An Mademoiselle Sack

Du Priesterkind! den Musen nachzusteigen,
Ist eines Wandrers Müh, der, Berge die sich zeigen,
Leicht zu erforschen denkt, er gehet Tage lang
Und ist noch nicht dem Berg am Fuß gekommen,
Von welchem er das Haupt so deutlich wahrgenommen:
Solch ein beschwerlich Werk ists, ehe der Gesang
Des Lesens würdig wird. Da murren selbst die Söhne
Apollens auf den Mislaut ihrer Töne.
Eh bei mir selbst mein Lied den halben Beifall fand,
Sind sieben Lenze hingegrünet,
Und ob es bei der Welt den Beifall noch verdienet,
Bleibt mir noch zweifelhaft, noch immer unbekannt.
Von der Natur gewaltig fortgetrieben
Hab ich Gedanken hingeschrieben,
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Erst niedrig, ohne Schmuck, und rauh,
Ich wählte, ich verwarf; so wirft ein Kind den Bau
Von Karten auf dem Tische nieder,
Hebt schnell die Blätter auf, und baut das Häuschen wieder
Und freuet des Geschöpfes sich.
Ich baute eben so, war kühn, blieb unverdrossen,
Wenn gleich mein Lied nicht Meisterliedern glich;
Du aber wurdest ärgerlich,
War Dir der Vers nicht halb geflossen.
Sei dankbar der Natur; sie gab Dir Fähigkeit
Zu Werken, die ich nicht verstehe.
Du machst Dir selbst im Anwand Deiner Zeit
Den weißen Puz, den ich im Laden suchen gehe,
Sei glücklich in der Welt! ward nicht die Muse Dein,
So soll ein Musenfreund Dir mehr als Phöbus seyn!
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Notes
Entstehungszeit unbekannt.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Karsch, Anna Louisa. An Mademoiselle Sack. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-904F-2