[64] Eusebia

Wem, o Freundinn, als dir, die du den einsamen Waller
Auf der Reis' in das Grab leitest mit freundlicher Hand,
In den einsamen Weg manch duftendes Blümchen ihm streu'test,
Aus dem Antlitz' ihm bogst manchen verwundenden Dorn;
Die du, sorgsam den Frieden der eigenen Seele bewahrend,
In des Gefährten Brust öfter die Stürme beschworst,
Jede Schickung ertrugst mit überwindender Liebe,
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Immer wahr und treu, jegliche Prüfung bestand'st;
Die du uns, Beste, umschlangst mit dieser Blumenguirlande
Knospender Menschen, – sie pflegt liebend der Strahl und der Thau.
Horch, wie jauchzen die Frohen! Wie stürmen die Freudigen, siehe!
Diese mit Anmuth geschmückt, jene gerüstet mit Kraft!
Zwischen den Lilien spielt, selbst Lilie, unsre Allwine,
Hinter dem Schmetterling jagt Gottfried, der Schmetterer, her;
Während am Saume der kosenden Mutter sich Julie anschmiegt,
Und in dem Schooß', der ihn trug, lächelnd Emilius ruht –
Edele, Anspruchlose, Demüthige, Friedliche, Stille,
Wem, Geliebte, als dir, sollt' ich Eusebien weih'n!
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Hast du Eusebia wol, die Tochter des Himmels, gesehen?
Zu den Hütten des Grams stieg sie erbarmend herab.
Ihre Lippen umfließt ein trostverkünendes Lächeln;
Ihrer Augen Gewalt mildert der Menschlichkeit Thau.
Freundlich leitet und sicher die Hohe den tappendrn Wandrer
Auf der Pflicht und des Rechts steilen Pfaden hinan;
Leuchtet im Nebel des Meinens ihm vor mit der Lampe des Glaubens;
Rettet auf schmalen Steg' ihn durch die Sümpfe des Wahns,
Mahlt ihm in jegliche träufelnde Wolke den Bogen des Friedens,
Färbet mit Lasur und Gold jeden zerfließenden Duft;
Und wenn hinter die Gräber die Sonne des Lebens hinabsinkt,
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Wenn erebische Nacht um die Erblindenden starrt,
Zeigt sie der Ewigkeit Riesenscheitel uns funkeln im Goldglanz'
Einer Aurora, die dir, Insel der Seligen, strahlt.
Mög' Eusebia uns durch's trübe Leben geleiten!
Möge sie Kühlungen uns weh'n in der Schwüle des Tag's,
In den Frösten der Nacht uns decken mit wärmendem Fittig,
Uns in der ehernen Schlacht wapnen mit ehernem Muth!
Möge sie letzen das Sehnen des schwerbefriedigten Herzens,
Möge sie schlichten den Streit zwischen dem Nicht-Ich und Ich!
Wenn der Vergangenheit Leichenflor die Gegenwart einhüllt,
Wenn die Gegenwart selbst schwindelt am Rande der Zeit,
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Möge die Gütige dann den dichtgewebeten Schleier,
Welcher die Zukunft deckt, lüpfen mit freundlicher Hand;
Daß, umgossen vom Glanz des nie erblassenden Frühroths,
Von Accorden umtönt, welche kein Mozart vernahm,
Von Gestalten begrüßt, die keine Angelika mahlte,
Ueber die Sterne hinaus schwebe der trunkene Geist!
Friede, Beste, mit dir! Mit unsern Lieblingen Freude!
Deine Liebe dem Mann, der dir Eusebia weiht!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kosegarten, Gotthard Ludwig. Gedichte. Gedichte. Eusebia. Eusebia. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B711-E