12.

Hackelberg, der wilde Jäger oder Dammjäger, d.h. der verdammte Jäger, das ist alles eins. Er hat einmal einen Kempen geschoßen, und als er nun heimkommt und die Stufen hinaufsteigt, da hakt ihm der Zahn ins Bein; er aber achtet der Wunde nicht, indem er sagt: »Wenn ich an solcher Wunde zu Tode [6] kommen sollte, wollte ich ja lieber ewig jagen«, und das thut er nun. Hageburg am Steinhudermeer. Fredelsloh im Göttingischen. Dasselbe erzählte eine Frau zu Polle, indem sie noch hinzusetzte, der Hackelberg komme alle sieben Jahre herum.


Vgl. Norddeutsche Sagen, Nr. 182, 203; Gebräuche, Nr. 248; Pröhle, Oberharzsagen, S. 10. Ueber den alle sieben Jahre stattfindenden Umzug vgl. noch Norddeutsche Sagen, Nr. 265; Pröhle, Oberharzsagen, S. 78. Die Jahre sind auch hier Monate wie bei der weißen Frau, und daher erklärt sich dann um so beßer, wenn es Norddeutsche Sagen, Nr. 265, heißt, er komme herum, wenn sein Tag sei; dieser wird bald der der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, bald der 1. Mai sein, wonach er nach fünf Monaten am Bartholomäus- oder Michaelistag wieder wegzieht. Vgl. Norddeutsche Sagen, Gebräuche, Nr. 112, 113 mit d. Anm. Wenn ferner der Hexenzug zum Blocksberg am 1. Mai deutlich genug den Beginn des Sommers anzeigt, so wird der am Michaelistage das Ende desselben bedeuten; vgl. Norddeutsche Sagen, Gebräuche, Nr. 45; über die Berührung zwischen Bartholomäus und Michaelis vgl. noch Wolf, Beiträge, I, 55 fg. Ueber Michael und Wuotan ist noch Wolf, Beiträge, I, 36, zu vergleichen, der ebenfalls sagt: »Wie zu Ostern der Sommer beginnt, so endet er mit diesem Michaelistage und der Herbst fängt an.« – Ferner sehe man die bedeutsamen Wetterregeln in Betreff dieses Tags unter Gebräuche, Nr. 303.

