[3] Theodor Körner
Zriny
Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Personen

Personen.

    • Soliman der Große, türkischer Kaiser.

    • Mehmed Sokolowitsch, Großwesir.

    • Ibrahim, der Begler Beg von Natolien.

    • Ali Portuk, oberster Befehlshaber des Geschützes.

    • Mustafa, Pascha von Bosnien.

    • Levi, Solimans Leibarzt.

    • Ein Bote.

    • Ein Aga.

    • Niklas, Graf von Zriny, Ban von Kroatien, Dalmatien, Sclavonien, Tavernikus in Ungarn, Oberster von Sigeth.

    • Eva, geborene Gräfin Rosenberg, seine Gemahlin.

    • Helene, ihre Tochter.

    • Kaspar Alapi,
    • Wolf Paprutowitsch,
    • Peter Vilady,
    • Lorenz Juranitsch, , ungarische Hauptleute.

    • Franz Scherenk, Zrinys Kammerdiener.

    • Ein Bauer.

    • Ein ungarischer Hauptmann.

    • Ungarische Hauptleute und Soldaten.

    • Türken.

1. Akt

1. Auftritt
1. Auftritt.
Soliman sitzt tiefsinnig, den Kopf auf die Hände gestützt, im Vordergrunde. Levi kömmt durch den Haupteingang.

LEVI.
Mein kaiserlicher Herr hat mein verlangt? – –
Ihr habt mich rufen lassen, großer Sultan? – –
Der Sklave harrt auf seines Herrschers Wink. – –

Beiseite.

Noch immer keine Antwort! –

Laut.

Herr und Kaiser!
Verzeiht's dem treuen Knechte! – Seid Ihr krank?
Herr, Ihr seid krank! –
SOLIMAN.
Wär' ich's, du hilfst mir nicht! –
LEVI.
Doch, großer Herr, doch! – traut dein alten Diener!
Wenn's einer kann, ich kann's. Ich gab Euch Proben
Von meiner Treue wie von meiner Kunst.
Seit vierzig Jahren schleicht mein scharfes Auge
Dem Wandeln Eures Lebens forschend nach.
Was ich von hohen Meistern früh erlernte,
Was die Natur mir später selbst bekannt,
Auf Euch begrenzt' ich alles Wissens Ende.
Ich kenne Eures Lebens tiefsten Bau,
Vertraut mit seinen Kräften, seinen Wünschen. –
Des Arztes Kunst sei allgemeines Gut,
Wohl weiß ich das und mocht' es treu erfüllen;
Denn Euer Wohl war mir der Menschheit Leben:
Ein Held und Kaiser gilt ein ganzes Volk!
SOLIMAN.
Ich kenne dich und kenne deine Treue,
Und deine Kunst hat sich mir oft bewährt;
Drum hab' ich dein verlangt. – Sprich unverhohlen!
Wie weit steckst du noch meines Lebens Ziel? –
Zeig' dich, wie ich dich immerdar gefunden,
Als treuen Knecht, mit offnem, gradem Sinn! –
Wie lange soll ich leben? – Ich will Wahrheit! –
LEVI.
Herr! diese Frage kann nur der dort lösen;
An diesen Rätseln scheitert meine Kunst.
SOLIMAN.
O Stümperei des armen Menschenwitzes! –
Des Lebens innern Bau wollt ihr verstehn,
[4] Der Räder heimlichstes Getrieb berechnen,
Und wißt doch nicht, wie lang das Uhrwerk geht,
Wißt nicht, wann diese Räder stocken sollen!
LEVI.
Mein großer Herr! schmäht nicht die edle Kunst! –
Die enge Grenze ward von Gott gezogen,
Und in die stille Werkstatt der Natur
Hat keines Menschen Auge noch gesehn.
Erklären mögen wir des Lebens Weise,
Sein Keimen, seine Blüten, seinen Tod;
Doch in das Chaos ferner Möglichkeiten
Verliert sich traurig der bedrängte Geist,
Wenn er's versucht, dem Rätsel abzulauschen,
Was sechs Jahrtausende noch keinem Ohr vertraut. –
Ich kann Euch sagen: dieser Nerven Stärke,
Dies Feuer, das im Heldenauge glüht,
Und Eurer Seele rüstige Begeistrung,
Sie deuten mir auf manches volle Jahr,
Das Euch der güt'ge Gott noch zugemessen;
Doch nicht bestimmen mag ich's mit Gewißheit,
Und nur ein Gaukler rühmt sich dieser Kunst. –
SOLIMAN.
Noch manches volle Jahr? – war's nicht so, Levi? –
LEVI.
Wenn Ihr Euch schont und mit verwegner Hand
Nicht eigenmächtig Eures Lebens Fäden,
Nicht eigenmächtig Eure Kraft zerstört,
So darf ich gern zehn Jahre Euch versprechen;
Doch schonen müßt Ihr Euch! – Euch war's vergönnt,
Bis an des Greisenalters dürre Schwelle
– Was Gott nur wenig Herrlichen verhieß –
Die Kraft, den Ruhm, das Glück Euch treu zu fesseln
Und noch des Lorbeers frischen Blütenkranz
Durch Eurer Locken Silber zu verflechten.
Nun ruhet aus, mein großer Held und Kaiser!
Ruht aus auf Euern Siegen! Was ein Gott
Noch Euern Tagen zugezählt, die kleine Weile
Genießt im kühlen Schatten Eures Ruhms!
Euch gab der Himmel mehr als Menschenleben,
Ihr habt für eine Ewigkeit gelebt!
SOLIMAN.
Still, Alter! still! – Mehr hab' ich nicht verlangt!
Zehn Jahre gibt mir deine Kunst, wenn ich
In lasser Ruhe mich begraben wollte?
Mein Leben ist der rüst'gen That gewohnt, –
So wird's doch noch ein Jahr des Kriegs ertragen.
Mehr brauch' ich nicht! – Geh, rufe mir den Mehmed! –

Levi geht ab.
2. Auftritt
[5] 2. Auftritt.
Soliman allein.

Ich soll mich schonen? – soll den Funken Kraft,

Der in den alten Heldengliedern schlummert,

Im müß'gen Leben langsam sterben sehn? –

Wie ich auftrat, da hat die Welt gezittert;

Die Welt soll zittern, muß ich untergehn! –

Das ist das große Götterlos der Helden! –

Geboren wird der Wurm und wird zertreten,

Und nichts bezeichnet seines Lebens Spur;

Das Volk verjüngt in kriechenden Geschlechtern

Sein armes Dasein, und der Niedre schleicht

Unangemeldet in und aus dem Leben;

Doch, wo ein Held, ein Herrscher kommen soll,

Da ruft's ein Gott in seiner Sterne Flammen,

Er tritt verkündigt in die starre Welt,

Das Leben ist auf seine That bereitet. –

Wenn dann der Tod den Siegenden bezwingt,

So weckt Natur tausend geheime Stimmen

Und läßt es ahnend seiner Zeit verkünden,

Daß sich der Phönix in die Flammen stürzt. –

Ich hab' gelebt, ich fühl's, für alle Zeiten,

Und an die Sterne knüpft' ich meinen Ruhm. –

Die Welt, die flammende, hätt' ich bezwungen,

Wär' ich der einz'ge Held in meiner Zeit;

Doch große Männer lebten mein Jahrhundert,

Und große Helden standen wider mich.

Ich darf mich nicht des Glückes Liebling schelten,

Ich hab's mit Kraft dem Schicksal abgetrotzt,

Was es dem Bittenden verweigern wollte. –

Was hat die Alexander groß gemacht?

Was hat die Welt den Römern unterworfen? –

Kein Kaiser Karl stand ihnen gegenüber,

Kein La Valette wehrte ihrem Sieg. –

Karl! Karl! Du hättest jetzt nicht leben sollen,

Und dein Europa läg' zu meinen Füßen! –

Drum ruf' ich dich zum letzten großen Kampf,

Haus Oesterreich! – jetzt rüste deine Fahnen,

Held Soliman will siegend untergehn!

Auf den erstürmten Mauern deines Wien,

Die alte Schmach in deinem Blute tilgend,

Verkünd' ich dem Jahrhundert mein Gesetz. –

Auf, Deutschland, auf! versammle deine Helden!

[6] Du fällst für deine Freiheit, deinen Gott! –

Die Welt soll's wissen, daß der Löwe stirbt,

Und Wien soll seine Todessackel brennen!

3. Auftritt
3. Auftritt.
Soliman. Mehmed Sokolowitsch.

MEHMED.
Mein Herr und Kaiser rief nach seinem Diener,
Und seines Winks gewärtig steh' ich hier.
SOLIMAN.
Gib den Befehl zum Aufbruch, Großwesir!
Die Zeit ist kostbar, der Entschluß ist reif;
Die frische That soll ihre Kraft bewähren!
MEHMED.
So schnell, mein Kaiser?
SOLIMAN.
Ist man je zum Sieg
Zu früh gekommen? – Wer am Ende steht
Wie ich, der weiß der Stunde Glück zu schätzen.
Auch an des Großherrn heil'ge Majestät
Wagt es die Zeit die starke Hand zu legen,
Auch eines Kaisers Heldenlocke bleicht! –
Drei Dinge will ich noch vollendet wissen,
Und ist mir sonst das Schwerste wohl gelungen,
Es gilt mir wenig, wenn des Schicksals Spruch
Und meines Lebens abgelaufne Kette
Die letzten Wünsche tückisch mir versagt. –
Der Tempel Gottes muß vollendet stehn,
Den ich in meiner Kaiserstadt gegründet;
Gleichwie der Wasserleitung kühner Bau,
Ein Werk, das große Namen schon verherrlicht
Und späten Enkeln sagt: wie sich der Bogen
Verwegen über seine Thäler schlägt,
So warf der Held, des Name ihn bezeichnet,
Das Los der Kriege über Völkerschictsal,
Den Weg sich bahnend zur Unsterblichkeit!
MEHMED.
Wenn dich sonst nichts an dieses Leben knüpft,
Das du mit deiner Thaten Glanz erfülltest,
So weint die Welt bald um den größten Mann,
Den sie in ihren Kreisen je bewundert;
Denn die Moschee wölbt schon ihre Kuppel,
Ein achtes Wunder, der Vollendung zu,
Und wenig Sonnen wirst du nur begrüßen,
Bis dir die Nachricht kommt, der Riesenbau
Der stolzen Aquädukte sei geendet. –
Doch, Herr, dein dritter Wunsch? – O, nicht so klein
Begrenze das Gelüste deines Herzens!
[7] Erdenke dir das kühnste Heldenwerk,
Wo Menschenalter noch verwesen müssen,
Bis es vollendet in das Leben tritt –
Du hast des Schicksals Donner dir gewöhnt,
Du hast dem Glücke Achtung abgezwungen:
Mach' das Unmögliche zu deinem Ziel,
Die Zeit wird deinen Heldenstarrsinn ehren
Und reißt dich nicht aus deiner Siegerbahn,
Bis du auch diese Lorbeern dir errungen.
SOLIMAN.
Mein dritter Wunsch ist das erstürmte Wien!
Mit seinen Mauern ist der Weg gebrochen,
Der in das Herz der deutschen Christenheit
Den halben Mond durch blut'ge Siege führt.
Dann tret' ich willig aus dem Heldenleben,
Den Söhnen öffn' ich eine stolze Bahn.
Das kommende Jahrhundert will auch Thaten.
Nur halb bezwungen erben sie die Welt,
Die andere Hälfte mag ihr Schwert erkämpfen. –
Jetzt gilt es Wien! Ruf mir des Heeres Fürsten,
Daß ich mit euch den Siegerzug berate;
Denn schneller That bedarf die flücht'ge Zeit.
MEHMED.
Sie harren, deines Herrscherwinks gewärtig,
Im Vorgemach auf ihres Kaisers Ruf.
SOLIMAN.
Wer alles?
MEHMED.
Mustafa von Bosnien,
Der Ali Portuk, Ibrahim.
SOLIMAN.
Die ruf mir! –
Versuchte Helden sind's durch lange Zeit.
Die Stimmen zählt man nicht in solcher Stunde.
Man wägt die Stimmen nach dem innern Werte;
Der Starke nur spricht ein entscheidend Wort. –
Ruf mir die Fürsten!

Mehmed geht ab.
SOLIMAN
allein.
Alter, kühner Geist! –
So lange nur bleib deinem Helden treu,
Und mit dem Siegesdonner magst du scheiden! –
4. Auftritt
4. Auftritt.
Soliman. Mehmed. Ali Portuk. Mustafa. Der Begler Beg.

SOLIMAN.
Seid mir gegrüßt, ihr Stützen meines Throns!
Willkommene Gesellen meiner Siege,
Seid mir gegrüßt!
ALI.
Mein großer Herr und Kaiser!
[8] Dein edler Großwesir hat uns vertraut,
Wie du den Aufbruch heute noch geboten;
Wir harren deines Winks, erhabner Held,
Gewohnt, für dich und des Propheten Ehre
Mit freud'gem Mute in den Tod zu gehn.
SOLIMAN.
Zum Siege sollt ihr gehn, und nicht zum Tode.
Ihr wißt's, wie mir der Deutsche, Maximilian,
Der sich den röm'schen Kaiser schelten läßt,
Schon seit zwei Jahren den Tribut verweigert,
Auch Tokai, meine Burg, zurückbehielt;
Nun aber schwör' ich's bei dem ew'gen Gott:
An diesen Deutschen, diesen Christenhunden,
Die lange Schmach mit blut'gem Schwert zu rächen,
Ausrottend dies verrätrische Geschlecht,
Das unsern heiligen Propheten schändet
Und einem falschen Gotte sich ergab! –
Der halbe Mond soll herrschen auf der Erde,
Und kann er das, wenn dieses Ungarland
Die ersten Schritte schon begrenzen will
Und deutsche Knechte ihm den Weg vertreten? –
Drum will ich Krieg!
MUSTAFA.
Mein Volk harrt deines Winks,
Und kampfbegierig jauchzt es dir entgegen.
ALI.
Für deine Scharen bürgt der Führer Mut!
DER BEGLER BEG.
Gib ihnen Raum, die Treue zu bewähren.
MEHMED.
Der Janitscharen wohlgerüstet Heer,
Das kampfversuchte kühne Heldenvolk,
Das treu auf deinen Zügen dich begleitet,
Ruft Siegeslieder seinem Kaiser zu,
Nach diesem Christenkampfe wild verlangend.
SOLIMAN.
Nicht an Gelegenheit soll's ihnen fehlen.
Die Ungarn kenn' ich, wie der Deutschen Volk,
Und wackre Streiter rühm' ich meine Feinde.
ALI.
Der beßre Gegner weckt den größern Mut.
DER BEGLER BEG.
Es kämpft der Held am liebsten mit dem Helden.
MUSTAFA.
Der Sieg wird schwerer, doch er bleibt gewiß,
Denn unser Feldgeschrei heißt: Soliman!
MEHMED.
Drum grüß' ich dich, erhabner Großsultan,
Der erste deiner Sklaven, deutscher Kaiser!
Das Schwert des Allah nennt dich dein Jahrhundert,
Und Gottes Geißel nennet dich der Christ.
Furchtbar gerüstet stehst du diesmal auf,
Kein größer Heer hat Ungarn je betreten:
An zweimal Hunderttausend zählt dein Heer,
Die Völker aller Bassen kaum gerechnet.
[9] Der Hamsa Beg steht mächtig an der Drau.
Die Brücke dir zum Uebergang zu schlagen,
Und Mehmed Beg streift siegend schon bis Sziklas.
Auf leichten Flößen ging der kühne Feldherr
Bei Nachtzeit über den empörten Strom,
Ins Herz von Ungarn dir den Weg zu bahnen.
SOLIMAN.
Der Sieg begleite seinen Mut! – Nun, Fürsten,
Nun gilt's! – Entweder nehmen wir den Weg
Mit raschen Schritten nach des Reiches Hauptstadt
Und lassen Sigeth unbestürmt und Gyula
– Der andern Festen lohnt's der Mühe nicht –
Und nur von wenig Volke hart umzingelt;
Wo nicht, so werfen wir die ganze Macht
Auf diese Felsenschlösser, stürmen sie
Und gehen dann dem deutschen Heer entgegen,
Das Maximilian bei Wien versammeln will. –
Sag' deine Meinung, Großwesir!
MEHMED.
Mein Kaiser,
Mir deucht es sichrer, mehr des Helden würdig,
Den Feldzug mit dem Sturme dieser Festen,
Die unsre Macht in manchem Kampf gehöhnt,
In fürchterlicher Strenge zu beginnen.
Der Niklas Zriny, der Gefürchtete,
Ist jetzt in Wien, wie meine Boten melden;
Leicht überrumpeln wir das stolze Sigeth,
Wenn dieser Heldensäbel feiern muß.
Dann frisch auf Wien und auf das Heer des Kaisers!
Ein blut'ger Tag entscheide dort den Sieg!
ALI.
Wenn Zriny fern ist, stimm' ich gern dir bei,
Dann nehm' ich Sigeth mit dem ersten Sturm;
Doch, wär' er da, – ich kenne diesen Helden, –
So mögen wir im mondenlangen Kampf
An Sigeths Mauern uns den Kopf zerbrechen.
SOLIMAN.
Gilt dir der einz'ge Mann solch großen Wert,
Daß du die oft geprüfte Heldenstärke
Ungern an diesen Abenteurer wagst?
ALI.
Zeih deinen Sklaven keiner niedern Furcht.
Hast du des Zriny Thatenruf vergessen,
Der gegen uns in der Belagrung Wiens
Vom Kaiser Karl den Ritterschlag verdiente,
Ein zarter Jüngling noch? Jetzt ist's ein Mann,
Und deine Völker, die sonst keinen scheuen,
Gewohnt, dem Tode ins Gesicht zu treten,
Erschrecken, wenn sie seine Fahnen sehn.
DER BEGLER BEG.
Auch ich, Herr, stimme Alis Rede bei!
[10] Sigeth belagert, wenn der Zriny fern ist;
Sonst sei's umzingelt, wie mein Kaiser sprach.
Von Gyula hast du wenig zu befürchten.
MUSTAFA.
Der Begler Beg gab ein bedachtes Wort,
Und meine Meinung hat er mit gesprochen.
SOLIMAN.
Mit eurem Zriny! Großherr Soliman
Ist nicht gewohnt, daß ihn ein ganzes Heer
Aus seines Plans gewalt'gem Gleise zwinge,
Und soll an einer einz'gen Heldenbrust
Den Anstrom seiner Wellen brechen lassen? –
Fern oder nicht, wir gehen nicht auf Sigeth,
Grade nach Wien, das ist des Kaisers Wille!
Im Herzen Ostreichs schlagen wir die Schlacht.
5. Auftritt
5. Auftritt.
Vorige. Ein Aga.
Aga sagt dem Mehmed etwas in Ohr.

MEHMED.
Ich lass' dem Santschak danken für die Nachricht.

Aga geht ab.
SOLIMAN.
Was gibt's, Wesir?
MEHMED.
Der Santschak Halla meldet,
Daß Niklas Zriny, längst von Wien zurück,
Mit seiner Schar nach Sigeth sich geworfen;
Es schein', als wisse er von unserm Plan.
ALI.
Auf, großer Kaiser! das ist Allahs Finger!
Führ' uns nach Wien, Sigeth bleib' ungestürmt.
Führ' uns nach Wien, dort sei die Schlacht geschlagen!
MEHMED.
MUSTAFA. DER BEGLER BEG.
Führ' uns nach Wien, dort sei die Schlacht geschlagen!
SOLIMAN.
Was? seid ihr Männer? sind das meine Helden,
Die eines Namens leerer Klang erschreckt? –
Ich legte mir die halbe Welt zu Füßen,
Und solche Furcht rühmt sich kaum Soliman
In seiner Feinde Herz getaucht zu haben,
Als dieser Christenhund von euch erzwang.
Jetzt ist's bestimmt! jetzt ist's! wir stürmen Sigeth!
Ich will ihn kennen lernen, diesen Popanz,
Der meinen besten Helden Furcht gelehrt.
MUSTAFA.
Bedenke, Herr –
SOLIMAN.
Kein Wort, bei Todesstrafe!
Wir stürmen Sigeth! – Großwesir! zum Aufbruch!
Mein Kaiserzorn hat Asien zermalmt,
[11] Und dieser Ungargraf will mich verhöhnen?
Das soll er büßen! Auf dem Schutt der Feste
Pflanz' ich für diesen Frevel seinen Kopf!
6. Auftritt
6. Auftritt.
Vorige. Der Aga. Dann ein Bote.

AGA.
Ein Bote wartet, großer Herr und Kaiser,
Vom Hamsa Beg auf günstiges Gehör.
SOLIMAN.
Er komme!

Aga geht ab.
DER BOTE
tritt ein.
Allahs Segen über dich,
Erhabner Großherr!
SOLIMAN.
Sprich, was bringst du mir?
BOTE.
Dein Sklave Hamsa Beg ist's, der mich sendet.
Dreimal versuchte er's mit kühnem Sinn,
Der wilden Drau die Brücke aufzuzwingen;
Der freie Strom zerschmetterte das Joch,
Und dreimal ward das stolze Werk zerrissen.
Viel deiner Sklaven fanden ihren Tod
Im wilden Sturme der empörten Wogen;
Denn ungewöhnlich ist des Wassers Höhe
Und angeschwollen von des Gießbachs Flut.
Drum bittet er von seines Kaisers Gnade,
Du wollest warten, bis der wilde Strom
In seine alten Ufer sich gezwungen;
Denn ganz unmöglich sei es deinem Knecht,
Die Brücke jetzt zum Uebergang zu schlagen.
SOLIMAN.
Was? ich soll warten? Was? unmöglich wär's?
Was ist unmöglich, wenn der Großherr will? –
Ha, der Verräter! – Geh, wirf dich aufs Pferd,
Sag' ihm: ich bräche heute auf, und find' ich,
Trotz dem empörten Element, die Brücke
In vierundzwanzig Stunden nicht geschlagen,
So häng' ich ihn an seinem Ufer auf
Und will ihn lehren, was ich möglich nenne!
Fort! fort! wenn dir sein Leben lieb ist, fort! –
Zum Aufbruch, Großwesir! Wir stürmen Sigeth!

