[9] Zweytes Lied

Sie kommen, Cramern gehet in Rythmustanz,
Mit hochgehobner Leyer Iduna vor!
Sie geht, und sieht auf ihn zurücke,
Wie auf die Wipfel des Hains der Tag sieht.
Sing noch Beredtsamkelten! die erste weckt
Den Schwan in Glasor schon zur Entzückung auf!
Sein Fittig steigt, und sanft gebogen
Schwebet sein Hals mit des Liedes Tönen!
Die deutsche Nachwelt singet der Barden Lied,
(Wir sind ihr Barden!) einst bey der Lanze Klang!
Sie wird von dir auch Lieder singen,
Wenn sie daher zu der kühnen Schlacht zeucht.
Schon hat den Geist der Donnerer ausgehaucht,
Schon wälzt sein Leib sich blutig im Rheine fort,
Doch bleibt am leichenvollen Ufer
Horchend der eilende Geist noch schweben.
[10]
Du schweigest, Freund, und siehest mich weinend an.
Ach warum starb die liebende Radikin?
Schön wie die junge Morgenröthe,
Heiter und sanft, wie die Sommermondnacht.
Nim diese Rosen, Gieseke; Velleda
Hat sie mit Zähren heute noch sanft genässt,
Als sie dein Lied mir von den Schmerzen
Deiner Gespielin der Liebe vorsang.
Du lächelst! Ja, dein Auge voll Zärtlichkeit
Hat dir mein Herz schon dazumal zugewandt,
Als ich zum erstenmal dich sahe,
Als ich dich sah, und du mich nicht kantest.
Wenn einst ich todt bin, Freund, so besinge mich!
Dein Lied voll Thränen wird den entfliehenden
Dir treuen Geist noch um dein Auge,
Das mich beweint, zu verweilen zwingen.
Dann soll mein Schutzgeist, schweigend und unbemerkt,
Dich dreymal segnen! dreymal dein sinkend Haupt
Umfliegen, und nach mir, der scheidet,
Dreymal noch sehn, und dein Schutzgeist werden.
[11]
Der Thorheit Hasser, aber auch Menschenfreund,
Allzeit gerechter Rabner, dein heller Blick,
Dein froh und herzenvoll Gesicht ist
Freunden der Tugend, und deinen Freunden
Nur liebenswürdig; aber den Thoren bist
Du furchtbar! Scheuche, wenn du noch schweigst, sie schon
Zurück! Lass selbst ihr kriechend Lächeln
Dich in dem rügenden Zorn nicht irren.
Stolz, und voll Demuth, arten sie niemals aus!
Sey unbekümmert, wenn auch ihr zahllos Heer
Stets wüchs', und wenn in Völkerschaften
Auch Philosophen die Welt umschwärmten!
Wenn du nur Einen jedes Jahrhundert nimst,
Und ihn der Weisheit Lehrlingen zugesellst;
Wohl dir! Wir wollen deine Siege
Singen, die dich in der Fern erwarten.
Dem Enkel winkend stell' ich dein heilig Bild
Zu Tiburs Lacher, und zu der Houyhmess Freund;
Da sollst du einst den Namen (wenig
Führeten ihn) des Gerechten führen!

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TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Gedichte. Oden. Erster Band. Wingolf. Zweytes Lied. Zweytes Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B362-7