[156] Elldor an Elldore

Erstes Lied.


1780.


Noch vier und zwanzig Stunden!
So flieh' ich fern von dir;
So breitest du die Arme
Umsonst, umsonst nach mir!
Ich wend' auf jedem Schritte
Den trüben Trauerblick.
Es schlägt mit jedem Schlage
Mein sehnend Herz zurück.
Noch vier und zwanzig Stunden,
So schmacht' ich fern von dir,
Und breit' in leere Lüfte
Den Arm umsonst nach dir,
[157]
Nach dir, mein Eins und Alles,
Mein süßes Eigenthum,
Mein Gram und mein Entzücken,
Mein Preis, mein Lied, mein Ruhm!
Verschwunden sind, verschwunden,
Gleich einer Sommernacht,
Die goldgesäumten Tage,
Die ich mit dir vollbracht.
Die Stunden, ach! des Habens
Gehn raschen Jünglingsgang.
Die Stunden des Entbehrens
Verschleichen lahm und krank.
Laß, laß die Zeit mich klagen,
In deren raschem Flug
So innig und so selig
Mein Herz an deinem schlug;
Wo ich so liebemüde
An deinen Busen sank,
Und ew'gen Lebens Wonnen
Aus deinen Lippen trank.
[158]
Laß, laß mich um sie klagen!
Von Liebeswein berauscht,
Hatt' ich um Edens Freuden
Die Schnellen nicht vertauscht.
Sie sind, sie sind verschwunden
Sie flogen Adlerflug –
Trau' nicht der Erde Schwüren;
Ihr Schwur ist Lug und Trug.
Ist alles Trug hienieden?
Und alles Tand und Traum?
Und alles luft'ger Schatten,
Und leichter Wasserschaum?
Wohl ist es Wein und Wollust,
Wohl ist es Gold und Ruhm.
Nur du verblühest nimmer,
Der Lieb' Elysium.
Elysium der Liebe,
Du, du betrogst mich nicht.
Elldore lächelt. Plötzlich,
Umströmt mich glänzend Licht.
[159]
Gelehnt an ihren Busen
Verlern' ich Grimm und Gram.
Es wird in ihren Armen
Der Löwe lämmchenzahm.
Ein Nick nur von der Holden,
Ein Wink nur, der mich meint;
Und keines Schicksals Tücke
Schreckt, Huldinn, deinen Freund.
Ein Augenblick nur Ruhens
In deinem sanften Schooß,
Und ich werd' alles Rasens
Und alles Stürmens los.
Wann aber düstre Kälte,
Elldore, dich umstarrt,
Wann Elldor deines Blickes
Und Winks vergebens harrt –
Dann möcht' jach und grimmig
Die Welt zertrümmern sehn,
Und selbst, von ihren Trümmern
Umgraus't, zu Grunde gehn.
[160]
So wahr der Liebe Odem
Rings um mich lebt und webt!
Wie du, so ward kein Mädchen
Erstürmt, erkämpft, erstrebt;
Um keines so gestritten,
Um keines so gegrämt,
Um keins der Trotz des Herzens
So ritterlich gezähmt.
Auch wird, so wahr in Eden
Der Liebe Lauben blühn,
Hinfort für dich so feurig
Kein Mann noch Jüngling glühn.
Und wär' er schön vor Tausend,
Vor Tausend glatt und klug –
Sein Glanz ist eitel Gleißen,
Sein Liebeln eitel Lug.
Ich aber will dich lieben,
So lang' in Rührung mir
Die Brust erschwillt – und trennten
Auch Zonen mich von dir;
[161]
Und müßt' ich um dich hadern
Mit tausend Buhlern frech,
Ich haderte, bis ich siegte,
Und führte dich jauchzend weg.
Denn wie ein Streiter Gottes
Ist Liebe kühn und stark,
Und nie erschlafft ihr Bogen,
Und nie versiegt ihr Mark.
Kein Strom kann sie ersäufen,
Kein Feu'r so lodernd glüh'n,
Kein Sturm so herrlich brausen,
Kein Pfeil so reißend fliehn.
Ihr drohn trotz'ge Dränger;
Sie läßt die Trotzer drohn.
Ihr winken goldne Kronen;
Sie schmähet Kron' und Thron.
Ihr lächeln feile Dirnen.
Spart andern euren Blick,
Sie geißelt euer Lächeln
Mit hohem Hohn zurück.
[162]
Fest, wie in Gottes Schlössern
Die Demantpfeiler stehn –
Kein Blitz kann sie zerschmettern,
Kein Sturm sie niederwehn –
Fest, wie die Himmels Achse,
Soll meine Treue stehn.
Wenn jene kracht und splittert,
Mag diese untergehn.
Auch weiß ich meine Traute –
Und Himmelmelodei
Entklingt dem Hochgedanken –
Ich weiß, du bleibst mir treu.
Wohl koset dir verlockend
Der Schmeichler schnöder Mund;
Du aber wahrst der Liebe
Beschwornen Engelbund.
Wohl kriechen Lotterbuben
Staub leckend rund um dich,
Und gleißen zehnmal glatter
Und flimmernder, als ich.
[163]
Trotz sey den glatten Gecken!
Dein Jüngling, stolz und gut,
Sein Mädchen, brav und edel,
Verschmähn die Raupenbrut.
Triumph! mir flammt die Seele,
Wie Blitz von Gottes Schwert.
Triumph! Die heil'ge Treue
Wird nie von dir versehrt.
Noch vier und zwanzig Stunden,
So flieh' ich fern von dir.
Was thut's? mein Kleinod bleibet,
Elldore bleibet mir.
Triumph! ich kehre wieder,
Und treu, und keusch und rein,
Schließ' ich in heißen Armen
Elldoren wieder ein.
Triumph! auf deinen Lippen
Versiegeln wir den Bund.
Kein Bubenkuß entweihte
Den frischen Rosenmund.
[164]
Was drohst du, Abschiedsstunde,
So groß? Dein Dolch ist stumpf.
Der Treue goldner Panzer
Beschirmet uns. Triumph!
Triumph! Ich kehre wieder.
Ihr Treuen, trauert nicht!
Triumph! Die Treue sieget!
Elldore, traure nicht!

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TextGrid Repository (2012). Kosegarten, Gotthard Ludwig. Gedichte. Gedichte. Elldor an Elldore. Elldor an Elldore. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B713-A