Jakob Michael Reinhold Lenz
Die Freunde machen den Philosophen
Eine Komödie

[280]

Personen

Personen.

    • Strephon, ein junger Deutscher, reisend aus philosophischen Absichten.

    • Arist, sein Vetter, hamburgischer Agent zu Algier, auf dem Heimwege begriffen.

    • Dorantino,
    • Strombolo,
    • Mezzotinto, Spanier, Strephons Freunde.

    • Doria, auch ein junger Deutscher auf Reisen und Strephons Freund.

    • Don Alvarez, ein Grand d'Espagne, ursprünglich aus Granada, der nicht lesen und schreiben kann.

    • Donna Seraphina, seine Schwester.

    • Don Prado, in Seraphinen verliebt.

    • Einige französische Damen und Marquis, als stumme Personen.

    • Einige Komödianten.

    • Bediente und andere Statisten.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
In Cadiz.
Strephon. Arist.

STREPHON.

Ich bin allen alles geworden – und bin am Ende nichts. Sie haben mich abgeritten wie ein Kurierpferd: ich bringe den Meinigen ein Skelett nach Hause, dem nicht einmal die Kraft übrig gelassen ist, sich über seine erstandenen Mühseligkeiten zu beklagen.

ARIST.

Das Herz möchte mir brechen. Wie ich Euch zu Hause 'kannt habe! Wo ist Eure Munterkeit, Witz, Galle, alle das nun? All unsre fröhlichen Zirkel erstarben, als Ihr uns verließet: Ihr werdt sie nicht wieder beleben.

STREPHON.

Ins Kloster, oder in eine Wüstenei, das sind so meine Gedanken. Jeder Mensch, den ich ansehe, jagt mir einen Schrecken ein, ich denke, er verlangt wieder etwas von mir, und ich habe nichts mehr ihm zu geben.

ARIST
ihn steif ansehend.

Das der Ausschlag Eurer philosophischen Träume? – Eurer Erforschung der Menschen? Eurer Entwürfe zu ihrer Verbesserung? –

STREPHON.

Ich will auch nicht gut mehr sein, wenn ich noch so viel Kraft übrig habe, böse zu scheinen. Aber meine Fasern sind durch die lange Übung so biegsam geworden, meine Geister so willfahrend, daß ich vor dem Gedanken, jemand etwas abzuschlagen, wie vor einem Verbrechen zusammenfahre. Es geht mir wie angefressenen Früchten, die immer noch ihre Röte behalten, ich kann die Gestalt der Liebe nicht ablegen, obschon das Herz mir zerfressen und bitter ist.

ARIST.
Was haben sie Euch denn zu Leide getan?
STREPHON.

Sie haben mir nichts getan, weder Liebes noch [281] Leides, aber sie verlangten, daß ich ihnen tun sollte. Wirkung ohne Gegenwirkung erstirbt endlich, all meine Liebe war wie ein Mairegen, der auf einen kalten Felsen gießt und dem nicht ein einziges belohnendes Veilchen nachkeimt.

ARIST.
Bedenkt, daß es der Gottheit selbst nicht besser geht.
STREPHON.

Aber ich bin kein Gott. Und verlangte keinen Dank als Liebe und Vergnügen um mich her. Darum suchte ich in ihrem Augenstern auf, was sie etwa wünschen, was sie sich etwa von mir versprechen könnten, und die mehrestenmale überraschte ich sie, eh sie ausgewünscht hatten. Alles umsonst, ihre Wünsche sind Fässer der Danaiden – die nie voll werden.

ARIST.
Kommt nach Hause, wir wollen Euch danken.
STREPHON.

Mein Kräfte sind verbraucht, das Öl ist verzehrt, was wollt ihr mit der stinkenden verlöschenden Lampe? Alle meine Kenntnisse, alle meine Vorzüge sind in fremden Händen, es ist nichts mein geblieben als der Gram über ihren Verlust. Ihr seht hier einen von den Menschen aus dem Evangelio vor Euch, denen auch das genommen ist, was sie hatten.

