[54] Klage

1777.


Du liebst mich nicht –
O Gott, wie traf mein Herz mit schmetterndem Gewicht,
Wie traf mit wilder Mörderkraft
Die Zeitung mich: Verschmäht ist deine Leidenschaft!
Unsäglich hab' ich dich geliebt –
Mein Herz hat nah' und fern nach dir gestrebt, gesehnet,
Mein Auge heimlich dir gethränet,
Und jede Nerve sich nach dir gespannt, gedehnet –
Fürwahr, ich hab' unsäglich dich geliebt.
[55]
Noch jetzt sogar,
Noch jetzt, zerreißt mein wundes Herz
Die Leidenschaft um dich mit jedem Höllenschmerz,
Und tausend Mahl hab' ich in schwarzen Stunden
Verdammter Geister Qual um dich, um dich empfunden.
Zwar hab' ich auch in stillern Augenblicken,
Mit süßerm seeletrauerndem Entzücken,
Um dich geweint!!
Und sieh! Nicht ganz unselig ist der Mann,
Deß Auge nur noch weinen kann!
Doch ach! in wenigen Sekunden
Ist diese Dämmerung aus meiner Seele schwunden,
Und öd' und schwarz,
Wie Gräber, stand vor mir der stumme große Schmerz,
Und Eine lange Mitternacht
Hab' ich um dich verwälzt, verseufzet und verwacht.
[56]
Mit hellgeschliff'nem Feuerschein
Lud oft mitleidig mich mein Stahl zum Tode ein.
Gefaßt, geblößt, gezückt hab' ich ihn, doch sofort
Gedacht' ich dein, und fuhr um dich zu leben fort!
Denn wehe mir!
Noch unzertrennlich hängt mein ganzes Herz an dir.
Ich saug' aus deinen Blicken
Den Tod!
Ich schlinge mit rasendem Entzücken
Den Gift von deiner Wangen Blumenroth.
Du aber wandelst stolz und heiter
Vor meiner Qual vorbei, und bist
Erfreut ob meinem Schmerz, siehst ihn, und wandelst weiter,
Zufrieden, daß mein Stolz herab erniedrigt ist – –
Ich kann's nicht tragen –
Mit wilden Schlägen
Empört sich mein Herz.
[57]
Ich kann's nicht fassen,
Ich will dich hassen,
Und meinen Schmerz.
Noch Einen Tag,
So will ich dir enteilen,
Von deinen Pfeilen
Verwund't und bis zum Tode schwach.
Doch diese tiefen Wunden, ach!
Wird keiner Ferne Kraft, kein fremder Boden heilen – –
Es flieht, den Stahl im Busen,
Das Reh den Platz, wo es der Pfeilschuß trifft.
Es fliehet, blutet, rennt, trägt fort den Tod im Busen,
Stürzt, blutet, ächzt und stirbt auf fremder Trift.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kosegarten, Gotthard Ludwig. Gedichte. Gedichte. Klage. Klage. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B787-4