[15] Die Allmacht und Güte Gottes

1761.


O Gott! der du allmächtig bist! – –
An deiner unerschöpften Güte,
Die meines Daseyns Ursach ist,
Ergötzen sich mein Herz und mein Gemüte;
Ich denke sie,
Denn Herr! noch nie,
Wenn ich in Noth gesessen,
Ward ich von ihr vergessen.
Sie reicht so weit die Himmel gehn,
Ist breiter als zehntausend Erden.
Sie hieß Erzengel vor sich stehn
Sie sprach; und Thier und Menschen musten werden!
[16]
Das Sternen Heer,
Das tiefe Meer,
Sind Werke seiner Hände;
Sie aber ist ohn Ende.
Mein Gott! von dieser Güte sagt
Mir deiner Creaturen Menge;
Der Vogel nennt sie, wenn es tagt,
Sie sorgt für ihn, er singt ihr Lobgesänge.
Der Donner schillt,
Der Löwe brüllt,
Als deiner Stärke Zeugen;
Und beyde müssen schweigen!
Der Löwe muß, wenn du es willst,
Mit blöden Lämmern freundlich spielen,
Und wenn du dich in Wolken hüllst
So muß dein Blitz die heisse Luft nur kühlen!
[17]
Des Donners Wuth,
Des Meeres Fluth,
Den Sturmwind und die Stille
Schickt deiner Allmacht Wille!
Du schickst den Hunger in ein Land,
Und strafst die sündigen Geschöpfe
Mit Ueberschwemmung und mit Brand:
Dein Krieg zermalmt die Menschen wie die Töpfe.
Sie schreyn zu dir:
Herr! siehe, wir
Sind elend, und zerschlagen;
Dann wendest du die Plagen:
Und deine Güte blickt herab
Auf öde Felder voller Leichen;
Sie schließt das unerfüllte Grab
Und giebt die Ruh verheerten Königreichen.
[18]
Das trunkne Schwert
Noch blutig, fährt
Zurück in seine Scheide,
Und Klagen werden Freude!
Du, unser Gott! noch wie zuvor,
Zur Zeit der Kinder Jacobs, gütig:
Zu dir schreyt unser Herz empor!
Noch brüllt der Krieg, und mehr als Löwenmüthig
Von Waffen schwer,
Ziehn sie daher
Die Feinde, die uns dräuen;
Und du kannst sie zerstreuen!
In deine Vorsicht eingehüllt
Herr! werden wir dennoch erhalten.
Wenn über uns der Donner brüllt,
Wann unter uns die Erde will zerspalten;
[19]
Wann diese Welt,
Dein Bau, zerfällt,
Bleibst du im lezten Wetter
Mein Fels und mein Erretter!
Laß deine Allmacht nur ein Wort
Herunter reden; sprich: es hebe
Der Krieg sich hin an seinen Ort;
So thut ers, wie im Ocean die Ebbe.
Auf dein Gebot
Fliehn Zank und Tod:
Der ewige Rebelle
Empfängt sie in der Hölle.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Karsch, Anna Louisa. Gedichte. Auserlesene Gedichte. Oden. Erstes Buch. Die Allmacht und Güte Gottes. Die Allmacht und Güte Gottes. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8EAB-C