71. Hexenritt.

Mündlich vom Krüger aus Wichmannsdorf.


War mal ein Bauer, der hatte ein altes Weib, die hielt's mit ihrem Knecht Hans. Eines Abends ist der[67] Bauer schon im Bett, das Bauerweib ist aber noch in der Küche, da kommt Hans, wie er das pflegte, zu ihr, und sieht, wie sie eben zuerst ihres grauen Katers und darauf auch ihre eigenen Füße mit einer Salbe bestreicht. Da fragt er: »Was machst Du da?« wenn nämlich der Bauer nicht da war, dutzte er sie stets; da antwortet das Weib: »Ich will nach dem Blocksberg, willst du reinen Mund halten, kannst du auch mit und sollst mein Bedienter sein.« Darauf heißt sie ihn den schwarzen Hahn hereinholen, und als nun beide Thiere mit der Salbe bestrichen sind, stehen mit einem Male ein Grauschimmel und ein schwarzer Hengst da; nun setzt sich das Bauerweib auf den Grauschimmel, sagt:


»up un davon,

nirgends an!«


und fort gehts mit ihr durch den Schornstein. Jetzt springt Hans auch auf seinen Hengst, und da sie ihm gesagt, er solle alles genau wie sie thun, so will er ihr auch die Worte nachsprechen, hat sie aber nicht recht behalten und sagt:


»up un davon,

alle weg an!«


und da gehts auch mit ihm durch den Schornstein, aber auf der Reise prallt er bald gegen einen Baum, bald gegen einen Felsen, daß er zerschunden und gequetscht wurde; allein er kam ihr doch glücklich nach auf den Blocksberg. Als sie da ankamen, stieg das Bauerweib ab und hieß Hansen die Pferde halten und bei den andern Bedienten bleiben, deren eine gar große Menge da waren. Hans that, wie ihm befohlen war, und wurde nach einiger Zeit mit allen übrigen zum Schmause hereingeholt, und da hat er wacker mitgegeßen und getrunken; als es aber an's Lieben gegangen ist, da hat er, wie alle Bedienten, wieder hinaus gemußt. Endlich, [68] als alles vorüber gewesen ist, haben sich Hans und sein Bauerweib wieder auf die Pferde gesetzt und sind nach Haus geritten.

Einige Zeit nachher aber hat sich Hans mit der Bäuerin erzürnt und ist zu einem andern Wirthe gezogen, und als nun wieder die Zeit war, wo's nach dem Blocksberg ging, hat er gedacht, er wolle doch der Alten einen Schabernack spielen und seinen Kameraden gesagt: »Wollt ihr sehen, wie das alte Bauernweib mit alt Kretschmar nach dem Blocksberg reitet, so kommt mit.« Und das sagend, führte er sie zu einem Kreuzweg; hier standen ein Paar Eggen, die stellten sie gegen einander und setzten sich darunter, und es währte auch nicht lange, da kam etwas angejagt: »Seht, seht, ruft Hans, das ist das alte Bauerweib auf ihrem alten Grauschimmel, und der hinter ihr herjagt auf dem schwarzen Hengst, das ist der alte Kretschmar.« Alle sahen sie nun, da sie unter der Egge saßen, und bemerkten auch, daß sie erst gegen den Kreuzweg an ritten, aber dann ihre Richtung längs des einen der beiden Wege hin nahmen, da sie nicht hinüber konnten. Am andern Tage aber war Hans auf dem Felde und bemerkte plötzlich, daß die Alte grade auf ihn los kam, vergeblich sah er sich um, wo er sich wohl vor ihr verstecken könnte, doch nirgends war ein Ausweg; da fiel ihm noch zu guter Zeit ein Mittel bei: er nahm einen Strick, der ihm zur Hand war, schlang ihn um seinen Leib, nahm ihn dann zwischen seine Beine durch und zog ihn über den Rücken und die Schultern wieder nach vorn herüber, worauf er die beiden Enden vorn mit einem tüchtigen Kreuzknoten zusammenband, so daß er vorn und hinten überkreuz gebunden war, und da konnte ihm denn die Alte nichts anhaben. Als sie heran kam und das sah, gab sie ihm gute Worte, er möge doch wieder zu ihr ziehen, und es solle alles vergeßen sein. [69] Hans indessen bezeigte kein Verlangen danach, und da bat sie ihn denn, wenigstens seinen Kameraden zu sagen, daß sie gestern nicht auf dem Grauschimmel geritten sei, und wenn er es zu thun verspräche, so solle er zwanzig Thaler haben. Darauf ging Hans auch ein, erhielt sein Geld, und als er Abends mit seinen Kameraden beim Kruge Bier saß, sagte er: »Hört mal, ich habe euch gestern gesagt, da ritte das alte Bauerweib auf einem Grauschimmel, das ist aber nicht wahr, sie ritt nur auf ihrem grauen Kater.«

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. A. Sagen. 71. Hexenritt. 71. Hexenritt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-CC98-2