ARIST.

Ihr erschrecket mich. Ihr seid in der Wahl Eurer Freunde zu unvorsichtig gewesen. Euer Herz hat Euch verführt.

STREPHON.

Es ist all eins. Ich habe brave Leute gekannt, sobald sie meine Freunde waren, mußt ich vor ihnen auf der Hut sein. Ich übergab mich ihnen mit aller Offenheit eines gerührten Herzens, sobald ich eine schöne Seite an ihnen wahrnahm; und dafür mißhandelten sie mich. Ihr Hochmut blähte sich so weit über mich hinaus, daß sie mich als einen weggeworfenen Lumpen im Kot liegen sahen, blind dafür, daß ich mich ihnen weggeworfen. Sie vernachlässigten mich dafür, daß ich ihnen zuvorkam, ich stellte sie auf ihre Füße, daß sie stehen konnten, und sie traten mich mit Füßen.

[282]
2. Szene
Zweite Szene
Man pocht stark an. Dorantino tritt herein, den Hut in die Stirn gedrückt.

STREPHON
leise zu Arist.
Da ist einer zum Anbiß.
DORANTINO
bleibt mitten in der Stube stehen und winkt Strephon, ohne zu grüßen.
Bßt! – Strephon!Gebieterisch. Strephon!
STREPHON
geht ihm entgegen, etwas leise.
Hast du mir was zu sagen? Du kannst es laut tun, der Herr ist kein Fremder.
DORANTINO
komplimentiert Aristen übertrieben höflich.
Vermutlich ein Landsmann von Herrn Strephon?
ARIST.

Das bin ich, komm aber itzt von Algier und habe einen Umweg genommen, als ich hörte, daß er hier sei.

DORANTINO.
Reisen also itzt nach Hamburg?
ARIST.
Ja, und wünschte ihn mitzunehmen, wenn's möglich wäre.
DORANTINO.
Das sollte mir herzlich lieb sein – so ungern ich ihn hier verlöre.
STREPHON.

Was hattst du mir zu sagen, Dorantino? Du brauchst dich nicht zu gewahrsamen, mein Vetter weiß um all meine Geheimnisse.

DORANTINO
kalt.

Ich wollte nur – wegen Rosalinden – du weißt wohl – sie hat mir die Verse zurückgegeben Lächelt. sie verstünde sie nicht, sagte sie.

STREPHON
etwas betreten.
Ich will dir andere machen.
DORANTINO.

Darum hab ich dich bitten wollen. Du weißt wohl, ich kann mich mit solchen Sachen nicht abgeben, sonst schmiert ich in der Geschwindigkeit selbst was – denn, wie gesagt, es braucht gar keine Gelehrsamkeit oder allzuviel Witz drin zu sein, wenn du ihr nur auf eine ziemlich handgreifliche Art ein paar Schmeicheleien – doch du wirst schon selber wissen, wie du das einzurichten hast. Strephon, der mittlerweil ans Fenster [283] getreten ist, nachgehend. Hör noch was, die Clelia, was meinst du, hat sich gestern bei meinem Vater beschwert – daß ich's nicht vergesse, diese Nacht gehen wir doch und bringen ihr eine Katzenmusik?

STREPHON
aus dem Fenster sehend.
Es ist naß und kalt, und der Spaß lohnt der Mühe nicht.
DORANTINO.

Ja, wenn du nicht mitgehst, geh ich auch nicht hin. Es ist alles darauf eingerichtet, Bruder! die Musikanten sind bestellt, wir wollen ein wenig lachen, es soll dir nichts kosten, wenn's hoch kommt, gehen wir hernach zu Longchamps herauf und leeren etwa eine Bowle Punsch mit einander. Ja so, wie steht's mit deinen Finanzen, hast du Nachrichten von deinem Vater?

STREPHON.
Es wird Regen geben auf die Nacht.
DORANTINO.

