[15] [1]Der Clorinden erster Theil

In welchem vorgestellt wird der Streit-Stand einer von der Welt zu Gott kehrenden Seelen/ nach dem Spruch/


Eccles. 2. v. 1.


Mein Kind/ wilt du in Gottes Dienst tretten/ so stehe in Gerechtigkeit/ und schicke dich zu der Anfechtung.

[1] [5]1. Die in Sünden Sorg-loß schlaffende Seel Clorinda wird von dem Himmlischen Daphnis zu der Buß aufferweckt

Nunquid, qui dormit, non adjiciet, ut resurgat?

Psalm. 40. v. 9.


Soll dann/ der da schlafft/ nicht wiederum auffstehen?


1.
Auff träge Seel/ auff auff/
Dem Untergang entlauff/
Dein Schlaffen ist sterben/
Dein Ruhen verderben/
Dein Leben ist träumen/
Dein Warten versäumen/
Du hast sehr hohe Zeit/
Auff auff von hinnen weit.
2.
Die Schlaff-Sucht ist fürwahr
Ein Ubel voll Gefahr/
Verstopffet der Sinnen
Vernünfftigs Beginnen/
Entkräfftet die Glieder/
Schlägt Helden darnieder/
Sie macht die Weise tumb/
Und stoßt die Riesen umb.
[5] 3.
Der Schlaff/ und Tode seind
Die allernächste Freund:
Viel haben ihr Leben
Im Schlaffen auffgeben/
Seind todtes verfahren
In blühenden Jahren:
Schandlich wurd Isboseth
In süssem Schlaff getödt. 1
4.
Was hatte Holofern
Im Schlaff nicht für Unstern? 2
Er wurde geschoren
So/ daß er verlohren
Den Sieg/ und darneben
Den Kopff/ und das Leben:
Der Schlaff hat ihn verkürtzt/
Und in die Höllgestürtzt.
5.
Als dorten müd/ und schwach 3
Elias schlieffe: sprach'
Der Engel des Herren:
Wie lang soll es währen?
Was soll das besinnen?
Auff/ eilends von hinnen/
Auff auff/ da ist kein Ort
Zu schlaffen du must fort.
6.
Ein Räißmann/ der nur schlafft/
Sehr wenig Nutzen schafft/
[6]
Versaumet sein Glücke/
Bleibt immer zurücke/
Wird gähling benachtet/
Von Mördern geschlachtet:
Das Schlaffen endlich war'
Der Troja Todtenbar.
7.
Das Schiff/ als ich dort schlieff'/ 4
Schon sinckte nach der Tieff'/
Es fiengen die Wällen/
An grausam zu bellen/
Der Oeolus saußte/ 5
Neptunus sehr braußte: 6
So bald ich nur erwacht/
Wurd gleich der Fried gemacht.
8.
Morpheûs, 7 der falsche Dieb/
Ein Kuppler geiler Lieb/
Bezaubert mit Schertzen/
Die schlaffende Hertzen/
Macht stattliche Beuten
Bey müßigen Leuten:
Schickt sie nach langer Ruh'
Der Höllen endlich zu.
9.
Als Gott dem Adam dort 8
Eingab' den schönen Ort/
[7]
Da heißt' Er ihn schaffen/
Nicht ruhen/ und schlaffen.
Vor allen Gefahren
Den Garten verwahren/
Des Müßigganges Schlaff
Bracht' ihn in grosse Straff.
10.
Wie lang/ O Seel/ wie lang
Wilst in dem Müßiggang/
Im Bette der Sünden
Dich schlaffend befinden?
Das Leben hinschleichet/
Die Gnaden-Zeit weichet/
Du bist schon allbereit
Am Thor der Ewigkeit.
11.
Du weißst/ daß dorten ist
Kein Ort der Gnaden-Frist:
Wer diese verschertzet/
Vergebens behertzet
Nachmalen den Schaden/
Kommt nimmer zu Gnaden:
Aus diesem vesten Hauß
Kan niemand reissen auß.
12.
Die Reu/ und guter Raht
Seind läider dann zu spaht:
Noch Bitten/ noch Weynen/
Noch Klagen/ noch Greynen/
[8]
Noch Fluchen/ noch Schwören/
Noch Augen-verkehren
Wird aus der Höllen-Schoß
Dich können würcken loß.
13.
Wie wird nicht in dem Feur
Das Schlaffen werden theur/
Wann Wollust in Plagen/
Wann Jauchtzen in Klagen/
Das Schimpffen/ und Schertzen
In Trauren/ und Schmertzen
Dort wird verkehren sich/
Und währen ewiglich.
14.
Dir wird Machiavell, 9
Die aller Boßheits-Quell/
Die Qualen der Höllen
Nicht können abstellen/
Sein Freyheit-erdichten/
Und Tugend-vernichten
Man in der andern Welt
Für gar ungültig hält.
15.
Die Höll (nach seiner Lehr
Ein' Fabel) brennt nun sehr/
Hat läider erfahren
Nach Länge der Jahren/
Wie grausam die Flammen
Dort schlagen zusammen:
[9]
Aus diesem nur Gedicht
Ist worden ein Geschicht.
16.
Glaub' nicht/ daß dein Unglaub
Die Höll der Hitz beraub'.
Die Sonne nicht minder/
Ob gleichwol ein Blinder
Dieselbe verneinet/
Ohn' Underlaß scheinet:
Des Blinden Boßheit macht
Das Liecht zu keiner Nacht.
17.
Ach bau'/ Clorinda/ nicht
Auff blosse Zuversicht!
Das Hoffen betrieget/
Die Zuversicht lieget/
Ihr theures Versprechen
Pflegt Clotho 10 zu brechen/
Der Tod betrieget offt/
Kommt still und unverhofft.
18.
Als König Balthasar
In besten Freuden war'/ 11
Und ihne das Glücke
Durch göldene Blicke
Der Gnaden verbürget/
Da wurd' er erwürget/
Und warm fein an der Stell
Geschickt hinab zur Höll.
[10] 19.
Aman nichts minder/ als
Sorgsam für seinen Hals/
Sich frölich erzeigte/
Vor keinem sich neigte/
War' herrlich/ und prächtig/
Glückseelig/ und mächtig:
In einem Augenblick 12
Müßt' er fort an den Strick.
20.
So mache dich dann auff/
Clorinda renn' und lauff'/
Wirst länger da schlaffen/
So warte der Straffen/
Ich werde dich hassen/
Und ewig verlassen:
Schau'/ daß alsdann von mir
Nicht schmertzlich traume dir.

Fußnoten

1 2. Reg. 4.

2 Iudith. 13.

3 3. Reg. 19.

4 Mar. 4.

5 Gott der Winden.

6 Gott des Meers.

7 Gott des Schlaffs Poët.

8 Gen. 2. ut operaretur & custodiret illum. v. 5.

9 Ein Atheist.

10 Die Todt-Göttin.

11 Dan. 5.

12 Esth. 7.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden erster Theil. [Auff träge Seel- auff auff]. [Auff träge Seel- auff auff]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DB87-F