Die zwey Schwestern.

Die sanfte Frau von Birke fühlte ihre Gesundheit allmälig verschwinden. Es beunruhigte sie aber nicht, weil sie in dem vollen Genuß ihres Lebens, wenn sie andre zu Grabe tragen sah, immer dachte, daß die Reihe auch sie treffen würde, und weil sie so lebte, daß sie sich vor dem Tod und der Ewigkeit nicht im mindesten zu scheuen hatte. Denn in ihrem väterlichen Haus war sie das Vorbild einer guten Tochter, und nach ihrer Verheurathung dieß von der besten Frau und vortreflichsten Mutter. Ihre schöne Tage, ihr Glück, ihre Frölichkeit waren mit Dank gegen Gott, mit Liebe des Nächsten und Bescheidenheit; die Tage des Leidens aber mit Gelassenheit und klugem Betragen verbunden. Ihre Schönheit und gute Erziehung hatte ihr die Liebe des fürstlichen geheimen Raths von Birke erworben, der ein artiger Mann von vielem Verstand und grossem Vermögen war. Sie gab ihm verschiedene Kinder, die meistens starben: das jüngste aber, eine Tochter, welche sie selbst erzog, konnte mit Recht [176] in ihrem achtzehnten Jahr für das liebenswürdigste Mädchen gehalten werden. Laura war der Stolz ihres Vaters, und die Seeligkeit ihrer Mutter, indem die leztere hofte, daß ihre Gesinnungen und Grundsätze in ihrer Tochter fortdauern, und auf ihre Enkel kommen würden.

Frau von Birke hatte die Reise in das Bad verschoben, um das Verlöbnis ihrer Laura abzuwarten, welche sie begleiten, und bey ihr bleiben sollte; Ihr Gemal aber reißte mit seinen zween Söhnen und Herrn von Goldbach, dem Bräutigam der schönen Laura in die Residenz des Fürsten. Laura bemerkte schon lang, daß ihre Mutter sie oft ernsthaft ansah, dann bewegt war, und mit einer Thräne im Aug ihr die Hand drükte, oder sie küßte. Dieß alles waren ihr Vorzeichen des nahen Verlusts ihrer gütigen Mutter.

Einige Tage nach ihrer Ankunft in dem Bad gab Frau von Birke ihrer Tochter ein Heft Papier, welches ihr von einem Freund geschikt worden, der es für merkwürdig hielt, weil der Aufsaz und das Miniaturgemälde dabey die Arbeit eines jungen Menschen von siebzehn Jahren war, welcher darinn die Geschichte seiner Eltern beschriebe. Laura wurde gleich von dem artigen Bild eines kleinen Hauses und Gärtgens, die ganz einsam an einer [177] waldigten Anhöhe standen, angezogen; und die vier Kinder, unter einem Nußbaum sitzend, alle ein Buch vor sich, gefielen ihr noch mehr, als die schöne Arbeit des jungen Künstlers. Begierig laß sie folgende Geschichte:


»Von langen Zeiten her waren von einem Urvater an alle Söhne der bürgerlichen Familie Hahle, lauter Tischler, weil der Vater immer seine Söhne selbst lehren, und dabey völlig erziehen konnte. Nur mein Vater wollte kein Tischler werden, sondern Theologie studieren. Aber seine Mutter, die ihn sehr liebte, hatte viele Mühe, die Erlaubnis zu erhalten, daß er in die lateinische Schule gehen durfte. – Er lernte so fleißig, daß er auf Kosten der Stadtkasse nach einer Universität geschikt, und dort erhalten wurde, wo er sich zu einem gelehrten und ehrwürdigen Manne bildete. Nach seiner Zurükkunft starb sein Vater, die Mutter mußte die übrige Kinder von dem Tischlerhandwerk durch einen Gesellen ernähren, und konnte ihrem geliebten Heinrich nicht viel gutes thun: in der Stadt war keine Stelle ledig, und keine besondere Freunde hatten sie auch nicht. Da faßte die gute Frau den Entschluß, einen Tag, da sie eine [178] artige Briefküste zu einem reichen vornehmen Mann trug, die Zeugnisse mitzunehmen, welche ihr Heinrich von der hohen Schule mitgebracht hatte, um sie dem Herrn zu weisen. Die mütterliche Liebe machte sie beredt; die Zeugnisse waren sehr rühmlich, und der vornehme Mann hatte gerad einen Hofmeister für seine Söhne nöthig, und ließ also den Magister Hahle rufen. – Das anständige Aussehen meines Vaters, seine Wissenschaften und Sprachkenntnisse, die grosse Fertigkeit im Klavierspielen, und auch die Miniatur-Malerey erhielten ihm den Beyfall des Reichen, und er nahm ihn von der Stunde zum Hofmeister an, besoldete ihn gut, und begegnete ihm mit aller Achtung. Das war ein grosses Glück für die dermalige Umstände meines theuren Vaters, und gabe ihm auch gute Aussichten für die Zukunft. – Er erfüllte sein Amt so treu, daß er von den Eltern und der ganzen Verwandschaft der jungen Herrn geliebt wurde. Er bemerkte wohl, daß der Vater einen übertriebenen Stolz auf seinen neuen Adel hatte, daß er niemand achtete, als wer diesen Vorzug hatte, und daß seine Gemüthsbewegungen äusserst heftig [179] waren. Die jungen Leute erzählten ihm auch, daß sie noch eine Schwester hätten, die älter als sie beyde wäre, die aber der Papa nicht liebte, weil sie so häßlich aussehe, und so eigensinnig sey – die Mamma aber liebkose sie immer, und besuche sie, wenn der Papa nicht zu Haus wäre. – Als mein Vater einige Monate in seiner Stelle gewesen, so wurde er während einer Reise des Herrn von Birke zu seiner Gemalin in den Garten gerufen, die ihm ihre Zufriedenheit über die Erziehung ihrer Söhne bezeugte, und hinzusezte, daß sein Charakter ihr vollkommenes Vertrauen erworben habe: – Sie entdekte ihm alsdann die Leiden ihrer Tochter, und ihres mütterlichen Herzens – »Adelinde wächst heran: Sie hat viel Geist und Thätigkeit: ich habe sie alle Art Frauenzimmerarbeiten gelehrt, um ihre Einsamkeit damit zu versüssen; aber dieß ist nun nicht mehr hinreichend, sie angenehm zu beschäftigen. Da wünschte ich, daß Sie die Lehrstunden meiner Söhne so eintheilen könnten, daß Sie, wenn mein Mann abwesend ist, die arme Adelinde Klavier spielen, und malen lehrten, und auch sonst ihrem Geist einige Vorzüge verschaften, [180] weil ich zwey Hofnungen darauf sezte, einmal das gute Kind etwas glüklicher zu sehen, und dann, wenn sie nun glänzende Talente hätte, welche nach dem jezigen Ton der Welt an jungen Frauenzimmern geschäzt werden, gewönne sie vielleicht dadurch die Liebe ihres Vaters, und beyde fänden sich besser dabey.« –


Mein Vater gieng willig in diese Bitte ein. Er kaufte ein schönes Klavier, und Farbenkästgen mit allem Zugehör zum Zeichnen und Malen, weil die Mutter alles anwenden wollte, um Adelinden einen Reiz an der Musik und Zeichenkunst zu geben. Es gelang ihr auch, denn Adelinde war entzükt, als sie die kleine Gemälde sah, die mein Vater verfertigt hatte, und ihn Klavier spielen hörte; mit Dank- und Freudenthränen küßte sie die Hände ihrer Mutter; – ihr Fleiß war zum Erstaunen. Mein Vater bewunderte das hohe Maas ihrer Fähigkeiten, und freute sich mit der Mutter über die sichere Hofnung, daß Adelinde das Herz ihres Vaters selbst durch seinen unglüklichen Stolz gewinnen würde. Er lehrte sie auch Sprachen, Geschichte, und sie machte in schönen Wissenschaften, und allem, was sie unternahm, ausserordentliche [181] Schritte. – Sie führte nicht mehr die mindeste Klage; im Gegentheil war sie voll sanfter Heiterkeit, und so vergnügtem Aussehen, daß ihre Mutter und mein Vater sie bey ihrem Singen und Klavierspiel sehr oft für schön erkannten. Es waren Jahre vorüber, und gewiß auf Erde niemand glüklicher als die Mutter von Adelinde mit ihren Hofnungen für ihre Tochter, und diese durch die erworbene Güter des Verstands, durch ihre Talente, und durch den stillen Genuß der süssesten Freundschaft für ihren Lehrmeister. Er sah sie selten allein: denn immer war die Mutter bey den Lehrstunden zugegen; er suchte es auch nicht – am wenigsten, als er die Anhänglichkeit fühlte, die für Adelinden in seinem Herzen keimte, und als er bemerkte, wie viel er für sie geworden war. Er zitterte für das arme Mädchen und für sich: denn seine Seele war edel, und tugendhaft. Er wollte in Adelindens Herzen keine Liebe anfachen, wo sie kein Glük, und ihre Verwandte keine Zufriedenheit finden würden. Der Gedanke, daß man ihn anklagen könnte, er habe die Tochter eines reichen Mannes bestrikt, war ihm fürchterlich: und er sagte der [182] Mutter nach einer Probe des Gesangs, des Spielens, und einer Darlegung der vielen schönen Miniaturstücke von Adelindens Hand, daß es nun Zeit wäre, ihren Entwurf auszuführen, und Adelinden ihrem Vater als ein Frauenzimmer zu zeigen, welches jedem Stand Ehre machen würde. Sie befolgte den Rath, und als sie glaubte, einen guten Augenblick gefunden zu haben, sprach sie mit ihrer Tochter darüber. Adelinde antwortete nur mit einem Strom von Thränen; die Mutter konnte nicht so lang bey ihr bleiben, bis sie wieder ruhig würde, sondern bat den Herrn Magister Hahle zu ihr zu gehen, um ihr den ganzen Plan zu sagen, und gefällig zu machen. – Er fand sie ruhig bey einem Buch, aber ihr Klavier war zugeschlossen, die Noten alle weggeräumt, ihr Zeichnen und Farbenkästgen fort; und Adelinde blikte ihn mit einem Ausdruck von Schmerz und Unmuth an, den er noch nie an ihr bemerkt hatte. Er that, als ob er es nicht sähe, und fragte sanft – warum das Klavier verschlossen sey?


»Weil es mir verhaßt geworden ist, und weil ich wünsche, es nie gesehen zu haben.«

[183] Mein Vater erschrack: – theures Fräulein! – was ist das?


»Ein lebhaftes Gefühl über erlittenes Unrecht. Ich ertrage den Gedanken nicht, daß Natur und Religion nichts über meinen Vater vermochten, und daß dieß, was mein Trost über seine Härte, und über die Beraubung jeder andern Anmuth des Lebens war, die ein gutes Kind von zärtlichen Eltern genießt – nun nichts, als eine künstliche Erfindung ist, wodurch meinem Vater seine Tochter als Malerin und als Sängerin beliebt gemacht werden solle; So wie es jede Fremde seyn würde, die sich diese Künste eigen gemacht hätte. Und wer! o! – wer bürgt mir, daß meine, mit so bittern Thränen erlangte Talente, daß mein lang daurender Schmerz, den Lohn erhalten werden, den meine Mutter hoft?