Ja du bist zu gut, liebes Kind. Zu Arist. Sagen Sie selbst, mein Herr, in sieben Jahren ihm kein Geld zu schicken, bloß weil er seine Talente nicht zu Hause im Schweißtuch hat vergraben wollen. Sie müssen ihm das vorstellen – Hör, komm morgen doch zum Strombolo, er ist recht böse auf dich, morgen um neune, genau, ich habe dir was Wichtiges zu sagen, aber um neune, verstehst du mich? Heimlich. Und da bringst du mir auch die Schrift mit an den Corregidor – du weißt wohl – ich muß itzt aufs Rathaus, ein Pinsel hat mich verklagt, daß ich ihm eine Schuld zweimal abgefodert, du weißt die Historie mit Bromio, mit dem Bolognoserhündchen. Also morgen beim Strombolo.


Geht ab.
STREPHON.

Solltest du nicht aus dieses Menschen Benehmen schließen, er sei einer meiner ersten Wohltäter in Cadiz? Und alle seine Liebesdienste erstrecken sich auf zehn Realen, die er mir einmal im Notfalle vorschoß und ich ihm zu acht Prozent wieder bezahlte. Seit der Zeit sind wir in dem Klienten- und Patron-Tone verblieben, er hat Aufträge ohne Ende an mich, beleidigt meinen Geschmack und Gefühlszärtlichkeit so unaufhörlich, daß [284] ich kein ander Mittel vor mir sehe, mich seiner einmal zu entledigen, als daß ich Händel mit ihm anfange.

ARIST.
Wer ist denn der Strombolo? und warum ist der böse auf dich?
STREPHON.

Auch einer von meinen Folterern. Ich ging sonst täglich nach dem Essen zu ihm und half ihm durch meine Gespräche verdauen. Er ist ein Mann, der die Welt kennt, und von dem ich immer lernen konnte, mittlerweil ich ihm die Zeit vertrieb. Das hat nun seit einigen Tagen nicht geschehen können, weil mich meine Gläubiger ins Gefängnis stecken wollten und ich, dem äußersten Elend zuvorzukommen, meinem einzigen Patron allhier, dem Don Alvarez, für funfzehn Realen dreißig geheime Briefe abschrieb.

ARIST.
Das ist der granadische Edelmann, der nicht lesen noch schreiben kann.
STREPHON.

Der beste unter allen meinen Freunden, der einzige, der es einsieht, daß ich ihm nützlich bin, und mich dafür belohnt. Mit der Hälfte dieser funfzehn Realen bewirtete ich meinen vornehmsten Gläubiger und machte ihm durch tausend Maschinereien meines Witzes begreiflich, daß es wohl sein Vorteil sein könnte, wenn er mir seine zwanzig Realen noch auf einen Monat stehen ließe.

ARIST.

Und warum kehrst du nicht nach Hause zu rück, Unglücklicher? – Ist's deinem Vater zu verdenken, daß er dich im Elende untersinken läßt, wenn dein Eigensinn –


Da Strephon auf einen Stuhl niedersinkt, hält er inne.
STREPHON.
Mehr – mehr Vetter – ich verdiene mehr –
ARIST.

Was hält dich – deine Freunde? die dich verderben lassen? denen du das Herz nicht einmal hast, dich zu entdecken?

STREPHON.
Freilich – mein Stolz – meine Freiheit – Springt auf. Gott da kommt Strombolo.
[285]
3. Szene
Dritte Szene
Strombolo. Die Vorigen.

STROMBOLO.

Ich muß wohl zu Ihnen kommen, wenn Sie nicht zu mir kommen. Ganz böse sich stellend. Was zum Kuckuck stellen Sie denn an? Man sieht Sie ja den ganzen langen lieben Tag nicht.

STREPHON
ganz schüchtern.
Herr Strombolo! ein naher Blutsfreund, der von Ceuta angekommen istAuf Aristen deutend.
STROMBOLO
Aristen gleichgültig ansehend.

Den Herren hätten Sie ja zu mir bringen können. Wissen Sie was, es ist ein so schöner Tag heut, wir wollen einen Spaziergang um die Wälle der Stadt machen.

