[289] [291]Trauerrede über das Leiden seines Erlösers

[291] Zuschrifft

An den Woledlen und Gestrengen Herrn Bartholome Wolfsberg/ Ihrer Hochfürstl. Durchl. Carl Gustavs/Pfaltzgrafens bey Rhein/ in Bäyern/ etc. Rahte und hochbetraueten Secretarien/ etc. seinem höchstgeehrten Herrn und vielgeneigten Gutthätern.


[292] Woledler und Gestrenger/ insonders hochgeehrter Herr/ etc.

Drey Dinge sind auf dem Erdboden/ die aller Macht mächtigst widerstreben/ und alle Lebzeiten überleben/ der Marmor/ das Eisen und der Demant: Noch dennoch wird der harte Marmorstein von dem weichen Regenwasser außgehölet/ das Feuer erweichet das Eisen/ und den Demant zwinget das warme Bocksblut: Müste demnach ein Christenhertz härter dann ein Marmor/ kälter dann ein Eisen/ unbändiger als ein Demant seyn/ welches nicht der Threnenregen/das hitzige Liebsfeuer/ und häufigvergossene Blut Jesu Christi/ deß rechten Versöhnbocks/ bewegen solte.

Nicht allein das geschriebene Buch Gottes/ nicht allein die H. Kirchväter strengen uns dazu an: Sondern so gar auch die leblosen Geschöpfe stellen uns den gecreutzigten Jesum vor.

Der Morgenländische Jaspis zeiget dessen dorngekröntes Haubt/ threnende Aeuglein/ und mit blutunterlauffene Wangen; daß einer sagen solte: der Abgelebte lebte noch in einem toden Steine. Die Reiserfahrnen wissen viel herzusagẽ/ wie die Fußstapfen[293] deß Allerheiligsten annoch am Oelberge gesehen werden. Es darff nicht mehr Aufgebens/ zu errahten/ wo die Namen der Könige in Blumen stehen; Die Granadill/ wie sie billichst aller Blumen Blume heisset: Also ist sie auch ein von Gott außgesonnenes und gestaltes Sinnbild/ in der das Ableben deß Königs aller Könige mit höchster Verwunderung anzuschauen; Die/ wann sie in unsern Gärten daherwächset/ und künftigst blühet/ lädet sie uns zu deroselben Betrachtung ein/ zurufsende: Euch sag ich allen/ die ihr fürübergehet/ schauet in mir den Schmertzen/ der meinẽ und euren Schöpffer betroffen hat. Diß ist der Blumenpüschel/ der zwischen den Brüsten der Christlichen Kirche hängen soll; Diß ist die Blume/ an welche die Kirchkinder ihre einzige Lust haben sollen.

Weil aber sonsten die jenigen/ die etwas schrifftliches an Tag geben/ mit den Vögeln verglichen werden: Also auch ich/ der ich je zu Zeiten etwas schreibe/ begehre nicht denen hochfliegenden Adlern zu ähnlichen/ sondern lasse mir begnügen ein kleines Honigvöglein zu seyn/ als welches das Passionblümlein angetroffen/ auf dessen zugespitzte Blätlein sich gesetzet/ die Staupseule/ Dornekrone/ Nägel/ H. fünf Wunden/ und Bande besichtiget einen wolgeschmacken Safft darauß gesogen/ und gegenwärtiges Wercklein darauß zubereitet; Nicht [294] die Bücherschreine darmit anzufüllen oder zu bereichern/ sondern Jesus und der Teutschen Dichtkunst (darinnen es abgefasset) Liebhabern etwas von diesem heiligeingetragenen Honige mitzutheilen. Als der streitbare Held Simson einst Honig in einem Bienenschwarme angetroffen/nam er es zwar in seine Hand und aß darvon unterwegen/ gieng hin zu seinen gutthätigen Eltern/ und gab ihnen auch/ daß sie assen/ (in dem Buch der Richter am 14/ 8. 9.) Nichts Neues ist es/ Woledler Herr/ daß wol ehe die Bienen in den Leib eines Crucifixbildes Honig eingetragen: viel minder dieses/ daß ein Streiter/ unter dem Blutfähnlein Christi/ Honig in dem Creutzase deß Löwens vom Stamme Juda/ wie ich hier/ üm diese H. Zeit/ findet/ und wie Simson seinen wolgewolten Gutthätern davon zu essen gibt. Als Jonathan/ König Sauls Sohn/ ermüdet und ermattet war/aß er Waldhonig/ und wurde dadurch mercklich gestärcket/ (1. B. Sam. 14/ 27.) Aus dem aufgeritzten Lebensbaume Christo Jesu rinnet Honig/ Honig/ der die Todschwachen labet/ der die Hertzbetrübten tröstet.

Woledler Herr/ dergleichen Himmelhonig träget meine Clio/ als ein angekleidete Klagfrau/ in dieser Trauerrede vor/ wartet vor Ihr Gestrengen [295] Zimmer demütigst auf/ selbige zu begrüssen/ weiln Ihr dero Namẽ rühmlichst an die Stirn geschrieben/ folget hierinnen Simson/ und fertiget sie zu dem/ der Ihr solche Gutthaten erwiesen/ die Sie hier lieber mit danckbarem Stillschweigen ehren/ als mit einer nicht gemässen Rede verunehren will. Vnd wem gehörete sie wol billicher als Ihr Gestreng/ einem beflissenen Mitgliede der höchstlöblichsten Fruchtbringenden Gesellschafft? Warlich es siegprachtet die Teutsche Dichtkunst und wird ferner siegprachten durch Zuthun so hoher Leute. Wer wird sich ferner erkühnen/ sie anzufeinden/ wann dero Feinde sehen/ daß sie in so hohem Ansehen; Es soll und muß sie die gelehrte Welt für ein herrlichs/ ja göttlichs Eingeben außgeben/ weiln sie Fürsten/ Grafen/ Freyen und Herren/ die dem unsterblichẽ Gott am nechsten/ selbsten treiben/ und hochhalten.

Verhoffentlich werden Ihre Gestr. diese meine leidtragende Clio einlassen/ und von deroselben diese Trauerrede/ darinnen das allersüsseste Himmelhonig verborgen/ annemen/ in Betrachtung/ daß Ihr Gestr. in diesem düstren wilden Weltwalde manchen anstossenden Abkräfften eine Seelenlabende Krafftmilch und bewährte Hertzstärckung [296] daran aufhebet/ dadurch sie/ wie dort Jonathan/ neue Kräffte überkommen/und dann zu einem andern und bessern Leben gelangen kan. Nürnberg den 25. deß Mertzens im Heiljahr 1650.

Ihrer Woledel Gestr. unterdienstlicher Johann Klaj.

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TextGrid Repository (2012). Klaj, Johann. Gedichte. Friedensdichtungen. Trauerrede über das Leiden seines Erlösers. Zuschrifft. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-AE9C-3