Alle ab.
7. Auftritt
[12] 7. Auftritt.
Großes Zimmer im Schlosse zu Sigeth. Im Hintergrunde zwei Bogenfenster.
Eva und Helene aus der Thüre links.
Helene eilt furchtsam auf die Fenster zu und schaut hinunter.

EVA.
Was ängstigt dich? Was hast du, liebe Tochter?
HELENE.
Ach, gute Mutter! böse, böse Ahnung!
Weiß ich's denn selbst? – Mir ist so ängstlich hier –
Ein Wetter ist im Anzug über uns. –
Sieh nur, die stille Burg ist wie verwandelt,
An jeder Ecke steht ein kleiner Haufen,
In großer Spannung ist das Volk. Die Führer
Durchschwärmen laut das ganze Schloß. Ach Gott!
Was wird das geben?
EVA.
Tröste dich, mein Kind!
Ein kleiner Streifzug, weiter nichts, gewiß.
Wir sind an diese Dinge ja gewöhnt.
HELENE.
Nein, teure Mutter, nein, hier gilt es mehr! –
Den Lorenz fand ich atemlos im Saale,
Er kam bestaubt den Wendelstieg herauf.
Du weißt es, Mutter, wie er mit Entzücken
Mir stets entgegentritt, manch süßes Wort
Von seiner Liebe, seiner Hoffnung plaudert;
Heut stürmt' er grüßend nur an mir vorbei,
Und als ich nachrief: »Juranitsch! Was ist dir?«
So winkt' er mir: »Es gilt den Dienst, vergib mir!
Mein Herz ist dein, die Zeit verlangt der Kaiser.«
Und drauf verschwand er in des Vaters Thür.
Und wie ich jetzt durchs Kammerfenster schaute,
Warf er sich eben wieder auf das Roß
Und jagte wie die Windsbraut aus dem Schlosse.
EVA.
Macht dich das ängstlich? Mädchen, sieh mich an!
Du bist in dem Getümmel aufgewachsen
Und warst ja sonst nicht also scheuer Art! –
Helene, du wirst rot –
HELENE
ihr in die Arme fallend.
Ach, gute, liebe Mutter!
EVA.
Nun, Kind, du brauchst nicht zu erröten. Liebe
Zu einem Heldenjüngling ehrt die Jungfrau.
Die stillen Knospen, die die zarte Brust
In ihres Frühlings Träumen noch verborgen,
Die brechen wunderherrlich auf zur Blüte,
Wenn, längst verkündet durch der Sehnsucht Dämmern,
[13] Die Sonne in der Seele tagt und Liebe
Die zugeschloßnen Kelche aufgeküßt.
HELENE.
Du bist so gut!
EVA.
Und sollt' ich's denn nicht sein?
Du ahnest nicht, wie es mich glücklich macht,
Des eignen Frühlings längst verträumte Freude
Verjüngt zu sehn in meiner Tochter Glück,
Der ersten Liebe heimlich still Erwachen,
Des düstern Lebens einz'gen Sommertag
In dir zum zweitenmale zu begrüßen!
Ach, diese Zeit kehrt uns nur so zurück,
Nur in der Kinder Glück kehrt sie uns wieder!
HELENE.
Weiß denn der Vater? –
EVA.
Er vermutet's wohl,
Denn keine Meister seid ihr im Verstellen;
Der kleinste Zwang wird ja der Liebe schwer.
HELENE.
Hat er gescholten?
EVA.
Würd' ich dann so ruhig,
So heiter mit dir sprechen, liebes Kind?
»Ich suche mir den Eidam« – sprach er einst –
»Ungern unter den Fürsten dieses Landes;
Aus seinen Helden wähl' ich mir ihn aus.«
Und Juranitsch steht hoch in seiner Liebe.
HELENE.
Ach, Mutter! Mutter! ach, wie glücklich, ach,
Wie selig machst du heute deine Tochter!
Wohl ist's ein köstliches Gefühl, die Liebe;
Ich schaudre oft vor all dem Glück zurück;
Doch, ohne Vater-, ohne Muttersegen
Versöhnt kein Frieden diesen wilden Sturm.
Mild muß die Sonne sein, wo Blüten reifen,
Der Tau muß perlen, und der Zephyr wehn;
Doch, wo der Tag heißflammend niederglüht,
Versiegt der Quell, und gift'ge Winde brausen
Zerstörend über die versengte Flur.
EVA.
Da kommt der Vater, sieh!
HELENE.
Gott sei gedankt!
Er scheint mir ruhig.
EVA.
Sahst du ihn je anders?
8. Auftritt
8. Auftritt.
Vorige. Zriny noch ungerüstet.

ZRINY.
Es wird lebendig werden hier im Schloß;
Laßt's euch nicht angst sein, Kinder, jetzt noch nicht.
[14] Der Türke, heißt es, habe sich gerüstet,
Der Großherr selbst in eigener Person
Führe das Heer; doch zuverläss'ge Kundschaft
Hab' ich noch nicht, in dieser Stunde erst
Erwart' ich die Entscheidung meiner Boten.
Drum seid nicht bange, wenn der Waffenlärm
Sich bis in eure Frauenzimmer drängte;
Denn Vorsicht ziemt auf diesem wicht'gen Platz.
Auch freut das rüst'ge Volk sich auf die Arbeit
Und möchte gern den übermüt'gen Jubel
Auf Rechnung naher Thaten brausen lassen.
HELENE.
Sagt' ich dir's nicht? Ach, Mutter! sagt' ich's nicht?
Sieh, meine Ahnung hat mich nicht betrogen.
EVA.
Denkst du, es könnte unsrer Feste gelten?
Belagrung? – Sturm? – Verbirg mir nichts!
ZRINY.
Nein, nein!
Wer wird denn auch gleich von dem Schlimmsten träumen!
EVA.
Zriny, ich habe dein Vertrauen mir verdient,
Ich fordre Wahrheit: – wird es Sigeth gelten? –
O denke so gemein nicht von dem Weibe,
Von deinem Weibe nicht, das der Gefahr
An deiner Seite oft ins Auge sah,
Daß du an ihres Herzens Kraft verzweifelst,
Wenn sie das Heldenweib bewähren soll.
Ich fordre Wahrheit. – wird es Sigeth gelten?
ZRINY.
Wenn Soliman sich rüstet, gilt es uns.
HELENE.
Ach, Mutter! Mutter!
EVA.
Tröste dich, Helene!
Der Vater lebt, und seine Freunde leben.
Die Heldentochter sei des Helden wert!
9. Auftritt
9. Auftritt.
Vorige. Alapi gerüstet.

ALAPI.
Herr, neue Botschaft! –
ZRINY.
Sag's nur immer laut;
Die Weiber müssen's doch einmal erfahren,
Ob früher oder später, gilt gleichviel;
Die Furcht malt das Verschwiegne nur viel schwärzer.
Was gibt's?
ALAPI.
Soeben kam ein Eilbot' aus Fünfkirchen;
Es sei gewiß, so meldet uns die Stadt,
Sie hätten es von Flüchtigen erkundet:
Des Sultans ganze Rüstung gelte uns,
Und ungeheuer waffne sich der Türke.
[15]
ZRINY.
Wenn Soliman den Ungarkrieg beschloß,
So läßt er wohl nicht lange auf sich warten.
Wir kennen ja den alten Löwen. – Sieh,
Da kommt Paprutowitsch. Er bringt uns Kundschaft.
10. Auftritt
10. Auftritt.
Vorige. Paprutowitsch auch gerüstet und ein ungarischer Bauer.

PAPRUTOWITSCH.
Mein edler Herr, greift nach dem Schwert! es gilt!
Der Großherr ist durch Belgrad schon gezogen
Mit kriegerischer Pracht und Kaiserstolz.
Der Bauer hier bringt die gewisse Nachricht,
Er hat den Zug mit angesehen.
ZRINY.
So sprich!
BAUER.
Ich hatt' in Belgrad ein Geschäft und Handel,
Und als der Kauf geschlossen war, wollt' ich
Mit meinen Pferden frisch nach Hause traben;
Da hieß es in der Stadt, der Großherr komme
Mit gar verwunderlicher Pracht und Größe,
Einzug zu halten mit dem ganzen Heer.
Ich konnt' nicht mehr durchs Thor, so gräßlich war
Euch das Gedräng des zugeströmten Volkes;
Da blieb ich denn und hab' ihn so erwartet.
Erst sah ich an fünftausend Janitscharen,
Schanzgräber, Zimmerleut' und all das Volk;
Die meisten waren gutbewehrte Männer.
Drauf kam der Bassen ganzer Dienertroß
Zu Fuß und Pferd, viel kleine Fähnlein tragend,
Ein jedes anders, nach des Herren Wappen.
Des Kaisers Weidgefolg' und Falkenträger.
An funfzig stolze Rosse, von den Spahis
Geführt, und eine Reihe junger Sklaven,
Meerkatzen, Papagei'n und andre Kurzweil
Auf ihren Köpfen tragend, folgten dann.
Die Bolukbassen schlossen sich daran,
Mit reichen Reiherbüschen auf den Helmen.
Nach ihnen Diener des Serails und drei
Vornehme Bassen: Ferhad, Mustafa
Und Achmet, drauf der Bassa Mahomed,
Nach ihm der Wesir Bassa, der als Richter
Im Lager gilt, dann eine Schar Solaken
Und dann der Tschauschen unmanierlich Volk,
Die mit den Kolben in die Menge schlugen
Und nach den Köpfen in den Fenstern schossen,
[16] Damit sich keiner rühmen soll, er habe
Auf ihren Großsultan herabgesehn.
Drauf kam der Sultan. Ein arabisch Roß
Trug ihn, den kaiserlich geschmückten Heiden.
Ein Säbel, mit Demanten reich besäet,
Hing an dem Sattel, köstlich anzuschaun.
Zur Rechten ging dem Kaiser Ferhad Aga
Und sprach mit ihm; drei Begler folgten dienend,
So auch drei Knaben, von ihm hochgeliebt,
Die Pfeil und Bogen, Kleider, Schalen trugen.
Dann kamen ganze Reihen schöner Pagen,
Sie gingen vor dem goldenen Wagen her,
Der dem Großsultan nachgefahren wurde;
's soll ein Geschenk vom fränk'schen König sein.
Acht andre Wagen dann, nicht minder köstlich,
Der Chasnadar mit seiner Dienerschar,
Zweihundert Esel, schwer mit Gold beladen,
Und ihre Führer schlossen diesen Zug.
Zuletzt das Heer in schöner, stolzer Ordnung.
An zweimal Hunderttausend schätzte man's.
Als sich das Volk in später Nacht verlaufen,
Entkam ich glücklich durch das Thor und bin
Auf unbetretnen Wegen hergeeilt,
Euch, edler Graf, die Botschaft zu verkünden.
ZRINY.
Brav, Landsmann! Labe dich in meinem Keller;
Mein Seckelmeister bringt dir meinen Dank.

Bauer geht ab.
ZRINY.
Kinder, 's wird Ernst! Noch harr' ich auf den Lorenz;
Ich sandt' ihn aus.
ALAPI.
Da sprengt er in den Hof.

Helene weint an dem Herzen ihrer Mutter.
ZRINY.
Der bringt uns Kundschaft. – Weib, tröste das Mädchen!
Das ist nicht anders in dem Land des Kriegs;
Sie wird sich schon an diese Zeit gewöhnen.
So ängstlich aber sah ich sie noch nie. –
Sei ruhig, Kind!
HELENE.
Wie, Vater, kann ich das?
Und könnt' ich's, Vater, wär' ich glücklicher?
EVA.
Still, Mädchen! still!
HELENE.
Ach, Mutter, sieh, da kommt er,
Und schlimme Botschaft les' ich auf der Stirne,
Wie heldenmütig auch das Auge glüht!
11. Auftritt
[17] 11. Auftritt.
Vorige. Juranitsch gerüstet.

ZRINY.
Was bringst du, Juranitsch?
JURANITSCH.
Den Ruf zur Schlacht,
Mein edler Graf! Schon ging der Mehmed Beg
Ueber die Drau, er streift bis Sziklas, hat
Das Land verheert, die Dörfer angezündet
Und alle Greu'l des Türkenkriegs erneut.
Gib mir ein Fähnlein deiner wackern Reiter!
Mich drängt der Mut, ich sehne mich zur Schlacht
Und will das Land an diesen Buben rächen.
HELENE.
Gott! – Juranitsch!
JURANITSCH.
O jammre nicht, Helene!
Jetzt gilt es Kampf, jetzt kann ich dich verdienen
Und trete mutig vor den Vater hin,
Ihm meine Liebe, meinen Wunsch bekennend. –
Ja, alter Held, ich liebe Eure Tochter!
Zwar hab' ich nichts als dieses treue Schwert,
Und wenig Ruhm ererbt' ich von den Vätern;
Doch hab' ich oftmals Euer Wort gehört:
Ein Heldenarm dürfe nach Kronen greifen.
Es fehlt an Mut, es fehlt an Kraft mir nicht;
Laßt mich hinaus, den Adel zu bewähren,
Den ich lebendig in dem Herzen fühle.
ZRINY.
Darauf antwort' ich dir nach deiner Schlacht.
Mir gilt ein Held mehr als ein Fürstenmantel;
Doch deiner Jugend darf ich nicht allein
Vertraun, was Ungarns Wohl bestimmen könnte. –
Kaspar Alapi, nimm dir tausend Mann
Zu Fuß und an fünfhundert Reiter; Juranitsch
Und Wolf begleiten dich, die andern Führer
Magst du nach eignem Willen dir erkiesen.
Grad' auf den Mehmed Beg! Der kleinen Anzahl
Kann nur ein rascher Angriff günstig sein.
Die Türken sollen's wissen, daß sie Männer
In Sigeth finden, die die Uebermacht nicht scheun!
Gott sei mit euch, und kehrt als Sieger wieder!
ALAPI.
Vertraue mir und deinem treuen Volk.
Frisch, Brüder, an die Arbeit! Morgen früh
Ziehn wir mit reicher Türkenbeute heim! –
Vergönnt mir güt'gen Urlaub, gnäd'ge Gräfin!
EVA.
Zieht hin, ich will indessen für euch beten.
JURANITSCH.
Lebt wohl, verehrte Frau, lebt wohl! – Helene,
Sprich auch ein gütig Wort für mich zum Himmel!
[18] Um Sieg der Liebe flüstre dein Gebet;
Es wird zum Talisman und soll mich schützen.
EVA.
Schont ihrer!
HELENE.
Ach, du gehst in deinen Tod!
JURANITSCH.
Nein, nein! der Tod wagt sich nicht an die Liebe.
HELENE.
Er wagt sich nicht – o laß mir diesen Trost!
JURANITSCH.
Trau' mir, er wagt sich nicht an uns. Verwegen
Stürz' ich mit diesem Glauben mich hinein!

Er zieht den Säbel, die andern Hauptleute ebenfalls.

Wer Kräfte fühlt, der muß die Kräfte regen;
Der Kampf ist kurz, der Sieg soll ewig sein!
Und sehnt' ich mich nach ungemeinen Schätzen,
Ich muß das Ungemeine daran setzen!

Er eilt mit Alapi und den Hauptleuten ab.
HELENE
umsinkend.
Mein Lorenz! Lorenz!
EVA.
Gott! sie sinkt!
ZRINY
sie aufhaltend.
Helene!

Während der Gruppe fällt der Vorhang.

2. Akt

1. Auftritt
1. Auftritt.
Eva und Helene.

EVA.
Wie ist dir, liebe Tochter?
HELENE.
Besser.
EVA.
Kind,
Du hast uns sehr geängstigt. Selbst der Vater,
Der sonst so ruhige, gefaßte Mann,
Er fuhr zusammen, als der teure Liebling
Ihm bleich und zitternd in die Arme sank.
Gottlob! noch färbt die Röte deine Wangen.
Es drängte nur des Augenblickes Schmerz
Die frische Kraft der Jugendfülle nieder.
HELENE.
Ach, Mutter! wie er mir den flücht'gen Abschied
Mit dem gezognen Säbel zugewinkt –
Es ist der letzte Gruß, rief's mir, der letzte!
Dort draußen lauert der Verrat auf ihn,
Dort draußen ist der Liebe Tod bereitet!
Da zuckt' es mir versengend durch die Brust,
[19] Das Auge brach, des Herzens Pulse stockten,
Wie Traum des Todes kam es über mich.
EVA.
Du mußt das weiche Herz bezwingen lernen,
Wenn dich als eine würd'ge Heldenbraut
Nach dieses Lebens raschem Kranz gelüstet. –
Wohl manche Freuden fühlt des Mannes Weib.
Der ruhig in der wohlerworbnen Hütte
Der stillen Tage gleiche Ketten wirkt.
Wenn sich die Scheuern und die Schränke füllen.
Wenn das Geschäft die saure Mühe lohnt
Und, mit dem Kiel der Schiffe hergetragen,
Das Glück auf die geschmückte Schwelle tritt:
Dann freut sie sich der reichbedankten Arbeit,
Und in dem Auge des zufriednen Gatten
Und auf der Kinder munterm Angesicht,
Die an den bunten Gaben sich ergötzen,
Blüht ihr das Leben still und heiter auf;
Der ruhige Genuß versöhnt das Schicksal. –
Doch anders ist es in des Weibes Brust,
Die ihrer Liebe zarte Epheuranke
Um eine kühne Heldeneiche webt.
Den Augenblick, den günst'gen, muß sie fassen,
Muß ihn festhalten wie ihr letztes Gut;
Es schwebt ihr Leben zwischen Gluck und Jammer
Und Höllenqual und Himmelseligkeit.
Wenn sich der Held für seines Landes Freiheit
Verwegen aus dem Arm der Liebe reißt,
Die kühne Brust dem Mordstahl anzubieten,
Da muß sie Gott und seiner Kraft vertraun
Und seine Ehre lieben als sein Leben;
Denn wie den andern Sklaven der Natur
Der Atemzug des Daseins Fordrung ist,
So, Mädchen, ist's dem Manne seine Ehre;
Und wenn du deinen Heldenjüngling liebst
Als Heldenbraut, wie's Zrinys Tochter zukommt,
So ist es nicht sein jugendliches Antlitz,
Nicht seiner Stimme schmeichelnde Gewalt,
Die mit der Liebe Netzen dich umstrickte:
Du liebst den graden Sinn, die Kraft, den Ruhm
Und seines Namens unbefleckte Ehre.
HELENE.
Ach, sei nachsichtig mit dem armen Mädchen,
Das ihrer Seele schwärmendes Gefühl
Noch nicht gelernt in fremde Form zu drücken,
Wohl deinen mütterlichen Rat begreift,
Doch nicht den Mut besitzt, zu dir hinauf
[20] Die zagenden Gedanken hinzuwünschen. –
Vergib mir, Mutter, wenn ich dir's gestehe:
Oft träum' ich mir, es wäre doch so schön,
Könnt' ich in eines stillen Thales Frieden
Der Stunden ewig gleiche Kettentänze
An seiner Brust vorüberrauschen sehn. –
Ich soll den Mut, die Kraft an ihm nur lieben,
Die sich verwegen ins Verderben stürzt?
Nein, Mutter, nein, ich liebe nur die Liebe,
Die aus der Lippen flüsterndem Gesang,
Die aus der Augen Thränen widerleuchtet;
Ihn in der Liebe und in ihm die Liebe!
Das schwankt und zittert wie der Winde Hauch
Und wiegt im ew'gen Wechsel meine Seele.
EVA.
So war mir's auch. Der Liebe erster Ruf
Ergreift die Mädchenseele mädchenhaft,
Wie sie den Jüngling jugendlich begeistert,
Daß er nach Kampf und kühner That verlangt;
Doch wenn der Liebe heilig stilles Wirken
Die Geister, die getrennt in fremder Welt
Nach unbekannten Zielen hingeflogen,
Zu innigem Gespräche sanft gewöhnt,
Daß sich die Seelen nach und nach erwählen,
Austauschend in dem einzigen Gedanken
Gefühl, Empfindung, Sehnsucht, Religion,
Und was sie sonst geahnet und geschlummert:
Dann tritt die Liebe wunderherrlich auf
Und führt zwei neue Menschen in das Leben.
Der Jüngling, der von seines Mädchens Lippe
Der Anmut zarten Seelenfrieden trank,
Sieht seines Mutes Wellensturm geregelt,
Der Sehnsucht Labyrinthe aufgedeckt,
Und jene Kraft, die ihn hinausgeschleudert
Aus aller Bahnen Gleise, wiegt bekämpft
Sein heitres Leben jetzt auf sanften Wellen
Und schaukelt ihn dem sichern Hafen zu.
Die Jungfrau aber fühlt die zarte Seele
Vom Kuß der Liebe wunderer entzückt.
Ein klarer Mut, ein freudiges Vertrauen,
Der kühnen Hoffnung schwärmende Gefühle,
Sie ziehen freudig in dem Herzen ein
Und flechten ihre lochten Strahlenkränze
Mit treuer Brust um die beglückte Braut.
So, wie du jetzt fühlst, hab' auch ich empfunden
Doch dieser Sonnenklarheit schönre Zeit
[21] Wird bald in deiner Brust sich offenbaren,
Dann halt sie fest, dann magst du sie bewahren.
HELENE
fällt ihr in die Arme.
O meine Mutter!
EVA.
Gute, liebe Tochter! –
Es gibt doch Schönres nichts auf dieser Welt,
Als wenn in süß vertrauendem Entzücken,
Lichtperlen der Begeistrung in den Blicken,
Das Kind der Mutter in die Arme fällt!
2. Auftritt
2. Auftritt.
Vorige. Zriny.