Mein Vater hatte Mühe sich zu fassen, denn nie hatte er diese Grundlage von Heftigkeit in Adelinden vermuthet; Er widersprach ihr nicht gerade zu: Er tadelte ihre Empfindungen nicht, aber er sagte ihr, daß gefaßte Vorurtheile zu allen Zeiten, auch die besten Menschen, zu unbilligen Handlungen hingerissen hätten, und daß kein anderes Mittel sey, sie [184] zu Erkänntniß ihres Unrechts zu bringen, als ihnen durch einen sanften Umweg den Gegenstand ihres Widerwillens auf einer Seite zu zeigen, die ihren herrschenden Neigungen gefällig seyn könnte: – es wäre wohl auch Pflicht für die weise und gute Menschen, die Schwäche der andern zu schonen, und edelmüthig über das unangenehme hinweg zu sehen, wenn Gutes dadurch entstünde –


Denken Sie, edle Adelinde! an die Freude, die Sie haben werden, wenn Ihr Herr Vater alle die Verdienste seiner würdigen Tochter einsehen, wenn er das Lob einsaugen wird, das jeder Kenner des Geists, und der Tugend Ihnen geben muß! – Sollte es Ihnen nicht lieber seyn, die väterliche Zärtlichkeit mit Hochachtung vereint zu erhalten, und beydes ihren erworbenen Vorzügen, nicht einem blinden Naturtrieb allein zu danken zu haben? und Ihre Frau Mutter! – Ach! denken Sie, was diese Freude für die würdige Frau seyn wird? –

Adelinde weinte –


»Ach Herr Hahle! alle dieß ist treffend für ein zu Recht und Güte gestimmtes Herz. Aber ich fühle, es wird auf meinen Vater nicht würken. Mein Verstand, meine Talente, [185] und das Bild meiner Leiden werden ihm als Vorwürfe über sein Unrecht erscheinen. Ein stolzer Mensch erträgt keine Vorwürfe. Geben Sie acht! ich werde elender, als ich jezo nicht bin – und – meiner Mutter – und Ihnen, mein Freund! mein Wohlthäter! ach – vielleicht Ihnen beyden selbst wird es übel dabey gehen.«

Ihr Blick, der Druck ihrer Hand bey den Worten Freund und Wohlthäter, durchdrangen das Herz meines Vaters zugleich mit einer Art Ahndung. Doch bemühte er sich, ihr die schöne Seite der möglich guten Vermuthungen zu zeigen, und sagte noch –


Selbst die Eigenliebe Ihres Herrn Vaters wird für Sie sorgen: – Es wird ihm zu sehr schmeicheln, eine solche Tochter zu haben: – Er wird Sie lieben, wie Ihre Mutter Sie liebt.


»O Herr Magister! Sie haben mehr Menschen- mehr Bücherkenntnisse als ich, aber ich glaube, daß mein Gefühl, so niemals getheilt war, in dieser Sache richtiger ist, als das Ihrige. Für Sie, für meine Mutter war ich ein Gegenstand des Mitleidens und der Großmuth. Aus Ihren Büchern habe ich gelernt, daß man die liebt, denen man gutes thut, [186] wie man den Spiegel liebt, der uns unsere Gestalt voll Schönheit zeigt, – aber auch, daß man den zu hassen geneigt ist, dessen Anblik uns unsre Seele auf der häßlichen Seite unsrer Verbrechen weißt. – Fragen Sie die Natur, fragen Sie die Menschen, ob man die Zeugen seiner Fehler liebt? – Mein Vater hat keinen edlen Stolz: er hat nur Eitelkeit.«

Mein Vater wunderte sich über die Anwendung, welche Adelinde von seinen Büchern gemacht hatte, und er schäzte nun ihren Verstand, wie er ihr sanftes Herz und ihre Talente geschäzt hatte. Ihre Mutter kam, für Freude zitternd umarmte sie Adelinden, und sagte –


Komm, mein Kind! komm! gieb mir deine Gemälde, deine schöne Auszüge aus den Schriften, die du lasest! und Sie, Herr Magister! lassen Sie das Klavier in den kleinen Gartensaal tragen. Adelinde! meine Liebe! dein Vater ist recht gut und sehr geneigt, dich zu sehen und zu hören. –

Damit nahm sie das Malerkästgen unter den Arm, und faßte Adelindens Hand, um sie wegzuführen.
»O meine Mutter! was haben Sie gethan?« schrie Adelinde, und fiel zu ihren Füssen –

[187] Lassen Sie mich ewig hier, besuchen Sie mich beyde, wie Sie bisher gethan haben: ich will sonst nichts von der ganzen Erde. Mein Vater und die Welt können mir kein grösseres Glük geben.« –

Ihre Mutter jammerte, bat, mein Vater redete ihr zu. – Endlich gab sie nach, reichte beyden die Hände, stund auf und sagte:


»Ich will! ja ich will Ihnen folgen. Sie haben beyde vieles für mich gethan, Sie verdienen ein Opfer: – aber ich geh aus einem Gefängniß, das ich liebte, weil Sie es mir versüßten, in meinen Tod – ich fühl es – weinen Sie über mich, mein Freund! weinen Sie! Adelinde wird elend.« –

Sie lehnte sich an meinen Vater, der würklich weinte. – Ihre Mutter zog sie fort, sie wandte sich, küßte ihre Hand gegen ihre Stube, mein Vater stand mit gefalteten Händen: –


Beten Sie für mich – rief sie noch –

Ihre Mutter gieng in das Kabinet zum Vater, und Adelinden klopfte das Herz, als sie die abgebrochene Töne von der Stimme ihres Vaters hörte. – Endlich winkte ihr die Mutter an der Thüre. Ihr Vater saß seitwärts an einem Tischgen, wo er ihr Miniaturkästgen und ihre Gemälde [188] vor sich hatte, und auch seitwärts nach ihr blikte. – Sie näherte sich langsam an der Hand ihrer zitternden Mutter, die ihr einen Wink zum niederknien gab. Adelinde kniet – der Vater wird roth, und verzieht sein Gesicht in dem Augenblick, da Adelindens Herz anfieng zu schmelzen. – Dieser Gesichtszug in ihrem Vater hemmt ihre Thränen, beklemmt ihre Brust, sie erblaßt, und sinkt auf die Hand des Vaters. – Die Mutter schreyt mit Angst, und die Bediente, welche in dem Augenblick das Klavier in den Saal brachten, laufen zu, und wollen der Mutter, die bey Adelinden kniet, zu Hülfe kommen. – Toll und zornig steht der Vater auf, stößt Adelindens Kopf von sich, wirft den Tisch um, und flucht die Bediente zum Zimmer hinaus. – Mütterliche Thränen bringen Adelinde wieder zu sich, und nun mußte sie von ihrem Vater hören, daß er ihr diese Komödie niemals vergeben werde – und daß sie ihm aus den Augen solle –

Adelinde geht mit gerungenen Händen und verstörtem Blick. – Auf dem Gang begegnet ihr mein Vater, der von den Bedienten gerufen, herbeyeilte, die wankende Adelinde unterstüzte, und mit Schmerz und Zärtlichkeit sie ansah. – Die Angst des Stolzes trieb ihren Vater nachzusehen, [189] ob sie mit jemand spreche, und sich vielleicht beklage. Als er die arme Unglükliche mit meinem Vater erblikte, rief er mit der Stimme eines Rasenden –


Pfaff! packe dich aus meinem Haus! – oder ich werde dich führen lassen. –

Adelinde verschloß sich in ihre Stube, mein Vater wollte sprechen, und die Sache erzählen, wie sie war. Aber der ehrgeizige Mann, der einige Minuten vorher sich geschämt hatte, daß die Bediente seine Frau und Tochter vor seinen Füssen liegen sahen, und der ihre üble Auslegungen über seine Härte fürchtete – war nun froh, einen Vorwand gefunden zu haben, der sein Betragen rechtfertigen würde. Er gebrauchte die Eröfnung, welche ihm seine Frau von dem Unterricht und den Talenten seiner Tochter gemacht hatte, gegen meinen Vater, den er als heimlichen Verführer seines Kinds anklagte, und den Hausbedienten zu verstehen gab, daß dieses die Ursache des Hinkniens seiner Frau und Tochter gewesen sey. – Adelinde ward krank, und auf das Land geführt. – Mein Vater reißte gleich aus der Stadt, in Hofnung, die Wuth des ungerechten Hochmuths dadurch zu besänftigen, nachdem er ihm in einem Schreiben die Wahrheit der ganzen[190] gemeldet, und Vorstellungen gethan hatte. – Aber diese Wahrheiten zeugten gegen den harten Mann. – Er zerriß den Brief, und bedrohte so gar die gute Mutter meines Vaters, der nun einsah, wie viel Adelinde richtiger geurtheilt hatte, als er. – Leider war es schon einigemal geschehen, daß ein Lehrmeister, der den Söhnen Weisheit predigte, die Tochter zu Thorheiten verleitete. Daher wurde diese Geschichte geglaubt. Man fand natürlich, daß ein eingesperrtes Mädchen sich leicht an einen schmeichelnden Menschen heften würde, und daß ein Magister denke, der vornehme Mann müßte ihm dann ein Amt und Vermögen geben. – Man dachte, Adelindens Vater müsse sie wohl gekannt haben, weil er sie eingesperrt hielte, – und die Achtung, welche er dem Magister Hahle immer bezeugt hatte, diente auch noch zu der Bestättigung seines Verfahrens. Was sollten nun die gekränkte Unschuldige thun? Sollte die Frau – sollte die Tochter aufstehen, und sich in langen Erzählungen auf die Kosten des Ruhms der Wahrhaftigkeit eines Familien-Vaters rechtfertigen! Sollte es mein Vater thun? Ach, er vergaß sich und sein Unglük. – Adelindens Schiksal lag ihm allein an – und – ihre Mutter – [191] Er schrieb noch einmal an den fürchterlichen Mann: –


»Sie haben die Ehre Ihres Charakters gerettet, indem Sie die meinige zu Grunde richteten. – Aber Ihr eigenes Herz muß mich in Ihren einsamen Stunden rechtfertigen. Ich nehme den Menschen nicht übel, wenn sie denken, daß es ohnmöglich sey, daß ein Vater sein Kind ohne Ursache elend mache. Ich entschuldige auch alle, die einen Mann von Verstand, der viele prächtige Beweise von Güte gab, unfähig halten, daß er den Lehrmeister seiner Söhne, den er hochschäzte, ohne wichtige Beweggründe mißhandeln sollte – alles dieses ist mir noch ein schäzbarer Beweiß, daß es viele Leute giebt, die nicht so handeln könnten, und an Gerechtigkeit glauben.


Ich entschuldige so gar Sie. Die Leidenschaft des Ehrgeizes beherrscht Sie auf eine ganz tyrannische Art, und so bald Sie fürchten, daß etwas Ihren gesuchten Ruhm verdunkeln könnte, so ersticken alle Gefühle für Ihren Nächsten, und Sie opfern ohne Nachdenken, aber gewiß nicht ohne späte Reue Wahrheit und Menschen auf. Ich sage mir selbst, daß, [192] wenn der Zufall nicht Ihre Bedienten in das Zimmer geführt hätte, als Ihre unglükliche Tochter auf der Erde vor Ihnen lag, so wäre alles nicht geschehen. – Sie können sicher seyn, daß ich niemals gegen ihre vorgegebene Geschichte reden werde. Unschuld und Güte sind in mei nem Herzen, und in meinem Leben thun Sie nur eines zu Ihrer eigenen Beruhigung. Schaffen Sie Ihrer würdigen Gattin und Ihrer verehrungswerthen Adelinde glükliche Tage, und lassen Sie sich an dem Elend der meinigen genügen.«

Dieser Brief brachte eine vermischte Würkung hervor. Jede Sylbe Wahrheit empörte den Mann, und der ruhige feste Charakter, den er darinn sah – der Eindruck, welchen der Brief auf ihn machte, gab ihm Furcht; er dachte, wenn der Mann andern Leuten auf diese Art schriebe, so möchte man ihm endlich glauben. – Er behandelte also seine Frau mit vieler Güte, und gab ihr das Vermächtnis in die Hände, welches Adelinde von ihrer Großmutter und von ihrer Taufpathe erhalten hatte: nur, sezte er die Bedingnis hinzu, daß man ihm nun nicht mehr von ihr reden solle.

