12. Der Liebhaber ohne Eifersucht

Ja, neiderfüllter Buhler Seelen
Mag ihrer Schönen Auge quälen,
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Wenn es nach Andern seitwärts zielt;
Doch, daß ich Chloris stärker liebe,
Macht, weil sie zärtlich heiße Triebe
In Jedem wirkt, für Jeden fühlt.
Ein einzig Herze zu besiegen,
Kann schlechter Schönen Geist vergnügen;
Kein Wunsch ist, der sich weiter regt,
Wenn einer nur im Sklavenstande
Der matten Reizung schwache Bande
Mit Treue voller Einfalt trägt.
So lebt in's Erdballs kleinstem Stücke
Ein blöder Fürst in schlechtem Glücke,
Den kaum sein Hof, sonst Niemand kennt;
Sein Ländchen kann kein Feind verringern;
Doch Chloris gleicht den Weltbezwingern,
Ihr Unterthan ist, wer sie nennt.

Notes
Entstanden 1744. Erstdruck in: Belustigungen des Verstandes und des Witzes, Bd. 7, 1744.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Kästner, Abraham Gotthelf. 12. Der Liebhaber ohne Eifersucht. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-969A-4