ZRINY.
Zur guten Stunde sucht' ich meine Lieben;
Die Tochter find' ich an der Mutter Brust,
Und tiefe Rührung leuchten eure Blicke.
O, schließt auch mich mit ein in eure Arme!
Das Herz ist weich, und ungewohnt drängt sich
Der Freudentau in diese Männeraugen.
Mein Weib! – Helene!
HELENE.
Vater!
EVA.
Teurer Mann!
So mild hab' ich dich lange nicht gesehn.
Was ist dir, Zriny? Du bist tief ergriffen,
Wie leise Ahnung dämmern deine Blicke –
Was ist dir, Zriny?
ZRINY.
Laß mich, gutes Weib!
Glaub' mir, mir ist so wohl in euern Armen,
Und tausend Bilder stehen blühend auf
Und treten freundlich vor die frohe Seele,
Daß ich der Rührung nicht gebieten kann! –
O Menschen! Menschen! faßt das Leben schnell,
Laßt keiner Stunde Zeigerschlag vorüber,
Wo ihr nicht sagt: der Augenblick war mein,
Ich habe seine Freuden ausgekostet,
Kein Tröpfchen Balsam ließ ich in dem Kelch.
Die Zeit ist schnell, noch schneller ist das Schicksal:
Wer feig des einen Tages Glück versäumt,
Er holt's nicht ein, und wenn ihn Blitze trügen!
HELENE.
Noch keine Nachricht?
ZRINY.
Keine, gutes Mädchen!
Auch wär's kaum möglich. Sei nur ruhig, Kind!
EVA.
Ist sonst dir andre Botschaft zugekommen? –
Verhehl' mir nichts, das Gute wie das Schlimme.
Mir ahnet, Zriny, eine schwere Zeit;
[22] Gewöhne mich auch an des Unglücks Stimme,
Daß nicht unvorbereitet das Geschick
Dem schwachen Weib das Gräßliche bereite.
ZRINY.
Noch sorge nicht! Ließ' ich dich sonst in Sigeth?
Vertraut' ich sonst, tollkühn verwegnen Muts,
Mein höchstes Glück dem Wechselspiel des Schicksals?
Eilboten sandt' ich nach des Kaisers Hof,
Ihm die Gefahr des Ungarlands zu melden;
Denn ernstlich wird's. Schon schlug der Hamsa Beg,
Trotz Wogensturm, zum viertenmal die Brücke;
Dreimal hatte die Drau sie umgestürzt;
Mit jeder Stunde harrte man des Kaisers.
Mehmed Sokolowitsch mit sechzigtausend Mann,
Der Pascha Mustafa und Karem Beg
Sind kampfgerüstet ihm vorangegangen
Und bahnen ihm den blutbefleckten Weg.
Wenn unsre Helden sich nicht wacker eilen,
So finden sie den Großherrn schon vor Sigeth.
3. Auftritt
3. Auftritt.
Vorige. Scherenk.

SCHERENK.
Mein edler Herr, soeben ruft der Wächter
Vom Schloßturm: eine große Wolke Staub
Erhebt sich auf dem Weg nach Sziklas. Sicher
Sind es die Unsern, die, vom Sieg gekrönt,
Mit der erkämpften Türkenbeute heimziehn.

Zriny geht ans Fenster.
HELENE.
Dank, guter Alter, für die schöne Botschaft!
Dank, tausend Dank! – Sprich, hast du ihn gesehn?
Und lebt er noch, und kehrt er glücklich wieder?
SCHERENK.
Wer, edles Fräulein?
EVA.
Kind, wo denkst du hin?
Der Wächter sah nur eine Wolke Staub,
Vermutet nur, es sei die Schar der Unsern.
HELENE.
Vermutet nur! Ach, könnt' ich oben stehn,
Auf jenen Bergen wollt' ich ihn erkennen,
Aus Tausenden hätt' ihn mein Blick gesucht. –
Wie fängt das Herz gemartert an zu schlagen,
Und alle Qualen, die mir dieser Tag
Auf meine schwache Mädchenseele häufte,
Und alle Angst der schlaflos langen Nacht,
Sie werfen sich im fürchterlichen Bunde
Noch einmal auf dies arme, kranke Herz.
[23] Ach, Mutter! Mutter! schlinge deine Arme
Um dein gequältes Kind; an deiner Brust
Laß mich den Trost, die Hoffnung wiederfinden.
EVA.
Gebiete deinem Schmerze, gutes Mädchen!
Die zarte Jugend hält den Sturm nicht aus.
Helene, schone dich! Du magst ja weinen,
Weine dich aus, nur laß dies kranke Zucken,
Das krampfhaft den bewegten Busen hebt
Und kalte Blitze durch die Augen leuchtet.
ZRINY.
Sie sind's, sie sind's! Da stürmt der ganze Haufen.
EVA.
HELENE.
Wo? Wo?
ZRINY.
Den Schloßberg jagen sie herauf.
Held Juranitsch an seiner Reiter Spitze,
Ein türk'scher Roßschweif fliegt in seiner Hand.
HELENE.
Ach, Mutter! Mutter, halte mich, ich sinke!
Der Schmerz hat meinen Augenquell versiegt,
Ich habe keine Thränen für die Freude.
EVA.
Fasse dich, Kind! Du hast ihn wieder.
ZRINY.
Hört ihr's?
Ha, wie die Siegeslieder mächtig schallen!
Die Töne wirbeln ihrer Thaten Ruhm!
Sie sprengen in den Hof – sie sitzen ab.

Durchs Fenster.

Seid mir willkommen, meine wackern Helden!
Seid mir willkommen! Gott und Vaterland
Mag euch den Sieg, den herrlichen, belohnen! –
Scherenk, hinab, laß meine Keller öffnen
Und meine Speisekammern sperre auf:
Die kühne Schar hat der Erquickung nötig.

Scherenk geht ab.
4. Auftritt
4. Auftritt.
Vorige. Alapi. Paprutowitsch. Juranitsch mit einem türkischen Roßschweife in der Hand. Mehrere ungarische Hauptleute.

ZRINY.
Freund!
ALAPI.
Waffenbruder!
HELENE.
Juranitsch!
JURANITSCH.
Helene!
EVA.
Ihr habt gesiegt?
PAPRUTOWITSCH.
Mit Gott, erhabne Frau!
Viertausend Türken liegen auf der Walstatt,
Und unermeßlich fast ist unsre Beute.
JURANITSCH
der Roßschweif dem Zriny zu Füßen legend.
Hier, alter Held! ich hab' mein Wort gelöst.
[24] Aus eines Haufens enggekeilter Mitte
Riß ich den Roßschweif mit verwegner Hand.
Ich hab' mein Wort gelöst, fragt nur Alapi.
ZRINY.
Erzähl' uns, Freund, wie sich der Kampf gewendet.
ALAPI.
Der Mehmed Beg lag leicht verschanzt vor Sziklas,
Des Kampfes nicht gewärtig, kleine Züge
Ausschickend, rings die Dörfer anzubrennen.
Wir teilten uns in drei fast gleiche Haufen:
Den linken führte Wolf, ich selbst die Mitte,
Den rechten übergab ich Juranitsch.
Drauf jagten wir auf unbekannten Wegen
Dem Feind entgegen; jene zogen sich
Rings um sein Lager; plötzlich ward er jetzt
Auf allen Seiten lärmend angegriffen;
Der Schrecken wühlte sich in seine Scharen,
Wir schlachteten sie ohne Widerstand.
Nur wenig Haufen rafften sich zusammen
Und schlugen sich, am Glück verzweifelnd, durch;
Die andern fielen teils durch unsre Schwerter,
Teils hat die Angst sie in den Sumpf gejagt,
Wo zahllos Volk gar jämmerlich erstickte.
Der Führer selbst der Mehmed Beg, ertrank;
Sein Sohn und viel der edlen Türken sind gefangen;
Acht schwer mit Gold beladene Kamele,
Roßschweife, Fahnen, von den Christen sonst
In einer unglücklichen Schlacht verloren,
Und überreiche Beute vieler Art,
Wie wir sie noch bei keinem Sieg erkämpften,
War unsrer Arbeit vollgemeßner Lohn. –
Vor allen aber, edler Graf, muß ich
Dem Juranitsch das große Zeugnis geben,
Daß er des Schwertes Adel kühn bewährt
Und den erworbnen Ruhm weit übertroffen.
Ja, ihm gebührt die Ehre dieses Tags,
Das ist die Meinung aller seiner Brüder,
Die zwar die schöne Ritterpflicht erfüllt,
Doch nimmermehr sich solcher Wagnis rühmen. –
Ist's nicht so, Brüder? sagt's dem Grafen selbst.
ALLE HAUPTLEUTE.
Dem Juranitsch gebührt des Tages Ehre!
HELENE.
Mein treuer Held! Du machst mich heut so stolz!
JURANITSCH.
Du warst's, die Liebe war's, die mich es lehrte.
ZRINY.
Komm an mein Herz, du wackrer junger Degen!
Solch Adelsbrief, wie du dir heut erfochten,
Schreibt dir kein Kaiser in der ganzen Welt,
Der wird mit deinen Enkeln nicht vermodern,
[25] Er bleibt im Liede des verwandten Volks,
In deines Vaterlandes großen Herzen!
Den Sieg mag Kaiser Maximilian belohnen,
Die That belohnt die Stimme des Jahrhunderts.
Laß mich auftreten als sein Stellvertreter;
Was ich dem Liebling Juranitsch verweigert.
Dem Helden biet' ich selber diesen Preis. –
Du freist um meine Tochter: nimm sie, Jüngling,
Und meinen reichsten Segen über euch!
JURANITSCH.
Mein Vater! – Gott! – Helene!
HELENE.
Juranitsch!
O meine Mutter! Sag' mir, ob ich träume?
EVA.
Dein Sonnentag bricht an, bewahr' ihn treu!
Sein erstes Morgenrot küßt deine Wange.
JURANITSCH.
Auch Euren Segen, Mutter!
HELENE.
Deinen Segen!
EVA.
Ja, meinen Segen auch, du glücklich Paar!
Komm, Sohn, komm in die Arme deiner Mutter!
ZRINY.
Verspart den Freudenrausch auf ruh'ge Tage;
Der Augenblick verlangt Besonnenheit. –
Zuvor noch einmal Dank, euch allen Dank!
Ihr habt die Kraft des Heldenarms bewährt;
Der Türke wird sich eure Namen merken.
Nun, edle Freunde, gilt's ein schweres Werk.
Der Großherr ist in vollem Marsch auf Sigeth;
Noch heut erwart' ich, daß das Feldgeschrei.
Sein gräßlich Allah, durch die Lüfte donnert,
Und wenig Stunden werden kaum vergehn,
So sehen wir im Strahl der Abendsonne
Den halben Mond vergoldet auf den Bergen
Und Janitscharenhaufen ringsumher.
Drum mein' ich, Freunde –

Trompetenstoß.

Ha! was gilt das Zeichen? –
Botschaft vielleicht vom Feinde? von dem Kaiser?
Was gibt es, Wolf?
PAPRUTOWITSCH
am Fenster.
Peter Vilacky sprengt
Mit wenig Knappen eben durch das Schloßthor.
ZRINY.
Der kommt vom Kaiser. – Wolf, eil' ihm entgegen
Und führ' ihn her!

Paprutowitsch geht ab.
ZRINY.
Es ist ein wackrer Held,
Obwohl noch jung, doch viel versucht im Kampfe,
Auf Schwendys Zügen rühmlich oft genannt.
Da kommt er selbst.
5. Auftritt
[26] 5. Auftritt.
Vorige. Paprutowitsch mit Vilacky.

ZRINY.
Seid mir gegrüßt, Vilacky! –
Was bringt Ihr uns?
VILACKY.
Dies kaiserliche Schreiben
Und, wenn Ihr's wollt, mich selbst.
ZRINY.
Erwünschte Gabe!
Der starke Mann gilt viel in dieser Zeit.
Ich nenn' Euch also doppelt mir willkommen. –
Sprecht, wann verließt Ihr unsers Kaisers Hof?
VILACKY.
Am Montag früh.
ZRINY.
Da seid Ihr brav geritten.
VILACKY.
Mich trieb des Kaisers Wort und eigner Wille,
Und wenn's dem Dienst des Vaterlandes gilt,
Herr Graf, so kann ich auch noch mehr, als reiten.
ZRINY.
Die Türken haben Euern Arm gefühlt,
Auf Schwendys Zügen habt Ihr brav gefochten.
Wart Ihr nicht mit vor Pesth? mich dünkt, Vilacky,
Man zählt Euch zu den Helden dieses Tags.
VILACKY.
Was ich gethan, mein edler Graf, verliert sich
Im breiten Strome des Gewöhnlichen;
Doch Euch nennt die bedrängte Christenheit,
Wenn sie des blut'gen Tages sich erinnert,
Mit lautem Stolz des Vaterlandes Retter.
ZRINY.
Ich focht für Gott, mein Volk und meinen Kaiser,
Und jeder andre hätt' es auch gethan. –
Sagt mir, wie steht's in meines Herren Hauptstadt?
Voll kriegerischen Lärms träum' ich mir Wien;
Viel fremde Ritter, hör' ich, sind erschienen?
VILACKY.
Die Ahnung eines nahen Türkenkriegs
Hat manchen frommen Kriegsmann hergerufen,
Der Christenheit im Kampfe beizustehn.
Ein edler Polengraf, Albertus Lasko,
Hat Rüstung auf zwölf Wagen zugeführt
Und an dreitausend ausgesuchte Männer,
Die er als ungrisch Reitervolk vermummt;
Denn Frieden hat sein König mit den Türken.
Der Herzog von Savoyen, Philibert,
Hat uns vierhundert Mann berittne Schützen
Unter dem Grafen Cameran gesandt;
Aus fernem England kam der Ritter Grainville,
Herr Heinrich Chambernon, Herr Philipp Bußdell
Und viel der edlen Briten zu dem Heer,
Auf eignem Zaum und Sold mit großen Zügen.
[27] Herzog von Guise und der Graf von Brisac,
Von vielen fränk'schen Rittern noch begleitet,
Der von Ferrara mit vierhundert Reitern
Sowie der edle Mantuaner Herzog.
Sie alle – und wer zählt die andern Helden!
Denn täglich hört man neue Namen nennen, –
Stehn kampfgerüstet bei des Kaisers Heer.
Lucca und Genua hat Geld geschickt,
Cosmus von Medicis dreitausend Söldner,
Und zahllos Volk, so Ritter wie Gemeine,
Drängt sich aus Deutschland zu dem nahen Kreuzzug.
Herzog Wolfgang von Zweibrücken, den Pfalzgraf Reinhard,
Des alten Bayernherzogs ältsten Sohn,
Mit manchem Fähnlein wohlbewehrter Knappen
Erkennt man unter den Bewaffneten.
An achtzigtausend Mann zählt wohl das Heer.
Erzherzog Ferdinand führt das Kommando,
Graf Günther Schwarzburg ist sein Obristleutnant,
Der Pommern Herzog Friedrich trägt die Fahne.
Wie ich die Stadt verließ, erzählte man,
Das Heer zög' aus, bei Raab sich zu verschanzen
Und dort dem Feinde rüstig Mann zu stehn.
ZRINY.
Habt Ihr von meinem Sohne nichts vernommen?
VILACKY.
Der Graf Georg steht bei des Kaisers Leibwacht.
Er hätte gern mit mir getauscht. Er hoffte,
Zum Heeres Vortrab noch versetzt zu werden.
Viel herzlich treue Grüße bring' ich mit.
ZRINY.
Dank Euch, Vilacki, für die gute Botschaft. –
Ihr bleibt bei uns?
VILACKY.
Herr Graf, wenn Ihr's vergönnt,
So möcht' ich unter Euern Fahnen fechten.
Ich bin gern da, wo's Ernst und Strenge gilt;
Zu lässig geht mir's bei dem Heer des Kaisers.
Und soll er sterben für sein Vaterland,
Der Ungar stirbt am liebsten bei dem Ungar,
Von seines Volkes Helden angeführt.
ZRINY.
Ihr macht mich stolz. Es ist der schönste Lohn
Für jahrelang durchkämpfte Männerarbeit,
Wenn solche Herzen freudig uns vertraun. –
Mein Hauptmann Lascy liegt am Fieber nieder,
So teil' ich Euch den Reiterhaufen zu,
Den er in manchem Kampfe brav geführt.
Beim nächsten Ausfall zeigt Euch Euern Leuten.
VILACKY.
Mit Worten nicht, mit Thaten laßt mich danken.
ZRINY.
Jetzt, Freunde, öffn' ich meines Kaisers Brief.
[28] Paprutowitsch, laß die Konstabler fragen,
Ob alle Thore fest verrammelt, ob
Die Stücke auf die Wälle schon geführt;
Mach' auch die ganze Runde bei der Wacht!
Ich wart' auf deine Botschaft.
PAPRUTOWITSCH.
Herr, ich eile.

Ab.
6. Auftritt
6. Auftritt.
Vorige, ohne Paprutowitsch.
Zriny geht nach dem Hintergrunde und liest.

VILACKY
zu Alapi.
Ihr habt soeben rüst'ge That vollendet;
Von einem kühnen Zuge kehrt Ihr heim?
ALAPI.
Den Mehmed Beg erschlugen wir bei Sziklas,
Viertausend Türken sind ihm nachgefolgt,
Und an dreihundert zählt man der Gefangnen.
EVA.
Solch kühner Sieg gelang Euch lange nicht.
HELENE.
Bist du nun glücklich, Lorenz?
JURANITSCH.
Ob ich's bin?
Ein ganzer Himmel hat sich aufgethan!
Ich fühle mich so reich! denn nicht gewonnen
Hab' ich dich nur, ich habe dich erkämpft!
HELENE.
O stolzer Mann! Ist dir die Liebe denn,
Die unverdiente, nicht auch süß gewesen?
Ist meine Liebe nicht ein frei Geschenk,
Dem Helden nicht, dem Jüngling zugesprochen?
EVA.
Mein Herr ist sehr vertieft, gehn wir zurück.
ALAPI.
Mir scheint, der Brief mag schlechte Botschaft bringen.
VILACKY.
Freund, im Vertraum, diesmal gilt's blut'gen Erust.
Wenn nur die Weiber aus dem Schlosse wären!

Sie ziehen sich zurück.
ZRINY
ist vorgetreten und spricht für sich.
Ich soll mich halten, auf Entsatz nicht hoffen,
Soll ehrlich stehn bis auf den letzten Mann;
Noch sei sein Heer zu schwach, noch könn' er nicht
Der ganzen Christenheit gemeines Wohl
Auf eines einz'gen Tages Würfel setzen. –
Bei Raab verschanzt, erwarte er den Großherrn;
Er kenne mich und mein geprüftes Volk,
Es gelte jetzt, fürs Vaterland zu sterben! –
Ein großes Wort! – Du kennst mich, Maximilian!
Ich danke für dein kaiserlich Vertrauen.
Du kennst den Zriny, du betrügst dich nicht.
Nicht schönern Lohn verlangt' ich meiner Treue,
Als für mein Volk und meinen ew'gen Glauben
[29] Ein freudig Opfer in den Tod zu gehn! –
Doch, Zriny, halt! wo denkst du frevelnd hin?
Vergißt du so dein Weib und deine Tochter? –
Sie müssen fort, sogleich – nach Wien – zum Kaiser. –
Nein, das geht nicht; das Volk verliert den Mut,
Sieht es die Führer so am Glück verzweifeln.
Schon zweimal ward die Feste hart berennt,
Und Weib und Tochter ließ ich hier im Schlosse. –
Die Burg ist stark, das Volk geprüft und treu.
Im letzten Notfall gibt's geheime Wege. –
Sie mögen bleiben! – Wie's das Glück auch spielt,
Das Vaterland darf jedes Opfer fordern,
Zum Heldentod ist auch kein Weib zu schwach. –
Wohlan, sie mögen bleiben! – Kaiser Max!
In diesem Kampf bewährt sich meine Treue.
Mein ganzes Haus für dich und für dein Volk,
Mein höchstes Gut für unsern ew'gen Glauben –
Nichts ist zu kostbar für das Vaterland!
7. Auftritt
7. Auftritt.
Vorige. Paprutowitsch.

PAPRUTOWITSCH.
Herr, alles ist vollbracht, wie du befohlen,
Die Wälle gut besetzt, rings in der Stadt
Mit großer Kunst die Thore zugerammelt.
Und wohl die rechte Zeit war's, edler Graf!
Der Türmer meldet: ganze Züge Türken
Erkennt er schon am fernen Horizont;
Fünf Dörfer brennen; kleine Haufen schwärmen
Verwegner Janitscharen in der Nähe,
Und von Fünfkirchen kam ein Flüchtiger,
Uns meldend: Ibrahim führe den Vortrab
Und werde heut noch mit uns handgemein,
Wenn wir zum Ausfall unsre Reiter rüsten.
ZRINY.
So sei die Mannschaft meines Winks gewärtig! –
Jetzt ruft das ganze Volk, was Waffen trägt
Und tragen kann, im Schloßhof mir zusammen,
Dann sag' ich euch, was Kaisers Wille ist
Und was der Zriny kühn bei sich beschlossen.

