Der 5. (35.) Kühlpsalm

Als er wegen seiner Bottschafft an den Türkischen Kaiser gleich 10 Wochen, vom 29 Junius bis den 7 September in Smyrne von den Europeischen Geschicht Christen verdrükket gewesen; wi di Smyrnische Gemeine beim Apostel Johannes 10 prophetische tage: zur Nachsinnung und Merkmahle aller Völker gesungen im Pathmischen Smyrne, zwischen Pergamus, Tyatyra, Sardis und Ephesien, Laodicea, Philadelphia, den 15 Oct. 1678.


1.
Frohlokke, Seel, in allem leid,
Das Gott verwandelt meist zur freud,
Di Angst zur lust, di schmach zur Ehre,
Den hohn zur Kron, den Spott zur Wonn,
Den Vorgang einst zur Nachzeitlehre,
Wann auf di Nacht erscheint di Sonn;
Zum freiheitsflug den pflug im schrekken,
Weil Jesus mich nur eingehüllt,
[128]
Bis alles wär in Smyrn erfüllt,
Was Smyrnens Nahm in sich mus dekken.
2.
Gott weist mein Werk, darum ich kam,
Das ich getrost um Gott annahm,
Von Gott dem Herrn darzu erkohren:
Gott weist, wohin er es gelenkt,
Das Christus schon, im Ost gebohren,
Vom Osten werde bald beschenkt.
Ob Printzen sich längst widersätzet,
Und Gottes-ruf blib ungehöhrt:
Doch hat dis Jahr euch klahr belehrt,
Das noch ein Mensch, den er ergetzet.
3.
Wi haben si mich unterdrükkt,
Von Gottesleitung gantz entschmükkt,
Nach höllenart di Seel umschwärtzet?
Ein ider stund ob mir bewegt,
Ob euserlich di lippe schertzet;
Doch war ein ider höchstgeregt.
Herodes hat nicht mehr erzittert,
Als ihm di Christgeburt verklährt.
Kein Kaiphas ward imehr beschwert,
Als Furcht im Nahm Christ sich geschüttert.
4.
Ob Reichthum mich von Gott gelabt,
Doch ist vil Armutt hergedrabt:
Weil ich auf aller seit umringet,
Durchausvergarnt an idem Ort.
Di Furcht ist, welche furcht auszwinget,
Das si nachstellen idem Wort.
Ich trug vilmehr als Fürsten tragen,
Und muste ärmer sein als arm?
Weil si vergrössern harm auf harm,
Das ich darunter sol verzagen.
5.
Das Christenvolk, das ich meist fand,
Heisst Christen sich zur Christusschand;
Rechtfertigen des Sodoms würken,
[129]
Weil Ehbruch hir noch keine sünd:
Si ärgern Grichen, Juden, Türken,
Und gründen lauter Satansgründ.
Es ist gemein ein schändlichs lästern:
Ein falscher Rath und Kaiphasschlus,
Ein Lügenmund und Judaskus
Und was darbei sich pflegt zuschwestern.
6.
Wi hastdu mich, mein Gott, bewahrt,
Vor Menschenbosheit stets gespart?
Durch hartes Leiden durchgezogen,
Und über kräffte ni versucht,
Das allem ich durch dich entflogen,
Gleich einem Adler auf der flucht.
Der Teufel dräut mit tod und banden,
Wi Nimrod seinem wilden Wild.
Umsonst; weil Gott mein Schirm und Schild,
Und ich in keines Nimrods handen.
7.
Als ich erkannt di Morgenstimm
Zueilen durch den Nordengrimm,
Das erster kundschafft satt geschehen,
Ob di Vernunfft es überlif,
So ging nach Norden schnell mein flehen,
Weil ich vil tiffe tif ergrif.
Ich fuhr zurükk im vollem glauben,
Mit witz und Einfalt überdekkt,
Vor eusern augen höchstbeflekkt,
Dadurch Gott endte furcht und schnauben.

