[12] Die Stadtratte und die Feldratte

Es lud einmal die städtische Ratte
Die Ratte aus dem Felde ein
Zu einem Braten, den sie hatte.
Fettammern waren's, zart und fein.
Auf einem Perserteppich prangte
Die Tafel, überreich gedeckt.
Was ihren Appetit anlangte –
Gewiß hat's beiden wohlgeschmeckt.
Ein Festmahl war es, ohne Frage,
Nichts fehlte, was das Herz begehrt,
Doch plötzlich wurde das Gelage
Im besten Zuge jäh gestört.
Ein Lärm von draußen, welch ein Schrecken!
Es poltert an des Saales Tür.
Stadtratte lief, sich zu verstecken,
Und ihre Freundin folgte ihr.
Der Lärm erlosch. Als erste wagte
Sich keck hervor die aus der Stadt,
Die tröstlich zu der Bäurin sagte:
»Komm her und esse dich nun satt.«
Da sprach die andre: »Meine Beste,
Komm morgen hin zu mir hinaus.
Recht üppig zwar sind deine Feste,
Doch sieh, ich mache mir nichts draus.
Bei mir wird alles glatt sich fügen,
Ist einfach auch mein ländlich Brot.
Leb wohl!« – Wie arm ist ein Vergnügen,
Das immer eine Angst bedroht!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). La Fontaine, Jean de. Versfabeln. Fabeln. Die Stadtratte und die Feldratte. Die Stadtratte und die Feldratte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D95B-5