149d. Zauber und Gegenzauber.

Aus Hemer mitgetheilt von Woeste.


War einmal ein reicher Bauer, der starb ohne Kinder und hatte sein ganzes Vermögen seiner Frau vermacht. Zu dieser kommt eines Abends ein alter fremder Mann ins Haus und bittet um die Herberge einer einzigen Nacht, wenn er auch auf dem Laubboden schlafen sollte. Die Frau will ihn erst nicht aufnehmen, läßt sich aber dazu bewegen, als der Alte sagt: »Frau, ich bin zwar ein armer, unscheinbarer Mann, aber ihr könnt doch nicht wißen, wie ich nützen mag, wenn ihr mich hier behaltet.« In der Nacht, als alles im Hause schlief, lag der Alte noch wach auf der »Hille«; er hörte Tritte auf der Dehle, die ihm verdächtig vorkamen, kroch leise von seinem Laublager an die offene Thür des Raumes, wo er sich befand, und erblickte drei Kerle, »butt«-schwarz, welche mit sonderbaren Lichtern in den Händen sich nach der Wohnstube hinbewegten. Der Alte wußte gleich, was hier vorging. Die schwarzen [145] Gesellen mußten einen Raub ausführen wollen. Die Lichter, welche sie trugen, waren Zehen von ungeborenen Kindern; wo die brennen, muß alles in tiefstem Schlafe verbleiben: ein Zauber, gegen welchen die Räuber selbst und unser Alter durch einen Gegenzauber geschützt waren. Als die Schwarzen damit beschäftigt sind, Kisten und Kasten auszuleeren, steigt der Alte leise die Leiter hinunter, sucht die Diebe auf und murmelt einen Spruch, der sie sämmtlich festmacht. Dann löscht er ihnen die Lichter aus und weckt die Hausfrau und das Gesinde. Man kam mit Licht. »Frau«, sagt der Alte, »laßt diese Kerle doch einmal gehörig waschen, damit man sehe, wie sie eigentlich im Gesicht gestaltet sind.« Das geschah und die Witwe traute ihren Augen nicht, wie sie allmählich aus der rußigen Hülle ihre Herren Schwäger hervorgehen sah. »Guter Mann«, sagte sie darauf zu dem Alten, »Ihr habt diese meine lieben Anverwandten festgemacht, Ihr werdet sie wieder lösen können. Thut das, ich bitte Euch! Sie werden's Euch danken und an diesem genug haben.« Der Alte löste sie durch einen Spruch, und die Witwe hieß die Schwäger ihres Weges gehen; tief beschämt schlichen sie von dannen.


Diebe können mit der Hand eines ungetauften Kindes Schlößer öffnen und unbemerkt in die Häuser dringen; Montanus, S. 88.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Erster Theil. Sagen. 149d. Zauber und Gegenzauber. 149d. Zauber und Gegenzauber. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-BFCD-C