[193] Adelinde war krank und tiefsinnig. Ihr Leben war ihr gleichgültig geworden; sie bat ihre Mutter nur allein vor ihrem Tod um Nachricht von dem um ihrentwillen unglüklich gewordenen redlichen Mann. Mein Vater hatte lange Zeit nichts von sich hören lassen. Endlich schrieb er an seine Mutter, daß er als Dorfschulmeister angestellt, und ganz zufrieden sey, weit, recht weit von Menschen der stolzen und so genannten glüklichen Klasse zu leben. – Adelinde war damals mit ihrer Gesundheit so zurük, daß ihre Mutter glaubte, daß es grausam wäre, ihr etwas zu versagen, das eine Erleichtrung für ihre lezte bittre Tage seyn könnte. Sie schrieb daher an meinen Vater die Krankheit, und die Gesinnungen ihrer Tochter, und bat ihn, Adelinden von seinem Wohl und seiner Ruhe zu überzeugen, damit das gute Kind ihr Leben ohne Kummer für ihn – und ohne Haß gegen ihren Vater beschliessen möge. – Sie erhielt folgende Antwort –


»Wenn die Versicherung meines Wohls das gütige Herz Ihrer Adelinde beruhigen kann, o so sagen Sie ihr, daß man allein in der Ewigkeit unter seeligen Geistern, wohin sie geht, glüklicher seyn kann, als ich es bin. Die Unschuld und Einfalt meiner Schüler macht [194] sie zu Engeln dieser Erde, in Vergleich andrer Menschen. Mein einsames Haus, die alte gute Mutter des verstorbenen Schulmeisters, und ihre zwey Enkel, die bey mir leben, mein Acker, meine Besoldungswiese, der schöne Birkenwald und der kleine Bach, welcher an meinem Gemüßgärtgen hinfließt, alles stimmt mit der Unschuld und Trauer meines Herzens. Ich wurde in dem Haus eines armen aber frommen Handwerkers geboren, und werde in der Hütte eines armen frommen Schulmeisters sterben. – Kein Glanz – kein Ruhm – noch Gold werden mich wegziehen – Ich freue mich über den nahen Tod der edlen mißhandelten Adelinde. – Ihr ewiger Vater wird sie liebreich aufnehmen! – Ihre Erinnerung ist mir der süsseste Gedanke, den ich aus dem Cirkel der verfeinerten Menschen mit hieher brachte. Die Beschreibung ihres Schiksals und ihrer Tugend soll die lezte Arbeit meiner Feder seyn, und ich will die wenige Tage nach ihr so durchleben, daß die theure Märtyrin des Vorurtheils ihre früh erlangte Krone gerne mit mir theilen soll. – Schenken Sie mir mit der Nachricht ihres Uebergangs in die bessre Welt ihr Farbenkästgen [195] und ihr Klavier. Ich will ihre verklärte Gestalt malen, und oft soll meine einsame Gegend von den Stücken wiederhallen, die sie liebte.«

Dieser Brief, der Adelinden gegeben wurde, war für sie dieß, was Thau der schmachtenden Blume ist. – Sie schrieb ihm selbst noch:


»Die Versicherung Ihres Wohls und Ihrer Freundschaft für mich sind die lezte Tropfen Freude, die ich kosten konnte. Der Gedanke Ihres Elends und Ihrer Gleichgültigkeit war das bitterste, so ich jemals empfand. Hier ist mein Klavier, noch von mir selbst gegeben. Denken Sie sich in jedem rührenden, und in jedem ernsten Ton den zärtlichen Dank von Adelinden für die Erquickungsstunden, die Sie mir durch die Mittheilung Ihrer Talente schaften, und an die Wahrheit einer reinen tugendhaften Liebe für Sie! – Segen der Hütte, in der Sie wohnen! Segen der einsamen Gegend, in der Sie Ruhe vor der Bosheit fanden! – Ach! hätte mich mein Schiksal diese Hütte mit Ihnen theilen lassen, wie ich meine errungne Krone mit Ihnen theilen will!!« –

Der Schmerz meines Vaters war groß, aber [196] sanft. Dieser Abschiedsbrief von der liebenswürdigen Adelinde, ihr Klavier, ihre Auszüge von den besten Schriften – der Wunsch, daß sie seine Hütte mit ihm getheilt haben möchte – Bilder, die er sich daraus schuf, lassen sich nicht beschreiben, nur empfinden. – Er härmte sich, und wünschte, nur so lange zu leben, bis er noch ihr Grab gesehen hätte. – Es dünkte ihn, lang nichts von seiner und Adelindens Mutter gehört zu haben, als sein Schwager, ein rechtschaffener Bürger in einem kleinen Städtgen ihm schrieb, daß seine Mutter ihn vor ihrem Tode noch zu sehen verlange: er möchte also bald zu ihm kommen, wo er die Mutter finden würde. Er eilte, nicht nur die kindliche Pflicht gegen eine gute Mutter zu erfüllen, sondern auch, weil er hofte, etwas von Adelindens Tod, und was sie angieng, zu erfahren. Er fand seine Mutter sehr krank, aber glüklich, ihn zu sehen. Sie ließ nach einiger Zeit alles aus der Stube gehen, um mit ihrem Sohn allein zu reden. – Da fragte sie nach seinen Umständen. Er versicherte, daß er nichts zu wünschen habe. – Nach seiner Gesundheit. – Ich hoffe bald zu sterben.


»O mein Sohn! und ich wollte dein Glük durch eine gute Heyrath befestigen.«


[197] Gott bewahre mich! liebe Mutter! Mein Herz ist schon in der Ewigkeit, und diese Hand soll nie die Hand eines andern Weibes berühren, als die von meiner sterbenden Mutter.


Lieber Sohn! ich weiß, wo dein Herz ist! gieb mir deine Hand. –

Er that es, und sie sagte: Gute Tochter, komm! – Ein bürgerlich gekleidetes Mädchen trat weinend und wankend hinter dem Vorhang des Bettes hervor. Mein Vater ahndete was sonderbares, aber dieß nicht, daß er hier die noch lebende Adelinde sehen würde. Aber sie war es, und reichte ihm einen offenen Brief, den ihr Vater nach ihrer Genesung an sie geschrieben: –


Du lebst noch – ich wollte, du wärest am Ende der Welt mit deinem Magister. – Da ist ein Trauschein, und das lezte Wort von deinem beleidigten Vater. –

Mein Vater sank von Kummer und Staunen niedergedrükt auf den Stuhl. Adelinde unterstüzte ihn. – Er faßte sich – und nahm die zitternde Adelinde bey der Hand –

Mein Gott! was Aendrung! wollten Sie? – Gesezt sagte sie –


»Ja! ich will deine Hütte theilen – Nimm mich auf, Freund meiner Seele! nimm mich, [198] von Stolz und Härte verstossene in deinen Schuz, und laß mich alle meine Leiden und die Welt vergessen.«


Komm Adelinde! komm in meine Arme, denn in diesem Herzen bist du schon lang. Tugend und Genügsamkeit werden uns glüklich machen.

Die kranke Mutter weinte, und segnete sie. Mein Vater sagte dann auf sie weisend –


Adelinde! meine Mutter ist an dem Ende aller menschlichen Meinungen, und Unterschieds. – Vor Gott ist, wie Klopstok sagt – Glük und Tugend einander gleich. Mit diesem einzigen Vorzug wollen wir unsern Weg fortsetzen, bis wir meine arme fromme Mutter wieder sehen.

Nachdem erzählte ihm Adelinde, daß sie ihrer Mutter diesen Zettel geschikt, und dabey geschrieben habe, daß, wenn er sich zu dieser traurigen Verbindung entschliessen könnte, so würde sie sich glüklich finden. Ihre Mutter antwortete, daß sie gewiß sey, ihr Vater wünsche es, und schikte ihr dabey die Nachricht, wo sie sich sprechen wollten. Da hätte sie sie versichert, ihr Vater wäre auf seinem Irrweg so weit gegangen, daß gar keine Wiederkehr zu hoffen sey. –


[199]

»Das wünsche ich auch nicht, war Adelindens Antwort. – Ich bin ohne mein Verschulden das Opfer eines grausamen Vorurtheils, aber die Ruhe meines Vaters stüzt sich darauf. – O! mag er Ruhe in seiner Seele geniessen, wie ich sie in der armen Hütte meines tugendhaften Freundes finden werde. – Die Liebe und der Segen meiner guten Mutter gehen mit mir. Sie haben die Tage meines Kummers gezählt und getheilt. Mein Herz und mein Leben wird glüklich. – Denn gute Mutter! meine Liebe war allein Ihnen und meinem Lehrmeister geweiht.« –

Ihre Mutter weinte viel, und gab ihr das ererbte Geld, und da sie von Adelinden hörte, daß sie sich niemand, als der Mutter des Herrn Hahle eröfnen wollte, so war sie zufrieden, auch darinn ihren Mann geschont zu sehen. Sie holte Adelinden ab, übergab ihr die verlangte bürgerliche Kleider, und führte sie bis in das Städtchen, wo die alte Tischlerin wohnte. – Adelinde gieng zu ihr, entdekte sich, und wurde von der vernünftigen Frau recht wohl aufgenommen und getröstet. – Adelinde bat sie gleich, ihrer Tochter zu sagen, daß sie die Braut ihres Bruders sey, und ihre Schwiegermutter pflegen wolle, welches [200] sie auch mit so viel Sorgfalt und Liebe that, als die Frau von einem eigenen Kind nicht erwarten konnte. Adelinde erhielt Betten und Weißzeug. Da nahm sie gleich alles davon, was der guten Kranken dienen konnte, und der Tochtermann mußte meinem Vater schreiben. Adelinde wurde an dem Bette meiner frommen Großmutter getraut, bey welcher sie blieben, bis sie Gott nahm, und nachdem zogen sie auf die Schule, wo meine liebenswerthe Mutter alle Kenntniß der bürgerlichen Hauswirthschaft, die sie neben der Krankenpflege mit meiner Großmutter erwarb, mit dem grösten Eifer und Vergnügen ausübte, und von der rechtschaffenen alten Frau, die sie im Schulhaus antraf, noch die Landwirthschaft der Armen lernte. Ihre Mutter besuchte sie einmal, und wollte vor Jammer sterben, als sie ihre Adelinde in der kleinen Hütte sah. Sie verlangte, mein Vater soll einen bessern Dienst suchen, aber weder er, noch meine Mutter wollten es. Da ließ sie noch etwas an das Haus anbauen, und nun wohnten sie köstlich, und wir Kinder wurden von den besten Eltern unterrichtet, was die Menschen wissen müssen, um immer gut und in allen Ständen glüklich zu seyn.

Mit seinem Geist, seiner Tugend, und seiner [201] Handarbeit zu nüzen, war, was mein Vater seinen Kindern als Verdienst vor Gott und Menschen darstellte, womit er uns alle Stufen zeigte, durch welche Hohe und Niedre gehen müssen, um sich diese Verdienste zu erwerben. Besonders lehrte er uns alles, was der Stand erfodern könnte, zu dem einst seine vier Kinder berufen seyn möchten. Er zeigte uns drey Knaben den Werth des Ruhms und der Zufriedenheit, den wir auf dem Weg der Kenntnisse und Geschiklichkeit finden könnten, und alle Bilder von wahrem innigem Glück, die wir auf diesem Weg antreffen: so wie er die meiste Beschwerden und die gröste Gefahr des Verlusts der Freude des Lebens uns bey den Menschen der höhern Klasse zeigte. Ich bin siebzehn Jahr alt, und habe nun auch für mich die Bücher durchgelesen, aus denen der beste Vater uns lehrte, und ich finde, daß er mehr Geist hat, als seine Bücher, denn die Naturgeschichte, die er uns gab, wurde in unserer Seele gefühlte Bewundrung und Liebe Gottes: – die Religionslehre ward Kenntniß der göttlichen Liebe für uns, und dankbare Begierde, uns in Liebe und Güte gegen den Nächsten, als seine würdige Geschöpfe zu zeigen; er lehrte uns die Sprachen mit der Geschichte des Lands, worinn sie geredt wurden; [202] die Schönheit der Gegend um unsere Wohnung machte mich zu einem guten Schüler in der Miniaturmalerey, wie unsere Nachtigallen meine ältere Schwester Lucie zu der besten Sängerin machten: Ich habe mathematische und philosophische Kenntnisse, ein redliches Herz, wie mein Vater, ich spiele Klavier, und schreibe, wie er.


