
Der Dryas Aufenthalt!
Die losen Spötter machen
Ein Mädchen sich von Schnee,
Umtanzen es, und lachen,
Und schreyen: Evoe!
Die älteren Satyren
Sieht der gefrorne Rhein
Den wohlverwahrten Wein
In ihre Höhle führen.
Da jauchzet Vater Pan;
Da trotzen sie den Winden;
Bey vollen Bechern zünden
Sie leere Fässer an;
Indeß auf goldnem Schlitten
Der Psyche kleiner Mann,
Mit Pelzen angethan,
Voll Schalkheit zu den Hütten
Verlaßner Nymphchen eilt,
Wo, wenn der Nordwind heult,
Und sie den Amor bitten,
Er gern in langer Nacht
Ihr ödes Haus bewacht.
Sieh' doch, in holder Tracht,
Vom Winter angelacht,
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Der Cypris Kammermädchen!
In ihrem Hain gestört,
Besuchen sie das Städtchen,
Wo Gleim die Liebe lehrt,
Und oft den jungen Schönen,
Die Amor zu ihm winkt,
In seelenvollen Tönen
Von seinem Freunde singt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Jacobi, Johann Georg. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. An Gleim [1]. An Gleim [1]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8A75-6