[20] Wink

Der Grieche sang in lyrischem Ton Bürgergesetz.
Verwandter sind die Gesetze der Kunst dem lyrischen Ton;
So dürfen wir ja auch wohl ein ernsteres Wort
In die Tafel graben. Wir dürfen nicht; aber wir thun's.
Der Dichter, dem es noch nicht da sich entschleyerte,
Dass die Freude der edlen öfter schweigt,
Als selbst ihr mächtigster Schmerz,
Der wanket schon an der Schwelle des Heiligthums.
Aber der unanstossendes Schrittes
In den Tempel trat der Kunst, diesem muss,
Für jede Kentniss, die dort zeiget, oder warnt,
Dennoch den Blick schärfen der Genius,
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Bevor er lernt, was die edlen dann,
Wenn in Stimme sich nun ihr Verstummen wandelt,
Dann sagen, und welche Worte der Wahl sie würdigen,
Wenn sich nun ihr Verstummen wandelt!
Bevor er geweiht, und, an der Hand
Der Entdeckung, so tiefer Erfinder wird,
Dass zu seiner Saite Klang mit der vollen
Harmonie das Herz der Hörenden klingt!
Wenn je die Stirn der Kunst mit Ernste gebot,
So war es hier; sie gebot: Wie Raphael bildete, Gluck
Mit dem Tone vereinte den Ton, so vollende der Dichter,
Mehr noch, treffender noch, wenn es Freude gilt!
Freude, Freude, du Himmelskind!
Danksagend küsst er den Zauberstab,
Von dem, als du damit ihn berührtest,
Ein heiliger Funken ihm in die Seele sprang.

Notes
Entstanden 1778. Erstdruck in: Klopstocks Werke, 2. Bd., Leipzig (Göschen) 1798.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Wink. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B2C4-4