[381] 6.

Wieder soll zu einem Hochzeitreigen
Der Zigeuner frische Tänze geigen;
Zimbal, klinge hell vom Hammerschlage!
Klarinette, schmettre ins Gelage!
Im Husarenwams, vielfach geflickt,
Mit verblichnem Golde reich gestickt
Und geziert mit mottenhaftem Brame,
Nähert Mischka sich dem Bräutigame.
Und er spricht mit bückendem Verneigen:
»Möcht es Eurer Herrlichkeit gefallen,
Eh die frischen Tänze hier erschallen,
Mich zu hören erst ein Solo geigen.
Damit möcht ich Eure Gunst erwerben;
Habs zu Eurem Ehrentag erfunden,
Schön ists, Herr, so herzlich tief empfunden,
Daß vor Lust der Hörer möchte sterben.«
»Sei gewährt der Bitte«, spricht der Graf,
Den das Auge des Zigeuners traf,
Hell, wie eines Seelendolches Blinken,
»Spiele, sollst dafür Tokayer trinken!« –
Stille wird der Saal, wie Miras Gruft;
Alles hat um Mischka sich geschart,
Und er läßt den Bogen, frisch behaart,
Wie versuchend, sausen durch die Luft.
Plötzlich streicht er durch die Saiten alle
Und durch alle Herzen, schnell bemeistert;
Seine Geige in der Freudenhalle
Hat zur Rachegöttin sich begeistert.
Frevler! horch! in diesem süßen Liede
Säuselt und verweht der Unschuld Friede; –
Hörst du, wie der Blitz der Liebe zündet?
Wie ihr ganzes Herz in deines mündet? –
[382]
Jener Brautnacht unermeßne Wonnen,
Wie sie in ein Meer von Schmerz zerronnen? –
Stürmen hörst du der Verlaßnen Klagen;
Hörst den Wurm an ihrer Blüte nagen; –
Horch, wie sie, zum Tod schon auf der Flucht,
Weinend dich durch alle Wälder sucht;
Wie sie alle Götter ruft um Hilfe,
Bis sie tot zusammenbricht im Schilfe. –
Furchtbar läßt der Alte deinem Lauschen
Durch die Saiten die Vergeltung rauschen! –
Aus dem Saal ist jede Lust gewichen,
Dunkles Weh durch alle Herzen schlägt;
Und nicht wissend, was sie tief bewegt,
Hat die Braut sich weinend fortgeschlichen.
Von der Macht gejagt des Racheschalls,
Eilt der junge Bräutigam zu Rosse,
Sprengt in finstrer Nacht aus seinem Schlosse,
Stürzt und bricht im Graben sich den Hals.
Die Zigeuner leeren ihre Neige,
»Gute Nacht!« – Früh sieht ein Hirtenknab
Mischka stehn an seines Kindes Grab
Und hinein verscharren seine Geige.
Meisterlos zerstreut sich seine Bande,
Und fortan sah niemand ihn im Lande.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lenau, Nikolaus. Gedichte. Gedichte. Fünftes Buch. Mischka. Mischka an der Marosch. 6. [Wieder soll zu einem Hochzeitreigen]. 6. [Wieder soll zu einem Hochzeitreigen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E00E-7