[92] Der Satyr und der Wanderer

In wilder Höhle Hintergrund
Ein Satyr saß mit Weib und Kindern,
Den Suppennapf vor Hand und Mund,
Um ihres Magens Not zu lindern.
Sie hockten auf gehäuftem Moos
Und wünschten keine beßren Pfühle.
Ihr Appetit war gut und groß
Auch ohne Tisch und Tuch und Stühle.
Da trat ein Wandersmann herein,
Durchnäßt von kalten Regenschauern.
Man lud ihn gleich zum Essen ein
Und bat ihn, sich aufs Moos zu kauern.
Der Gast nahm gern die Schüssel an,
Erfreut ob solch erwünschter Spende.
Mit Atempusten er begann
Zunächst zu wärmen seine Hände.
Dann blies er auf die Suppe hin,
Die ihm noch allzu heiß erschienen.
Dem Satyr schien's ein Widersinn,
Er sprach: »Wozu soll beides dienen?«
»Erstmals erwärmt's die kalte Haut,
Zum andern kühlt's die warme Speise.«
Da hat's den wilden Mann gegraut:
»Steh auf und mach dich auf die Reise.
Bewahr mich Zeus vor solchem Bund!
Mich schauert über alle Maßen.
Fort mit den Menschen, deren Mund
So warm wie kalt versteht zu blasen.«

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TextGrid Repository (2012). La Fontaine, Jean de. Versfabeln. Fabeln. Der Satyr und der Wanderer. Der Satyr und der Wanderer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DA75-0