[114] Der Gottesleugner

Du fragest sie auch die ernste Frage, die schreckliche:
Auf welcher Stufe der Geister
Steht, wer den Gottesleugner
Nicht für rasend hält?
»Die schreckliche?« Ja die schreckliche!
Denn hältst du ihn, der ein Stolzer ist! ein Empörer ist!
Weiter nichts ist! für einen Denker den;
So ist die Stufe, worauf du stehest, zu tief!
So kanst du werden, was er ist,
Ein Rasender!
Ein Feiger, (Rasende sinds) so Vernichtung
Glaubet, leben mag, sich nicht vernichtet!
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Aber ich sucht', und ich fand Entschuldigung
Für den Feigen, der ist, und dem doch Gott nicht ist.
Entscheid', ob ich die rechte fand. Er denket sich,
Ohne Gott! hat sich dadurch nur nicht ganz vernichtet!
Schleichet, bebt, zweifelt umher;
Des Gespenstes Gedanke (sein Wort leugt Tiefsinn)
Ist dem Traume gleich,
Welcher vom Traume träumt.

Notes
Entstanden 1786. Erstdruck in: Klopstocks Werke, 2. Bd., Leipzig (Göschen) 1798.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Der Gottesleugner. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B4F9-B