5. Der Fünfftag oder Donnerstag
17. Fünfftagsabendtheil

1. 97.
Anschaue tif mit allen sinnen
Leib, seel und alles dein beginnen,
Wi dein gemütt aus Gott sich wend,
Und treulos sich von Gott ablend;
Wi nur dein zil ein irrdisch leben,
An dem du wilst stat Gottes kleben;
Wi Gott entgegen deine trib
Ohn Gottes und des nechsten lib:
Wi nur dein fleisch zur wollust eitel,
Und wi du falsch vom fus zur scheitel.
[262] 2. 98.
Betrachte recht des Adams fallen,
Durch das du wilst so feindlich wallen;
Wi Satan alles hab erwekkt,
Di ersten eltern gantz beflekkt,
Durch neid und trug si beid betrogen,
Bis er von Gott si abgezogen;
Dadurch entsprung der Gotteszorn,
Und alles Erdenelends born,
Das wir des Todes müssen sterben,
Und nur verwesung endlich erben.
3. 99.
Christsinne, was das drei der ketten,
Das du nicht kanst dich draus erretten.
Di erste ist di finstre Welt,
Da Gotteszorn di Seele hält.
Di zweite kett des Teufels willen,
Der stets di Seel mit sich wil füllen:
Mit Hoffart, geitz, neid, zorn und trug,
Und machen solche höllisch klug.
Di dritte kett di irrdschen glider,
Dein fleisch und blutt, das Gott gantz wider.
4. 100.
Draufdenke auf des Kaines thaten,
Auf Judas höllisch Christverrathen,
Das du, wi si, voll höllabgrund
Vertrittest Jesu Christi bund;
Das du verräthst sein heiligs Leiden,
Mit dem er dich wolt ewigst kleiden:
Das du meineidig deiner tauf,
Und gibst dein Recht glaubbrüchig auf,
Das du dich thörlichst wilst stets freuen
Mit trebern von des Teufels säuen.
5. 101.
Erwige ernst des Todes rächen,
Der stündlich dräuet einzubrechen:
Er wartet schon den augenblikk
Zufällen dich durch seine tükk.
Er wil erhaschen dich im greuel
Recht ohne deiner Sünde reuel;
[263]
Verkürtzen noch di lebensuhr,
Und reissen weg dich vor Natur,
Dann halten in der finstern kammer
Zum Gotteszornsgerichtesjammer.
6. 102.
Fürmodle Gottesernstgerichte,
Und sein erschrekklich Zorngesichte,
Da du lebendig wirst gebracht
Mit deiner Wort und werke nacht;
Wi alle werden dich verfluchen,
Di nun mit dir di sünde suchen;
In was du dann vor schand und spott;
In was verzweifeln, schrekknis, noth;
In was vor sünden, lastern, mängeln
Vor Jesu Christ und allen Engeln.