Paprutowitsch geht ab.
VILACKY.
Wollt Ihr die edle Gräfin nicht, die Tochter,
Da noch die Straßen sicher sind, nach Wien
Zu Eurem gnadenreichen Kaiser senden?
Herr Graf, mich dünkt, hier ist ein schlechter Ort
Für zarte Frauen.
[30]
ALAPI.
Also meint' ich auch.
EVA.
Nein, Zriny, nein, laß mich bei dir! Es gilt!
Zeige, daß du nicht niedrig denkst von mir.
An deinem Auge seh' ich's, deinen Blicken,
Hier wird es Ernst. Zriny, verstoß mich nicht!
Das Weib soll stehn an ihres Mannes Seite.
Laß mich bei dir!
ALAPI.
Dock Eure Tochter, Gräfin?
EVA.
Helene soll beweisen, daß sie liebt.
HELENE.
Ja, Vater! Vater, laß uns nicht von dir!
JURANITSCH.
Sigeth ist stark, und wir, gottlob! sind Männer –
Was fürchten wir?
VILACKY.
Nichts, weil wir Männer sind!
Doch Eure Frauen! –
EVA.
Zriny!
HELENE.
Vater!
ALAPI.
Freund!
Wir fechten leichter, wissen wir sie sicher.
JURANITSCH.
Ja, leichter ficht sich's wohl, doch besser nicht.
EVA.
Bin ich wo sichrer als bei dir?
ZRINY.
Ihr bleibt!
EVA.
Dank dir, mein Zriny! Dank für deine Liebe!
ZRINY.
Jetzt an die Arbeit! Harrt im Schloßhof mein;
Ich waffne mich, dann red' ich zu dem Volke.
ALAPI.
VILACKY.
Wir folgen dem Befehl.
ZRINY.
Gehabt euch wohl!

Die Hauptleute gehen ab.
ZRINY.
Komm, liebes Weib, und knüpfe mir die Schärpe;
Du waffnest mich zu einem ernsten Gang.

Geht mit Eva ab.
8. Auftritt
8. Auftritt.
Juranitsch. Helene.

JURANITSCH.
Gottlob, wir sind allein! Jetzt kann ich dir's
So recht aus meinem vollen Herzen sagen,
Wie glücklich ich, wie selig ich mich fühle. –
Helene! meine liebe, süße Braut!
HELENE.
Ach, Juranitsch! was gibt dir diesen Mut?
Was haucht dir durch das laute Kriegsgetümmel
Die schöne Klarheit deines Friedens zu?
JURANITSCH.
Was sonst als meine Liebe? – Sieh, Helene,
Wir sind vereint, wir haben uns gefunden.
Da draußen mag es stürmen, wie es will,
Uns trennt es nicht; des Schicksals ehrner Wille
Bricht sich, wie Wellen sich an Felsen brechen,
[31] Am festen Glauben eines treuen Paars.
Was ewig ist wie unsre reine Liebe,
Das geht nicht unter mit dem Sturm der Zeit.
HELENE.
Das fühl' ich auch, und klar wie junger Morgen
Weht es herüber in das bange Herz;
Doch sieh, das macht mich traurig, recht sehr traurig,
Daß dieser Kampf, der um die Mauern tobt,
Des Lebens schönste Stunde mir verbittert.
Nicht ungestört durft' ich im sel'gen Rausch
Den Segen von des Vaters Lippen trinken;
Er warf ihn flüchtig seiner Tochter zu,
Die Perlen einer tief empfundnen Rührung
Zerdrückt' er schnell, das Vaterland riß ihn
Aus seines Kindes glühendster Umarmung
Mit kalter Strenge in den Lärm des Kriegs.
JURANITSCH.
Schilt mich nicht roh, wenn ich dir's frei gestehe:
So hab' ich seinen Segen mir gewünscht,
So malt' ich mir's in meinen kühnsten Träumen.
Ihr Frauen liebt ein wohlberechnet Glück
Und ruhigen Genuß im tiefsten Frieden;
Uns Männern aber gibt des Schicksals Gunst
Den höchsten Preis, wenn es unangemeldet,
Schnell wie ein Blitz in unsre Seele schlägt.
Im Sturm der Schlacht, wenn alle Herzen pochen,
Unter den Säbeln trunkner Janitscharen
Mir seinen Segen fordern, war mein Wunsch;
So aber war das Schicksal nicht bei Laune.
Doch mag ich nicht mit seinem Willen hadern;
Denn schön und groß doch war der Augenblick.
HELENE.
Du wilder Mensch!
JURANITSCH.
Wild? – Nein, das bin ich nicht.
Verwegen bin ich, tollkühn für die Liebe
Und hochbegeistert für mein Vaterland! –
Sieh, daß ich dich, daß ich dein Herz erworben
Und daß ich sterben kann, das ist mein Stolz.
HELENE.
Sei nicht so grausam! – Sterben! – Juranitsch!
Vergißt du deine jammernde Helene? –
Jetzt dich verlieren, jetzt! wer drückt ihn aus,
Den ungeheuern Schmerz? jetzt dich verlieren,
Wer denkt die Hölle des Gedankens aus!
JURANITSCH.
Nicht ohne dich, Geliebte, möcht' ich sterben.
Doch so mit dir, in deinen Armen! Sieh,
Was kann uns diese Erde dann noch bieten?
Hat sie noch eine Seligkeit für uns?
Ich möchte untergehen wie ein Held,
[32] Im frischen Glanze meiner kühnsten Liebe
Und, was die wilde Sehnsucht hier versprach,
Dort drüben von der Lust des Himmels fordern.
Was bleibt denn Höhres noch auf dieser Welt,
Das ich im sel'gen Wunsche nicht gekostet?
Gibt's mehr als einen Silberblick im Leben?!
Hier ist das Glück vergänglich, wie der Tag,
Dort ist es ewig, wie die Liebe Gottes!
HELENE.
O nimm mich mit im Sturme deines Flugs,
Du kühner Geist! – Mich hält die dunkle Erde,
Mich hält das arme kleine Leben noch;
Doch schelt' ich's nicht, es ist doch schön, recht schön!
Und manche Knospen einer sel'gen Zeit,
Die du in deinem Ungestüm verachtet,
Blühn wunderstill in meinem Herzen auf.
Ja, Juranitsch, die Erde ist recht schön,
Recht schön ist sie, doch nur seit ich dich liebe,
Seit mit dem Seelenfrühling meiner Brust
Die Welt sich rings um mich mit Blumen schmückte.
Erst seit ich liebe, ist das Leben schön;
Erst seit ich liebe, weiß ich, daß ich lebe.
JURANITSCH.
O meine süße Braut!
HELENE.
Mein Juranitsch!

Umarmung.

Ach, läg' ich ewig so an deinem Herzen!
JURANITSCH.
Horch! Männerstimmen hör' ich in dem Hof.
Sie sind's, sie warten auf den Vater. Laß mich;
Ich muß hinab. Leb' wohl, mein süßes Mädchen!
Noch diesen Kuß! Leb' wohl!
HELENE.
O, nicht so schnell
Zwing mich, aus meinen Träumen zu erwachen!
JURANITSCH.
Daß ich es könnte! doch mich ruft die Pflicht!
Leb' wohl, du süße Braut, leb' wohl, mein Mädchen!

Ab.
9. Auftritt
9. Auftritt.
Helene allein.

Leb' wohl! Leb' wohl! – Mußt' er mich jetzt verlassen?

Mir wird das Herz so voll, wenn ich ihn sehe,

Die Luft ist mir so süß in seiner Nähe –

Die Glückliche, sie darf ihn stets umfassen! –


Daß all die schönsten Farben so verblassen!

Daß ich den einen Strahl nie wiedersehe!

Ach Gott! – mir war so wohl in seiner Nähe,

Und jetzt bin ich so einsam, so verlassen!


[33] Wo ist er hin? – wo ist mein Stern geblieben? –

Von kühnem Geist nach stolzer Bahn getrieben,

Rein, wie sein Herz, unendlich, wie mein Lieben!


Ich träume schwer; die Burgen seh' ich rauchen! –

Könnt' ich mein Herz in seine Seele tauchen,

Der Ahnung Qual in Thränen auszuhauchen!


Geht ab.
10. Auftritt
10. Auftritt.
Der Schloßhof von Sigeth.
Alapi. Vilacky. Paprutowitsch. Juranitsch. Ungarische Hauptleute und Soldaten.

ALAPI.
So feierlich sah ich den Grafen nie;
Ich stand ihm doch in mancher Schlacht zur Seite.
Gar wunderbar begeistert und entflammt
Hat mir sein Heldenauge zugeleuchtet.
Ich mag nicht sagen, was ich denken muß.
JURANITSCH.
Dem Löwen glüht es immer durch die Seele,
Wenn er zum Kampf den Feind gerüstet sieht.
Ist mir's doch auch so. Der Trompeten Schmettern
Flammt durch den Geist, wie ein verwegner Trunk
Von frischer Traube, jung und wild, gekostet.
PAPRUTOWITSCH.
Das, Freund, ist deiner Jugend Ungestüm,
Das flammt nicht mehr durch Zrinys Heldenseele.
Wenn so ein Geist ergriffen um sich glüht,
Dann ist's was Bessers als die bloße Kampflust.
VILACKY.
Mir kam's wie große Todesweihe vor
Für Gott und Vaterland und seinen Kaiser! –
Das unter uns! – Es taugt nicht allen Ohren.
Wohl mancher hat im Augenblick den Mut,
Wenn ihn das Beispiel zu der That begeistert;
Doch was von fern aus blut'gen Wolken flammt,
Mag sich nicht jeder ohne Scheu enträtseln.
Drängt nur die Zeit, so ist der Wille da;
Sind es doch Ungarn, und der Zriny führt sie.
ALAPI.
Da kommt der Graf.
PAPRUTOWITSCH.
Nun, Brüder, wird sich's zeigen.
Wie ich ihn sehe, stimm' ich mit Vilacky.
JURANITSCH.
Jauchzt ihm entgegen, euer Hauptmann kömmt!
ALLE.
Heil unserm Helden! unserm Vater Zriny!
11. Auftritt
[34] 11. Auftritt.
Vorige. Zriny gerüstet.

ZRINY.
Ich dank' euch, meine Brüder! – Seid ihr alle
Versammelt, alle waffenfäh'ge Männer,
Wie ich's gebot?
PAPRUTOWITSCH.
Sie sind's, mein edler Graf!
ZRINY.
Wohlan, so hört auf eures Hauptmanns Stimme! –
Mit ungeheurer Macht zieht Soliman
Auf Sigeth los und dräut, uns zu verderben;
Drum, Brüder, gilt's! – Der Kaiser Maximilian
Rückt zwar nach Raab, sein Heer dort zu verschanzen:
Doch viel zu schwach, im offnen Feld dem Feind
Des Siegs zweideut'ge Lorbeern abzutrotzen,
Wär's tollkühn Wagnis, uns Entsatz versprechen.
Drum traut er uns und unsrer Felsentreue,
Daß wir für Gott, für Vaterland und Freiheit
Den Tod nicht achten, wie es Helden ziemt,
Und freudig für den heil'gen Glauben sterben. –
Scheut nicht die Macht! Das ganze Meer bricht sich
An einer einz'gen kühnen Felsenklippe.
Scheut nicht die Uebermacht! Und gehen hundert
Von ihrer Zahl auf einen Mann von uns:
Gott ist mit uns und seine heil'gen Engel.
Ich fühl' ein ganzes Heer in meiner Brust! –
Die weite Christenheit sieht angstzerrissen
Auf uns, den kleinen Haufen Männer, her.
So weit das Kreuz sich auf die Berge pflanzte,
Liegt alles Volk auf seinen Knien und betet
Zum ew'gen Gott für uns und unsern Sieg!
Und wie sie uns und unsrer Kraft vertraun,
So tretet stolz zum Kampfe, kühn zum Tod.
Wenn mir dann auch was Menschliches begegnet,
Und wenn ich früher fallen muß als ihr,
So sei mein alter Waffenfreund Alapi
Der Feste Hauptmann, dem gehorcht wie mir! –
Nun hört noch das Vermächtnis meines Willens,
Das ernste Wort des alten Hauptmanns an:
Wer seinen Obern den Gehorsam weigert,
Der stirbt durchs Beil; wer den bestimmten Platz
Auf Augenblicke nur verläßt, der stirbt
Ohne Verhör, wenn kein Befehl gerufen.
Wer einen Brief annimmt vom Sarazenen,
Stirbt als Verräter. Was vom Feinde kommt,
Wird ungelesen in die Glut geworfen.
[35] Zwei, die besorgt und ängstlich thun und heimlich
Sich in die Ohren flüstern, sollen hängen! Wer es sieht
Und, weil's ihm Freunde sind, die That nicht anzeigt,
Hängt wie sie selbst; denn wir sind Sterbende
Und haben kein Geheimnis vor einander.
Der Tod des Schützen, der am Schloßthor heut
Wider den Dwako seinen Degen zog,
Verbürge euch die Strenge meines Worts.
Mit ihm sterb' auch der Janitscharenhauptmann,
Der schwarze Lästrung wider unsern Glauben
Aus seiner gottverfluchten Lippe stieß.
Auch die dreihundert der gefangnen Türken;
Wir haben nichts zu essen für die Hunde
Und geben kein Quartier, verlangen keins.
Man pflanze ihre Köpfe aus die Mauer;
Sie zahlen uns für unsrer Dörfer Brand
Und für das Blut schuldlos erwürgter Brüder.
Ein großes Kreuz, das Zeichen unsers Glaubens,
Sei blutigrot auf unser Thor gestellt,
Das melde den verwegnen Türkenhunden,
Wie und wofür der Ungar kämpft und stirbt.
Und wie ich jetzt, der erste, euer Hauptmann,
Vor Gott hinkniee zum gewalt'gen Schwur,
So thut mir's nach und schwört's aus meinen Säbel:

Er tritt ganz in den Vordergrund und kniet nieder.

Ich, Niklas, Graf von Zriny, schwöre Gott,
Dem Kaiser und dem Vaterlande Treue
Bis in den Tod! So mag der Himmel mich
In meines Lebens letztem Kampf verlassen,
Wenn ich euch je verlasse, brüderlich
Nicht Sieg und Tod mit meinen Ungarn teile! –

Steht auf.

Schwöre mir's nach, mein heldenmütig Volk!

Alle knieen nieder. Die vier Hauptleute legen ihre Säbel auf Zrinys Säbel.
VILACKY UND ALAPI.
So schwören wir, Zriny, in deine Hand
Gott, Kaiser und dem Vaterlande Treue
Bis in den Tod! bis auf den letzten Mann!
ALLE.
Bis in den Tod! bis auf den letzten Mann!
JURANITSCH UND PAPRUTOWITSCH.
So schwören wir dir, Hauptmann, strenge Folge,
Wie du uns führst, nach deinem hohen Willen,
Bis in den Tod! bis auf den letzten Mann!
ALLE.
Bis in den Tod! bis auf den letzten Mann!
ZRINY.
Gott hört den Schwur und wird den Meineid rächen!

Der Vorhang fällt schnell.

3. Akt

1. Auftritt
1. Auftritt.
Mustafa. Ali Portuk.

ALI.
Hab' ich es nicht vorausgesagt? Beim Allah!
Wir zwingen diese Ungarn nicht so bald,
Wenn Zrinys Mut die kleine Schar begeistert.
Ich kenn' ihn ja.
MUSTAFA.
Sag' das dem Großherrn nicht!
Der alte Löwe blickt gar wild und grimmig;
Der Begler Beg hat seinen Zorn gefühlt!
Ha, diese Abenteurer! konnten sie's
Erwarten, bis wir sie zum Kampf gefordert?
Verwegen stürzten sie aus ihren Thoren
Und suchten uns in offner Feldschlacht auf,
Der kleine Haufe, und zweitausend Türken
Begruben wir am Abend. 's ist, um toll
Zu werden!
ALI.
Hab' ich's nicht gesagt? Wir wären
Auf gradem Wege nach der Hauptstadt schon,
Und brechen jetzt die Kraft an dieser Klippe!
Der Kaiser Max versammelt unterdes
Aus ganz Europa seine Ritterzüge,
Und wenn wir hier uns schwach und matt gestürmt,
Soll's dann mit Mut an diese frischen Feinde!
's ist widersinnig, 's ist ein Bubenstreich!
MUSTAFA.
Freund, Freund! dein Kopf!
ALI.
Steht deiner etwa fester,
Weil du geduldig solcher Tollheit schweigst?
Gelingt nun morgen unser Sturm nicht besser,
So büßen wir für sein sinnloses Thun,
Und er ertränkt in seiner Sklaven Blut
Die innre Wut ob eigner schwerer Schuld.
2. Auftritt
2. Auftritt.
Vorige. Mehmed.

MEHMED
in die Szene rufend.
Man soll vom Sturm ablassen, soll zurück!
Jagt, was ihr könnt! Vergeblich ist die Arbeit,
[37] Umsonst viel edles Türkenblut verspritzt.
Jagt, was ihr könnt, man soll zum Rückzug blasen!

Zu Ali.

Verdammt! – Ihr habt uns Schlimmes prophezeit,
Und Schlimmres noch, bei Gott, ist eingetroffen.
ALI.
Sokolowitsch, wohl manches sah ich kommen,
Doch Soliman liebt solche Weisheit nicht,
Und schlecht nur möcht' er's dem Propheten lohnen. –
Was kostet uns der heut'ge Sturm?
MEHMED.
Dreitausend
Von unsern besten Leuten. Saht Ihr's nicht?
Der Zriny schmetterte, ein angeschoßner Eber,
Was trunknen Muts die Mauern schon erstieg,
Kopfüber von dem steilen Wall herunter,
Ja, reihenweise stürzten sie herab.
MUSTAFA.
Die Janitscharen haben brav gefochten.
ALI.
Was hilft denn Bravheit gegen solches Volk,
Das in dem Narrenwahne, sich für Gott
Und seinen Glauben sterbend hinzuopfern,
Zum Tode wie zum Siegsbankette geht?
Traut mir, ich kenne sie. Das ist der Geist,
Der uns vor Rhodus viele Tausende,
Vor Malta unsern Ruhm gekostet hat.
MEHMED.
Habt ihr den Großherrn schon gesehn?
MUSTAFA.
Wir harren
Nach seinem Winke hier im Zelt seit kurzem;
Noch sind wir nicht gerufen.
MEHMED.
Still! Mich dünkt,
Ich hör' ihn kommen. Mag der Himmel ihm
Ein günstig Ohr für meine Botschaft leihen;
Denn wohl gefährlich ist's, ein solches Wort
Dem sieggewohnten Löwen zu vermelden.
ALI.
Er kommt.
MEHMED.
Helft mir mit Eurer Stimme, Ali,
– Er traut Euch viel, – wenn meine nicht mehr gilt.
3. Auftritt
3. Auftritt.
Vorige. Soliman.

SOLIMAN.
Wie steht's, Wesir?
MEHMED.
Der Sturm ist abgeschlagen.
SOLIMAN.
Daß euch die Pest! – Wer gab Befehl zum Rückzug?
MEHMED.
Als ich zu Tausenden die Janitscharen
Ganz ohne Not und Nutzen würgen sah,
[38] Ließ ich zum Rückzug blasen, deine Völker
Auf eines günst'gern Tages Glück zu schonen.
Die Wälle können unsern Feuerschlünden
Nur kurze Zeit noch widerstehn; sie stürzen,
Und über ihren Trümmern stürmt dein Heer
Und pflanzt den halben Mond auf Sigeths Zinnen.
SOLIMAN.
Daß Sigeth fallen muß, das weiß ich auch;
Mir aber gilt der Augenblick, und sollt' ich
Mit Millionen Leben ihn erkaufen!
Nichts ist zu kostbar für die flücht'ge Zeit.
Ich habe nie mit Menschen karg gethan,
Soll ich's in meinen letzten Tagen lernen?
Du kennst mich, Mehmed, fürchte meinen Grimm!
Auf deine Schultern leg' ich meinen Willen, –
Ist er zu schwer für deine schwache Kraft?
Nimm dich in acht, er kann dich auch zermalmen!
MEHMED.
Wenn ich gefehlt, mein großer Herr und Kaiser,
Aus guter Absicht floß die falsche That.
SOLIMAN.
Der Sklave soll gehorchen – überlegen
Ist seines Herren Handwerk; merk' dir das! –
Nun? Zauderst du? Was hast du zu bedenken?
Sturm! Ich will Sturm! Wenn sie nicht willig gehn,
Laß sie mit Hunden zu der Mauer hetzen! –
Sturm! Ich will Sturm!
ALI.
Mein großer Herr und Kaiser,
Vergönn' dem Sklaven, nur ein kleines Wort
Demütig deiner Weisheit vorzulegen.
SOLIMAN.
Was soll's?
ALI.
Stürm' heut nicht mehr! Ich lass' noch diese Nacht
Aus allen Stücken Burg und Stadt beließen;
Sie halten sich nur kurze Zeit, glaub' mir.
Laß den gefangnen Ungar vor dich kommen,
Er mag bekennen, wie's in Sigeth steht.
Gönn' dem erschöpften Heer nur kurze Ruh;
Ein kluger Aufschub hat oft mehr erworben
Als solch ein Kampf; der Sieg erzwingt sich nicht.
SOLIMAN.
Ich aber will ihn zwingen, werd' ihn zwingen!
ALI.
Denke an Malta!
SOLIMAN.
Tod und Hölle! Ali!
Erinnre mich nicht daran, wenn dein Kopf
Dir lieb ist! Ich ertrage so von dir
Mehr, als dem Großherrn Soliman geziemt.
ALI.
Mein Leben liegt in deiner Kaiserhand.
SOLIMAN.
Weil du das weißt und doch des Herzens Meinung
Mir frei ins Antlitz sprachst, mag ich's verzeihn;
[39] Die Wahrheit lieb' ich, die den Tod nicht scheut.
Zum Zeichen meiner kaiserlichen Gnade
Befolg' ich deinen Rat und stürme nicht. –
Bringt mir den Ungar!
ALI.
Herr, sogleich. Ich hab'
Ihn rufen lassen.
MUSTAFA.
's ist ein wackrer Krieger,
Den wir wohl nicht lebendig fangen mochten,
Wenn nicht ein Janitscharensäbel ihm
Das Heldenantlitz wild zerrissen hätte,
Daß er ohnmächtig von dem Rosse sank
Und erst durch unsrer Aerzte Kunst erwachte. –
Da kommt er selbst, ermattet und erschöpft,
Nur in den Augen glüht noch Heldenfeuer;
Die Kraft der Muskeln beugte sich dem Schmerz.
4. Auftritt
4. Auftritt.
Vorige. Vilacky schwer verwundet und erschöpft, wird von einem türkischen Aga hereingeführt.

