[81] Klage der Zurückgelassenen um Riesenberg

1777.


Immer weniger wird der Edlen am Ricke! Zehn tausend
Gingen dahin, und stets gehen der Guten noch mehr.
Täglich verrinnen unsre Lieben. Sie kommen und glänzen
Und verschwinden, wie Thau glänzt in der Sonn' und verschwindt.
Düster gelockter Freund, du Jüngling von herrlichem Ausblick,
Warum kamst du, und nahmst uns das Herze? Warum
[82]
Mußten wir dich ob deiner Milde und Jünglings-Würde
Liebgewinnen? – Du gehst, wandelst die Lieb' uns in Gram.
Deine Blicke die waren so freundlich, wie Abendsternstrahlen.
Deine Seel' ist des Stoffs edlerer Geister. Dir flammt
Tief im Busen, wie Gottesflamme, Geniusstärke,
Und der Musen geweiht Adytum steht dir enthüllt.
Aber, wehe! da gehst du nun, wandelst in Thränen die Wonne
Deiner Geliebten um dich, tauschest das Freudengestad',
Unsrer Hylde um unwirthbarere Ufer, verlässest
All die Freuden, die dir gastfrei die Hylde gerauscht –
[83]
Schau! da stehn wir nun all', im Brausen des Herbststurms, die Lieben
Deiner Seele. Wir stehn, harren mit hangendem Haupt
Deines Scheidens. Die Scheidensthräne verfließt in den Regen-
Schauer, der über uns stiebt, unsere Locken zerstört.
Schau! mit zerstreutem Haar, mit der Wange, durch Harm und des Herbstwinds
Rauhes Blasen verbleicht, steht dein blauäugiges Kind,
Eleonore, die Sanfterröthende, winkt den Geliebten
Ihrer Seele und bebt unter dem herbstlichen Frost –
Aber, du achtest nicht des Rufes der Hylde-Freuden,
Nicht des Kummers der Schar, welche dein Scheiden so beugt,
[84]
Nicht der Seufzer des silbergelockten Mädchens, das unter
Tausend Jünglingen dich ihren Geliebten erkor –
Jüngling, Jüngling, eile nicht so! Die Freudentage,
Die du hier verlebt, kommen in Minnegestalt
Einst dir vor Augen, täuschen im Traum dich, lassen im Busen
Dir, ist schwunden dein Traum, krankes Erinnern zurück. – – –
Ha! braunlockiger Freund! Dein heiteres Auge wölkt sich!
Deine männliche Wang' rinnt die Thräne hinab! –
Sey uns geklagt! Du lässest nicht harmlos die Freuden der Hylde
Und Eleonore, dein Kind, lieblich und silbergelockt.
[85]
Aber der Schickung Wuthschluß steht! – Da hallt sie, die dunkle
Abschiedsstunde! Du fliehst? Bruder, Geliebter, du fliehst? – – –
Klagt ihm, Brüder! Auch der ist hingegangen!! Im Winde
Weht sein langfließend Gewand Kunde des Harmes zurück! –

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kosegarten, Gotthard Ludwig. Gedichte. Gedichte. Klage der Zurückgelassenen um Riesenberg. Klage der Zurückgelassenen um Riesenberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B705-A