[300] [304]8. Clorinda erkennt/ daß/ wer auch alle Schätze/Reichthumm/ und Wollüste dieser Welt/ doch ohne die Liebe Gottes/ besitzte/ arm/ elend/ und nichtig wäre; da herentgegen in der Liebe Gottes alles Gutes zu finden

Si dederit homo omnem sustantiam domus suæ pro dilectione, quasi nihil despiciet eam.

Cant. 8. v. 7.


Wann einer alles Gut in seinem Hauß umb die Liebe geben wolt/ so verachtet sie alles/ als nichts.


1.
Es ist mein freyes Hertz
Dem schwären Aertz/
Und bleichen Gold
Nun nicht mehr hold;
Ich laß der armen Welt
Ihr eitles Gelt/
Und Edelgstein
Gar gern allein;
Ich geb' umb alle Perel
Nicht ein Härel/
Auff Diemant/ und Rubin
Steht mein Gemüht nicht hin.
[304] 2.
Weit einen andern Schatz
Hab' ich im Hatz/
Dem keiner gleich
In keinem Reich?
Des Nereus 1 Reichthumm ist
Nur Gänse-Mist/
Was Midas hatt'/ 2
Ein eytler Schatt:
Die Tharsische Gold-Grufften
Seynd nur Klufften
Voll Bettlerey/ wovon
Gerühmt wird Salomon. 3
3.
Wo ist jemahl geweßt
Ein Schatz so vest/
Der niemahl hab'
Genommen ab?
Wer zeiget mir den Platz/
Wo Crœsus Schatz/
Geschätzt so hoch/
Zu finden noch?
Von so viel tausend Pfunden
Wird gefunden
Nicht mehr ein Stäublein schwär/
So auffzuweisen war.
4.
Ich will mir sammlen ein
[305]
Den Schatz allein/
Der sich vermehrt/
Und nicht verzehrt;
Und dieser ist die Lieb'
Den mir kein Dieb
Noch greiffen an/
Noch stehlen kan;
Der mir ohn' alle Sorgen
Bleibt verborgen/
Ab welchem ewiglich
Ich werd erfreuen mich. 4
5.
Der/ so die Liebe hat/
Der ist schon satt/ 5
Hat keine Freud'
Am Gold-Geschmeid;
Gibt alles gern herauß
Aus seinem Hauß/
Die theurste Ding
Schätzt er gering;
Die Lieb/ was man besessen/
Macht vergessen: 6
Allda/ wo sie einschleicht/
Wird alles Gold zu leicht.
6.
Den Apffel wirfft das Kind
Von sich geschwind/
[306]
So bald geneigt
Die Amm sich zeigt;
Wirfft hin das Tauff-Geschenck/
Sein Halß-Gehenck
Hält nicht ein Haar
Auff solche Waar;
Die zarte Liebes-Flammen/
Zu der Ammen
Seynd ihm viel lieber/ als
Das Gold an seinem Hals.
7.
Ein' zart-verliebte Braut/
Die erst vertraut/
Laßt gern zuruck
Den Braut-Geschmuck.
Vergnügt sich wundersam
Am Bräutigam;
Muß sie auch schon
Mit ihm darvon;
Verlasset all ihr Glücke
Gern zurücke;
Die reiche Liebe macht/
Daß alles sie veracht. 7
8.
Das Zünglein/ vom Magnet
Bestrichen/ geht
Zu seiner Ruh'
[307]
Dem Polus 8 zu/
Kein Gold noch Silber kan
Es ziehen an;
Es laßt gar nicht/
Wie sonst geschicht/
Zum Gold sich von dem Eisen
Leicht abweisen;
Wo es die Lieb' hinträgt/
Da bleibt es unbewegt.
9.
Barlaâm, und Josaphat, 9
Als sie nun satt
Der schnöden Welt
Sammt ihrem Gelt/
An Liebe Gottes doch
Beflammet hoch/
Gott worden seynd
Sehr liebe Freund:
Mühselig an den Höfen
Nach den Schröfen
Seynd (arm bey ihrer Kron)
Gezogen reich darvon.
10.
Viel haben all ihr Gut
Mit frischem Muht
Verlassen/ und
Verachtet rund/ 10
[308]
Auff daß sie mit der Lieb
(O Himmels-Dieb')
Unmäßiglich
Bereichten sich:
Ihr Gold/ und Silber haben
Sie vergraben
Durch reiche Wucher-Spend
Tieff in der Armen Händ'. 11
11.
Recht Paulus alles hat 12
Geschätzt/ wie Kaht/
Die Lieb hat ihn
Gereitzt dahin/
Dann wer an Liebe lähr/
Wie reich auch er
An Edelgstein/
Und Gold mag seyn/
Der ist vor allen Armen
Zu erbarmen/ 13
Weil all sein Haab/ und Gut
Nicht einen Häller thut.
12.
Ich bin reich 14 (sagst du zwar)
Mir fehlt kein Haar/
Und geht nichts ab/
Satt alles hab':
[309]
Weißt aber nicht darbey
Dein' Armuthey/
Wie elend du/
Und blind darzu:
Drumb raht ich dir/ zu lauffen/
Einzukauffen/
Ein feurigs Gold von mir: 15
Spricht Gottes Mund zu dir.
13.
Wann schon dein Reichthumm groß,
Und du gottloß/
Was hilfft es dich
Dort ewiglich?
Dein Leben heut vielleicht
Noch von dir weicht:
Dein Gut/ und Gelt
Bleibt in der Welt/
Wer wird dir dann dort geben/
Wohl zu leben/
Wann du mit lährer Hand
Must in ein fremmdes Land! 16
14.
Die Lieb' ist dort der Werth/
Den man begehrt
Nohtwendig umb
Dein Eigenthumb/
Allweilen gangbar dort
Kein andre Sort/
[310]
Wer die nicht hat/
Bleibt in dem Kaht/
Wird nicht ein Tröpfflein Wasser/
Gleich dem Prasser/ 17
Dort können kauffen ein/
Zu lindern seine Pein.
15.
Wer auch schon in die Wett
Fürtrefflich hätt'
Der Englen Krafft/
Und Wissenschafft/ 18
Und wär' ihm auch vergönnt
So/ daß er könnt'
Die gröste Berg
Thun überzwerg/ 19
Hätt aber in der übe
Keine Liebe/
So hätt'/ und wär' er nichts
Am Tage des Gerichts. 20
16.
Wann von dem Himmel ferr
Die Liebe wär'/
So wär' alldort
Kein Freuden-Ort/
Und hätt' sie ihre Stell
Auch in der Höll/
So könnte seyn
Dort keine Peyn;
[311]
Aus ihrem Zanck-Getümmel
Wurd' ein Himmel:
Die Lieb' vertreibt das Läid/
Ohn' sie ist keine Freud.
17.
Wer recht zu lieben pflegt/
Gott bey sich trägt/
Er selbst/O Christ/
Die Liebe ist; 21
Und hast du Gott/ was kan
Dich stossen an?
Kan es bey Ihm
Ergehn dir schlimm?
Seynd oder deine Kinder/
Schaaff/ und Rinder/
Dein Gelt/ und Gut (O Spott!)
Dir besser/ als dein Gott?
18.
Das Gelt ist nur ein Last;
Je mehr du hast/
Je minder du
Wirst haben Ruh';
Viel Reichthumm Tag/ und Nacht
Nur Sorgen macht;
Wird ohne Müh
Besessen nie;
Macht den/ der sie besessen/ 22
[312]
Gott vergessen:
Sein gantzes Thun nur ist
Zu füllen seine Kist.
19.
Die Lieb macht Sorgen-frey/
Trostreich darbey/
Wer sie besitzt/
Vor Angst nicht schwitzt: 23
Weißt nichts von Kümmernuß/
Noch von Verdruß/
Dann sie versüßt/
Das/ was verdrießt;
Macht daß die Tods-Beschwerden
Lieblich werden:
Wer liebt/ hat allbereit
Hier schon die Seligkeit.
20.
So will hinfüro ich
Befleissen mich/
Daß in der Lieb'
Ich stäts mich üb'/
Auff daß ich also reich/
Den Englen gleich/
Wohl immerfort
Leb' hier/ und dort/
Will umb die Lieb auch geben
Gar mein Leben;
Auff daß ich leb' in ihr/
So lebt auch Gott in mir. 24