SOLIMAN.
Ein männlich Antlitz, kühn und heldenkräftig;
Ich habe meine Feinde gern so stolz. –
Wer bist du, Jüngling? sprich!
VILACKY.
Ein Ungar und ein Christ:
So steh' ich doppelt hoch in deinem Hasse.
SOLIMAN.
Bildst du dir ein, ich ließe mich herab,
Den einzelnen zu hassen? Stolzer Träumer!
Ich zähle nie die Tropfen meiner Meere;
Mein Kaiserhaß trifft nur das Volk als Volk.
Bekenne mir: wie steht's in eurem Sigeth?
VILACKY.
Erstürmt es nur, dann könnt ihr's leicht erfahren.
MEHMED.
Verwegner Sklave, sprichst du so zum Großherrn?
VILACKY.
Magst du sein Sklave sein, ich bin es nicht.
Ein freier Ungar beugt sich nur vor Gott
Und seinem König.
SOLIMAN.
Du gefällst mir, Christ!
Nur frisch vom Herzen und dem Feind ins Antlitz!
Wenn ich der Ungarn Heldensinn nicht kennte,
Gäb' ich mir so viel Mühe um das Land?
Den Löwen freut's, daß ihm der Bär gehorcht,
Nicht, daß ihn Hund und Katze König schimpfen.
VILACKY.
Du, Löwe, hüte dich vor deinen Bären!
Ein rechter Bär scheut deine Mähnen nicht.
[40]
SOLIMAN.
Dann soll er meine Tatzen fühlen lernen! –
Jetzt, Christ, bekenne, wie's in Sigeth steht,
Und ob ich bald auf den erstürmten Zinnen
Die heil'ge Fahne siegreich pflanzen mag.
Wenn du bei deinem Schweigen stolz beharrst,
So lass' ich dir die stumme Zunge lösen,
Und Schmach und Tod erwartet dich! Nun sprich!
VILACKY.
Was du von mir zu hören hast, Großsultan,
Verlohnte sich, bei Gott, nicht all der Worte.
Zieh ab, ich rate dir's! An jenen Mauern
Bricht sich die Wogenbrandung deines Glücks.
Der Niklas Zriny weicht nicht La Valette,
Der Ungar dem Malteser nicht. Sankt Michael
Belagerst du zum zweitenmal vergebens.
SOLIMAN.
Ich habe Afrika besiegt und Asien
Gesetze vorgeschrieben – glaubst du, Thor,
Dein Häuflein Ungarn wär' unüberwindlich?
Mit zweimal Hunderttausend lieg' ich hier,
Genug, um ein Europa zu bezwingen,
Und diese Felsen ständen mir zu fest? –
VILACKY.
Die Menge bricht sich an dem ehrnen Mute.
Die dort in Sigeth wissen mehr, als du
Mit deinen Hunderttausenden vermagst:
Sie können sterben für den wahren Glauben,
Nicht trunknen Muts, wie dein tollkühnes Heer,
Nein, wie es Helden ziemt: kalt, ernst, besonnen!
SOLIMAN.
Ja, sterben sollen alle die Verwegnen!
Tollkühne Schiffer, die den Strom hinauf,
Der über Felsen in den Abgrund donnert,
Mit rasendem Entschluß die Fahrt gelenkt.
Er stürzt hinab, zerschmetternd reißt er sie
In seines Strudels ungeheure Tiefe,
Und ihres Namens Klang vergißt die Zeit.
VILACKY.
Nein, Soliman, ihr Name lebt und strahlt,
Ein ew'ger Stern im Wechselsturm der Tage,
Zu ihres Volkes fernster Nachwelt durch.
Groß mag es sein, ein Erbe dieser Erde
In die bezwungne, unterjochte Welt
Als kaiserlicher Sieger einzuziehn;
Doch, glaube mir, es ist ein höhres Leben,
Sich, wenn ein weltzerstörend Meteor
Vernichtend in des Lebens Kreise donnert,
Für seines Volkes Freiheit zu verkaufen
Und eine Welt im Kampfe zu bestehn.
Dich, Soliman, wird einst die Nachwelt richten,
[41] Brandmarken mit dem Fluch der Tyrannei!
Das sag' ich dir! – Sieh, wie die Buben zittern,
Daß ich dies große, ungeheure Wort
Dem Sultan keck ins Angesicht geworfen! –
Ja, Soliman, die Nachwelt wird dich richten!
Als Sieger zogst du wohl aus manchem Kampfe;
Doch, glaube mir, so hoch steht nicht dein Ruhm,
Den du auf Menschenleichen, Städtetrümmern
Und der erkämpften halben Welt gebaut,
Als sich der große Johannitermeister,
Philipp de Villers, den du doch bezwangst,
Durch Heldensinn und Heldenkraft geschwungen. –
Nun, Soliman, laß deine Schergen kommen,
Mein Leben ist verwirkt mit diesem Worte;
Was ich dir sagte, sagt dir keiner mehr.
SOLIMAN.
Christ, du bist frei. Was kann's dem Monde kümmern,
Wenn ihn der Hund anbellt? Ich schenke dir,
Beim Allah, wenig, wenn ich's Leben schenke.
Das Leben gilt nur großen Männern viel;
Im Staube kriechen, heißt ja so nicht leben.
VILACKY.
Um diesen Preis mag ich das Leben nicht!
Du sollst mich achten und mich töten lassen!
SOLIMAN.
Christ, Menschen achten hab' ich längst verlernt.
VILACKY.
So lern's an mir! Vom Feind will ich nicht Gnade!

Reißt sich den Verband ab.

Ström' hin, mein Blut! Hier oder auf dem Schlachtfeld,
Ich sterbe doch für Volk und Vaterland! –
Fluch Soliman! Heil meinem großen Kaiser!

Er stürzt ohnmächtig zusammen.
SOLIMAN.
Tollkühner Thor! – Hat Kaiser Maximilian
Viel solche Freunde, mag er reich sich nennen. –
Man trag' ihn fort, und wenn das flücht'ge Leben
Noch in dem Herzen aufzuhalten ist,
So pflegt ihn gut und laßt den Levi holen.

Vilacky wird abgetragen.
5. Auftritt
5. Auftritt.
Vorige, ohne Vilacky.

SOLIMAN
für sich.
Christ, Christ! Du hast ein schlimmes Wort gesprochen!
MEHMED.
Der Kaiser scheint vertieft und sehr ergriffen,
Des Ungarn Kühnheit hat ihm schlecht behagt.
MUSTAFA.
Freund, mir ist bange um den alten Löwen.
ALI.
Heut früh fand ich den Levi hier im Zelt,
[42] Den alten Arzt, den kunsterfahrnen Juden,
Und als ich fragte, was dem Kaiser sei,
Zuckt' er die Achseln, meinte, dieser Zug
Hab' ihn mehr angegriffen, als er selbst
Vermutet. Freude sei und Sieg sei nötig,
Um seiner Heldenkräfte kühnen Mut
In den versiegten Adern zu verjüngen.
MUSTAFA.
Er ist wohl kränker, als er sich's gesteht.
Wär' er bei seiner alten Kraft und Wildheit,
Er hätte so dem Ungar nicht verziehn.
MEHMED.
Gehn wir zurück, er scheint zu überlegen;
Seht nur wie er die Braunen finster zieht.
Gehn wir zurück und lassen wir ihn träumen.

Die Fürsten ziehen sich zurück.
SOLIMAN.
Bekenne dir's, du alter, grauer Held,
Auf solche Kühnheit warst du nicht bereitet.
Du hast kein zweites Malta dir geträumt.
Es gibt noch Männer, Achtung zu ertrotzen!
Denkt Zrinys Schar, wie dieser Schwärmer da,
So wär' es wohl ein rasendes Beginnen,
An dieses Häuflein Abenteurer, die
Nichts zu verlieren haben als ihr Leben,
Die edle Zeit, das Kostbarste, zu wagen;
Denn fallen müssen sie einmal, sie müssen,
Und füllt' ich erst der Feste tiefste Gräben
Mit meiner Janitscharen Leichen aus,
Sie müssen fallen! – Aber Zeit gewinnen,
Das ist das große Rätsel dieser Welt.
Zog ich denn aus, um Sigeth zu erstürmen?
Ging denn mein Plan, mein ungeheurer Wille
Nicht weiter als auf diese Handvoll Erde?
Nicht weiter als auf diese tolle Schar
Und diesen Abenteurer, diesen Zriny? –
Hab' ich mich für Europa nicht gerüstet?
Wollt' ich denn nicht auf Wiens erstürmten Wall
Den deutschen Völkern mein Gesetz verkünden, –
Und läge nun in mondenlangem Kampf
Vor dieser Feste, um den alten Starrkopf
An diesen armen Felsen zu zerstoßen,
Und all das für den Ruhm, zweitausend Ungarn
Aus einem Mauseloche zu verjagen?
Wahnsinnig wär' ich, für ein Tollhaus reif,
Wollt' ich mein großes, schönes Heldenleben
So elend enden, meine letzte Kraft
Noch im gemeinen Kampfe mir vergeuden!
[43] Nein, nein! beim Allah, nein! Das will ich nicht.
Ich fühl's, ich habe wenig mehr zu leben,
Der innre Grimm frißt an des Lebens Mark;
Drum gilt es schnell! Sigeth muß über sein
Und Gyula, eh ich mich zur letzten Schlacht
Mit Kaiser Max, dem Habsburg, rüsten kann. –
Es sei beschlossen. Wer die Welt erkämpft,
Kann wohl ein Reich zum Almosen verschenken!
Sigeth muß mein sein! Wie – das ist gleichviel, –
Mein muß es sein! Kein Schatz wird hochgeachtet,
Wenn es das unschätzbare Kleinod gilt! –
Wesir!
MEHMED.
Mein Herr und Kaiser?
SOLIMAN.
Schnell nach Sigeth!
Verlange Unterredung mit dem Grafen.
Er soll sich mir ergeben; Widerstand
Sei Raserei und nicht des Helden würdig.
Biet ihm Kroatien als erblich Königreich,
Und was ihn sonst von Schätzen nur gelüstet –
Jetzt gilt mir Sigeth mehr. Sag' ihm, ich wollt' ihn
Als meinen Freund und Bundsgenossen achten –
Er soll sich nur ergeben. Sag's ihm, hörst du?
Kroatien als erblich Königreich!
Gebrauche deiner Zunge ganze Kunst,
Ich will dir lohnen, wie kein Kaiser lohnte –
Er soll sich nur ergeben.
MEHMED.
Herr und Kaiser.
Wie ich den Zriny kenne, hilft das nicht.
SOLIMAN.
's soll aber helfen, 's soll, ich will's! Sag' ihm:
Wenn er sich nicht ergibt, ich morde alles,
Kein Kind im Mutterleibe wird verschont,
Und Frau und Tochter opfr' ich meinen Sklaven! –
Halt! – Hieß es nicht, der junge Graf von Zriny
Sei gestern auf dem Streifzug eingebracht?
MEHMED.
Noch ist's ein unverbürgt Gerücht.
SOLIMAN.
Gleichviel,
Sag' nur, wir hätten seinen Sohn, und wenn er
Das Schloß nicht übergibt, lass' ich ihn martern,
Wie noch kein Mensch gemartert worden; Qualen
Will ich erdenken, daß die Hölle selbst
Vor dieses Elends Jammerzucken schaudre.
Das stell' ihm gegenüber: eine Krone –
Und seines Sohns zerfleischten Leichnam. Wenn er
Nicht jubelnd nach der Krone greift, beim Allah!
Wenn er nicht nach dem Königreiche greift,
[44] Hab' ich mein Spiel verloren an die Menschheit;
Der Augenblick rächt die verhöhnte Welt!

Alle ab.
6. Auftritt
6. Auftritt.

Das große Zimmer in Sigeth.

Zriny. Alapi. Paprutowitsch. Juranitsch. Mehrere ungarische Hauptleute treten aus der Tiefe hervor.

ZRINY.
Was denkt ihr, meine Waffenbrüder, mag ich
Die neue Stadt noch länger halten? Darf ich,
Auf ihrer Mauer Treue mich verlassend,
Den zweiten Sturm erwarten, oder soll
Der Pechkranz in des Bürgers Hütten fliegen,
Damit wir das mit eigner Hand zerstören,
Was unser Schwert nicht mehr beschützen kann?
JURANITSCH.
Nicht diese Grausamkeit, mein teurer Vater!
Das Sengen überlaß den Janitscharen!
Soll denn der Bürger, der sein Hab' und Gut
Vertrauend hier in unsern Schutz gegeben,
Soll er den Landsmann da zerstören, soll
Den Pechkranz in die Scheuern fliegen sehn,
Wo er geborgen und geschirmt sich träumte?
Der Wall ist stark, das Volk ist kühn und treu.
Erwarten wir noch einen Sturm! Vielleicht,
Daß sie den Mut an unsrer Kraft verlieren,
Dann haben wir dem Kaiser eine Stadt
Und treuen Bürgern Hab' und Gut gerettet.
ZRINY.
Die Meinung ehrt dein Herz und dein Gefühl.
Ich hab' es gern an dir, daß du so warm
Für Menschenwohl und Menschenfreuden sprichst.
Wer sich dem Löwen gleichstellt in der Schlacht,
Darf nicht des Löwen Edelmut vergessen.
Du aber bist der Jüngste hier im Kreis,
Und wenn du auch an Mut dich vielen gleichstellst –
Was hier entscheidet, fehlt dir: Kriegserfahrung.
Sprich du, mein alter Freund! Wie denkt Alapi?
ALAPI.
Was Lorenz menschlich riet, erwäg' ich wohl,
Und gern möcht' ich die arme Stadt erhalten;
Dock unser sind zu wenig und der Wall
Zu groß für deine kleine Schar; wir können
Nicht überall den trunknen Janitscharen
Zur Gegenwehr sattsame Mannschaft stellen.
Auch ist die Stadt durch Ali Portuk heut
Gar fürchterlich beschädigt und zerschossen:
[45] Die Türme sind gestürzt, beim nächsten Sturm
Vermögen wir den Wallbruch nicht zu hindern. –
Die Bürger sollen schleunigst all ihr Gut,
Was nur beweglich ist von ihrer Habe,
Herübertragen in die alte Stadt;
Dann sei der Pechkranz rauchend aufgesteckt!
Denn besser ist's, es brennt von Grund aus nieder,
Als daß sich Ali Portuk dort verschanzt
Und um so leichter dann die Altstadt stürme.
ZRINY.
Auch meine Meinung, alter Waffenbruder!
PAPRUTOWITSCH.
Es bleibt mir aber unbegreiflich Ding,
Den schuldigen Respekt möcht' ich vergessen,
Wenn ich mir's denke, daß der Kaiser Max
Mit Achtzigtausend sich bei Raab verschanzt
Und keine Miene macht, uns zu entsetzen.
Gilt ihm denn seine treue Mannschaft nichts?
Nichts seine Feste, nichts dies Heldenleben?
Dies eine, große Heldenleben nichts?
Es ist, um toll zu werden, wenn man's denkt!
So seine Treuen opfern, die er retten,
Die er für beßre Zeit erhalten kann.
Begreif es, wer es will, mir ist's zu fein!
ZRINY.
Freund, frevle nicht an unserm guten Kaiser!
Er hat der Last, der Mühe wohl genug,
Die Schlechten treten ihm so oft entgegen;
Erspare ihm das traurige Gefühl,
Daß auch der Besten welche ihn verkannt.
Das Leben sieht sich anders an vom Throne.
Ich weiß, es kränkt sein edles Vaterherz,
Es kostet ihn im stillen manche Thräne,
Daß er mich und mein Volk dem Tod geweiht;
Doch tiefe Weisheit liegt in seinem Willen,
Ich beuge mich vor seiner Majestät!
Hier können wir, die einzelnen, was nützen,
Wir kosten unserm Feind noch manchen Kampf,
Und Max hat Zeit, sein Volk herbeizurufen.
Was gelten wir in einem großen Heer? –
Willst du ein Meer erkämpfen und erhalten,
Verlorne Tropfen hast du nie gezählt;
Der einzelne versinkt im allgemeinen.
Es ist des Kaisers angestammtes Recht.
Er darf von Tausenden das Opfer fordern,
Wenn es das Wohl von Millionen gilt.
7. Auftritt
[46] 7. Auftritt.
Vorige. Ein ungarischer Hauptmann.

HAUPTMANN.
Ein türk'scher Heeresfürst hält vor dem Thore,
Im Namen seines Kaisers, wie er spricht,
Mit dir ein Wort des Friedens zu bereden;
Doch geh' sein Auftrag nur an dich allein,
Und ohne Zeugen wünscht er dich zu sprechen.
ZRINY.
Ob ich ihn höre?
ALAPI.
Schaden mag es nicht.
Wär' doch begierig, was der Herr uns brächte.
ZRINY.
Führt ihn herauf! Ihr andern bleibt im Gange,
Und meines ersten Winkes seid gefaßt!
Was die Neustadt betrifft, will ich's erwägen;
Doch gebt indessen den Befehl: es mag
Der Bürger seine beste Habe retten.
Auch richtet wir die Feuerbrände zu!
Zugleich an sieben Ecken lodr' es auf,
Wenn ich euch winke! Eilt euch! – Er mag kommen!

Alle ab, außer Zriny.
8. Auftritt
8. Auftritt.
Zriny allein.
Er tritt an das Fenster und blickt zur Stadt hinab.

Da liegt die arme Stadt! – ein Friedenstraum

Schwebt noch wehmütig über ihren Dächern;

Die Feuerschlünde sind verstummt, der lange Kampf

Hat Freund und Feind ermattet. Ruhig ist's,

Still auf den Straßen, wie zu alten Zeiten,

Harmlos geht jeder dem Gewerbe nach.

Sie schließen ihre Thore, nicht bedenkend,

Kein Morgen komme, der sie wieder öffnet.

Sie ahnen's nicht, daß fürchterlich der Blitz,

Der all den schönen Friedenstraum zerschmettert,

Schon in gewitterschwangrer Wolke bebt,

Die Hand erwartend, die ihn niederschleudert. –

Und all dies heitre Glück zerstört mein Wink?

Gott legt das Schicksal tausend stiller Bürger

In meine Hand – und ich zermalme sie? –

Darf ich's? Darf ich das fremde Leben fordern?

Mein eignes konnt' ich in die Schanze schlagen,

Mein Kind, mein Weib und meine Freunde opfern;

Die sich freiwillig meinem Glück vertraut,

[47] Sie müssen schuldlos mit in mein Verderben!

Doch jene Armen? Darf ich todverbreitend

Dem Engel Gottes in sein Handwerk greifen?

Zerstören, was ich nicht gebaut? Darfst du das, Zriny? –

Was faßt mich für ein Geist der Wehmut plötzlich?

Was soll's mit diesen Thränen, alter Held?

Das Vaterland will deinen Arm; dein Herz

Und dein Gefühl darfst du nicht fragen lassen.

9. Auftritt
9. Auftritt.
Zriny. Der ungarische Hauptmann. Dann Mehmed.

HAUPTMANN.
Der türk'sche Fürst.
ZRINY.
Ich bin allein, er komme.

