[42] Die Sterne

1776.


Hast du wol eh' die Sterne gesehn? –
Ihr'r ist so wunder viel.
Ihr Gesicht ist herrlich anzuschau'n,
Auch gar zu herrlich und hehr!
Ich bin manche liebe liebe Nacht
Hinaus gegangen, und hab'
Die große Gotteskraft beschau't
In seinem Sterngebäu.
Jetzt eben – es ist nach Mitternacht –
Ich bin hinaus gewest,
Zu denken an mein Mädchen daheim –
Ich konnt' nicht denken dran.
[43]
Ich mußte denken an Gott, den Herrn,
Den Sternbaumeister so groß.
Ich mußte knien, mußte heiß
Anbeten den großen Mann.
Du Großer – Großer – – Wie ist Dein Nam'?
Er ist die Liebe. (Mir hat's
Dein freundlicher Jünger Johannes gesagt;
Den Jünger hab' ich lieb.)
Du bist die Liebe – Du Liebesgott,
Wie sing' ich Dir dann. Wie fleußt
Mein Herz Dir aus, das voll ist, voll
Von Deinem Sterngebäu?
Die Nacht, die ist so klar. Es ist
Der Himmel so blau. Der Mond
Steht nicht daran. Das Blaue hindurch
Blinkt mehr denn Mondenschein.
Viel tausend tausend Sterne sind's,
Die blitzen klein und groß
Das schöne Dunkelblau hindurch –
Das machte Gott, der Herr!!
[44]
Ich steh' und schau' empor, und schau'
Die Sternlein all'. Sie steh'n
Da oben so die Kreuz und Quer,
So wild und doch so wahr
Und schön geordnet. – Fürwahr! Das muß
Ein großer Meister seyn,
Ein großer weiser Baumeister – Er hat's
Auch gar zu herrlich gebau't. – –
Dort steht ein Stern, ist groß und hell,
Und brennt und leuchtet sehr –
Hast du wol eh' den Stern geseh'n?
Er ist so werth des Aug's.
Dort, denk' ich, mag's wol seyn, wo nun,
Wie mir Freund Asmus sagt,
Rabbuni Jesus sein Wesen hat
Mit seinen Jüngern all'.
Rabbuni, Du großer Wundermann,
Der Du den klaren Stern
Dort hoch bewandelst, blick' auf mich
Mit Deinen Jüngern all'.
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Blick' her, wie hier im bereiften Gras
Ich niederknie vor Dir,
Und bete: Du seyst, Wundermann,
Dem Sternbaumeister so lieb! –
Auch steht vom hellen Stern nicht weit
Ein andrer Stern. Er sieht
So trüb', so trüb'. Sein Antlitz ist
So röthlich dunkel und doch
Dabei so lieblich. Ich muß ihn stets
Anseh'n mit leisem Schau'r.
Denn sieh! mich ahnt's, als wandeln dort
Die Lieben, die ich verlor!
Der Lieben, die ich verloren hab',
Der sind schon viel. Ich hatt'
Eine Mutter sanft und liebevoll
Und mild' und menschenhold.
Die hatt' mich immer so lieb. Sie hat
Zwölf Monden mich gesäugt
An ihrer Brust, auf ihrem Schooß
Vier Frühlinge geherzt.
[46]
Vier Frühlinge waren um. Da starb
Meine Mutter!! Sanft und süß
Schläft nun im Tempel Gottes ihr Leib.
Den klagend milden Geist,
Den trugen weg vom Jammerthal,
Wo stets ihr Auge geweint,
Drei heil'ge Engel, sanft und schön,
Zum trüblich milden Stern.
Auch hab' ich eine Schwester gehabt.
Sie war noch klein. Sie hat
Mit ihrem dreijährigen blauen Aug'
Die Sternlein selten geseh'n.
Da kam ihr Engel schon. Er gewann
Sie lieb, und nahm sie mit.
Sie entschlief auf unsrer Mutter Schooß,
Und schläft zur Rechten ihr.
Auch die mich liebten, denen ich's
Oft sagt': Ich bin dir gut,
Auch derer sind viele todt, gewelkt
In ihrem Morgenblühn!! –
[47]
Doch getrost! sie wallen oben nun
Im trüblich milden Stern,
Und lächeln mir herab, sind mir
Noch gut, und lieben mich! – –
Ihr Lieben, gehabt euch wohl, bis ich
Euch wieder seh'. Ich seh'
Doch bald euch wieder? Mir wird die Zeit
Hienieden schon zu lang!!
Hienieden ist doch nicht Freud'. Es ist
Nur Tand und Augenschein.
Die ew'ge Freudensonne brennt
Bei euch da oben. – So sprach
Ich in dem Nachtspaziergang. Es schoß
Nordaufwärts hell ein Schein,
Weiß, strahlend, herrlich anzuschau'n,
Mir ward so hehr. Mir ward,
Als wär's Elias Wagen, als führ'
Ich schon hinauf zu Dir,
Du großer Rabbuni, als grüßt' ich euch,
Ihr lieben Todten all'!

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TextGrid Repository (2012). Kosegarten, Gotthard Ludwig. Gedichte. Gedichte. Die Sterne. Die Sterne. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B76F-B