Simrock (Mythologie, S. 245) glaubt in der Bezeichnung Weltjäger (der das Weltall umjagende) eine hinreichende Erklärung für den Umstand, daß der wilde Jäger alle sieben Jahre herumkomme, zu finden; doch könnte ja dann auch jede andere große Zahl stehen, außerdem müßte man doch wol Kenntniß von der Kugelgestalt der Erde voraussetzen oder annehmen, daß die alte Vorstellung von der Erde als Scheibe (D. 8) derselben gewaltige Ausdehnung gegeben hätte. Nach meiner Auffaßung erklärt sich dann auch der scheinbare Widerspruch, in welchem die Nachrichten von der einjährigen und siebenjährigen Frist des Umzugs stehen, von welchem Simrock, Mythologie, S. 250, spricht. Ist Wuotan auf diese Weise wie Apollon Sommergott, so muß er, wie dieser zu den Hyperboräern ziehend gedacht wird, in gleicher [7] Weise während des Winters nicht auf der Erde oder im Himmel weilend gedacht worden sein, und da bleibt entweder eine Stätte jenseit oder unter der bewohnten Welt; daher ist denn der von Panzer im ersten Bande seiner Sagen nachgewiesene Aufenthalt des wilden Jägers im Berge oder geradezu in der Unterwelt (Held, d.i. Hel, heißt ja eine der drei Schwestern) zu erklären; nach alter Ansicht war der Gott offenbar sterblich, er stieg im Herbst zur Unterwelt hinab, darum zeigte man im Norden sein Grab an verschiedenen Stellen, darum sitzt der alte Kaiser verzaubert im Berge, bis seine Zeit kommt, die auch hier wie bei der weißen Frau statt der jetzt häufigen hundert Jahre ursprünglich nur sieben, d.i. Monate, gewährt haben wird. Während seines Weilens in der Unterwelt herrscht ein anderer im Himmel, wie uns Saxo berichtet, daß er verbannt wird; er selbst wird nach anderer Vorstellung König des unterweltlichen Todtenreichs, darum nimmt er die in der Schlacht gefallenen Helden in seinen Himmel auf, wahrscheinlich auch gerade sie, weil er wol ebenfalls im Kampfe gegen den Winterriesen gefallen gedacht wurde; wie er die Herrschaft im Kampfe gewann, indem er als Siegfried gegen den Drachen kämpft, so wird er sie auch im rühmlichen, wundenbedeckten Kampfe verloren haben, um sie neu erstanden im nächsten Jahre wiederzuerkämpfen; das ist auch offenbar der Gedanke, der die Bewohner von Valhöll täglich zum Uebungskampfe ausziehen läßt. – Ganz ähnliche Verhältnisse zeigen sich in der griechischen Mythologie beim Apollo und Admet, in der indischen beim Indra und Nahusha. – Daher erklärt sich denn auch, daß Odhin's Auge die Sonne ist (Mimir's Brunnen könnte der Winterhimmel sein), überhaupt, daß er halber Sonnengott ist, es ist derselbe Entwickelungsgang wie bei den Griechen, wo der stürmende Apoll, der Drachenschläger, auch Sommergott und Sonnengott wird. Wie Rudra ein- und dreiäugig ist, ziehen die Dorer, den ein- (drei-) äugigen Oxylos (doch wol ursprünglich Apoll) an der Spitze, in den Peloponnes; er heißt Triopios, wie Rudra Tryambaka, die Maus ist beiden heilig, und Gertrut, die an Frigg's Stelle tritt, ist auch Herrin der Mäuse; Simrock, Mythologie, S. 403. Wie Apollo παιήων und sein Sohn Asklepios ist, wie es von Rudra in einem Liede des Rigveda heißt (R., 5, 42, 11): »Preise ihn der einen trefflichen Pfeil und starken Bogen hat, der jegliches Heilmittel besitzt«, so versteht auch Wuotan besonders zu heilen. [8] Wie Apoll Pest mit seinen Pfeilen, sendet Rudra Tod mit seiner Lanze oder seinen Pfeilen; Wuotan sendet seinen Speer über die Männer und sie sind dem Tode geweiht. Wie bei Apoll's Pest die Seuche die Hunde zuerst ergreift, so heißt es, der Hel ist bei den Hunden, wenn Pest eintritt, und der Heljäger ist Wuotan. Von der Hekate ist ihre nahe Berührung mit der Artemis bekannt, und von der Hekate sagt Theokrit: »Τὰν καὶ σκύλακες τρομέοντι ἐρχομέναι νεκύων ἀνά τ᾽ ἠρία καὶ μέλαν αἷμα«, wozu die Scholien bemerken: »Τὴν Ἑκάτην φασὶ τὴν αὐτὴν Περσεφόνῃ«; vgl. noch die ganze Stelle in den Scholien, S. 106. Da heißt es z.B.: »Τὰν σκύλακες τρομέοντι: διὰ τοῦ σκύλακας ἐκφέρεσϑαι δεῖπνα τῇ Ἑκάτῃ«; vgl. die in die Höhle des Hüggels laufenden Hunde, welche der Jäger dort aufgehängt findet; oben I, Nr. 58, 59. – Wenn der wilde Jäger auch in die Unterwelt gehört, so erklärt sich, warum sein Hund Alke, Aulke heißt, denn so hießen die Zwerge; wenn ihn häufig gerade zwei Hunde begleiten, so muß dies auf die beiden vor dem Eingang im Darmßen liegenden Hunde, auf die beiden Dobben im Hüggel, sowie auf die beiden Sârameyas sich beziehen. Wenn der Teufel häufig unter der Gestalt eines Jägers erscheint, so ist er hier wol direct Odhin, als der wilde Jäger; vgl. auch die Freischützen; als Jäger erscheint der Teufel so auch bei Leoprechting, S. 65, und häufig in Hexenprocessen. So erklärt sich auch, weshalb der Teufel entweder selbst als Hund erscheint oder in Begleitung eines solchen auftritt.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Zweiter Theil. Gebräuche und Aberglauben. Der wilde Jäger. 12. [Hackelberg, der wilde Jäger oder Dammjäger, d.h. der verdammte]. 12. [Hackelberg, der wilde Jäger oder Dammjäger, d.h. der verdammte]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-BF59-1