Hauptmann geht ab; Mehmed tritt ein.
ZRINY.
Wie, du, Sokolowitsch, der Großwesir? –
Sei mir gegrüßt, was du auch bringen magst.
Der Kaiser will wohl Wichtiges von Zriny,
Da er den Besten seines Heers gesandt.
MEHMED.
Mein hoher Großherr Soliman entbietet
Dir seine ganze kaiserliche Gunst
Und fordert dich und deine Brüder auf,
Der nutzlos schwachen Gegenwehr gedenkend,
Die euch zuletzt all' ins Verderben stürzt,
Die Feste seinem Heer zu übergeben.
Es ehrt der Kaiser deinen Heldenmut
Und möchte ungern dich als Feind behandeln;
Darum gesteht er jede Fordrung zu,
Die billig ist und seiner Macht geziemend,
Wenn du die Feste heut noch übergibst;
Wo nicht, so stürmt er ohne Schonung weiter.
Mord ist die Losung, und was Leben heißt,
Soll unter seinem Henkersbeile bluten.
ZRINY.
Willst du mir weiter nichts, Sokolowitsch?
Du hättest dir den Weg ersparen können. –
Ich bin ein Zriny! Das ist meine Antwort,
Und wenn mich Soliman als Helden ehrt,
So kann er nicht Verrat von mir verlangen.
Wie er dann haust, wenn er die Burg erstürmt,
Darüber wird ein andrer mit ihm rechten;
Ich thue hier, was meines Amtes ist.
MEHMED.
Wärst du nur Held, ließ' ich die Rede gelten;
Doch du bist Mann und Vater. Denke, Zriny,
Des Großherrn Zorn schont auch der Weiber nicht;
[48] Er schwur, sie seinen Sklaven preiszugeben,
Wenn du dich nicht ergibst. Du kannst wohl sterben
Im ritterlichen Kampfe als ein Held,
Doch deiner Frauen denke, Zriny! Zriny,
Mich schaudert's, wann ich's träume – diese zarten
Geschöpfe von des Pöbels roher Wut
Gemordet denke, schmachvoll hingewürgt!
ZRINY.
Du bist ein guter Maler, Großwesir,
Wenn's gilt, das Blut im Herzen zu vereisen.
MEHMED.
O laß dir raten, Zriny!
ZRINY.
Armer Türke!
Du kennst das Weib nicht, kennst den Hochsinn nicht,
Der auch den zarten Busen mächtig schwellt.
Laß deine Knechte sich aufs Opfer freuen;
Es ist mein Weib und meine Tochter, Mehmed,
Und beide wissen, wann es Zeit, zu sterben.
MEHMED.
Er will ja auch die Feste nicht umsonst!
Viel liegt ihm dran, das merkst du leicht am Preise,
Den er dir bieten läßt. Kroatien
Sollst du als erblich Königreich besitzen,
Und was von Schätzen sonst dich freuen mag.
Als Freund und Bundsgenossen will er dich
Zum höchsten Gipfel aller Ehren tragen. –
ZRINY.
Pfui über dich, Mehmed, daß du es wagst,
Dem Niklas Zriny solchen Schimpf zu bieten! –
Sag' deinem Großherrn, einem Ungar sei
Die Ehre mehr als eine Königskrone!
Er könne mich und all mein Volk zermalmen,
Doch meine Ehre müss' er lassen stehn,
Die könn' er nicht verheeren wie ein Land,
Bis dahin reiche keines Großherrn Geißel!
MEHMED.
Nun, wenn dich nichts bewegt, du harter Mann,
So hör' mein letztes Abschiedswort und schaudre!
Dein Sohn ward eingebracht auf einem Streifzug;
Er ist gefangen. Uebergibst du nicht,
So schwur der Großherr, Qualen zu erdenken,
Die eine Teufelsbrust erbarmen müßten,
An deinem Sohne, marternd Glied für Glied,
Des Vaters Starrsinn fürchterlich zu rächen!
ZRINY.
Mein Sohn! Georg! Gott! Deine Hand ist schwer!
MEHMED.
Entschließe dich, die Henker sind bereit.
ZRINY.
Hier ist nichts zu entschließen. Zriny ist
Gefaßt auf alles. Quält ihn, martert ihn;
Reißt ihm mit glühnden Zangen seine Glieder –
Georg war mein, mein Sohn; er stirbt als Held!

[49] Zur Thür hinausrufend.

Paprutowitsch! Den Pechkranz auf die Neustadt! –
Das Höchste ist, was ich von Gott gebeten,
Er sollte sterben, seiner Väter wert!
Gott hat mein Flehn erhört, ich bin zufrieden.
Ob unter euern Beilen, euern Schwertern, –
Er stirbt für Gott und für sein Vaterland!

Wie oben.

Den Pechkranz auf die Neustadt! Laßt sie brennen! –
Fragt ihn in seiner Qual, ob er sein Leben
Mit seines Vaters Schande kaufen wollte?
Ja, fragt ihn nur; mein Sohn ruft: Nein! und stirbt.
MEHMED.
Vor solcher Größe beugt sich meine Seele.
ZRINY.
O, glaube nicht, der letzte meiner Brüder,
Er denke anders, als der Führer denkt.
Glaub' nicht, Wesir, mein Weib und meine Tochter,
Sie würden anders sprechen, als ich's that.
Ich, als ein Mann, und sie, die zarten Frauen! –
Aus ihrem eignen Munde sollst du's hören.

Ruft.

Helene! Eva! Juranitsch! Alapi!
Kommt alle, alle, feiert unsern Sieg!
10. Auftritt
10. Auftritt.
Vorige. Helene. Eva. Alapi. Juranitsch. Paprutowitsch. Ungarische Hauptleute. Von verschiedenen Seiten.

EVA.
Was willst du, Lieber? Wie verklärt bist du!
ALAPI.
Wie steht es, Freund? Was leuchten deine Augen?
ZRINY.
Nun hör' sie selbst! Sagt's diesem Zweifler da,
Ob ihr's aus freiem Herzen nicht geschworen,
Fürs Vaterland in Kampf und Tod zu gehn?
DIE MÄNNER.
Aus freier Kraft, nach eignem freien Willen!
ZRINY.
Sagt's ihm, ihr Frauen, denn er glaubt es nicht,
Auch ihr wärt stark genug, die zarte Brust
Dem freien Stoß des Mordes preiszugeben,
Wenn's eure Ehre, euern Glauben gilt!
EVA.
Ich folge dir mit Freuden ins Verderben!
HELENE.
Die Heldenbraut soll mit dem Helden sterben!
ZRINY
breitet seine Arme aus.
Kommt an mein Herz! Gott! Gott! wie reich bin ich!

Gruppe.
Man sieht die Fenster vom Scheine des Feuers erglühen und die Brandraketen vorbeifliegen.
PAPRUTOWITSCH.
Da fliegt die Brandrakete in die Stadt.
Das Feuer faßt, schon brennt's an sieben Ecken.
ZRINY.
Mehmed Sokolowitsch, sag's deinem Herrn,
[50] So hättest du den Zriny hier gefunden;
So dächte er, so dächte all sein Volk.
Noch eh du deinen Weg zurücke miss'st,
Hat's ihm die Stadt in Flammen schon verkündet:
Dem Zriny sei es fürchterlicher Ernst,
Die Ehre gelt' ihm mehr als eine Krone,
Das Vaterland mehr als des Sohnes Leben!
Er stände fest bis in die Todesnacht! –
Nun stürmt heran, wir sind bereit zur Schlacht!
Lebendig aber sollt ihr keinen haben,
Und Sigeths Trümmer sollen uns begraben!

Der Vorhang fällt schnell.

4. Akt

1. Auftritt
1. Auftritt.
Soliman sehr abgespannt auf einem Stuhl. Levi hinter ihm. Mehmed kommt durch den Hauteingang.

MEHMED.
Wie geht's dem Kaiser?
LEVI.
Schlecht, sehr schlecht! Mir ahnet
Nichts Gutes, Herr!
MEHMED.
Seit wann ist er so krank?
LEVI.
Seit Eurer Wiederkehr aus Sigeth. Was Ihr
In jener Stunde mögt verendet haben,
Das mag kein Freudenwort gewesen sein.
Er ließ mich rufen; in empörter Wallung
Fand ich das alte Heldenblut, ich sah's
An seinem fieberhaft durchglühten Auge,
Ein fürchterlicher Kampf durchriß die Brust.
Als drauf der zweite Sturm mißlang, der dritte,
Der vierte und der fünfte auch, die alte Stadt
Zuletzt zwar überging, von der Gewalt
Der Pulverminen fürchterlich zerborsten,
Doch Zriny kämpfend sich ins Schloß zurückzog,
Da riß der innre Grimm der Heldenbrust
Verwegen an den Festen seines Lebens.
Die Toten ließ er zählen, nur fünfhundert
Tollkühner Ungarn lagen auf der Walstatt
Und hatten so viel Tausende von uns
[51] Zur Todesbrautnacht neben sich gebettet.
Das packt' ihn wie mit Fieberschauer an
Und schmetterte die letzte Kraft zusammen.
Nun liegt er bleich da, als ein Sterbender;
Der nächste Morgen findet ihn dort drüben.
MEHMED.
Zieht Euch zurück. – Mein kaiserlicher Herr!
Ich bring' ein frohes Wort von Petow Pascha:
Gyula ist unser, Keretschin hat sich
An seinen Schwager Bebeck übergeben.
SOLIMAN.
Was kümmert's mich! Sag' mir, Sigeth ist mein,
Und nimm Aegypten dir zum Königreiche!
MEHMED.
König Johann verlangte von dem Pascha
Die Burg für sich; er hat sie ihm verweigert,
Wenn er nicht viermalhunderttausend Gülden
Erlege, was der Ungarkrieg dir koste.
Der Siebenbürge will das Geld nicht zahlen
Und sendet seinen Kanzler –
SOLIMAN.
Er soll zahlen,
Sonst bleibt die Feste mein! Er hat mich so
Zu diesem Kriege ohne Not verleitet. –
Sagt mir: der Kaiser Max sei jetzt zu schwach
Und tief im Streite mit den deutschen Fürsten,
Er könne mir unmöglich widerstehn;
Verspricht mir überdies noch tausend Reiter
Und von den Ungarn alle Lieb' und Vorschub;
Und wie ich komme, hat der Kaiser schnell
Ein ungeheures Christenheer versammelt,
Die Ungarn sind mir feindlicher als je,
Und auch die tausend Siebenbürgen fehlen.
Sag' ihm, das Lügen will ich, ihm vertreiben,
Er freue sich auf meinen Kaiserzorn!
MEHMED.
Ein ähnlich Wort hat er schon hören müssen.
Der Kanzler meinte, daß die Ungarn ihm
Freilich den größten Vorschub zugeschworen;
Weil aber deine Völker gleich gesengt,
So hätten sie ihr Wort zurückgenommen.
Was Maximilian beträf', so wär' der König
Durch falsche Kundschaft selbst betrogen.
SOLIMAN.
Aber
Die Reiter! sprich, was meint er da?
MEHMED.
Es sei die Brücke
Zu spät geschlagen worden, sagt der König;
Das hab' sein Volk verhindert, an der Drau,
Wie der Vertrag gewollt, zu uns zu stoßen.
SOLIMAN.
Verdammt! Wer schlug die Brücke?
[52]
MEHMED.
Hamsa Beg.
SOLIMAN.
Laß ihn enthaupten! Geh! Ich litt es nie,
Daß meine Sklaven ihres Fehlers Schuld
Von einer Achsel zu der andern wälzten;
Drum hör' ihn nicht, wenn er sich schuldlos nennt.
Er soll es büßen, daß der Siebenbürge
Mit seinem Fehler sich rechtfert'gen kann.

Mehmed geht ab.
2. Auftritt
2. Auftritt.
Soliman. Levi.

SOLIMAN.
Da steh' ich nun am Ende meiner Thaten.
In ihren Angeln hat die Welt gebebt,
Wenn sich mein Zorn durch Felsen Bahn gebrochen,
Und jetzt lieg' ich in eitler Ohnmacht hier
Und breche meine Kraft an dieser Feste. –
Mit mir ist's aus – der alte Löwe stirbt.
LEVI.
Er stirbt.
SOLIMAN.
Verdammte Eule, rufst du's nach?
LEVI.
Mein großer Herr, verzeiht's dem alten Manne,
Der seinem Schmerz nicht mehr gebieten kann.
Wer soll nicht weinen, soll nicht jammern, wenn
Ein solcher Stern am Himmel untergeht,
Der sein Jahrhundert sonnenhell gelichtet?
Auch ich hab' ihm vertraut, dem Strahlenbild;
Mein Hoffen und mein Freuen geht mit unter!
SOLIMAN.
So muß ich sterben? muß ich?
LEVI.
Ach, umsonst
Möcht' ich der Hoffnung Stimme noch erwecken.
Das tröste dich: du lebst für alle Zeit!
Groß in der Kunst, im Leben und im Kampfe,
Haft du den ew'gen Tempel dir gebaut,
Wo deines Namens Flammenzüge lodern.
SOLIMAN.
Levi, ich muß?
LEVI.
Wenn Gott kein Wunder thut,
Weint morgen wohl die Welt an deiner Leiche.
SOLIMAN.
Was ist heut für ein Tag?
LEVI.
Der Jahrestag
Von deinem Sieg bei Mohacz über Ludwig,
Von Rhodus' Fall und Budas Uebergang,
Ein günst'ger Tag für dein Geschlecht, mein Kaiser;
Dein großer Vater Selim rühmte sich
Am gleichen Tage manches hohen Siegs.
SOLIMAN.
Zriny! Zriny! das ist auch deine Stunde!
3. Auftritt
[53] 3. Auftritt.
Vorige. Mehmed. Der Begler Beg. Mustafa. Ali Portuk.

MEHMED.
Vollbracht, mein großer Kaiser, ist dein Wille,
Vor seinem Zelt fiel des Verräters Kopf.
SOLIMAN.
Stürmt! Stürmt! Heut ist das Siegesfest von Mohacz,
Rhodus und Buda fiel an diesem Tag.
Stürmt, Sklaven, stürmt! Heut muß auch Sigeth fallen!
Mein ganzes Heer jagt an das Felsennest!
Sigeth muß fallen! Fallen muß es! Stürmt!

Die drei Fürsten eilen ab.
4. Auftritt
4. Auftritt.
Soliman. Mehmed. Levi.
Man hört Sturm blasen.

SOLIMAN.
Halte mich, Levi! Halte mich, ich sinke!
Allah, laß mich nicht eher sterben, bis
Der Roßschweif siegend von der Zinne weht,
Nicht eher laß mich sterben!
MEHMED.
Herr und Kaiser,
Gebiete deinem Leben, deiner Kraft!
Gewohnt ist die Natur, dir zu gehorchen.
SOLIMAN.
Der Tod verhöhnt mich, wie der Zriny. Ha!
Hört ihr's wild jauchzen? Hört ihr's wirbeln? Mehmed,
Das war mein Lieblingslied, mein Festtagslied;
Aus tausend Schlachten hat mir's zugedonnert,
Hat mir den blut'gen Sieg ins Ohr geheult.
Noch einmal vor dem Grabe muß ich's hören;
Nur diesmal, Glück, gehorche deinem Herrn!
MEHMED.
Liegt dir wohl sonst noch etwas auf dem Herzen?
Vertrau es deinem treuen Sklaven an,
Vermache mir das Erbteil deiner Sorgen.
SOLIMAN.
Wär' ich ein Held, hätt' ich mich je gesorgt?
Ich hab' gekämpft, genossen und bezwungen;
Den Augenblick hab' ich mit Blut erkauft
Und seine ganze Wollust ausgekostet;
Mein Thatenruf hat rings die Welt durchbebt,
Der Mitwelt Furcht und Zittern aufgedrungen,
Der Nachwelt ihre Stimme abgetrotzt
Und sich die Bahn zur Ewigkeit gebrochen!
Daß ich auf Trümmern und auf Leichen ging,
Daß ich Millionen in den Tod geschmettert,
Wenn's mein Gelüsten galt, das mag der Wurm,
[54] Der unter mir im Staube sich gewunden,
Der Welt erzählen; sein Gekrächz verstummt;
Das Große nur bleibt ewig, unvergessen,
Und hat kein Ende in dem Grab der Welt!
Baut euch nur eures Namens Tempel hoch,
Sei es auf Leichen, sei's auf Opfergaben,
Auf Haß, auf Liebe, – baut nur hoch, nur hoch!
Das Zeitmeer überflutet euer Leben,
Der Berg, auf den ihr bautet, wird bedeckt,
Und nur der Tempel bleibt reichprangend stehn.
In goldnen Zügen flammt da euer Name,
Und eure Nachwelt preist euch und vergißt
Den Grund, auf den sich eure Säulen pflanzten.
LEVI.
Schont Euch, mein kaiserlicher Herr, schont Euch!
Das Reden wird Euch schwer; Euch könnte Ruhe,
Wenn Gott ein Wunder will, gar friedlich stärken.
Schont Euch!
SOLIMAN.
Das Wort verzeih' ich deiner Treue.
Thor, der du glaubst, wer so wie ich gelebt,
Der möchte gern den letzten Hauch des Lebens
Im Traum des Friedens durch die Lippen ziehn.
Lebendig nenn' ich nur die That, die rüstig
Aus ihrem Schlaf die müden Kräfte weckt.
Die Ruhe tötet: nur wer handelt, lebt;
Und ich will leben, will vorm Tod nicht sterben!
5. Auftritt
5. Auftritt.
Vorige. Mustafa.

MUSTAFA.
Herr, laß zum Rückzug blasen! Nur vergebens
Jagst du die tapfern Scharen in den Tod.
Der Zriny ras't wie ein gereizter Löwe,
Verderben um sich schmetternd, unter sie.
Ein jeder einzelne steht für ein Heer;
Es müssen Teufel sein, die wir bekämpfen,
Denn solcher Kraft rühmt sich kein Sterblicher.
Die Janitscharen weigern sich, zu stürmen.
SOLIMAN.
Laßt sie mit Hunden hetzen, jagt sie
Mit Peitschenhieben an den Wall hinauf,
Pflanzt Feuerschlünde hinter ihre Reihen
Und schießt sie nieder, weigern sie den Sturm.
Sigeth muß fallen, und sollt' ich die Gräben
Mit Janitscharenköpfen füllen, sollt' ich
Auf Leichenwällen meines halben Heers
[55] Die andre Hälfte in die Hölle schmettern!
Sigeth muß fallen, muß jetzt fallen! Stürmt!
Ich habe wenig Augenblicke noch,
Und mit dem Siegesdonner will ich scheiden!

Mustafa eilt ab.
SOLIMAN.
Ha, kömmst du, Tod? Ich fühle deinen Gruß!

Sturm und Trompetenlärm.
MEHMED
für sich.
Zur rechten Stunde sandt' ich meine Boten;
Der Kaiser stirbt, noch eh der Abend kommt.
LEVI.
Blickt nicht so düster, teurer Herr und Kaiser!
Schreckt denn der Tod auch eine Heldenbrust?
SOLIMAN.
Was ist der Tod, daß er mich schrecken sollte?
Gibt's etwas, das den Helden schrecken kann?
Willkommen wär' er mir im Rausch der Thaten,
Willkommen nach geschlagner Siegesschlacht!
Ich wollt' ihn freudig in die Arme drücken
Und hauchte jubelnd meine Seele aus;
Doch so zu sterben! – so! – Der Mensch muß einmal
Im Leben der Besiegte sein; der Tod
Hat auch den großen Mahomed bezwungen,
Und Bajazet und Selim, sieggekrönt
Aus dieser Erde Nebelkampf gegangen,
Sie mußten folgen, als sein Wort sie rief;
Doch so besiegt zu sterben, wenn man siegend
Den Frühling sechsundsiebzigmal begrüßt!
Das mag auch eine Heldenbrust zerreißen!
MEHMED.
Noch lebst du ja, kannst noch den halben Mond
Auf den erstürmten Zinnen Sigeths blicken
Und Zrinys Haupt zu deinen Füßen sehn.
6. Auftritt
6. Auftritt.
Vorige. Der Begler Beg.

DER BEGLER BEG.
Du bist geschlagen, deine Scharen fliehn!
Der Pascha von Aegypten ward erschossen;
Es wühlt der Tod sich in dein flüchtig Heer;
Sie halten nicht mehr stand; die Ungarn jubeln
Und schmettern uns den Siegesdonner nach!
SOLIMAN.
Den Tod in deinen Hals, verdammter Sklave! –
Sigeth muß fallen! Stürmt! Ich will's!
DER BEGLER BEG.
Es ist unmöglich!
SOLIMAN
rafft sich auf und wirft den Dolch nach dem Begler Beg.
Geh in die Hölle, Bube!

Er stürzt zusammen.

Stürmt! – Stürmt!

Er stirbt.
[56]
LEVI.
Gott!
Mein Herr und Kaiser!

Kniet bei ihm nieder.
MEHMED.
Still! Der Löwe stirbt;
Um seinen Helden trauert das Jahrhundert.
7. Auftritt
7. Auftritt.
Vorige. Ali Portuk.

MEHMED.
Tritt schweigend ein: es ist ein Kaisergrab,
Und eine Riesenseele ist geschieden.
ALI.
So ist es wahr? Das Heer ist in Empörung;
Es ahnet seines Kaisers Tod. – Wesir,
Wir alle sind verloren, wenn wir nicht
Durch List die Völker täuschen.
MEHMED.
Still! Jetzt wissen
Wir drei allein um unsers Großherrn Tod.
Die Kämmerlinge sind von mir erkauft;
Mehr sollen's nicht erfahren. Dort den Juden
Bringt dieser Dolch zum Schweigen. –

Zu den Kämmerlingen.

Freunde, tragt
Den Kaiser in das innerste Gemach;
Dort wartet mein!