O möchte alles dieses die schöne edle Braut des Herrn von Goldbach bewegen, die Bitte eines Jünglings von siebzehn Jahren zu erhören, damit der Oheim Ihres Gemahls meinem Vater die Pfarre des Dorfes gebe, welche durch den nahen Tod unsers Predigers erledigt wird. Denn führe ich die Schule fort, bis der Enkel des alten Schulmeisters seine volle zwanzig Jahre hat, damit ihn mein Vater mit dem Beyfall der ganzen Gemeine in das wichtige Amt einsetzen kann.


Laura zerfloß in Thränen, als sie durch diese Bitte sah, daß dieß keine erdichtete Geschichte sey. Sie eilte mit dem Heft in der Hand zu ihrer Mutter: –


O liebe Mamma! was hab ich gelesen? was giebt es für Männer? – wenn Goldbach einmal so seyn könnte? –

Bey diesen Worten hieng sie an dem Hals ihrer Mutter –
[203] Nein, mein Kind! ich glaube nicht, daß du zu diesen Prüfungen berufen seyn sollst –

O ich will Goldbach auf die Probe setzen, sagte Laura – er soll mich mit dem Geschenk seines Oheims thun lassen, was ich will, ohne darnach zu fragen und wenn er dieß gerne eingeht, so will ich ihn recht sehr dafür lieben. –

Was willt du aber mit dem Geld machen?


Wenn der gute Oheim mir die Pfarre bewilligt hat, dann gebe ich noch alle dieß Geld der Familie, damit sie etwas für ihre Kinder in der Zukunft haben, und daß der vortrefliche Jüngling, der seine Hofnung auf mich sezte, noch eine hohe Schule besuchen kann; bis er wieder kommt, hab ich noch mehr Kredit in der Goldbachischen Familie, und auch bey dem Papa, dann bitte ich, daß man dem jungen Mann eine Stelle giebt, und vielleicht –

Was vielleicht meine Liebe? was?


Vielleicht kann ich von meinem Nadelgeld so viel zurüklegen, daß ich die Tochter ausstatten und wohl verheurathen kann. Denn ich möchte die Kinder der Adelinde wieder empor heben: denn das wird die Mutter über den Verlust ihres angebohrnen Rechts trösten.

Frau von Birke drükte Lauren an ihre Brust – [204] O mein Kind! wie glüklich machst du mich durch dein gutes Herz!


Das freut mich, liebe Mamma! aber jezt will ich geschwind an meinen Oheim schreiben, und Sie geben mir Ihren Bedienten, der so gut reiten kann. Der meinige, den Goldbach mir gab, kann indessen auch Sie bedienen: denn ich fürchte, es möchten andre Leute um die Pfarre bitten.

Wie froh war die Mutter über alle diese Bewegungen in Laurens Seele! – Sie kam bald wieder voll Freude, daß nun der Bediente schon weg sey, daß sie ihm eine gute Belohnung versprochen, wenn er recht eilen würde. – Sie zälte die Tage an den Fingern, wenn er nun wieder da seyn, und das Dekret für die Pfarre bringen könnte: aber – fuhr sie fort – »dann will ich den jungen Menschen sehen. Er muß ein recht gutes edles Gesicht haben, und was unschuldiges dabey, denn ich sah in seiner Beschreibung, daß der Geist eines der Welt bekannten Jünglings und auch ganze Zeilen rührender Einfalt darinn waren.«

Sie laß ihrer Mutter die Stellen vor, und zeigte ihr alles schöne in dem Miniaturgemälde –


Warum hast du dieses deinem Oheim nicht mitgeschikt? –


[205] Ach, Mamma! ich fürchtete, er würde den jungen Menschen als einen Maler behandeln, vielleicht Arbeiten von ihm fodern, oder so was; denn ich kenne ja den Herrn von Adelwald noch nicht ganz.

Wenn du aber die Geschichte dazu gelegt hättest, die dich so rührte, da hätte können was gutes für den Jüngling geschehen. –


Aber, liebe Mamma! wenn der Herr von Adelwald gesagt hätte, das ist eine Romanhistorie, wie es der Papa manchmal bey den Erzählungen der Leute macht, dann hätte er nicht einmal Hofnung zu der Pfarre, und den armen Leuten hätte es wehe gethan, ihre Geschichte bey jedermann bekannt zu wissen. Es kann ja seyn, daß Adelindens Vater und Mutter noch leben, da könnten sie neuen Verdruß haben. –

Dieses feine Gefühl für die Ruhe und Ehre einer unterdrükten Familie in der Seele der jungen Laura, war der herrlichste Lohn für die Sorgen ihrer Erziehung. – Frau von Birke umarmte sie mit der grösten Zärtlichkeit, und war sicher, daß sie sich auf die Wohlthätigkeit und Verschwiegenheit ihrer Tochter verlassen konnte –


Laura! nun bin ich die glüklichste Mutter, [206] ich habe in dir eine Tochter, welche von ihrem Glük und Wohlstand den edelsten Gebrauch machen wird, so, wie meine Adelinde ihr unverdientes Elend mit Standhaftigkeit und Tugend ertragen hat –

Laura sank auf ihre Knie, und schlug die Hände zusammen –


Ewiger Gott! Adelinde ihr Kind? meine Schwester? – und mein Vater der ihrige?

Ja, meine Liebe! es ist alles so – jede Sylbe der Erzählung ist wahr –

Laura schluchzte auf dem Schoos ihrer Mutter. – Endlich nahm sie ihre Ohrringe ab, zog die Demantnadeln aus ihren Haaren, und voll edlen Unmuths legte sie das Armband weg, auf welchem das Bild ihres Vaters war, und wandte es auf dem Tisch noch um. – Ihre Mutter sah ihr erst still zu, und fragte sie dann, warum sie alle das gethan habe?


O Mamma! wie soll ich mich mit Demanten umgeben sehen, und meine Schwester so elend wissen? – wie soll ich heute meinen Vater ansehen können, ohne mein Herz gepreßt zu fühlen. – Ihr Bild – meines Goldbachs Bild allein, will ich behalten. –


Dieser Ausdruk deines Schmerzens und deines [207] Mitleidens ist recht schön, mein Kind! aber du must es auch machen, wie deine gute Schwester, und ihr rechtschaffener Mann. Sie suchten mitten in ihrem Kummer alle Beweggründe auf, um die große Härte ihres Vaters zu entschuldigen. – Du, meine Laura! bist diesen Augenblick zu einer Bewegung des Hasses gegen deinen Vater, der dich so sehr liebt, hingerissen worden, weil du eine Handlung von ihm erfahren hast, die gegen die herrschende Neigung deines Herzens geht. Denke, mein Kind! daß der allerweiseste und beste Mensch immer unvollkommen ist, und in einer Leidenschaft etwas thut, was ihm hernach sehr leid ist. – Du hast jezo auch alles gute deines Vaters vergessen, und ihn, so viel du konntest, in seinem Bild gestraft. – Sieh! so war es ihm, als Adelinde und ihr Lehrmeister ihm mißfielen. – Er gieng auch so weit, als seine Kräfte reichen konnten, und – leider! reichten sie weit.

Laura seufzte, und fragte, wie lang denn Adelinde schon aus dem väterlichen Haus verbannt sey:


Bald neunzehn Jahre, meine Liebe! denn als ich sie das erstemal besuchte, lagest du unter [208] meinem Herzen, und ich glaube, das grosse Mitleiden deiner Seele ist durch alle dieß entstanden, was ich damals für Adelinde fühlte. – Ich war traurig, wieder Mutter zu werden – ich wußte nicht, daß ich einen Engel des Trostes in meinem Busen hätte. Denn Laura, meine Liebe! du wirst einmal mehr für Adelinde und ihre Kinder seyn, als ich nicht seyn konnte. Ich war arm: und durfte mir von dem Vermögen deines Vaters nicht viel anmaßen; ich war in einer immerwährenden Furcht und Unterwürfigkeit bey meinem Mann; aber du bist reich von deiner Familie; dieses erhält schon einer Frau viel Ansehen; dein Goldbach hat ein weiches edles Herz. – Er liebt dich zärtlich, und hat auch grosses Vermögen. Da wirst du viel gutes thun können. –


Aber, liebe Mamma! wie ist es möglich, daß ein sonst vortreflicher Mann neunzehn Jahre durch jemand plagen kann. – Der Papa gieng ja in die Kirche, und laß auch in dieser Zeit viel gute Bücher. Was würkte dann die Religion und der Männer so berühmte Philosophie bey ihm?

Frau von Birke mußte lächeln, als Laura diesen Einwurf machte –


[209] Meine Liebe! du must immer an die uns allen anklebende Schwäche denken. Denn wenn diese nicht wäre, so müßten ja die Lehrer der Religion lauter Engel, die Juristen lauter Gerechte, und die Philosophen lauter Weise seyn. – Kein schöner Geist begieng eine häßliche That, und alle, die sich Christen nennen, würden gute Menschen seyn. Aber so sind wir meistens wie gewisse Familien, die von ihren Urvätern die beste Anwartschaften und Gerechtsame auf grosse Güter haben, den Titel davon führen, und keine handbreit Land davon besitzen. Mich schmerzte immer an den Männern nichts mehr, als das grosse Aufheben, welches sie von ihrer Seelenlehre machen, wo sie den Anfang, Fortgang und Würkung einer Leidenschaft beschreiben, und dann doch einen armen hingerissenen Menschen, der nun seiner nicht mehr mächtig war, so beurtheilen, als ob er mit Ruhe und kalter Ueberlegung auf den Irrweg getretten wäre. – Ach wie mancher Unglükliche würde gerettet, und wieder auf die Bahn des Guten und Schönen zurück gebracht worden seyn, wenn man es wie Hahle machte, und die Würkung der Leidenschaft [210] von dem Menschen abrechnete, wenn man es für Pflicht hielt, andre zu entschuldigen, wie man sich entschuldigt.

Ich muß doch noch etwas sagen, Mamma! – Sie sind so sanft, so einnehmend gut in allem, was Sie sagen und thun. – Der Papa liebt Sie: konnten Sie dann nicht in neunzehn Jahren einen Augenblik finden, wo Sie dem Papa auf eine rührende Art von Ihrer armen Adelinde gesprochen hätten? –


Ja, mein Kind! wenn dieß, was dein Vater that, die Würkung eines Rausches, eines Jähzorns, oder eines von Fremden ihm beygebrachten Unmuths gewesen wäre – o da hätte ich was gewagt, und hätte auch gewonnen. Aber wie sollte ich auftretten und beweisen, wie weit Eigenliebe uns ungerecht machen kann, bey einem so hohen Stolz, der den Menschen nie verläßt, dessen er sich einmal bemächtigte? – und dann wer glaubt dem untergebenen viel schuldig zu seyn? – Meine Laura! du hast viel Geist, dieser wird sich vermehren, du wirst Beobachtungen machen, und einst finden, daß deine Mutter nicht anders handeln konnte. – Da nun auch dein Vater ruhig, und Adelinde zufrieden [211] war – da wir vor Gott alle gleich sind, so giengen meine Sorgen nicht mehr auf das glänzende, das Adelinde verlohren hatte, sondern nur auf den Wohlstand ihrer Kinder. – Ich legte von meinem Nadelgeld zurük, was ich konnte, und schikte es von Zeit zu Zeit nach Einhausen. Aber jezo da meine Gesundheit baufällig wurde, verdoppelte sich mein Kummer um die holden Geschöpfe, und ich faßte den Entschluß, Ihnen dein Herz und deine Liebe, als das beste Erbtheil von ihrer armen Großmutter zurük zu lassen. – Und wenn der Tod mich nicht überfällt, so werde ich auf meinem Sterbebette für Adelinde reden. Kann ich es nicht mehr, so findet dein Vater die Geschichte von meiner Handschrift, und eine Bitte an ihn für die Familie. –

Laura weinte sanft, aber innig über den Gedanken des abnehmenden Lebens ihrer Mutter, und auch über das Bild des Schiksals ihrer Schwester. Sie hatte die Miniatur vor sich. Die kleine Wohnung, und die Familie unter dem Nußbaum würkte nun ganz anders auf sie, als des Morgens bey dem ersten Blick, wo das ländliche Gemälde ihr gutes Herz anzog, wie es immer Bilder der Einfalt und Unschuld thun. – Aber nun war die Frau, welche mit [212] ihrem Spinnrocken da saß, ihre Schwester, – der Mann, der am Baum lehnte, ein edler, unglücklicher Vater von den Kindern ihrer Schwester, und der junge Mensch, welcher mit einer Zeichnungstafel vor sich, auf dem Stamm gegenüber saß, der Jüngling, der sie heut um besseres Brod für seine Eltern bat: – –


Ist Einhausen weit von hier, liebe Mamma!


