[26] An Sophie

1776.


Mädchen mit den blonden Locken,
Höre Deines Sängers Lied.
Wie der Hall von Abendglocken
Rühr' es fei'rlich Dein Gemüth.
Mädchen mit dem sanften Auge,
Horch auf meiner Saiten Klang;
Lehre, die Dir heilsam tauge,
Weisheit tönt Dir mein Gesang.
Dirne, Dirne, deutschen Samens
Bist Du, bist ein deutsches Kind.
O, der Klang des stolzen Namens
Schmettr' in Dir wie Nachtsturmwind.
[27]
Wie den Strahl aus wetterträcht'gen
Dunkeln Wolken fühl's Dein Geist,
Daß Du deutsch, und deutscher Mädchen
Unverfälschte Enklinn heißt.
Groß wie die, und echt und bieder,
Hold und edel mußt Du sein;
Würde strahle um Dich wieder,
Wie um Eichen Mondenschein,
Und Dein Hochglanz scheuch' den losen
Weiß bestäubten Schmetterling,
Der sich an der Wange Rosen,
An des Busens Lilien hing.
Dennoch schwelle mächtig Feuer,
Edle, Deinen Busen hoch –
Freiheit, Freiheit, sei Dir theuer
Und wie Tod des Sklaven Joch.
Wie auf Bergen Gottes Zeder,
Hebe kühn Dein Haupt und steh,
Und kein unbekannter, blöder
Schwachmuth stürz' Dich von der Höh'.
[28]
Doch auch Veilchen gleich im Thale
Blüh geräuschlos, still für Dich,
Und im Abendsonnenstrahle
Bade Deine Wange sich.
Fleuch der Mode Thorheitschimmer,
Wie des Wandrers Irrlichtschein,
Und wie Mond im Wolkenflimmer
Hülle Sittsamkeit Dich ein.
Mädchen, Mädchen, auf dem Pfade,
Den Dein schwacher Fuß durchirrt,
Liegt ein lustig Blumgestade,
Lüstern lockend, bunt geziert.
Auf ihm sitzt im Modenflitter
Buhlend schön die Eitelkeit;
Winken wird sie Dir, doch zitter' –
Drachenschweife deckt ihr Kleid.
Wandle herzhaft auf dem Pfade
Weiter, und im stillen Licht
Siehst Du dann noch ein Gestade,
Einfach schön und ungeschmückt.
[29]
Dorten wohnt in Myrtenwäldern
In der Unschuld weißem Kleid,
Und in monddurchstrahlten Feldern,
Himmelstochter – Zärtlichkeit.
Um sie flöten Nachtigallen,
Um sie girrt ein Taubenpaar,
Und auf goldnen Wolken strahlen
Liebesgötter um ihr Haar;
Klopft Dein Pulsschlag da geschwinder,
Bebet Deine Seel' empor,
Und Du wähnest, Himmelskinder
Sänger Hymnen in Dein Ohr,
Gutes Mädchen, das ist Liebe –
Lieb' ist Tugend – zittre nicht,
Schleuß mir ja dem edlen Triebe
Den gerührten Busen nicht.
Wirst Du einst den Jüngling schauen
Deutsch und bider so wie Du,
Wird er Dir sein Herz vertrauen,
Dem, o Mädchen, höre zu.
[30]
Deutsches Mädchen, wird er sagen,
Sieh mich hier, ich liebe Dich;
Wie die Sonn' in Sommertagen
Strahlt Dein Angesicht auf mich.
Gerne weiht den süßen Trieben
Sich mein standhaft Herze – Sprich',
Kann das Deine denn nicht lieben? –
Edles Mädchen, liebe mich!
Und Du wirst den Jüngling lieben
Und mit heißer Wange stehn –
Mädchen, da ihn noch betrüben
Und ihm nicht den Trieb gestehn –
Das geziemt nicht deutscher Dirne;
Sanft und edel sieh ihn an,
Und mit offner heitrer Stirne
Kündige sein Glück ihm an.
Dann wird sich der Jüngling freuen,
Und Du wirst Dich mit ihm freuen,
Und im gegenseit'gen Freuen
Wird Dein Leben Wonne seyn,
[31]
Rein Dein Morgen, mild und labend,
Ruhig Deines Mittags Pracht,
Säuselnd, süß, und kühl Dein Abend,
Und gestirnt und klar die Nacht.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kosegarten, Gotthard Ludwig. Gedichte. Gedichte. An Sophie. An Sophie. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B6EF-4