Der Kaiser wird fortgetragen.
MEHMED
zu den Fürsten.
Auch sandt' ich meine Boten
An dieses Thrones Erben schon, an Selim;
Denn wir, weiß ich, sind längst darüber eins,
Wer jetzt als Kaiser herrschen soll in Stambul.
Die Leiche setzen wir auf ihren Thron,
Die Dämmerung wird unsre List begünst'gen,
Das Heer soll glauben, daß er lebe, dann
Zum neuen Sturme, bis uns Sigeth fällt,
Und nach dem Sieg nach Stambul in den Diwan!
DER BEGLER BEG.
Was? dieses Zuges ungeheure Rüstung
Umsonst? Wir hätten weiter nichts erzweckt,
Als diese Inselfestung zu zerstören?
Geht's nicht nach Wien, nicht auf des Kaisers Heer?
MEHMED.
Freund, mäß'ge deine Kampflust! Tollkühn wär's,
In deutsche Kämpfe jetzt sich zu verwickeln.
Ständ' dieses Sigeth nicht wie Felsen fest
Und fester noch die Treue seiner Mannen,
Längst jauchzten wir auf Wiens erstürmtem Wall,
Und Deutschland läg' vor unserm Gott im Staube;
Jetzt aber müssen wir zurück. Das Heer
Ist schwierig, Persien hat sich empört;
Selim war stets dem Ungarkrieg entgegen.
[57]
ALI.
Ich ehre deine Klugheit, Großwesir,
Und stimm' dir bei! Hier hast du meine Hand.
DER BEGLER BEG.
Mehmed Sokolowitsch kennt seine Freunde.
Ich folge dir, wie's auch den Feldherrn schmerzt,
Daß unsers Helden letzte Riesenplane
An diesem Zriny sich zerschmetterten.
MEHMED.
Nun eilt hinaus, sagt, daß der Kaiser lebe;
Er sei geneigt, dem Volke sich zu zeigen.
Ich unterdes bereite unsre List.
DER BEGLER BEG UND ALI.
Auf Wiedersehn!
MEHMED.
Lebt wohl! – Du, Levi, folgst mir!

Alle zu verschiedenen Seiten ab.
8. Auftritt
8. Auftritt.
Kellergewölbe in Sigeth.
Scherenk führt Eva und Helene in Hauskleidern die Stiege herab.

SCHERENK.
Folgt mir, verehrte Gräfin! Eure Hand,
Mein gnäd'ges Fräulein!
HELENE.
Hier!
SCHERENK.
Der Weg ist steil,
Doch nur zwei Stufen noch, gleich sind wir unten.
EVA.
Was macht mein Mann?
SCHERENK.
Ich ließ ihn auf dem Walle,
Recht frisch und stark, auf neuen Sturm gefaßt;
Denn viel Bewegung war im türk'schen Lager.
Der Hauptmann Juranitsch, er stand am Thor
Und half den alten Koromsez verbinden,
Rief mir viel Grüße nach ans gnäd'ge Fräulein:
Er sei frisch aus, dem Grafen dank' er 's Leben,
Doch hab' er schon die Schuld zurückbezahlt.
HELENE.
Ach, immer stürmt er in den Kreis des Todes!
Wagt er nur sich? Ach, was er wagt, ist mein;
Der Pfeil, der ihn durchbohrt, trifft unsre Liebe!
EVA.
Was jammerst du? Was träumst du dir, Helene?
Vergiß nicht, wo wir sind und was wir sollen;
Der Augenblick, der künft'ge, gilt nicht mehr,
Wir haben unsre Rechnung abgeschlossen,
Wir wandern aus nach einem fremden Land;
Das Haus, das wir bewohnten, steht verlassen,
Die Thüren und die Fenster sind gesperrt.
Wir sitzen vor dem Thore, still erwartend,
Daß uns ein Führer komme, der den Weg
Hinauf uns weise zu der neuen Heimat.
[58] Im Garten steht noch vieler Blüten Strauß,
Die wir in schönern Tagen aufgezogen.
Laß sie uns pflücken, drück' das letzte Glück,
Was uns in diesem niedern Thal geblieben,
Mit dankbarer Erinnrung an die Brust;
In ihren Balsam tauche deine Seele,
Dann wirf sie hin und scheide unbetrübt!
HELENE.
Ach, Mutter! Mutter, gib mir diese Ruhe
Und diese Heiterkeit am Grabesrande!
Hauch' deine Seele in die schwache Brust!
Groß dacht' ich mir den Schuldbrief an das Schicksal,
Vom reichsten Erdenglück hat mir geträumt,
Und mit der Liebe meines Heldenjünglings
Ging kaum die Sonne meines Lebens auf,
Und in dem reichen Frühling wollt' ich schwärmen,
In Morgenklarheit wiegte sich die Brust –
Da kommt der Sturm, der Eichen niederschmettert,
Er hat auch meine Kränze mir entblättert!
EVA.
Fasse dich, Mädchen! Wenn der Vater kommt,
Verbirg ihm das verweinte Auge, hörst du?
Das Schicksal hat ihm Großes aufgespart,
Das Vaterland verlangt das Ungeheure;
Er muß es bringen, mach's ihm schwerer nicht,
Er muß es bringen, und er wird es bringen. –
Scherenk, sag' mir, was deinen Herrn bewog,
In diese Keller uns herabzusenden?
Hielt er's nicht sicher mehr für uns im Schloß?
SCHERENK.
Die Türken warfen Feuer in die Festung,
Auch haben sie jetzt ihr gesamt Geschütz
Grad' auf des Schlosses Zimmer her gerichtet,
Daß es nicht sicher über Tage war.
Hier unten aber mögt ihr ruhig schlummern;
Denn das Gewölb ist stark und fest gebaut,
Und was die Notdurft heischt an Wein und Nahrung
Und häuslichem Gerät, wurd' nicht vergessen;
Ist es auch wenig, ist's für euch genug,
Der schmalen Kost seid ihr ja bald enthoben;
Mir ahnet's immer, Rettung sei nicht fern, –
Denkt an den alten Scherenk, gnäd'ge Gräfin.

Er geht in den Hintergrund.
HELENE.
Du guter Alter! Träume, wie du willst,
Laß deine Hoffnung neue Blüten tragen
Und häufe ihre Kränze um dich her.
Du willst das Grab mit ihrem Duft umhüllen:
Vergebne Müh! Es dämmert schweigend durch,
[59] Das schwarze Kreuz tritt auf zerrißne Kränze
Und hebt sich aus dem Blütentod empor.
EVA.
Nicht auf zerrißne Kränze, nicht auf Blütentod;
Nein, Mädchen! Jeder reine Kranz des Lebens
Hängt sich als ew'ge Krone auf das Kreuz,
Und jede Blüte duftet ew'gen Frühling
Dem Abgeschiednen von dem Rasenhügel
In einklangsvollem Strahlendufte nach. –
Laß ihm die frohen Träume, laß ihn hoffen!
Er ist uns zugethan aus alter Zeit,
Schwer wird es ihm, uns so verloren geben,
Drum hält er noch den letzten Schatten fest.
Er sieht nur Tod, sieht nur den Untergang,
Wo schönrer Sieg und schönres Leben leuchtet.
HELENE.
Ich fühle diesen Sieg, ich fühl' ihn wohl
Und nenn' mich ohn' Erröten deine Tochter!
Doch frohen Mutes blick' ich nicht zurück;
Ach, ungenügsam ist mein heißes Sehnen.
Hätt' ich wie du des Erdenlebens Kranz
In lichtem Schmuck mir durch das Haar geflochten,
Jetzt nach der Palme griff ich froh wie du;
Doch, erst in meines Lebens jüngstem Morgen,
Brach ich mir wenig Blüten nur zum Kranz,
Und die ich brach, sie hingen all voll Thränen,
Noch war der Tau vom Tag nicht weggeküßt.
Sprich selbst, das Leben flicht doch reiche Kränze,
Mir hat es oft im Schimmer deines Blicks,
In deiner Augen Thränenglanz geleuchtet,
Wie schön das Leben und wie süß es sei!
Ach, Mutter, und für mich blühn keine Kränze! –
EVA.
Still, liebes, gutes Kind! Ich hör' den Vater.
O, trockne deine Thräne, daß ihm nicht
Das feuchte Auge deinen Schmerz verrate. –
Glaub' mir, oft waren Dornen mit im Kranz,
Oft kam die schönste Knospe nicht zur Blüte,
Und wenn sie kam, so war sie schnell verwelkt.
SCHERENK.
Der Graf, der Graf!
EVA.
Komm, Mädchen, ihm entgegen!
9. Auftritt
9. Auftritt.
Vorige. Zriny Juranitsch.

ZRINY.
Mein teures Weib! Mein Kind!
EVA UND HELENE.
Willkommen, Vater!
JURANITSCH.
Helene!
[60]
HELENE.
Juranitsch! So finden wir uns hier?
EVA.
Ihr habt gesiegt, der Sturm ist abgeschlagen,
Den sie in trunkner Raserei gewagt?
ZRINY.
Diesmal war's Ernst. Solch ungeheuer Blutbad
Hab' ich in allen Schlachten nie gesehn.
Dem Lorenz dank' ich 's Leben.
JURANITSCH.
Ich dir auch!
Es hielt dein Schild des Türken Streiche auf,
Die rachedurstig meinem Haupte galten,
Als ich den Janitscharen niederstieß,
Den Bluthund, der auf dich schon angeschlagen.
EVA.
So hatten sie die Mauern schon erklimmt?
ZRINY.
In trunknem Taumel stürmten sie die Wälle,
Und mancher Waghals schwang sich kühn herauf
Und pflanzte schon den Roßschweif auf die Zinne;
Da rief ich schäumend meine Ungarn an
Und warf wich wütend unter die Barbaren;
Wir stürzten sie hinab, und Tausende
Zerschmetterten am Felsen ihre Glieder.
Ein Fürst des Heeres fiel, die Türken flohen,
Wir sandten unsre letzten Donner nach
Und jauchzten Gott den Siegesdank entgegen!
JURANITSCH.
Der Sieg ist unser, aber schwer erkauft!
Der Edlen viele zahlten mit dem Leben.
ZRINY.
Heut oder morgen, Sohn! Sie starben doch
Im Jubelrausch des vaterländ'schen Sieges.
Beneide sie! die Klage wäre Sünde.
JURANITSCH.
Den schönsten Tod sah ich den Batha sterben.
Der alte Held war, ganz erschöpft vom Kampf,
Ins Knie gesunken, eine türk'sche Lanze
Hatt' ihm die rechte Achsel schmer verletzt;
So lag er da und wehrte des Verbandes
Und schaute seines Blutes Rieseln zu.
Da riefst du, Zriny, neuen Sturms gewärtig,
Und eh ich mir den Helm aufs Haupt geworfen
Und kampfgerüstet nach dem Säbel griff,
Sah ich ein paar verwegne Janitscharen,
Die mit dem Roßschweif in verfluchter Hand
Sich auf des Walles Mauern schon geschwungen;
Rasch spring' ich auf sie los; doch Batha war,
Der greise Held, schon vor mir, packte sie
Mit beiden Fäusten an der Brust und stürzt sich
Den Wall hinab und reißt sie mit hinunter.
ZRINY.
Ein solcher Tod ist tausend Leben wert! –
Nun, Herr und Gott, du wirst mich nicht vergessen!
[61]
EVA.
Wie lange noch kannst du dich halten?
ZRINY.
Weib,
Du fragtest nie mich um ein schlimmer Wort!
HELENE.
O sag's uns frei: wie lange noch?
ZRINY.
Bis morgen.
HELENE.
Gott! Morgen schon? Mein Juranitsch!
JURANITSCH.
Helene!
Wo ist der Mut, den du mir zugesagt?
ZRINY.
Ich hab' in diesen Tagen viel verloren,
Nur noch sechshundert zählt sich meine Schar.
Der Hunger wühlt schon unter unsern Brüdern,
Der ganze Vorrat ist in Feindes Hand,
Er ging uns mit der Altstadt längst verloren;
Zwei Stück Geschütz befehl' ich hier, mehr nicht,
Die Mauern drohen uns den Einsturz, Feuer
Hat schon das alte Schloß ringsum ergriffen;
Denn unaufhörlich schleudert Ali Portuk
Die Brandraketen zündend uns herauf.
Hier in dem neuen Schlosse fehlt's an allem;
Bald, – denn wir halten's keine Stunde mehr, –
Wenn sie noch einmal stürmen, ist das alte
In Feindes Hand, wir sind zurückgeworfen
In diese engen Mauern, können uns
Kaum noch zween Tag' mit Glück verteid'gen, müssen,
Auch wenn der Feind uns nimmer drängen möchte,
Zuletzt verhungern und verbrennen! Nein,
So sterb' ich nicht! Drum fall' ich morgen aus,
Will Bart an Bart und Brust an Brust noch kämpfen;
Tod um mich schmetternd, such' ich mir den Tod!
EVA.
Und wir? Dein Weib und deine Tochter?
ZRINY.
Kinder,
Für euch hab' ich gesorgt. – Tritt näher, Scherenk! –
Der alte Franz hat einen Pfad erkundet:
Ein Kellergang führt hier aus dem Gewölbe
In dunkler Windung bis zum See hinab;
Von da habt ihr nur hundert Schritt zur Waldung.
Und während hier der Türke rasend stürmt,
So eilt ihr ungesehn beim Morgengraun
Auf sicherm Pfad zu eures Kaisers Heer
Und sagt ihm: Zriny sei als Mann gefallen,
Und das erstürmte Sigeth sei sein Grab. –
Befürchtet nichts, 's ist alles gut bereitet;
Der Juranitsch begleitet eure Flucht.
JURANITSCH.
Nein, Graf, das thut er nicht!
[62]
ZRINY.
Wie, Sohn? Du wolltest
Die Mutter nicht, die Braut dir nicht erretten?
JURANITSCH.
Du hast mich aufgezogen neben dir,
Hast mich gelehrt, des Säbels Wucht zu führen,
Hast Pflicht und Ehre mir ins Herz gegraben,
Hast mir dein Teuerstes, dein Kind, geschenkt,
Und willst mich jetzt zur feigen Schande zwingen?
Willst nicht das Schönste, deinen Heldentod,
Mit deinem Lorenz, deinem Sohne, teilen?
Nein, Vater nein! Das kannst du nicht, bei Gott!
Das darfst du nicht! Ich bin Soldat des Kaisers
Geschworner Hauptmann; wo der Führer fällt,
Darf ich nicht leben!
ZRINY.
Wackrer Held! Und doch,
Doch mußt du fort! Sieh jene Weinende!
's ist deine Braut, sie hat von dir ein Leben
Voll Freudenglanz und Liebesglück zu fordern.
Sohn, du mußt leben und die Schuld bezahlen,
Die du an dieses Herz verpfändet hast.
JURANITSCH.
Zuerst muß ich die größre Schuld bezahlen,
Mit der ich meinem Volk verfallen bin.
Mein Herz, mein Lieben, mein Gefühl und Denken,
Das, süße Braut, ist dein und soll es bleiben;
Doch, was man Leben nennt, die Spanne Zeit,
Die ich auf dieser Erdenwelt veratme,
Das ist des Vaterlandes Eigentum.
Mein Lieben ist ja ewig, drüben kann ich
Dein sein, dein ungestört, dein ganz allein;
Doch dies Gefühl für mein verwandtes Volk,
Es endigt sich mit meinem letzten Kampfe.
Was ich ihm also danke, das muß ich
Noch hier in diesem Leben ihm bezahlen
Und will es auch! – dort find' ich meine Braut
Und darf ihr freudig dann entgegentreten,
Denn keine Schuld ließ ich hier ungetilgt. –
Flieht ohne mich und denkt – seid ihr gerettet –
Im sanften Schmerz der Thränen auch an mich,
Der euch so heiß, so warm geliebt und doch
Den ganzen Traum des Glückes hingeworfen,
Weil es das Wohl des Vaterlandes galt. –
Ihr weint? – Ich kränkte euch? – Ich wollt' es nicht.
Glaub' mir, ich liebe kälter nicht wie du,
Doch eben darum bring' ich dieses Opfer.
Daß ich dem Tod mich weihte, gilt nicht viel,
Mein Leben schlug ich oft schon in die Schanze;
[63] Doch daß ich's that mit diesem Recht an Glück,
An Seligkeit und höchste Erdenwonne,
Das war des Kampfs, das war des Preises wert;
Mein Vaterland sei stolz auf dieses Opfer!
ZRINY.
Du bleibst, mein Juranitsch! Wir gehn vereint,
Der Sohn an seines Vaters Hand, zum Tode! –
Du hältst dich fertig, Scherenk, wähle dir
Noch zween handfeste Knechte aus; sobald
Der Morgen graut, sei zu der Flucht gerüstet.
SCHERENK.
Herr, ich gehorche!
EVA.
Nein, mein teurer Mann!
So tief wirst du dein Weib nicht sinken lassen.
Ich weiche nicht von dir! Ich sterbe mit dir!
An deinem Herzen ist mein Platz, da soll
Des Janitscharen Kugel mich durchbohren.
Glaub' nicht, ich sei zu schwach; gib mir ein Schwert,
Und neben dir will ich als Heldin fallen!
ZRINY.
Und deine Tochter?
EVA.
Liebt sie nicht wie ich?
Liebt sie nicht diesen kühnen Heldenjüngling?
Kann sie nicht sterben? Ist sie nicht mein Kind,
Dein Kind? Und Zriny fragt noch, was sie sollte?
HELENE.
Ja, sei barmherzig, Vater! Dieser Tod,
Dem du mit froher Brust entgegentrittst, –
Kannst du ihn grausam deinem Kind verweigern?
Freut dich's, uns noch durch jahrelange Qual
In jammerndem Verschmachten hinzuwürgen,
Gemartert von der wilden Sehnsucht, euch
Als Sieger bald dort oben zu begrüßen,
Bald die Genossen eures Lichts zu sein?
EVA.
Zriny, sei nicht zum erstenmale grausam!
Verstoß uns nicht aus deinem schönsten Siege
Und nimm uns zur Verklärung mit hinauf!
HELENE.
Ja, laß uns sterben! Was gilt uns die Sonne?
Um Thränenaugen ist's doch ew'ge Nacht!
Was dich begeistert, soll uns nicht entzücken? –
O laß uns mit dir sterben! – So vereint
Ziehn wir der bessern Heimat freudig zu
Und tragen aus der Nacht, in der wir schweben,
Die ew'ge Liebe in das ew'ge Leben!
JURANITSCH.
Gott! welche Frauen, welche Herzen! – Vater,
Du kannst nicht widerstehn, du kannst es nicht! Laß uns
Zusammen sterben, Vater!
EVA UND HELENE.
Laß uns sterben!
[64]
ZRINY
verklärt.
An meine Brust! Kommt an des Vaters Brust!
Ihr habt gesiegt! – Mag mich die Welt verdammen,
Gott wird es nicht! – Jetzt sterben wir zusammen!

Der Vorhang fällt während der Gruppe.

5. Akt

1. Auftritt
1. Auftritt.
Zriny in violbraunem Kleide, voll des reichsten Schmuckes. Scherenk der ihn ankleiden hilft.

ZRINY.
So eil' dich, Franz! – Ich glaube gar, du weinst?
Pfui, Alter! Schmerzt dich deines Herren Sieg?
Was sollen deine Thränen?
SCHERENK.
Ach, verzeiht mir's! –
Ich trug Euch noch als Kind auf diesen Armen,
Ich war bei Euch beim ersten Waffentanze,
Hab' Euch vor Wien die Sporen angeschnallt;
Zu Eurem Brauttag mit der sel'gen Gräfin,
Der edlen Frangipani, schmückt' ich Euch
Wie jetzt, – da rief das Volk, durch das wir zogen,
Als es zu Gottes heil'gem Altar ging:
»Seht nur den Heldenjüngling, seht die Braut!
Kein schönres Paar ist je den Weg gegangen!«
Und alles jauchzte jubelnd Euern Namen.
Es war der Ungar stolz auf diesen Tag.
ZRINY.
Die gute Katharina!
SCHERENK.
Ich ward's so gewohnt,
Zu allem, was Euch lieb und schön begegnet,
Zu allen Festen Eurer Tapferkeit,
Zu allen Siegsbanketten Euch zu schmücken.
Es war mein Stolz, den Größten meines Volks,
Den ersten Helden meiner trüben Zeit,
Mit diesen Zeichen ritterlicher Würde,
Mit diesen Waffen seines Vaterlands
Und meines Kaisers Gnadenschmuck zu zieren.
Wenn Ihr dann stolz durch ihre Reihen flogt
Und ganz unbändig Euer edler Rappe
Die sprühnden Funken aus den Steinen schlug
Und alles staunte, jubelnd Euch umjauchzte,
[65] Euch Schild der Christen, Türkengeißel nannte
Und dreifach donnernd Hoch! entgegenrief,
Da dacht' ich immer, hätt' was Rechts gethan,
Hätt' großen Anteil an des Helden Ehre,
Weil ich den Panzer ihm geschnallt. Das machte
Den alten treuen Knecht so froh, so glücklich!
Und jetzt! –
ZRINY.
Nun, jetzt?
SCHERENK.
Mit diesem Kleide da
Schmückt' ich Euch, Herr, zu Eurem zweiten Brauttag
Mit unsrer gnäd'gen Gräfin Rosenberg.
's war so ein schöner, schöner Tag! Ich meint',
Es müßte lange, müßte stets so bleiben. –
Da waffn' ich Euch nun zu dem letzten Gang
Und muß nach Eurem Wort dies Kleid der Freude
Zu meines Grafen Leichentuche weihn.
Gott, das ist hart für meine lange Treue!
Hätt' ich nicht früher sterben können?
ZRINY.
Franz!
Du gute, treue Seele! – Weine nicht!
Zu keinem schönern Sieg bin ich gezogen,
Zu besserm Fest hast du mich nie geschmückt.
Heut ist mein dritter Ehrentag; drum hab' ich
Mich bräutlich angethan. Ich will den Tod
Mit Liebesarmen jugendlich umfassen
Und mutig drücken in die treue Brust. –
Wo ist mein Säbel?
SCHERENK.
Welchen wollt Ihr führen?
ZRINY.
Bring mir sie alle, ich entscheide dann.