Warum fragst du, Laura!


Ich möchte gern meine Schwester sehen, und sie umarmen, an ihrem Hals weinen, und sie vor Gott versichern, daß ich, so bald ich mein Vermögen habe, es mit ihr theilen will. Denn ich bin nun gewiß, da mich der Papa bey meiner Heurath auskauft, daß ich einen doppelten Theil habe, weil meine arme Schwester ausgeschlossen ist –

Ihre Mutter umarmte sie –


Dank und Segen dem Herzen meiner Laura! – ja, mein Kind! du sollst mit mir deine Schwester sehen, so bald mein Bedienter zurük ist, ich kaufe indessen ein paar Stück Leinen, und guten wollenen Zeug, wie Adelinde es für ihre Kinder liebt. – Neue Musik und hübsche Blumenzwiebel habe ich für Lucie schon bey mir, und guten Gemüßsaamen auch.

[213] So giengen die fünf Tage hin, die sie auf den Bedienten warten mußten. Laura war in tausend Sorgen, die Pfarre sey schon vergeben, und wie sollte sie da ihre Schwester mit der fehlgeschlagenen Hofnung ansehen können? Aber sie erhielt das Versicherungsdekret auf die Stelle, neben einer Zulage von hundert Gulden bey der Besoldung, und vielem Lob, das die Gemeine ihrem guten Magister gebe. – Laura hüpfte vor Freude beynah in das Bad zu ihrer Mutter. Den nemlichen Nachmittag wurde alles, was nach Einhausen sollte, eingepakt, und Frau von Birke reißte den andern Morgen mit Laura hin. Diese hatte sich äusserst einfach gekleidet, um so viel möglich allen Unterschied des Wohlstands zwischen ihr und ihrer Schwester zu vermeiden. Es erschütterte sie sehr, als ihre Mutter ihr die Thurmspitze der Dorfkirche von Einhausen zeigte, und als sie am End des Waldes stille hielten, um die Kalesche mit dem Bedienten die Landstrasse fortfahren zu lassen, wo dann Laura mit ihrer Mutter zu Fuß gegen das Schulhaus gienge, und gerad die Bauernkinder herauswimmeln sahen, konnte das gute Mädgen kaum weiter gehen. Ihre Knie zitterten, und grosse Thränen rollten über ihre Wangen herunter. Auf einmal kam Adelinde und ihre Kinder durch das kleine Gärtgen [214] gelaufen, wohin der Waldweg führte. – Sie hieng stumm und entzükt an dem Hals der besten Mutter, die sie in vier Jahren nicht gesehen hatte. Laura betrachtete sie, faßt die Hand der äusserst schönen Lucie, und sinkt ohnmächtig gegen ihre Nichte hin. Hahle faßt sie noch auf, man bringt sie auf die nahe Bank am Nußbaum; sie erholte sich, da ihre Mutter und Schwester über ihr weinten, und Adelinde wurde erstaunend gerührt, als Laura sie umarmte, sich an sie schmiegte, und mit einem Strom von Thränen ausrief: –


O vergieb mir! ich bin unschuldig, ich wußte nichts – nie nichts –


Liebes Kind! was soll ich dir vergeben? – Du hast mir ja nichts leides gethan. Fasse dich, mein Engel! und laß mich die Wonne geniessen, meine liebenswürdige Schwester vergnügt bey mir zu sehen!

Laura sagte noch schluchzend, die Hände zusammenfaltend –


Ach! Gott sey Dank, daß ich noch nicht lebte, als meine theure Schwester aus dem väterlichen Haus hieher verbannt wurde! –

Liebe zärtliche Laura! sagte Adelinde – und küßte die Thränen der schwesterlichen Liebe von Laurens Augen und Wangen hinweg. –


[215] Habe Dank, meine Beste! für alles, was du für mich fühlst. Sey aber ruhig: Sieh mich an – geniesse ich nicht ein großes Gut in meiner Gesundheit? – Sieh auf meinen Mann – auf meine Kinder – wohnt nicht Weißheit und Unschuld bey mir? – die Liebe der besten Mutter begleitete mich hieher, wohin ich nicht ohne Zulassung des ewigen Vaters kam, um ein unscheinbares, aber wahres Glück zu besitzen. – Ich habe, so lang ich diese Hütte bewohne, keinen Schmerz der Seele gefühlt, und jede Stunde Freuden der Natur, und der Tugend genossen. Der heutige Tag aber ist mir einer der heiligsten geworden, da ich in dir eine gute, Engel reine Seele umarme. O meine Laura! Gott gieße auf alle Jahre deines Lebens Ruhe und Segen aus, so wie ich sie kenne! – glaube, daß du in mir eine glükliche Schwester umarmest! –

Nun sah Laura auf, und lächelte aus ihren noch thränenden Augen auf die Kinder von Adelinden, auf deren Brust ihr Kopf noch halb lehnte. Der älteste Sohn sagte da seiner Großmutter –


O ich möchte meine schöne Tante und meine gute Mutter so malen!

[216] Laura stund auf, umarmte den Jüngling, und gab ihm das Dekret von der Pfarre –

»Da, würdiger Sohn deiner Eltern! hast du die Antwort auf deine Bitte.« –

Die Freude des vortreflichen jungen Menschen ermunterte auch sie, und sie gieng mit Adelinde umher, die ihr nun alles zeigte, was im Haus und ausser dem Haus ihr gehörte, und immer dabey erzählte, wie zufrieden sie sey, und von ihrer Tagordnung bey der kleinen ländlichen Wirthschaft sagte:


Du ißt heut Gemüß, das ich ansäete, – diese schöne Obstbäume hat mein Mann gezogen – diese Blumen umher meine Kinder – die herrlichen Geschöpfe alle, die das Herz ihres Vaters haben – meine drey Söhne, die seinen Geist einsaugen, wie eine gesunde Pflanze den Thau des Himmels. Und meine Lucia – Laura hast du nicht bemerkt, daß sie unserer Mutter ähnlich sieht? – Laura! diese Lucia empfehle ich einst dir. Sey ihre Mutter, wenn ich nicht mehr bin! Sie ist schön, und ein Kind der reinsten Liebe. Wenn du sie ganz kennst, so wird es dich freuen, daß sie deinem Herzen so nah verwandt ist.

Nun kamen sie wieder zu der Mutter, die sie in der Hollunderlaube fanden, die an der Bach gepflanzt[217] war, unter deren Zweigen die jungen Hahle sich alle Tage badeten. Da sagte nun Adelindens Mann, daß er die Pfarre erhalten, und daß es der Wunsch der Gemeine und die Bitte seines Sohns bewürkt habe. – Er umarmte dabey seine Frau:


»Meine Adelinde wird nun in ihren ältern Tagen mehr Wohlstand genießen, und sich freuen, daß die Achtung unserer redlichen Bauern und die kindliche Treue unsers Georgs die Grundlage davon sind. – Komm Georg! komm, daß deine Mutter dich auch segne! und Laura! Ihr Herz – Ach! Gott lasse es rein und wohlthätig, bis es nicht mehr schlägt« –

Wie bescheiden, und doch voll Entzücken der rechtschaffene Jüngling da stand, als er die Freude in den Augen seiner Aeltern glänzen sah, als jeder Blick auf ihn Segen und Liebe war – o das fühlt nur eine Mutter, nur ein Vater, die sich so einen Sohn wünschen, oder ein Jüngling, der so für seine Eltern denkt. – Denn Georg Hahle sollte nach dem Willen seiner Großmutter nur einen Auszug aus der Geschichte seiner Eltern schreiben, und ihn ihr heimlich zubringen, weil sie darauf rechnete, daß Laura bewegt seyn würde, und diese Rührung wollte sie benützen, um die Schwestern einander zu zeigen. Georg sah Laura, und fand den Ausdruck [218] ihrer Seele so voll Güte, daß er noch bey seiner Großmutter die Bitte um die Pfarre hinzusezte, und wollte seinen Eltern nichts sagen, weil der Ausgang so ungewiß ware. Als sein Vater ihn fragte, warum er dann die Schule vergeben hätte, da er sie doch drey Jahre selbst versorgen wollte, so erröthete Georg, gestand aber gleich, daß er und seine Brüder zu jung und zu munter seyen, um ihre Tage einsam zu verleben: daher habe er gedacht, in drey Jahren würde sein vortreflicher Vater bey dem Patron der Pfarre bekannt werden, dieser würde alsdann für ein gutes Kind des besten Vaters eine Gnade haben: – und er wollte sich einst so gut aufführen, daß jedermann wünschen solle, einen jungen Hahle von Einhausen zu haben, und dadurch könnten auch seine Bruder versorgt werden. –


Ach Gott! sagte Adelinde – gieb jedem Vater von drey Söhnen in seinem ersten einen Georg Hahle! –

Er küßte ihre Hände, und sagte lächelnd –


Liebe Mutter! Ihr Wunsch wird sehr vergeblich seyn, wenn Sie diesem Sohn nicht auch meine Eltern geben können. –

Adelinde fragte ihre Laura –


Ist Einhausen nicht ein Paradieß, wo solche Herzen aufwachsen? –

[219] Man aß auf einem schönen Graßplaz in dem kleinen Hof zu Mittag, welcher von dem Haus beschattet wurde, und wo man daneben jenseits der Bach die Heerde weiden sah. Es ergözte Laura auch, das schöne Federvieh die Brodkrummen um den Tisch herum auflesen zu sehen, und daß jedes Kind ihrer Schwester ein Huhn rief, daß sie solche auf der Hand sitzen hatten, und ihnen auf dem Teller zu essen gaben. Nachdem gieng man wieder unter den Nußbaum. Dort war Adelindens Klavier. Sie spielte das lezte Stück, das sie in dem väterlichen Haus gelernt hatte, welches sie scherzweise ihren Marsch nannte. Laura spielte auch vortreflich, und dann Georg, der aber nur phantasirte, bald aber eine Arie anstimmte, die Lucia mit der anmuthigsten Stimme sang. Laura umarmte und bewunderte sie. – Georg und Lucia sangen ein Duett, und am Ende fiel Vater, Mutter und die zwey jüngern Knaben im Chor mit ein.

