Der 10. (25.) Kühlpsalm

Als er den 14 Mai, im 72. tage seiner Reise, bei abend in das abendländische Schiff Dauphin und Joseph genannt, vor den Insulen bei Marsilien, mit seinem hause zu segel gegangen war; gesungen voller betrübnis wegen der Nach und Vorspile des verfallenden Israels an seinem ungehorsamen Volke, gleichsam im mittel zwischen Hispanien und Italien, zum Abschide und andenken den 15. 16. 17. Mai 1678.


1.
Auf, Seelewig! um unsern Gott zuloben,
Das er uns neu von schwerer Angst befreit!
Der Leidenssturm begunte stark zutoben:
Doch half mir Gott zu rechtgewünschter zeit.
Vil unfall schin auf mich recht anzudringen:
Ich war gantz fremd im fremden Feindesland.
Allein ich mag getrost ein Reislied singen
Auf freier See, gestärkt durch Gottes Hand.
2.
Barmhertzig ist Gott seinen libsten Kindern,
Weil Er si strafft mit sanffter Vaterzucht:
Gott wil Genad ergrössern, nicht vermindern,
Wann man mit ernst busfertig solche sucht.
Ich ward erschrekkt von nivermeinten Nöthen:
Auch selbst mein Haus fil aus nach alter art.
[72]
Es muste blutt mein Hertz und Antlitz röthen,
Weil Sünde sich mit Sünde täglich paart.
3.
Du aber tilgst, mein Vater, alle Laster,
Und sätztest fort, zu dem ich ward gerufft!
Du schenkest mir um Jesus Purper Pflaster,
Und reissest mich von meiner Sündengrufft!
Ob nachspilt itz, was Moses längst erfahren,
Und ich das alt aufs neu mit qual anseh:
Doch wirstdu mich, mein Gott, wi vor bewahren,
Darob ich dank und wein und seufftz und fleh.
4.
Ich bin, Gottlob, frohlokkend eingetreten,
Ins Schif, wiwohls noch fest an bergen ligt.
Der Wind ist schwach: doch höhre, Gott, mein beten,
Das er nun strakks den besten Fortgang krigt.
Las seine still in Sanfftheitvolles brausen
Mit hartem zug, mein Gott, verwandelt stehn:
Las stets um mich vil tausend Engel sausen,
Und was bisher mit mir durch dich mus gehn.
5.
Mein eigen Haus beginnt mich mehr zuschwächen,
Als alle list der Feinde noch gewürkt!
Di Thräne mus aus Seel und auge brechen!
Du weist, mein Gott, was täglich mich umzirkt!
I schärffer es di schärffste achtung zäumet,
Um ärgerung von allen abzuzihn:
Imehr und mehr wird Falschheit eingeräumet,
Das ich von ihm, wanns möglich, wolt entflihn.
6.
Wi aber? ach! Di gantze Seel erschüttert!
Di kälte läufft durch aller adern gang!
Wi offt, mein Gott, hab ich darob erzittert?
Verzeih, verzeih! Es wird mir mächtig bang.
Sol dann der grimm dis häufchen auch aufzähren?
Was würde nicht als dann der Spötter thun?
Mus dann der Zorn der Sanfftmutt vorgebähren?
Wo wird dein Ruf, O Vater, endlich ruhn?
[73] 7.
Lass keines sein vom Kleeblat mir verlohren!
Es sei genug, dass dis zum Merkmahl bleib!
Aus Petrus fall ward Petrus erst gebohren:
Gib, Gott, dass si zur demutt dises treib!
Lass si si mit Bus im wahrem Ernst bethränen,
Dass si so offt den fluch von mir erregt!
Entzünde, Gott, in ihnen rechtes sehnen,
Dass si noch ernst um solche schuld bewegt!
8.
Ich nahm si an, mein Gott, um deinetwillen,
Ob tausend Schmach von allen mir zuflos:
Ich wil si auch in Jesuswunden hüllen,
Und gebe mich durch voll verzeihen los.
Lass, Vater, las nun si, nicht mich, entgelten!
Lass schmekken si selbst di verdinte last!
Du aber wirst den Höllenhund beschelten!
Sein sei der fluch, mir ewigst Ruh und Rast!
9.
Wolan, Triumf! di nacht ist weggegangen!
Der Mittag gab das Schif dem segel hin!
Wir fuhren ab, darnach wir höchstverlangen:
Ein Mittelwind erfreuet unsern sin.
Ich mus nunmehr dich, Frankreich, letzt besegnen,
Weil wir, doch fern, auf deine klippen schaun!
Mein Gott, mein Gott! du weist nun mein begegnen!
Doch ist auf dich gerichtet mein vertraun.
10.
Britannien! Ich wil dir abschid sagen!