[130] Zweiter Theil,

Nach dem er mit seiner zurükkreise vom Osten nach Mitternacht di Smyrnische Nahm Christen versöhnet hatte, und gleich wider to Wochen vom 7 Sept. bis auf seinen Reistag den 15 Novemb. unter vilem Haus- Kreutz- und Privatgefahren in Smyrne überbracht sahe, vor Melos den 29 Nov. 1678.

1. 8.
Nun jauchtze Seel, durch Jesus Macht,
Das Gottesschlus aufs neu vollbracht,
Und ider sich, nicht dich, verderbet,
Weil Gott der Herr si gantz verwirrt:
Ob Satan hetzt und si durchherbet,
Doch worden si in sich verirrt.
Wi wolten si mich täglich schwächen?
Was lag verborgen in dem hertz?
Doch litten si den grösten Schmertz,
Weil si kaum heimlich dorfften stechen.
2. 9.
Dis grosse Werk, in Gotteskrafft
So weit zum augenschein geschafft,
War gäntzlich Nichts als ein gelächter,
Und was ein Spottgeist aus sich spinnt:
Si kanten nicht, weil si verächter,
Das Gott gantz heimlich anbeginnt.
Si wolten nichts aus Gott vernehmen,
Und hatten satt an heilger Schrifft.
Ja recht. Si flohen Gott als Gifft,
Wi solten si sich Gott bequemen?
3. 10.
Wann nur gesättigt ward ihr Ohr,
Obschon ihr inner Seelenthor
Mit tausend schlössern fest verrigelt,
So his dis wahrer Gottesdinst:
Der war zu Gottesstuhl geflügelt,
Der Gott noch leugnet um gewinst.
Dis his des Höchsten Nahm entweihen,
Wann Gott im glauben offt genennt:
[131]
Das Gott von Menschen frei bekennt,
Dis war am jüngstem tag bereuen.
4. 11.
Di Huhrerei, der Ehebruch,
Und was verdammt mit Sodomsfluch,
Das muste sein fast ungescholten:
Di laster worden ausgewischt.
Man stürtzte di, di straffen wolten,
Und hat dadurch jen angefrischt.
Der du mit Buben pflegst zulauffen,
Und straffst si nicht, da du vermagst,
Ob Warheit vil, nicht Falschheit klagst,
Wi kanstdu glaubensöl erkauffen.
5. 12.
Es ärgert sich dis Arggeschlecht,
Verkrummet, di noch etwas recht:
Säht Unkraut stat des Christusweitzen
Durch Heuchelschein und Teufelsfund:
Dann zörnet Gott auf solches reitzen;
Verstokket si mit Pharonsgrund.
Weh, Weh, und Weh, der dann ist schwanger!
Weh dem, der Christusmilch erst säugt!
Si werden beid (Ach!) meist verbeugt
Zum Babelgötz auf Babelsanger.
6. 13.
Der Zankgeist strömt in ider Haus:
Das schwerdt gebährt; der Frid ist aus.
Dein Hauptfeind ist di Hausgenossen:
Der ärgste Feind dein Freundesstamm.
Vor Treu kommt Reu von Untreu hergeschossen:
Der Schlachtbank bleibt ein Christuslamm.
Kein donner kan so stark abknallen,
Als höchstvertrauter Falschheitstükk:
Dann weicht Kompas und Wind zurükk;
Nichts schmertzlicher mag uns zufallen.
7. 14.
Frohlokke, Seel, in deinem Leid,
Das Gott verwandelt meist zur Freud,
Di Angst zur Lust, di schmach zur ehre,
[132]
Den Hohn zur Kron, den Spott zur Wonn,
Den Vorgang nun zur Nachzeitlehre,
Weil auf di Nacht erscheint di Sonn:
Zum Freiheitspflug den flug in schrekken,
Weil Jesus mich nur eingehüllt,
Bis alles wär in Smyrn erfüllt,
Was Smyrnens nahm in sich mus dekken.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Drittes Buch. Der 5. (35.) Kühlpsalm. Der 5. (35.) Kühlpsalm. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B90C-C