Eh sie ganz geendigt hatten, hörten sie klatschen, und Bravo rufen, da zugleich zwey Herren und ein Frauenzimmer hinter einem Busch hervorkamen. Laura und Frau von Birke erkannten gleich den Herrn von Adelwald und seine Frau Schwester von Goldbach, aber den in der Entfernung an einem Baum gelehnten hübschen Mann kannten sie [220] nicht. Laura und ihre Mutter waren sehr über diesen Besuch erschrocken. Herr von Adelwald sah die Familie Hahlen mit vieler Rührung und Nachdenken an, und gieng mit dem Magister in das Haus. Frau von Goldbach aber setzte sich zu Laura und ihrer Mutter, denen sie erzälte, daß vier Männer von der Gemeinde Einhausen den nehmlichen Tag zu Herrn von Adelwald gekommen seyen, als Laurens eifrige Fürbitte kam. Die Liebe und Verehrung, welche die Leute für ihren Magister zeigten, hätte ihn gerührt: denn sie konnten nicht aufhören, von seinen schönen Predigten, von dem Unterricht ihrer Kinder, seiner Güte, seinem Fleiß, und (liebe Frau Hahle! nehmen Sie es nicht übel) auch von Ihrer Armut und Ihren guten Kindern zu reden, daß Sie eine so gescheide Frau wären, und die uralte Schulmeisterin so in Ehren hielten, und Mutter nennten: – das war alle ohne Ordnung gesagt, aber mein Bruder fand in der Beredsamkeit des Herzens dieser Leute Wahrheit, und alle Kennzeichen eines ohngewöhnlichen Verdiensts in Herrn Magister Hahle: Einer sagte noch am Ende – Es sey gewiß, daß seit Herrn Hahle's Unterricht die Kinder alle besser, und die alten Leute gescheider wären als vorher. – Mein Bruder versicherte ihnen nun die Pfarre. Sie baten aber noch um eine Zulage der Besoldung: die Gemeinde [221] würde auch zusammenschiessen. Natürlicher Weise dachte mein Bruder einen ausserordentlichen Mann zu finden: Und da Laura ihn zu kennen schien, so faßte er den Entschluß, sie im Bad zu besuchen, und dann nach Einhausen zu gehen. Wir fanden Sie nicht mehr im Bad, und sind hieher gefolgt. – Die schöne Sängerin, und alles, was wir erblikten, hat uns in die angenehmste Bewundrung gebracht, und ich begreiffe nun wohl, warum meine liebe Laura sich so sehr um Herrn Hahle angenommen hat. Adelinde und ihre Mutter waren froh, daß die Sache so angesehen wurde. Laura fragte nach dem Fremden: – »Es ist ein junger Engelländer von vielem Vermögen, der meinen Sohn auf Reisen kennen lernte, und ihn besuchte. Er war in meiner Stube, als mein Bruder die Unterredung mit den Bauern erzälte, und mich zu der Reise hieher einladete: Da wollte er auch mit, und sagte mir gleich, als er Sie sah, Frau Hahle und ihre Tochter seyen als wie die hübsche Quäckerinnen in Engelland gekleidet.«

Adelinde hatte mit inniger Zufriedenheit das Lob angehört, welches ihrem Mann und ihr von den guten Landleuten gegeben worden. Lucia war mit ihren Brüdern in das Gärtgen gegangen, wo sie sich mit den Blumen beschäftigten. Herr Kent – so hieß der Fremde – gieng langsam hin, und sah [222] stillschweigend zu. Adelinde stund auf, und näherte sich ihm, da er ihr über ihre Kinder und die schöne Lage ihres Hauses glükwünschte, aber sie dabey nachdenkend betrachtete. Sie fragte ihn, was ihm wohl am besten gefiele? »Wenn Sie mich kennten, schäzbare Frau! so würde ich es Ihnen sagen.« Sie fuhr fort: – ich glaube, indem sie auf die Bach und den Wald deutete, daß ein Engelländer ganz gern ein Landhaus in dieser Gegend baute. – »Ich nicht wegen der Gegend allein«, sagte er, Lucien ansehend. – Nun war Adelinde etwas verlegen, die Unterredung fortzusetzen, und ein Wink von ihr entfernte Lucien. In dem Augenblick kam Herr von Adelwald mit ihrem Mann aus dem Dorf zurück. Beyde sahen vergnügt aus, und Adelwald umarmte die drey Söhne mit vieler Leutseligkeit:


Gute Kinder! ihr sollt alle auch meine Kinder werden, fahrt nur fort, eurem ehrwürdigen Vater zu folgen. –

Er faßte dann Hahlens und Adelindens Hände –


Würdiges Paar! ich danke Gott, daß er Ihre Tugend auf einen Boden versezte, der mein gehört. – Ich sehe Sie bald wieder. –

Nun waren die Gutschen vorgefahren. Man gieng dem Baum zu, als Adelwald sagte: »Wo ist dann Ihre holde Tochter?« – Hahle befahl Georgen, [223] sie zu holen. Es war schön, die zwey vortrefliche Geschwister miteinander kommen zu sehen – Georg, der ein grün gebeiztes Kaffeebrett mit Gläsern voll Milch, deren jedes einen niedlichen Kranz von kleinen Feldblümchen hatte, und Lucia, die ein flaches Körbchen mit Bouqueten aus dem Gärtchen trug: die zwey jüngere Söhne aber boten niedlich geschnittenes Butterbrod auf Tellern, die mit Rosen umlegt waren, den Fremden an. – Adelwald sagte leise zu Adelinde, Lucien ansehend: – »dieß ist die schönste Blume, die ich je sah.« – Sie wurde bey dem Abschied von allen Damen umarmet, und sie reißten mit der Versicherung des Wiederkommens ab. – Adelwald sezte sich zu Frau von Birke allein, und Kent zu den drey Frauenzimmern. –


Unsere Laura, liebe Frau von Birke! hat mir einen der glüklichsten Tage meines Lebens gegeben. Denn ohne sie wäre ich nicht so bald hieher gekommen, und diese Familie ist mir merkwürdig, so wie sie mir lieb geworden ist. –

Frau von Birke wollte ihre Bewegung verbergen, und sagte:


»Sie scheinen mit dem Mann sehr zufrieden?«


Noch mehr als zufrieden – ich bewundre ihn, da er seine Grundsäze alle ausübt, nicht nur lehrt, seine grosse Kenntnisse, und die Festigkeit, [224] mit welcher er mir selbst in dem Augenblick, wo die Thräne des Danks für eine neue Verbesserung der Pfarre über seine Wangen rollte, eine Erklärung versagte, an der mir viel gelegen ist. – Denn gewiß, dieser Mann und diese Frau mit so viel edler erhöhter Moral, und doch so simpel, so genügsam, den Bauren so lieb, und so nah durch ihr Bezeugen – diese Leute sind aus einem andern Zirkel herausgekommen, und stellen würklich das Model menschlicher Vollkommenheit vor. – Ich sagte ihm diese Vermuthung freymüthig: er antwortete: – »Ja ich bin mit meiner Frau auf eine ungewöhnliche Weise hieher gekommen, aber Tugend und Unschuld kamen in unsern Herzen mit. – Mehr kann ich, und werde ich nie sagen, weil die Geschichte unsers Lebens nicht allein uns gehört: wir schweigen aus Pflicht der Schonung des Nächsten schon zwanzig Jahre, wir sind ruhig, und ich hoffe, daß ein rechtschaffener Mann mir vergiebt, wenn ich auch bey ihm schweige.« – Ich hab ihn umarmt und versichert, daß ich ihn nie wieder fragen werde: aber zu seinem Freund soll er mich nehmen, und mir seinen ältesten Sohn, den herrlichen Jüngling, überlassen,[225] – und entweder müssen Sie oder meine Schwester Goldbach die Tochter zu sich nehmen. – Das ist eine zweyte Laura, und wenn sie einst einen würdigen Mann liebt, so will ich sie ausstatten, wie ein Kind. – Mein Neffe weiß schon, daß ich mir die Helfte meines Vermögens ganz frey behalten habe. Er ist großmüthig, und ich bin sicher, daß er selbst gutes an dieser Familie thun wird.

Frau von Birke weinte. – Wie konnte sie anders? – Alle diese menschenfreundliche Aeusserungen waren durch ihre Kinder für ihre Kinder entstanden. – Jede Tugend, die sie loben hörte, traf auf ihr Herz. Adelwald fragte: – »Kennen Sie die Leute schon lange? Wissen Sie was näheres, das ich auch wissen, oder womit ich diesen schäzbaren Menschen dienen kann? – o so sagen Sie mir es« – Sie weinte stärker, und machte eine Bewegung mit ihrem Kopf und Händen, die so viel sagte: – als – ich bitte, schonen Sie mich – der edle Mann verstand es. »Sie wissen das Geheimniß, ach Sie sollen es behalten, weil es so heilig ist: – aber ich hätte es nicht mißbraucht.« Beyde schwiegen nun bis zu ihrer Ankunft in dem Bad, wo Frau von Birke mit Laura gleich für den ganzen Abend allein bliebe, und ihre Unterredung erzählte. Laura freute sich [226] über Adelwalds Vorhaben, und sagte auch, Frau von Goldbach hätte von nichts als diesen Eltern und diesen Kindern gesprochen, der junge Fremde aber nicht eine Sylbe. – Adelwald redete bey Tisch auch davon, und seine Schwester schien mit dem Gedanken sehr zufrieden, Lucia zu sich zu nehmen. Kent schwieg immer, und ware zerstreut. – Adelwald wiederholte die Unterredung mit Hahle, und, daß er den ältesten Sohn zu sich nähme. – Der andre Morgen gieng bey dem Frühstück mit Wiederholungen von Einhausen vorüber, ausgenommen daß Herr Kent nicht dazu kam, sondern erst bey dem Mittagessen erschien, und immer vor sich, aber mit einer vergnügten Miene nachdenkend, da saß. Die zwey folgende Tage sahen sie ihn nur des Abends sehr spat.

Den vierten Morgen ritte Herr von Adelwald nach Einhausen, und wunderte sich sehr, den Bedienten des Herrn Kent bey zwey Pferden im Wald zu finden. Er fragte nach dem Herrn. – »Er ist bey dem Hirten auf der Wiese in Bauernkleidern, und kommt erst Abends wieder.« – Adelwald stuzte, und eilte um so mehr nach dem Schulhaus. – Georg begegnete ihm mit einem Brief, den er in das Bad hätte tragen sollen, worinn Hahle ihn bittet, dem Herrn Kent Vorstellungen über seinen Auffenthalt [227] in dem Wald und auf der Wiese zu machen, – weil es ihm und seiner Frau höchst schmerzlich sey, eine Nachstellung für ihre Lucia zu besorgen. – Adelwald wurde sehr mißvergnügt, und versicherte die Eltern alles seines Beystandes. – Er bemerkte selbst aus dem Hof den jungen Bauer an dem Ufer der kleinen Bach, dem Schulhaus gegen über, und Abends begegnete er Herrn Kent auf der Rükreise. Sie ritten einige Zeit, ohne sich zu sprechen: endlich ohnweit dem Bad sagte Adelwald, ob er nicht absteigen, und mit ihm den übrigen Weg zu Fuß machen wolle. Kent war zufrieden, und Adelwald sagte ihm da ganz gerad, was er Luciens Eltern versprochen habe. – Kent gestund, daß das vortrefliche Mädchen einen ausserordentlichen Eindruck auf ihn gemacht hätte, daß er sie nur öfter in ihrer ländlichen Unschuld und Freyheit sehen wollte, aber auch seit gestern entschlossen sey, sie zu seiner Frau zu begehren, da er sie auf der Stufe der Gartenthüre zwischen zwey Bauernkindern sitzen gesehen, welche sie buchstabiren lehrte. Diese Sanftmuth – diesen Ausdruck von Güte des Herzens hätte er nie bemerkt, nie geglaubt, wenn andre Menschen dabey gewesen wären.


Von Adelwald sah ihn starr an: –


Sie – Lucien zu Ihrer Frau!


[228]

Ja, denn ich bin aus einem Land, wo Tugend und Schönheit so viel als Adel und Brautschaz gilt. – Lehren Sie mich den Eltern und der Tochter gefallen, so machen Sie mich zu einem glüklichen Mann. Ich bin unabhängig, und kann also wohnen, wo ich will. Geben Sie mir den Platz um das Schulhaus! Ich will dort für mich und meine Lucia ein Haus bauen.

Adelwald freute sich unendlich über diese Erklärung. Er versprach ihm gleich, den andern Morgen wieder nach Einhausen zu gehen, und für ihn zu reden: er solle aber nicht eher hin, bis die Eltern beruhigt seyn würden. – Kent willigte in alles. Adelwald gieng zu Frau von Birke:


Sie nehmen Antheil an Hahlens Familie. – Es muß Ihnen also Vergnügen machen, zu hören, daß unsere reizende Lucia von Herrn Kent zu seiner Frau begehrt wird, und daß ich morgen als Freywerber nach Einhausen gehe. – Er will sich da ein Haus bauen, und ich gebe ihm indessen das meine zu bewohnen. –

Frau von Birke zerfloß in Thränen der Freude.