Scherenk geht ab.
2. Auftritt
2. Auftritt.
Zriny allein.

So ständ' ich denn im letzten Glühn des Lebens,

Die nächste Stunde bringt mir Nacht und Tod.

So ständ' ich denn am Ziele meines Strebens,

Stolz auf die Blüten, die das Glück mir bot!

Ich fühl' es klar, ich kämpfte nicht vergebens;

Durch Todesnacht bricht ew'ges Morgenrot.

Und muß ich hier mit meinem Blute zahlen,

Ein Gott vergilt mit seines Lichtes Strahlen!


Die Stimme des Jahrhunderts wird verhallen

Und das Geschlecht versinken, das mich kennt;

[66] Doch Enkel werden zu den Trümmern wallen,

Wo dankbar dann mich manche Lippe nennt.

Wer mutig für sein Vaterland gefallen,

Der baut sich selbst ein ewig Monument

Im treuen Herzen seiner Landesbrüder,

Und dies Gebäude stürzt kein Sturmwind nieder.


Ich folgte unbewußt dem dunkeln Drange,

Der mit des Jünglings frühster That erwacht! –

Von edlem Feuer lodert mir die Wange,

Der Sturm der Weihe hat es angefacht.

So waffn' ich mich zu meinem letzten Gange,

Und was mein kühnster Traum sich nicht gedacht:

Um aller Kronen schönste darf ich werben,

Darf für mein Volk und meinen Glauben sterben!


Was thaten sie, die wir im Lied vergöttern,

Von denen noch der Nachwelt Hymne spricht?

Sie hielten aus in Kampf und Sturmeswettern

Und standen treu bei Tugend, Recht und Pflicht;

Das Schicksal kann die Heldenbrust zerschmettern,

Doch einen Heldenwillen beugt es nicht!

Gemächlich mag der Wurm im Staube liegen,

Ein edles Herz muß kämpfen und wird siegen!

3. Auftritt
3. Auftritt.
Zriny. Scherenk mit mehreren Säbeln.

SCHERENK.
Hier, edler Herr, sind Eure Säbel. Wählt!
ZRINY.
Wohl kenn' ich diesen. In der Schlacht bei Pest
Hab' ich ihn rühmlich eingeweiht. – Er ist
Zu schwer für diesen Waffengang, ich muß
Den leichtern führen. – Den da kenn' ich auch.
Der hat bei Essegg wacker mitgeholfen
Und meines Kaisers Liebe mir verdient. –
Er ist zu einfach für den letzten Festtag. –
Halt! der ist recht, den wähl' ich. Diesen Säbel
Gab mir mein edler Vater einst vor Wien.
Er hat die erste Ehre mir erkämpft,
Er soll mir auch um meine letzte kämpfen;
Mit dir, du wackrer Stahl, fecht' ich es aus,
Was auch der Himmel über mich verhänge.
Ich lege meinen Finger auf dein Eisen,
Schwöre: lebendig soll mich keiner fangen
Und mich zum Spott des Volks durchs Lager führen! –
[67] Und diesen Eidschwur lös' ich ritterlich,
So wahr mir Gott hilft und mein ew'ger Glaube!
SCHERENK.
Den Panzer, Herr!
ZRINY.
Ich mag den Panzer nicht!
Die freie Brust will ich dem Feinde bieten.
Was soll er mir, wenn ich den Tod auffordre,
Daß er sein Eisen schlag' in meine Brust?
Ich mag ihn nicht. Leicht, wie zum Siegsbankette,
Will ich zum Kampf, frei will ich mich bewegen,
Frei meinem Tod ins finstre Antlitz schaun
Und ohne Panzerzwang die letzte Arbeit
Des blut'gen Handwerks schnell und leicht vollenden;
Mein Leben fällt um keinen schlechten Preis.
SCHERENK.
Hier sind die hundert Gülden, hier die Schlüssel
Der Burg, wie Ihr's befahlt.
ZRINY.
Die Hunde sollen
Nicht sagen, 's sei der Müh' nicht wert gewesen,
Des Niklas Zriny Leichnam auszuziehn.
Sie und die Schlüssel wahr' ich hier im Gürtel:
So kommt es einem treuen Hauptmann zu.
Die soll, beim Himmel! keiner von mir holen,
Eh sich der Tod in meine Brust gewühlt
Und meines Lebens Pforten aufgeschmettert!
4. Auftritt
4. Auftritt.
Vorige. Eva. Helene.

ZRINY.
Ihr seid gefaßt? nicht wahr, ihr seid's?
EVA.
Ich bin's.
Mit meinem Gotte hab' ich mich versöhnt
Und warte auf die Stunde der Erlösung.
ZRINY.
Und du, Helene?
HELENE.
Was die Mutter tröstet,
Goß seinen Balsam auch in meine Brust.
Der Schmerz hat sich verklärt, ich bin bereitet,
Wenn du gebeutst, vor Gottes Thron zu stehn.
ZRINY.
So mögen uns die letzten Augenblicke
In traulicher Umarmung noch begrüßen! –
Mein teures Weib! Viel Freuden dank' ich dir,
Du hast mir manche Stunde schön beleuchtet,
Haft manchen Tag mit stiller Lust geschmückt;
Den heil'gen Eid, den wir am Altar schwuren,
Schön hast du ihn gelöst, hast Kampf und Schmerz
Mit treuer Liebe sorgsam tragen helfen
[68] Und mancher Frühlingsblüte gern entsagt,
Die meines Lebens Wellensturm dir knickte.
Gott lohn' es dir!
EVA.
Mein teurer Held! Du hast
All', was ich that, mir tausendfach vergolten
Mit deines Herzens großer, treuer Liebe
Und mit des Augenblicks Verklärung, wo du
Mir's zugesagt, ich dürfte mit dir sterben! –
Doch, wie? – Du bist geschmückt, als ging's zum Feste?
ZRINY.
Kennst du das Kleid?
EVA.
Hätt' ich's vergessen? So
Lagst du im Gotteshaus in meinem Arm,
So hast du mich als deine Braut begrüßt.
ZRINY.
In diesem Schmuck ging ich am schönen Morgen
Zum schönsten Feste, teures, gutes Weib!
In diesem Schmuck stürm' ich am Lebensabend
Dem schönsten Siege frohen Mutes zu.
Zur zweiten Brautnacht hat der Tod geladen.
Komm, edles Weib! so halten wir den Schwur!
EVA.
Mein teurer Zriny! Ach, es schwindelt mir,
Wenn ich mich auf zu deiner Höhe träume!

Umarmung.
HELENE.
Mein Vater! Mutter! Trug die Erde je
Ein edler Paar, zwei glückeswertre Seelen!
Und ihr müßt sterben! Ihr? Das Schicksal raubt
Dem Leben seinen Stolz, der Welt ihr Kleinod,
Wenn es zwei solche Heldenherzen bricht. –
Die Erde war nicht wert, euch zu besitzen,
Da sie euch ihres Glückes Gunst versagte,
Euch nicht den Schuldbrief an des Lebens Kronen,
An jedes Schöne, Herrliche bezahlt!
ZRINY.
O, zürne nicht dem Schicksal, gute Tochter!
Nein, danke seiner väterlichen Huld,
Die uns vergönnte, in der Prüfungsglut
Das reine Gold des Herzens zu bewähren!
Die Tugend übt sich schlecht im Glück; das Unglück,
Das ist der Boden, wo das Edle reift,
Das ist der Himmelsstrich für Menschengröße.
Aus seinen Armen ging die Heldenschar,
Die Riesenbilder der vergangnen Tage,
Aus seiner Schule ging der Stolz der Welt.
Wo es dem Mengen seinen Kampf bereitet,
Da bricht die Kraft die unversuchte Bahn,
Da knüpft der Ruhm den Namen an die Sterne,
Es dehnt sich das Atom zum Ew'gen aus,
Und was sonst sterblich war, das wird unsterblich.
[69] Der Augenblick ist da, der Todesweihe
Freiwillig Opferfest beginnt.

Zu Eva.

Sag' mir,
Wo find' ich dich, und wie?
EVA.
Dort drüben, Held!
Und deiner würdig! Sorge nicht um mich!
Gereift ist mein Entschluß, beim Abschiedskusse
Sollst du erfahren, was das Weib vermag.
ZRINY.
Und unsre Tochter? und Helene?
HELENE.
Fürchtet nichts!
Ich schweb' euch schon von dort entgegen. Früher
Als ihr will ich dort drüben sein; mein Lorenz
Kann seiner Braut den letzten Kuß nicht weigern.
5. Auftritt
5. Auftritt.
Vorige. Alapi. Paprutowitsch. Juranitsch ohne Panzer.

JURANITSCH.
Zum letzten Gang gerüstet siehst du uns,
Leicht, wie du es geboten, ohne Panzer.
Die offne Brust erwartet ihren Dolch.
PAPRUTOWITSCH.
Das treue Volk steht schon im Hof versammelt,
Sie sehnen sich nach deinem letzten Gruß
Und nach dem Tod für Vaterland und Glauben.
ALAPI.
Auch bracht' ein Flüchtiger die Nachricht noch,
Der sich des Nachts aus Feindes Macht gerettet:
Gyula ist über, Keretschin hat es
Verräterisch den Türken übergeben.
ZRINY.
Fluch über den Verrat an seinem Kaiser! –
Auf, Brüder, auf! Die Scharte wetzen wir
Am Ungarnamen rachedürstend aus
Und wollen unsern Heldenstamm bewähren!
DIE DREI HAUPTLEUTE.
Wir folgen dir, wir halten unsern Schwur!
HELENE.
Ach, Vater!
Noch deinen Segen über deine Kinder!
ZRINY
sie segnend.
Ja, meinen reichsten Segen über euch,
Zum Leben nicht, doch gern zum Opfertode
Für Freiheit, Ehre, Glauben, Vaterland.
Gehorcht furchtlos dem göttlichen Gebote;
Der Todesengel knüpfe eure Hand!
Wir finden uns beim nächsten Morgenrote.
Was hier sich liebte, ist ja dort verwandt,
Und Strahlenkränze flechten ihre Blüten
Um reine Seelen, die für Gott entglühten.

Pause.
Trompeten und Trommeln in der Ferne.
ALAPI.
Horch! Deine Treuen rufen.
[70]
ZRINY.
Wohl, es sei!
Kommt, laßt uns Abschied nehmen von den Helden,
Und dann hinaus, dann mag's dem Tode gelten!

Alle ab, außer Juranitsch und Helene.
6. Auftritt
6. Auftritt.
Helene. Juranitsch stehen noch in stummer Umarmung.

JURANITSCH.
Noch diesen Kuß, so laß mich scheiden!
HELENE.
Lorenz!
Nein, nein, so scheide nicht! Kannst du die Braut
In dieses Augenblickes Sturm verlassen?
Soll ich von einem trunknen Janitscharen
Des Todes Seligkeit erbetteln müssen?
Soll grausam eine fremde Mörderfaust
Den Dolch nach meinem Herzen führen? Soll
Des Türken Wut die zarte Brust zerreißen,
Wo jede Ader nur für dich gebebt,
Wo alle Pulse nur für dich geschlagen?
»Der Todesengel knüpfe eure Hand!«
Der Vater sprach's, willst du sein Wort verhöhnen?
Nein, Juranitsch, stoß mir den Dolch ins Herz
Und küsse mir die Seele von den Lippen.
JURANITSCH.
Gott, was verlangst du?!
HELENE.
Was die schwache Hand
Des Mädchens nimmer dir verweigern würde,
Lägst du verwundet hier und könntest nicht
Hinaus, den Tod im freien Feld zu suchen,
Du aber scheutest eines Henkers Beil –
Und ohne Zittern griff' ich nach dem Dolche,
Und unsre Seelen hätt' ich schnell vermählt.
JURANITSCH.
Dich soll ich töten? Dich! Nein, nein, ich kann es nicht!
Der Tod hat oft um mich herum gedonnert,
Mein Bruder sank im Kampfe neben mir,
Auf meines Vaters Leiche stand ich einst,
Hab' nicht geschaudert, habe nie gezittert
Und warf mich wütend mit dem Schwert der Rache
In meiner Feinde Mörderschar hinein; –
Doch diese Rose brechen! – Wenn der Sturmwind
Die Eiche stürzt und in den Fichten wütet,
Er läßt die zarte Blüte unverletzt,
Und seine Donner werden Zephyrssäulen;
Und ich soll, wilder als der wilde Sturm,
Des Lebens schönsten Frühlingskranz zerreißen,
[71] An Grausamkeit das rohe Element
Noch überbietend, diese Blüte brechen,
An die des Schicksals Hand sich nicht gewagt? –
Nein, ich vermag es nicht!
HELENE.
Wenn du mich liebst,
Wenn deine Schwüre nicht der Wind verwehte,
Wenn dir was heilig ist auf dieser Welt:
Gott, Unschuld, Freiheit, Vaterland und Liebe –
O, töte mich! Dort komm' ich dir entgegen
Und reiche dir den Kranz der Palme zu.
Wenn du mich liebst! – Du kannst mir's nicht verweigern!
Ich muß ja sterben! der soll der Großherr
Mich mit sich schleppen unter seine Sklaven?
Ist dir mein Tod nicht lieber als die Schande?
Soll mich Gewalt –?
JURANITSCH.
Halt ein! Ich töte dich!

Er will sie erstechen.
HELENE.
Nicht so, Geliebter! Nicht im wilden Sturme,
Nein, ruhig, friedlich senke deinen Dolch
In meine Brust und öffne meiner Seele
Den schönen Weg der lichten Heimat zu. –
Umarme mich! O, wie ich glücklich bin!
Auf einmal wird es klar vor meinen Augen,
Der Schleier reißt, das Leben seh' ich licht,
Ein neuer Morgen strahlt in meinem Herzen!
So töte mich! und küsse mir die Seele
Mit deinem Brautkuß von dem blassen Mund!
JURANITSCH.
Dort also, dort! dort finden wir uns wieder?
HELENE.
Dort bin ich dir aus ewig angetraut!
JURANITSCH.
Von dort schaust du auf deinen Jüngling nieder?
HELENE.
Weile nicht lange! Ach, dich ruft die Braut!
JURANITSCH.
Und kommt der Tod, und rufen meine Brüder?
HELENE.
Dann stirb als Held und triumphiere laut;
Ich komme mit der Palme dir entgegen.
JURANITSCH
küßt sie und ersticht sie zugleich.
So nimm den Kuß und bitte Gott um Segen!
HELENE.
Dank dir, Dank für den süßen, süßen Tod! –
Laß mich nicht lange warten! – Noch den Kuß! –
Mit diesem Kusse flüchte meine Seele!

Sie stirbt.
JURANITSCH.
Leb wohl, leb wohl! Du meine süße Braut!

Trompetengeschmetter.

Horch, wie sie rufen! Horch! ich komm', ich komme!

Er legt Helenens Leichnam im Hintergrund in eine Nische.

Ich lege deine Hülle thränend nieder,
Dies weite Grab bewahre deinen Staub. –
[72] Und nun hinaus, wo ihre Schwerter winken,
Wo Kampf und Mord durch blut'ge Nebel graut!
Willkommner Tod! Du trägst mich zu der Braut,
Mit deinem ersten Rufe laß mich sinken!

Ab.
7. Auftritt
7. Auftritt.

Der Schloßhof von Sigeth.

Zriny. Alapi. Paprutowitsch. Eva mit einer brennenden Fackel. Die Ungarn ihr Reichspanier weht in der Mitte.

ZRINY.
Zum letztenmal sprech' ich zu meinen Freunden,
Erst Dank euch allen für die Heldentreue,
Mit der ihr diesen Kampf bestanden habt.
Mit frohem, freiem Herzen darf ich's sagen:
Verräter gab es nie in meinem Volk.
Wir alle haben treu den Schwur gehalten,
Die meisten gingen kühn im Tod voraus
Und warten dort auf ihres Siegs Genossen.
Kein einz'ges Herz ist hier im ganzen Kreis –
Das ist mein Stolz – das nicht mit frohem Mut
Das letzte Leben für sein Vaterland,
Den Kaiser und den heil'gen Glauben wagte.
Dafür euch Dank! Gott wird es dort belohnen.
Denn diesmal gilt's zu sterben! Feindes Macht,
Die hundertfach uns überlegne Macht,
Wir haben sie mit Glück zurückgeschmettert,
Wir haben sie zu Tausenden geschlachtet
Und blut'gen Tod auf ihren Stolz gewälzt.
An zwanzigtausend seiner besten Krieger
Läßt Soliman vor dieser Inselburg,
Und seiner Fürsten wurden viel begraben;
Doch andre Feinde kämpfen gegen uns,
Wo Männerkraft nicht ausreicht, um zu siegen.
Sie wühlten Minen in des Berges Schoß,
Die Treue unsrer Mauern ist erschüttert,
Der Pechkranz flog verderbend auf das Schloß,
Es kämpft das Element mit unserm Mute!
Am fürchterlichsten aber stürmt der Hunger
Auf die geschwächten Haufen: kaum den Tag
Reicht unser Vorrat aus; – wir müssen sterben
Denn an Ergebung denkt der Ungar nicht,
Der seinen Kaiser liebt und seine Ehre!
Ihr denkt's auch nicht, das weiß ich, also sterbt!
Hinaus hinaus, wo ihre Trommeln rufen!
[73] Soll'n wir verbrennen? Soll'n wir hier verhungern?
Nein! Laßt uns sterben, wie es Männern ziemt!
Zeigt euerm Feind das Weiße in dem Auge,
Ringt mit dem Tod, bezahlt den Tropfen Blut,
Den letzten noch, mit eines Feindes Leben!
Nur unter Leichen bettet sich der Held,
Die er vorausgesandt als Todesopfer!
Wer so wie wir den großen Schwur gelöst,
Wer so für Gott und Vaterland gefallen,
Der lebt im Herzen seines Volkes fort
Und kämpft sich oben in das ew'ge Leben
Und gehet ein in Gottes Herrlichkeit!
ALLE.
So führ' uns, Herr! Führ' uns, wir sind bereit!
8. Auftritt
8. Auftritt.
Vorige. Juranitsch.

ZRINY.
Wo ist Helene?
JURANITSCH.
In der Heimat! Kränze
Mit güt'gen Engeln flechtend, uns zu krönen.
Laß sie nicht warten! 's war ihr letztes Wort.
Der Todesengel knüpfte unsre Hände! –
Hinaus, hinaus! Laß mich zu ihr!
ZRINY.
Wohlan! –
Weib, deinen Abschiedskuß! Wie willst du scheiden?
EVA.
Dort auf der Zinne wart' ich auf den Sturm;
Ein großes Totenopfer zu bereiten,
Haucht Gott auch seine Kräfte in den Wurm!
ZRINY.
Und wenn sie über den Gefallnen schreiten?
EVA.
So fliegt die Fackel in den Pulverturm!
Zerschmettert nur sei Sigeth übergeben!
ZRINY.
Stirb, Heldenweib! Der Tod heißt ewig leben!

Sturmgetöse der Türken von außen.
ZRINY.
Horch, wie sie schmettern, wie die Wirbel jauchzen!
Willkommen, Tod! Ich kenne deinen Ruf! –
Nun, Brüder, gilt's! Hier, Lorenz, nimm die Fahne!
Du stürmst voraus, du mußt der erste sein.
Es harrt die Braut, laß sie nicht lange warten!
Ich schmettre nach, dann du

Zu Paprutowitsch.

und du, Alapi. –
Wie? Thränen, alter Freund?
ALAPI.
's sind Freudenthränen,
Mit solchen Helden solchen Tod zu sterben;
Um keine schönre Krone mocht' ich werben!
JURANITSCH
schwingt das Reichspanier.
Die Fahne fliegt!
[74]
ZRINY.
Der Adler siegt!
Welt, gute Nacht!

Zu Eva.

Leb wohl!

Zu Alapi und Paprutowitsch.

Lebt wohl, ihr Brüder!
Gebt mir zum letztenmale eure Hand! –
Trompeten, schmettert eure Siegeslieder! –

Trompetenlärm.

Mir nach! Mir nach! Dort finden wir uns wieder!
Stirb, wackres Volk! für Gott und Vaterland!
ALLE.
Dir nach! Dir nach! Für Gott und Vaterland!

Alle ab.
9. Auftritt
9. Auftritt.
Das Theater verwandelt sich in einen Teil des brennenden alten Schlosses. Im Hintergrunde das neue Schloß mit aufgezogener Zugbrücke. Trompetengeschmetter, Trommelwirbeln und Feldgeschrei der wütend anstürmenden Türken. Die Zugbrücke geht nieder, es fallen zwei Schüsse aus dem Thore, und durch den Dampf stürzen die Ungarn herauf. Juranitsch mit der Fahne voraus, denn Zriny und die übrigen. Verzweifelnder Kampf. Eva erscheint mit der Fackel am Pulverturm auf der Mauer. Juranitsch stürzt zuerst. Zriny tritt über den Leichnam und kämpft mächtig fort. Endlich stürzt auch er. Eva schleudert zugleich die Fackel in den Pulverturm; ein fürchterlicher Knall; das neue Schloß stürzt zusammen, und der Vorhang fällt schnell.
[75]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Körner, Theodor. Drama. Zriny. Zriny. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B605-1