181. Der äffende Kobold.

Mündlich.


Ein Besenbinder in Straußberg, der im Sommer fast täglich zur Haide ging, um Besenreis zu schneiden, war auch an einem gar heißen Tage da und beschäftigt, das Laub von den Zweigen zu streifen, und da ihm bei der Arbeit warm wurde, zog er Jacke und Stiefeln aus und legte sie zu den Stricken, mit denen er Abends sein Bündel Reis zusammen zu schnüren pflegte. Wie er nun wieder an die Arbeit geht, sieht er auf einmal einen Vogel vor sich sitzen, der ist roth und schwarz und lacht ganz laut »hahaha«. Das vermerkte der Mann übel, nahm eine Ruthe und hieb nach dem Vogel, aber der flog auf den nächsten Zweig, der nur ganz niedrig war, und lachte wieder »hahaha«. Da dachte der Mann, »das ist ein so schöner Vogel, damit könntest du deinem Gevatter eine Freude machen, wenn du ihn fingest und mit nach Hause brächtest«, lief deshalb hin und wollte ihn fangen, aber der Vogel flog auf und zum nächsten Zweig, der Mann hinterher, und so führte er ihn eine lange Zeit an, indem er jedesmal, wenn ihn der Mann [193] vergeblich zu greifen gesucht hatte, nur lachte »hahaha«. Da stand jener denn endlich ab von seinem Unternehmen; aber wie staunte er nun, als er sich umsah, denn er erblickte weder Weg noch Steg, und fand sich in einsamer Wildniß. Nun fing es auch an finster zu werden, und jetzt erst merkte er, daß ihn ein Kobold geäfft habe; lange irrte er umher im Walde, fand auch nicht mehr den Ort, wo er Jacke, Stiefel, Stricke und Reisbündel zurückgelassen hatte, und dankte nur Gott, als er spät in der Nacht glücklich wieder nach Straußberg kam. Aber des andern Morgens früh ging er gleich wieder in die Haide, nach seinen Habseligkeiten zu sehen, fand sie auch unversehrt, und zu seiner größten Verwunderung saß der roth und schwarze Vogel wieder da und lachte wieder »hahaha«. Nun aber ließ er sich nicht zum zweiten Male äffen, sondern schnitt sich eine starke Ruthe und führte einen kräftigen Schlag nach ihm; da flog denn der Vogel davon und hat sich nicht wieder sehn lassen.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Märkische Sagen und Märchen. Sagen der Mittelmark. 3. Der Barnim- und der Lebuser Kreis. 181. Der äffende Kobold. 181. Der äffende Kobold. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-BAFF-6