XLV

Alexander versuchte noch am nächsten Morgen eine Messe zu lesen. Der Kopf fiel ihm seitwärts an die Schulter eines Kardinals, der ihn stützte. –

In seinem Bett wand sich Alexander vor Schmerzen.

[248] Er hatte ein brennendes Gefühl, das vom Kehlkopf über die Speiseröhre bis in den Magen ging.

Die Haut schuppte sich.

Pusteln traten hervor.

Er erbrach grüngelbe Galle. –

Er ließ sich von seinem Leibarzt das Blut eines jungen Mannes einspritzen, der an Verblutung zugrunde ging.

Es half nichts.

Gift – dachte er – er hat mich vergiftet –

er selbst, Cesare, mein Kindchen, mein Söhnchen,

hat mich vergiftet –

oder – wer sonst?

Cesare soll zu mir kommen!

Der Diener brachte den Bescheid, der Herzog läge selbst schwer krank danieder.

Der Papst dachte:

er lügt, er simuliert.

Das Fieber breitete sich in rosa und dann in feuerroten Wolken über ihn aus.

Plötzlich trat im langen, schwarzen Rock und gesteifter weißer Krause, halb wie ein Arzt, halb wie ein Richter anzusehen, der [249] Tod durch den roten Nebel ins Zimmer.

Der Papst fuhr aus den Kissen:

Quid mors seva petis?

Der Tod sprach:

Te.

Me – quis jure?

Quod hora en properat.

Heu mihi –

Quid luges?

Parum vixisse.

Lucrezia – Cesare – er hatte sie plötzlich vergessen.

Wo war Julia? Julia me miserum non defendis: amavi si te corde magis. Julia, ich habe dich von Pinturicchio als Madonna malen lassen – mich selbst in Anbetung davor versunken. So hilf mir doch jetzt, Madonna Julia!

Nemo potest te juvare.

Ergo mihi moriendum est?

Est.

Ich will dir beichten –

Laß, du brauchtest ein neues, zweites Leben zur Beichte. So viel Zeit habe ich nicht. Beichte dem Teufel. –

Ein Weib, schrie der Papst, als er aus langer [250] Ohnmacht erwachte, ein Weib wird mich gesund machen!

Auf einem Weibe liegend traf im Spiegelzimmer den Papst der Herzschlag.

Die Spiegel warfen seinen letzten Lebensblick hundertfach in den Raum zurück.

Schreiend floh seine letzte Geliebte, eine junge Wäscherin, die ihm ihre Mutter zugeführt hatte.

Der mächtige Leib des gewaltigen Greises wollte nicht sterben.

Als schon die Seele ihn verlassen, schäumte der Mund noch wie ein Kessel überm Feuer, und der Bauch schwoll mächtig an.

Seine Füße auch zuckten, als ob sie sich noch einmal anschicken wollten, diese Erde zu betreten.

Solange man nicht sicher war, ob er nicht noch lebe und wieder aufstünde, wagte sich niemand im Guten oder Bösen an sein Lager.

Als aber die Ärzte seinen Tod unwiderruflich bestätigten, da gab es keinen Halt mehr.

[251]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Klabund. Romane. Borgia. 45.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-AB79-3