18. Fünfftagsnachttheil

7. 103.
Gedenke der verdammten bildnis,
Der höllschen finsternisse wildnis;
Das da mehr keine menschgestalt,
Nur Würm und Thire mannigfalt;
Nur höllischgrause Schlanggeheuer,
Und schrekkgeschöpff im finstern feuer;
Das ewigst du von Gott getrennt;
Vor Engeln, menschen bleibst geschändt;
Ein duppelteufel unter Teufel,
Verzweifelt mit verfluchtstem zweifel.
8. 104.
Hochachte, das di Ewikeiten
Dir ewigewigst Pein bereiten
Der ewigewigstewgen qual
Im ewigewgen schrekknisthal,
Da du hergegen köntest wohnen
Gottähnlich bei den heilgen thronen
In ewigewigstewger lust,
[264]
Di grösser noch als uns bewust:
Und das du dises dir verschertzest,
In dem du fleisch und blutt umhertzest.
9. 105.
Insihe weislich alle dinge,
Auch gutt und bös und was es bringe.
Der fromm und böse laufft ans zil
Mit jammern, furcht, nicht wi er wil.
Der fromm und böse wird begraben,
Und müssen gleich verwesung haben.
Es ist der Tod der Heilgen Ruh:
Den bösen Unruh dort und Nuh.
Auch beider zeit ist gleich zuschätzen:
Doch ungleich ist ihr leid, ergetzen.
10. 106.
Kundschaffe klüglich durch nur alles
Des virgetheilten Erdspilballes;
Den höchsten und den kleinsten stand,
Und was vor unlust ieder fand;
Des Bettlers schlaf, des Kaisers Morgen;
Der armen müh, der reichen sorgen;
Der Knechte speis, der Herren tisch;
Kundschaffe, wer am meisten frisch?
Bei wem di meisten hauptbeschwerden?
Ob Knechte nicht sind Herrn der Erden?
11. 107.
Lehrlerne, das dir schon entwichen
Auf ewigst sei, was dir entstrichen;
Das du im leben samen sträust,
Und dort desselben frücht abmeihst.
Imehr du bist im säen wakker
Auf dises lebens irrdschem akker:
I grösser ist di Himmelserndt,
Da ewigst wird di frucht gekernt
Zu einem der neun seelgen orden;
Mit dem du bist gleichwichtig worden.
12. 108.
Muthmasse, was dir gleich entgangen,
In dem du gleich dis angefangen!
[265]
Was di Minut sei vor ein schatz,
Di nun verlauff auf disem platz?
Si ist so gros im Weisheitspigel,
Ob si der zeit geringster flügel,
Das eine hütt dem Kaiserthum
Zugleichen hir hab gleichheitsruhm.
Muthmasse, was dir eine stunde,
Geschweig ein Jahr, im innerm grunde?

19. Fünfftagsmorgentheil

13. 109.
Nachgrüble, was mit dir gestritten,
Wann du zur Buss in dir geschritten;
Warum das fleisch di Buss verschob,
Und stets der Raben Gras erhob;
Das deine Seel im armen ächtzen,
Vergebenst nach der Buss wolt lächtzen,
Und sank in Ohnmacht kläglich hinn,
Bis wahre Buss aus ihrem sinn;
Das ob si stets erkandt di schulden,
Doch ni gekönnt der Busse hulden.
14. 110.
O öffne, was di Buss itz dämpffe!
Was dir dein reu und leid abkämpffe!
Dein fleisch ist, das der seel vorleugt,
Thu das, Thu jens, und si betreugt.
Fahr ernstig fort gleich im vornehmen;
Raff alls in eins ohn ein bequemen,
Ohn dis und das im festem ernst!
Thu gleich, thu gleich, was du erlernst!
Nun, Nun ist di Minut gebohren,
Di Gott zur Busse dir erkohren.
15. 111.
Pfropffpflantze stark in Jesu hertze,
Und bäume raus durch schmertz und schertze,
Was Jesus Christ in dir gepflantzt,
Bis dein senffkörnchen sich verschantzt.
Erwachse in dem Rosengarten,
[266]
Aus Jesustod, durch aller arten,
Und wurtzel tiffer in dem Wind,
In sturm und hitz als Gotteskind.
Dein Pfröpfflein werd ein Baum geschwinder,
Als Satan wuste dich zum Finder.
16. 112.
Qualquäle, was dir widerstehet,
Den fleisches geist, der sich vergehet,
Und tausend qual in dir gebährt,
Bis er in dir aus dir verzehrt.
Sprich hurtig: solstdu gleich verschmachten,
So werd ich dises doch nicht achten,
Bis ich vollendet meinen Krig,
Und bin beperlt mit Jesus Sig.
Auf, Auf, zur kett! Auf, Auf, du Böser!
Der Tod ist nur allein dein Löser.
17. 113.
Reuruffe, ob dir treu entflogen,
Ob untreu dich in dir umzogen!
Obschon im vollem ernst dir fehlt
Der rechte ernst, den Gott erwehlt.
Glaub ernstig fest, das Gotteslibe
In dir selbst würke dise tribe;
Das Jesus suche nun dein heil,
Und dis von ihm sein erstes theil;
Das du vor ihm nun gleich erscheinest,
Und um di reu warhafftig weinest.
18. 114.
Schmertzseufftze, das du Gott verlassen,
Gelibet, was er pflegt zuhassen,
Und dich mit sünden schandbeflekkt,
Das Gotteszorn in dir entstekkt.
Schrei voller reu ob allem fallen!
Um dein vergangnes sündenwallen!
In deines Fleisches Satansdinst!
Halt Gotteszorn nun vor gewinst!
Heul innig, das du gutts verhindert,
Und Gottesehren dir vermindert.
[267]