Dir wunderort, des künfftigen figur!
Ich wolt auf Gott in dich mich anfangs wagen!
Ich fand bei dir di Gott bekandte cur!
Dein York ward uns ein hauptstein vollen grundes,
Und London hat dis völlig ausgeführt:
Jamaica ist ein zeugnis meines Mundes,
Das an Peru mit seinen gräntzen rührt.
11.
Britannien! du Irrthumsungeheuer!
Dich nenn ich recht der meinung Vaterplatz!
[74]
Es flammt aus dir das erste Warheitsfeuer!
Du schleussest itz noch solchen ersten Schatz.
Dein weitzen wird von seinem Spreu gereinet,
Dann gibt er mehl des besten Christenthum:
Wann gar in dir, was grob, ist abgefeinet,
So reichen dir di Länder ihren ruhm.
12.
Jamaic, itz fern mehr als zweitausend meilen,
Doch mir sehr nah, weil Gott dich mir erwehlt!
Gott wolle dir vil tausend glükk ertheilen,
Das dir noch sei gantz Indien vermählt!
Columbus ward von dir zuerst erfreuet:
Es ging aus dir di zeitung sonder gleich.
Dein West hat uns vil kräffte zugestreuet,
Das ich von dir, Gottdank, den Ost erreich.
13.
Du Francien! zuletzt in meinen augen,
Nicht in dem sinn um deiner Lilgen schön!
Du wäschst einst Rom mit einer wunderlaugen,
Drum schallt von dir ein seltenes gethön!
Wann du dich hast verknüpffet mit der Rosen,
Das ihre Lilg in deiner Lilge blüht:
So wirstdu Gott, nicht mehr dem Rom libkosen,
Weil deine Lilg aus Rosenlilgen glüht.
14.
Dir schenkte Gott di Römsche Kaiserkrone:
Doch sihe wohl, das du nicht Saulisirst:
Gib ehre Gott und seinem eingem Sohne,
Nicht Heiligen, wi du dich selbst entzirst.
Was trutzestdu auf eusre Krigesstärke?
Messina lehrt, das si nur sternentrib!
Regire dich, und werke Gotteswerke,
Nach Gotteswunsch, nicht lauter Herrschungslib.
15.
Als Holland dir im Zorn ward eingegeben,
Was müntzestdu so schnöde Hochmuttschriflt?
Ein einger Mensch der mus dir widerstreben!
Weh einem Saul, wann Gottes Rach ihn trifft!
Drum bessre dich, wo Gott nicht sol dich stürtzen:
[75]
Vollend im Ernst, was Drabitz dir befahl.
Gott kan sein Wort verlängern und verkürtzen:
Bei Gott ist stets der Königreiche Wahl.
16.
O Lilg, ade! Ich bin dir fast entwichen,
Weil halber Wind in volle Segel pfeifft!
Was Gott einst drukkt, wird nimmer ausgestrichen,
In dem di Frucht im warmen Sommer reifft.
Ein grosser Fisch, der wi dein Kronprintz heisset,
Und auch dabei des Josephs Nahme trägt,
Der ist, der mich aus deiner Herrschafft reisset,
Und gibt dem Rom, was ihm Gott eingelegt.
17.
Dreieiniger! du hast bisher vollendet,
Nach deinem Wort, was Kottern ward gezeigt!
Drum sei auch stets nach unserm Wunsch geendet,
Und sei mir, Gott, durch alle Reis geneigt!
Es mus und mus ein voller Wind mir blasen!
Mein Vater, höhr, was ich durch Jesus bitt!
Entfremde mir des ungewitters rasen!
Sei Steuermann, der Schif und mich behütt!
18.
Las keinen Feind nach uns di Segel schikken!
Zerbrich, mein Gott, was sich auf uns zukehrt!
Las deinen Zorn ein feindlich Volk zerdrükken!
Ich reise dir! drum sei dis mir gewehrt!
Geh aus vor uns, Herr Tsebaoth, zustreiten!
Geh aus vor uns! mach flüchtig Schif und Heer!
Ich glaube dir! du wirst den Weg bereiten,
Das, Gott, ich schiff ohn einige beschwer.
19.
So lobet Gott, Saphirne Wasserhügel!
Dankt Winde ihm, di ihr di Wellen bäumt!
Belobet Gott, ihr dunkle Wolkenspigel!
Dankt ihm, Geschöpf, vor di er si geräumt!
Belobt mit mir, der euch so wohl gemachet,
Der euch erlöst, geheiligt und anweist!
Auf, auf, Geschöpf! Auf, auf! seid all ermachet
Zuloben Gott, Gott Vatern, Sohn und Geist.

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TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Zweites Buch. Der 10. (25.) Kühlpsalm. Der 10. (25.) Kühlpsalm. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B8FA-B