Ist das möglich! ist es kein Traum?
Laura aber kniete vor ihrem Oheim nieder, küßte seine Hände: –

[229] O mein edler gütiger Oheim! wenn Sie so für meiner Schwe...

Aber jähling schwieg sie, und blikte mit Angst auf ihre Mutter, die äusserst verlegen und bestürzt aussah.

Adelwald betrachtete beyde einige Augenblicke still. – Endlich sagte er: –


Liebe Laura! die überfliessende Freude ihres guten Herzens hat mir ein Geheimniß entdekt, welches ich schon gestern in den Thränen Ihrer würdigen Mutter ahndete. – Edle vortrefliche Frau! öfnen Sie mir Ihr Herz! – Ist Frau Hahle nicht ihre aus dem väterlichen Haus gebannte Tochter? – Gewiß jede Sylbe ihres Geheimnisses soll mir heilig seyn. –

Frau von Birke holte aus ihrem Briefkästgen ein Paquet Papiere, und gab sie Herrn von Adelwald:


Sie verdienen mein Vertrauen. – Lesen Sie dieß, was mein Mann nach meinem Tod lesen sollte, und dieß, was Laura that, eh sie hoffen konnte, zu den Füssen des ehrwürdigsten Manns ihr Herz zu zeigen. –

Adelwald nahms: – »ich gehe gleich, beste Frau! Wahrheit, die zu Rettung der Unschuld helfen soll, kann man nicht bald genug erfahren.« – Nun sah er in seinem Zimmer alles durch, und wurde mit Hochachtung und Theilnehmung erfüllt. – Er [230] dankte Gott, daß er ausersehen war, das Elend dieser vortreflichen Menschen zu endigen, und machte gleich den Plan, durch die so angesehene Heurath mit Herrn Kent den Stolz des alten von Birke zu Erkenntniß seines ungerechten Hasses zu bringen. – Er gab Herrn Kent die Geschichte auch zu lesen, weil er von dem edlen Herzen des jungen Manns vermuthete, daß er um so fester bey der Verbindung mit Lucien bestehen würde: – und dieß geschah auch, denn Kent wollte nun ohne anders mit nach Einhausen gehen, sich bey den Eltern entschuldigen, und mit ihrer Erlaubniß bey Lucien gefällig zu machen suchen.

Sie kamen still in das Schulhaus, als gerad die Familie ein kleines Frühstück nahm, wo Lucia neben der alten Frau stand, und ihr die Theeschale mit so viel kindlicher Liebe und Sorgfalt in ihrem holden Gesicht an den Mund hielt, daß Adelwald selbst sie mit Bewundrung ansah, Kent aber, rascher und jünger, zu ihr eilte, hinkniete und ihre Kleider küßte. Lucia sieht ihn mit der äussersten Bewegung an, – der Vater aber mit Sorge und Ernst. – Kent bemerkt es –


»O vergeben Sie mir! wie konnte ich anders als vor dem göttlichen Geschöpf knien? –

Lucia wand sich erröthend gegen ihre Mutter, welche [231] sie an der Hand nahm, und wegführte. Kent gieng in das Gärtgen zu dem Baum, der sein erster Bekannter in Einhausen war. Adelwald verlangte mit Herrn Hahle allein zu sprechen, und entdeckte ihm die Absichten des rechtschaffenen jungen Mannes. – Hahle ward sehr nachdenkend und bewegt, öfnete ein Fenster, sah mit thränendem Aug gen Himmel –


Ewiger Vater! was Wohlthat, was Gnade für mein Kind! – Herr von Adelwald! es ist wohl unmöglich, daß Sie mich täuschen. Nehmen Sie den Segen eines treuen, bekümmerten Vaters an – für alles, was Sie thun! ich kann nicht mehr sagen – denn – ach! zwanzig Jahre innerer Jammer – so gehoben, so ein Uebermaas von Wohl! – O Adelinde! was ein Lohn für deine Leiden! –

Er lehnte sich an Adelwalds Brust, der ihn umfaßte:


»Theurer Freund! wie glüklich bin ich, daß ich das Werkzeug geworden bin, Sie zu trösten? – Segen unserer Laura für ihr Herz, daß sie den Namen ihrer Schwester mir nannte!« –

Hahle fuhr erschrocken zurück, und seufzte.


»Seyn Sie ruhig, edler Kreuzträger! Glauben Sie, Gott wollte ein Ende machen! [232] Gönnen Sie mir die Freude, daß es durch mich geschehen soll, und kommen Sie nun, daß wir Lucia und Adelinde beruhigen! Gehen Sie zu Ihnen – ich will zu Kent – es ist ein schäzbarer junger Mann.« –

Er fand ihn an dem Baum gelehnt, den er umfaßt hielt. Traurig sah er nach Adelwald hin, der ihm aber die Hand bot, und ihn hoffen hieß. – Sie sezten sich, um von allem zu sprechen, bis sie Herrn Hahle kommen sahen, dem Adelwald entgegen eilte. –


»Dem Himmel sey Dank, – sagte der erste – daß Herr Kent ein redlicher Mann ist: – sonst wäre meine Lucia elend, denn sie liebt ihn gewiß.«

Freudig fragte Adelwald: Ist das wahr? –


»Ich kam zu ihr, und fand sie an der Brust ihrer Mutter so heftig weinend, als sie in ihrem ganzen Leben nicht weinte. Sie redete nicht, als nur da ich sagte: –


O ich wollte, daß ich diesen fremden Menschen nie gesehen hätte! – Schnell antwortete sie: –


O mein Vater! den Mann, der das gute so sehr liebt? – Erröthend blikte sie mich an, und umarmte auf das neue ihre Mutter. –

Sagen Sie, Herr von Adelwald! was anders als Liebe machte sie den Fremden gegen den Vater [233] vertheidigen? – o wie schnell würkte das süsse Gift der Anbetung und des Lobens? –


Guter, rechtschaffener Vater! ich verehre Ihre Grundsätze auch in diesem. – Sie haben recht: – großes Lob ist der Unschuld der Töchter eben so gefährlich, als der Bescheidenheit des Jünglings. Aber jezo, da Sie überzeugt sind, daß ein tugendhafter und reicher junger Mann sich Luciens Neigung erwarb, da Liebe Sie und Adelinde hieher brachte, so lassen Sie Ihre Tochter dieser Liebe auch folgen.


Ja, da es reine Liebe bey dem Jüngling ist, kann ich es mit Ruhe und Segen geschehen lassen. – Aber sagen Sie! wo in der Welt hätte ein redlicher Bewohner dieser Hütte denken können, daß seine Tochter einen vornehmen reichen Mann lieben könnte, ohne elend zu werden –


Sie haben bey tausend Reichen recht, aber Kent ist eine Ausnahme bey ihnen, wie Sie es unter jungen Männern Ihres Standes waren. Lassen Sie nun dem Verdienst des Reichen Gerechtigkeit wiederfahren, wie er sie der Tugend Ihrer Hütte schuldig ist. –


Kent! Kommen Sie, und lassen Luciens Vater in Ihrer Seele lesen.

[234] Er sprang von seinem Siz auf, und eilte zu Herrn Hahle, dessen Hand er faßte –


Verzeihen Sie! ich erkenne, daß ich fehlte, so vor allen den Ihrigen eine Liebe zu zeigen, von der ich noch nicht gesprochen, und die ich noch nicht erprobt hatte. – Aber Lucia war seit vorgestern meine erwählte Gattin. Ich fühlte, und dachte nichts anders, und als ich sie in dem vollen Glanz der Schönheit und Jugend der armen schwächlichen Frau mit Engelsgüte die Tasse an den Mund halten sah – ach da – Herr Hahle! mein Herz hat sich mitten in der glänzenden verführerischen Welt für jedes Gefühl der Tugend offen gehalten. – Sie wissen nicht, wie müde Pracht und Ueppigkeit eine gute Menschenseele endlich machen. – Ich habe den jungen Goldbach auf seinen Reisen kennen lernen, und fand in ihm einen gleichgesinnten Freund. Ich versprach, ihn nach dem Tod meines Vaters zu besuchen: der vortrefliche Charakter seines Oheims hielt mich länger, als ich anfangs dachte: Ich war dabey, als Herr von Adelwald mit so vieler Bewegung alles erzählte, was er von Ihnen gehört hatte, und wie eifrig er wünschte, Sie und die ihrige bald selbst zu sehen. Frau von Goldbach bekam die nemliche Begierde, ein Bild ausübender [235] Tugend zu betrachten. Mein Herz und mein Glück zogen mich mit hieher – aber ach! Ihr Alter – ihre ernsthafte Beschäftigungen, die Gewohnheit, diese Hütte und diese reizende ländliche Gegend zu sehen, ihre Entfernung von der Kunstwelt, und – ich darf wohl hinzusetzen, das Auge eines Vaters verhindert Sie, das hinreissende Entzücken zu begreifen, das mich ganz ausser mich sezte, als ich da an dem Baum stand, die Gegend und Sie alle erblikte, und dabey Lucien singen hörte – o mein Vater! das können Sie nicht fühlen, wie es in meinem Herzen war. Fragen Sie Ihre Frau – fragen Sie Adelwald – möchten Sie hier sehen können, wie ich denke! – (Er öfnete seine Brust) Möchte ich die Erinnerungen meines Gewissens zeigen können, wie sie vor Gottes Augen liegen! – Sie würden den guten Fremdling in ihr Haus nehmen, Sie würden Lucien erlauben, mich erst als einen Freund ihres Vaters und ihrer Tugend um sich zu sehen, und denn, wenn sie mich gut fände, würde ich durch ihre Liebe glüklich seyn.

Hahle hatte mit inniger Zufriedenheit zugehört. Er dankte Gott, daß er die reine Liebe eines unverdorbenen Jünglings für seine Lucia bestimmte. Er bewunderte den Gang seines Schiksals.


[236] »Ein Zufall, der die Bediente des Herrn von Birke zu einer unrechten Zeit in das Zimmer führte, machte mich und Adelinde auf so lange Jahre unglüklich: – Ein Zufall führte den Fremden in das Goldbachische Haus, als gerad alle das gute von mir gesagt wurde. Uebermaas der Leidenschaft des beleidigten Stolzes machte mein jähes Elend: – Uebermaas der edlen Leidenschaft des Wohlwollens und der Liebe machen mein jähes Glück. Standhafte, männliche Tugend! du hast mich durch den sorgevollen Zwischenraum geführt, dir – dir habe ich diese Auflösung zu danken!«

Er umarmte Herrn Kent, und sagte ihm:


Ich nehme Sie in mein väterliches Herz und in meine Hütte auf, wie Sie es wünschen. Gott sieht und hört unsern Bund, und ewig werde ich seine Vorsicht preisen. – Ich will zu Lucien, mein Sohn! sie weint. – Sie weinte viel um Ihrentwillen – ach wären Sie nicht redlich, wie unglüklich würde mein Kind geworden seyn! –

Kent drükte ihn an sich. Er konnte nicht reden. Hahle gieng eilfertig in sein Haus, und Kent sagte mit sich selbst –


Sie weinte um mich? – o Lucia! nie – nie [237] mehr sollt du um mich weinen, als wenn ich sterbe, mit deiner Liebe sterbe.