20. Fünfftagsmittagtheil

19. 115.
Thräntraure nicht mit hertzensthränen,
Wann Welt und Satan wollen bähnen
Sehr scheinbar dir den sündenweg,
Und herrlich pflastern seine steg.
Erschrikk das kleinste Ichts zuhöhren,
Das Gottesreich in dir könt stöhren.
Schau zitternd weislich stets zurükk
Auf deines fleisches alte tükk:
Verlasse, was dich libgepflogen!
Was von der Warheit abgezogen!
20. 116.
Vernünfftle strakks nun rechtvernünfftig,
Das hohn und schande dir zukünfftig,
Weil di Vernunfft nimals begreifft,
Was über si im innerm reifft;
Das Satan deiner werde spotten
Durch deine Freund, durch böse rotten;
Das er dich titteln werd aus list,
Und sagen alls, was er selbst ist;
Das Christus werd di Braut selbst dekken,
Weil fleisch noch Welt sein mahl sol schmekken.
21. 117.
Wegschaffe gantz aus deinen augen,
Woraus du woltest gifft vor saugen.
Vertraue ni dem feur beim stroh:
Es wird entstekkt leicht von der loh.
Des Satans pfeiffe klinget süsse.
Gelegenheit macht Seelenrisse.
Verlasse alles, was dich reitzt,
Und sei Christähnlich dir gekreutzt.
Verschlüsse wohl das fünff der thüren:
So wird der Tod sich nicht einführen.
22. 118.
Xlibe Kreutz als deine Wonne,
Und fürchte nicht das schwartz der Sonne:
[268]
Folg Jesu nach, dem Gotteslamm,
Geduldiglich am Kreutzesstamm.
Du must, wi Christus, Christlich wandeln,
Wann Gotteszorn mit dir läst handeln,
Wi er mit Christo selbsten pflag,
Als er stat deiner schuldig lag.
Di Kreutziger sind dir zum dinen,
Das du aus Christi tod könst grünen.
23. 119.
Yähne kräfftig mit zerbrechen
Di Ketten, welche dich verschwächen:
Zerreis mit Jesuslibeskrafft
Den Gotteszorn der Abgrundschafft.
Zerschelle gantz durch dein zerschellen
Das Elementenvir der höllen.
Entsterbe muttigst fleisch und blutt
Mit suchung, was das höchste gutt.
Wo du di drei in dir zerbrochen,
Ist zorn, höll, fleisch in dir entrochen.
24. 120.
Zusage Buss mit Büssungswerken!
Las reichlich neue früchte merken,
Das wahre Bus aus dir erzeugt,
Und alle falschheit strakks entzweigt.
Sophia wird in dir einzihen,
Den Seelenstahl mit sich durchglühen:
Di Himmels-fürstinn, di verlis
Den Adam, wird dein Paradis.
Jehova Jesus! Komm, vermähle
Sophien mir, di ich erwähle!

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TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Virdtes Buch. Der 8. (53.) Kühlpsalm. 5. Der Fünfftag oder Donnerstag. 5. Der Fünfftag oder Donnerstag. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B9D4-8