Fußnoten

1 Was in dem Meer.

2 Ein König der alles/ was er angerührt/ zu Gold gemach Poët.

3 2. Paralip. 9.

4 Vbi neque tinea corrumpis. Matth. 6. v. 20.

5 Si dederit homo, etc. Cant. 8. v. 7.

6 Quasi nihil despiciet cam.

7 Obliviscere populum mum, & domum patris tui, etc. Psal. 44. v. 11.

8 Himmels-Angl/ Sonnen-wend/ Polus Stern.

9 S. Ioan. Damasc. in vita SS. Barlaam & Iosaphat.

10 Ecce nos reliquimus omnia, Matth. 19. v. 27.

11 In calestes thesauros manus pauperum deportaverunt S. Laurent.

12 Sic est, qui siti thesaurizat, & non est in Deo dives. Luc. 12. v. 21.

13 Ad Philipp. 3. v. 8.

14 Dicis, quod dives sum, & locupletatus, & nullius egeo, & nescis, quia tu miser, etc. Apoc. 2. v. 17. & 18.

15 Stulte, hac nocte animam tuam repetent à te. Luc. 12. v. 20.

16 Quæ parásti, cujus erunt? Ibid.

17 Fili, recordare, quia recepisti bona in vita tua. Luc. 16. v. 24, 25.

18 Si linguis hominum loquar, & Angelorum. 1. Corinth. c. 13. v. 1, 2, 3.

19 Vt montes transferam.

20 Charitatem autem non habuero, nihil sum.

21 Deus charitas, 1. Ioan. 4. v. 16.

22 Aus ihrem Gold/ und Silber haben sie abgöttische Götzen gemacht/ daß sie ja umbkämen. Ose. 8. v. 4. Der Geitz ist ein Dienst der Abgötterey, ad. Ephes. 5. v. 5.

23 Timor non est in charitate 1. Ioan. 4. v. 18.

24 Qui manet in charitate, in Deo manet, & Deus in eo. 1. Ioan. 4. v. 16.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden dritter Theil. [Es ist mein freyes Hertz]. [Es ist mein freyes Hertz]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DBB1-F