Er umfaßte den Baum, an dem er das erstemal sich anlehnte, als er die Familie sah. – Adelwald kam, und rief ihm zu: –


Glück, lieber junger Mann! für uns beyde! wir sind der Gegenstand des Segens dieser schäzbaren Menschen geworden, und Lucia liebt Sie. Ich gieng zu ihr und der Mutter. Ich fragte zärtlich, warum sie weine? und sezte hinzu, daß es Ihnen unendlich leid sey, ihr und ihren Eltern Unruhe gegeben zu haben, sie solle nicht bös über Sie seyn. –


»O ich bin nicht böse, ich sah wohl, daß Herr Kent mich nur wegen meines guten Herzens lobte, aber das sorgsame Wesen meiner lieben Eltern brach mir das Herz. Sie hatten Furcht vor Herrn Kent, und das that mir weh.« –


Ich versicherte nun die Tochter und die Mutter, daß Sie die Tugend über alles liebten, und sie in jedem Stand und in jeder Gestalt verehrten. – Ich habe uns dann zu dem Mittagessen eingeladen, und Lucia flog wie ein Vogel zu der Küche. Diese Zerstreuung wird ihr wohl thun. Und da ich noch weniges mit der Mutter geredt, [238] kam der Vater, und ich eilte zu Ihnen, um meinen Gedanken mitzutheilen. – Ich habe schon gestern einen Befehl in mein Haus geschikt, um Bettung und Geräthe hieher zu bringen, und ich lasse heut den ganzen Tag in dem alten Schloß raumen und säubern. Meine Schwester, Sie und ich wollen einige Zeit hier wohnen: da können Sie Ihren Weg bey Lucien fortsetzen. Goldbach wird auch bald zu uns kommen, und Einhausen für mich ein erworbenes Paradieß werden. –

Kent war unendlich zufrieden, und er sagte Adelwald auch seine Entwürfe. – Hahlens Söhne brachten nun den Tisch, und deckten ihn. Vater und Mutter kamen auch, und Kent wurde Adelinden als ihr Sohn vorgestellt. Nur Lucia und die Brüder sollten es noch nicht wissen: – das holde Mädchen trug die Suppe auf, und ihr Vater nannte ihr Herrn Kent als ihren Freund. Das einfache ländliche Mahl wurde mit innigem Vergnügen genossen.

Gegen Abend reißten die beyde Freunde ab: Kent aber bat um Erlaubniß, morgen wieder zu kommen, und er erhielt sie. – Frau von Birke war den ganzen Tag voller Unruh gewesen: nun freute sie sich aber um so mehr, als ihr Adelwald [239] sagte, wie der Besuch geendigt habe. Er reißte den andern Morgen früh ab, und Georg erschien mit einem grossen Brief von seinen Eltern an die Frau von Birke, die beynah nicht das geringste mehr von ihrer Krankheit fühlte. – Adelwald besuchte gleich Laurens Vater, der von Hof zurück war, und sagte ihm, daß er wünsche, noch vor der Trauung seines Neffen einige Tage auf dem Land zuzubringen, damit indessen in beyden Häusern die Zubereitungen für die feyerliche Verlobung recht gut gemacht werden könnte. –


Sie sollten auch mit, Herr von Birke!

Wann?

In zwey Tagen –


Da bin ich mit der Ausfertigung der Papiere zu Ende – wollen Sie nicht sehen, wie ich es mit meiner Laura halte?


Ich bin sicher, daß Sie alles sehr großmüthig machen. – Thun Sie nur Ihren andern Kindern durch Laurens reichen Brautschaz keinen Schaden!

Birke wurde durch dieses und den ernsten Ton des Adelwald etwas betretten, faßte sich aber gleich, und sagte –


Da, lesen Sie auch dieses, welches eine Art Testament ist. – Sie werden sehen, daß [240] meine Söhne genug haben, und daß auch meine Frau, wenn sie mich überlebt, stands gemäß besorgt ist. –

Adelwald laß und bekannte, daß alles sehr gut und in schönster Ordnung sey. – Aber, sagte er, seinen Stuhl näher zu Birke rückend, und ihn bey der Hand nehmend – »Spricht Ihr sonst so rechtschaffenes Herz gar nicht für Adelinde?


Birke riß seine Hand los, und stund auf –

O! nennen Sie diese nicht! – sie hat, was sie verdient.
Gewiß nicht – denn sonst wäre sie und ihre vortrefliche Kinder nicht arm. –

Birke glühte, und wollte heftig über Hahle reden. Adelwald blieb kalt, und sagte –


Hören Sie! die Natur hat Ihnen viele schäzbare Eigenschaften gegeben: Sie sind ein hochachtungswürdiger Mann – aber Ihre heftige Gemüthsart macht ein grosses Gegengewicht. Durch diese haben Sie Adelinden zum Elend verdammt, in welchem allein die Wunder der Tugend und der Beystand des Allmächtigen sie erhielten. Ich verehre Adelinde und ihren Mann, als die würdigste Menschen, die ich je sah. – Ich schätze auch Sie: – Sie wissen's, aber Sie müssen diesen Flecken aus ihrem Leben hinweg nehmen – [241] der gröste Mann kann eine Zeitlang irren, aber der edle Mann erhebt sich, und übt Recht an dem geringsten seiner Nebenmenschen, ja an seinen Feinden. – Birke! gehen Sie in ihr Herz, und werden Sie mein Verwandter durch Ihre Grundsätze, so wie Sie es durch Ihre Laura werden!

Birke war etwas niedergedrükt, aber sein Stolz fand an dem Gedanken – der gröste Mann irrt sich – eine Stütze, und wirklich edel sagte er –


Ja, ich war auf einem Irrweg. Verachten Sie mich nicht! ich will zurück: ich will gerecht an meiner Adelinde handeln – Sagen Sie mir nur, hat sie über mich geklagt? hat es ihr Mann gethan?


Nein, keines von beyden mit einer Sylbe – ich schwöre es.


Woher wissen Sie aber ihre Geschichte?


Diese mußte ich erfahren, als ich die schöne Tochter des Herrn Hahle für unsern Engelländer zu seiner Frau begehrte.


Wie! Herr Kent heurathet eine Tochter von Adelinde?


Ja, und er nähme sie, wenn er Herzog wäre. Meine Schwester wollte sie zur Tochter annehmen, und ich sie ausstatten.


Wo wohnen sie dann? wo sahen Sie die Familie?

Auf meinem Gut Einhausen, wohin ich in zwey Tagen wieder abgehe – wollen Sie mit?
[242] Gerne! aber nun muß ich ein ander Testament machen –
Das ist nicht nöthig, denn Goldbach soll Laurens Brautschaz mit Adelinde theilen –

Hier zerriß Birke alle seine Papiere. – Adelwald betrachtete ihn still. – Birke sagte –


Nicht wahr! Sie achten mich als einen ehrlichen Mann und glauben, daß ich Wort halte, wenn schon diese Papiere in Stücken sind. –


Gewiß, um so mehr, da Sie der Natur und der gerechten Güte wieder ganz angehören – Sehen Sie meine Vorstellungen als den grösten Beweiß meiner Freundschaft an, ich kenne das Vergnügen des Wohlthuns. Gern hätte ich meine Hahle allein genossen, aber der Vater soll die Freude der Versöhnung fühlen und geben.

Sie reißten auch auf den bestimmten Tag nach Einhausen. Adelwald stieg mit Birke in dem nun ganz zubereiteten Schloß ab, und sie giengen dann durch einen Umweg nach dem Schulhaus.

Adelwald verließ Birke auf der Moosbank. Er eilte in das Haus, um Adelinde zu holen, die er zu ihm führte. Birke stand auf, sank aber zitternd zurück – Adelinde umfaßte seine Knie, und er küßte sie ohne reden zu können – Hahle mit seinen drey Söhnen, und Lucia standen umher. Birke blikte auf alle, und abgebrochen sagte er:


[243] O Kinder! alles – alles vergessen –


Von ganzem Herzen! war die Antwort.

Adelinde zeigte ihm, und nannte ihre Kinder – Birke sagte, er wundere sich nicht, daß die Tochter Lucia genannt wurde, wie seine Frau – aber den ersten Sohn Georg, wie mich? –


Sie waren immer mein Vater!

Gerührt sagte er –


Nein Adelinde! ich war es nicht – aber ich will es seyn – glaubt mir Kinder, und er reichte ihr und ihrem Mann seine Hände, die sie küßten. –


Adelinde! warest du immer hier?

Ja, mein Vater! es ist ein glüklicher Boden – Mit Thränen benezt, unterbrach er sie –

Meine Kinder sind dadurch gut aufgewachsen, und Sie mein Vater hieher gekommen. –

Bald darauf kamen die andre alle aus dem Bad zu ihnen. Birke gieng mit Adelinden an einer, und Lucien an der andern Hand seiner Frau entgegen. Sie lief mit ausgebreiteten Armen ihm zu, und umfaßte ihn:


O jezt sterbe ich glüklich. – Gott lohne dich, Lieber! für deine edle Handlung!

Kent küßte Luciens Hand, und Adelwald führte ihn dem Herrn Birke, als den Bräutigam seiner Enkelin, zu. – Alles war frölich, und gegen Abend giengen sie in das Schloß, wovon der Saal recht schön beleuchtet ware. – Birke umarmte den [244] Adelwald, und dankte ihm, den Entschluß der Aussöhnung in ihm erwekt zu haben. –


Es ist ein Stein von meiner Seele gewälzt. Denn meine Rache machte mich nur die erste Zeit glüklich. – Oft, sehr oft drükte es mich hier – und seit einer Stunde bin ich höchst vergnügt. Meine Laura liebt mich doppelt, wie mich dünkt, und Adelinde scheint so wohl. – Sie ist ein artiges Weib.

Adelwald und Hahle entfernten sich einige Augenblicke. Laura und Lucia waren auch weg, aber bald kam Adelwald in den Saal zurück. Alle fühlten, daß er die Seele ihrer Freude war, und umgaben ihn als von einer unsichtbaren Macht gezogen. Er genoß diesen Augenblick des herrlichsten Vorzugs eines Menschenfreunds, Glükliche gemacht zu haben. Eine Thräne glänzte in seinem Aug: – alles schwieg, und er fieng an. –


Ich sehe mit unaussprechlichem Vergnügen Ihre Freundschaft für mich, und Ihre Zufriedenheit. – Wir wollen den Tag ganz heilig machen – Kent! Goldbach! Ihr liebt eure würdige Bräute. – Ihr habt den väterlichen Segen. – Kommt, liebe junge Männer! ich will euch auch dem Priestersegen entgegen führen. –

Er faßte beyde, und gieng einer doppelten Thüre zu, die den Augenblick aufgemacht wurde. Herr Hahle stund in seiner Amtskleidung auf einer erhöhten, [245] und mit einem schönen Teppich gedeckten Stufe; Laura und Lucia weiß gekleidet, mit einem Schmuck von Perlen geziert, neben ihm. Alles war überrascht. – Die beyde Mütter drängten sich zu ihren Töchtern, die sich niederknieten, und um den Segen baten. –


Vater Birke! rief Adelwald – geben Sie Ihre Laura meinem Neffen? – und ich meine Tochter Lucia seinem Freund. –

Und so wurden, eh sich alle recht besinnen konnten, die Verlobten eingesegnet. Nach den Umarmungen und Glükwünschen sagte der edle liebe Mann noch:


Nun Kinder! sind wir mit unsern Herzen über alle Disteln und Dörner der Ceremonien und Pracht hinweg. – Morgen geben wir den Armen des Kirchspiels dieß, was Verschwendung im eitlen Pracht gekostet hätte. –

Alle waren höchst glüklich, – Adelinde bekam einen Brautschatz, wie Laura ihn erhielt. – Birke nahm Georg Hahlen mit sich. – Kent kaufte Einhausen für sich und seine Lucia, und alle Jahre kam Laura mit ihrem Gatten, das Wiedergedächtniß-Fest des schönen Tags zu feyren, der sie mit Adelinden und mit Goldbach vereinigt hatte. Adelwald verlebte seine alte Tage mit Hahlen, [246] dessen Söhnen er noch einen Theil seines Vermögens gab.


Tugend! thätige Tugend! du bist möglich in allen Umständen des Lebens. Man kann Adelinde im Unglück, und Laura im Wohlstand seyn.

[247]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). La Roche, Sophie von. Erzählungen. Moralische Erzählungen. Erste Sammlung. Die zwey Schwestern. Die zwey Schwestern. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DADF-4