[165] Elldor an Elldore

Zweites Lied.


1781.


Welch eine Nacht! Wie grauenvoll! wie dunkel
Von Sturm und Schlag wie schauerlich!
Ich aber schritt getrost durch ihr erebisch Dunkel;
Die starke Liebe schirmte mich.
Ich schritt getrost hindurch. Ich hätte nicht gezittert,
Und hätten um mich her die Winde Tod geheult.
Und hätte Gottes Blitz den Wald um mich zersplittert –
Ich wär' getrost hindurch geeilt.
[166]
Und hätte Mord auf mich mit jedem Schritt gelauert,
Und hätte über mir der Himmel roth gebrannt,
Und wäre unter mir der Abgrund aufgeschauert;
Getrost wär' ich hindurch, getrost zu dir gerannt.
Zu dir! Zu dir! Dein erstes Grußgeflister,
Dein erster leiser Handdruck, ach!
Dein volles feuriges Umfahn im Rabendüster
Der Mitternacht tilgt' all' mein Ungemach.
Zu süße Nacht! Zu rasch verpraßte Stunden!
Zu schnell verrauschte Trunkenheit!
Herz, Herz, wie daß du nicht vom Staube los gewunden
Mit ihr empor dich schwangst ins All der Seligkeit!
Auf ihrem Lager lieblich hingegossen,
Wie duftete die junge Rose mir!
Wie glühte sie! wie thaute sie! wie flossen
Rings um sie Frisch' und Füll' und lechzende Begier!
[167]
Von ihren Armen sanft hinabgezogen,
Hinabgesunken an ihr schlagend Herz,
Itzt steigend, sinkend itzt mit ihres Busens Wogen,
Wie kämpft' ich zwischen Lust und Schmerz!
Wie strebten meine Kräfte, ha! wie drängten
Die Mächtigen sich hin zu ihr!
Und daß sie nicht der Tugend Riegel sprengten,
Elldore, das verdanke dir!
Das danke dieser hellen Morgenröthe
Von Unschuld, die dein Angesicht
So rührend schmückt, die mich so flehend flehte:
»Mein Elldor, ach, zerstöre nicht!«
Das danke deinem leisen Wimmern:
»Mein Auserwählter, ich bin dein!
Doch könntest du dein Heiligthum zertrümmern?
Harr' aus! Einst werd' ich ganz und ewig deine seyn.«
Ja, du bist mein. Du bist an mich gebunden,
Mit Banden, die kein Arm zerbricht.
Komm bald, o seligste der Stunden,
Darin Elldore mich mit Gattinnarm umflicht.
[168]
Sie kommt! sie kommt! In deinem Brautgeschmeide
In deinem Myrtenkranz sey mir gegrüßt!
In deiner weißen Hochzeitseide
Bist du die schönste Braut, die je ein Mann geküßt.
Was schleichst du heut' so langsam, träge Sonne?
Hinunter mit dem Lärmer Tag!
Daß ich die schöne Braut – o Wonne, Wonne! –
In meine Kammer führen mag.
Ich bin erhört. Die hochzeitliche Kammer
Umfängt uns schon mit süßer Dunkelheit.
Und jeder alte Gram, und jeder alte Jammer
Taucht unter in Vergessenheit!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kosegarten, Gotthard Ludwig. Gedichte. Gedichte. Elldor an Elldore [1]. Elldor an Elldore [1]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B776-A