STREPHON.
Ich weiß nicht, ob mein Vetter – er reist heut abend noch fort.
STROMBOLO.
Desto besser, so nimmt er eine Idee von unserer Stadt mit.
ARIST.

Mein Herr, ich reise in sein Vaterland und möchte ihn selbst gern mitnehmen, wenn es möglich wäre. Er ist aber hier so verschuldet, daß, da mir selbst das Reisegeld schmal zugeschnitten – Sie sind einer seiner besten Freunde, wie ich höre.

STROMBOLO.

Es würde mir leid tun, ihn hier zu verlieren. Ich weiß auch nicht, warum er so nach Hause eilen sollte, wenn er etwa nicht selbst einen Beruf dazu spürt. Sollte ihm unsere Stadt so übel gefallen? Einem Philosophen wie ihm muß jeder Ort gleich sein –

ARIST.
Davon ist hier die Frage nicht. Nur die Mittel, sich zu erhalten.
STROMBOLO.

Es fehlt Ihnen ja hier an Freunden nicht, Herr Strephon. Es kostet Ihnen nur ein Wort an Don Alvarez, so macht er Ihnen eine Bedienung aus –

ARIST.

Wenn aber seine Empfindlichkeit, seine Unabhängigkeit, die Muße selber, die er zu seinem Studieren braucht –

[286]
STROMBOLO.

Ja man muß bisweilen in die saure Schale beißen, um auf den Kern zu kommen. Wissen Sie was, es ist gar zu schönes Wetter, Sie gehen so weit mit mir, als Sie kommen können.

ARIST.
Ich wenigstens muß packen.
STROMBOLO.
Nun so wünsch ich Ihnen denn recht viel Vergnügen.

Ab.
STREPHON.

Du siehst, wohinter er sich verschanzt. Sobald ich ihm nur von weitem her etwas von meiner Not merken lasse, schlägt er mich mit einer Sentenz zu Boden, die er von mir selbst gehört hat. Er ist nur zuwohl von meinen Verbindungen mit Alvarez unterrichtet, und wie hart es den ankommt, etwas übriges zu tun. Übrigens weiß er, daß er gar keinen Einfluß in die öffentlichen Geschäfte allhier hat, und daß, sobald ich ihm die geringste Verbindlichkeit hätte, die Gleichheit, die unsere ganze Freundschaft unterhält, wegfallen und ich in einem Nu ihm unter den Füßen sein würde –

ARIST.

Vetter – Vetter, kommt weg von hier – und solltet Ihr heimlich davon gehen. Wenn wir in Hamburg sind, will ich alles schon wieder gut machen. Ich laß Euch nun nicht mehr, ich schwöre es zu –

STREPHON
ihn schnell an die Hand fassend.

Halt inne – Vetter, muß denn nicht jeder bittere Erfahrungen in der Welt machen, um die Welt kennen zu lernen? Alle diese Leute – sind dennoch meine Freunde.

ARIST.

Eure Freunde? – Ihr bringt mich außer mich – die über Euer artiges Benehmen lächeln, wenn Ihr auf der Folter liegt. Ich sah da eine große Rolle Papier aus seiner Tasche gucken, es war gewiß wieder ein nichtswürdiges Geschäfte für Euch, er hatte nur nicht das Herz, es wie jener junge Gelbschnabel Euch in meiner Gegenwart aufzutragen. Ist das freundschaftlich, einem Menschen, der von seinen Talenten leben [muß], seine Zeit und folglich sein letztes Hülfsmittel stehlen? und das – wofür?

[287]
STREPHON.

Ach nehmen wir, was wir bekommen können, oder wählen uns die Bären zu Gesellschaftern! Ich bin ein Fremder, ich habe keinen Umgang, keine andere Mittel, dieses Land und seine Sitten kennen zu lernen, und jeder dieser Leute vermehrt meine innere Konsistenz durch das, was er mir entzieht. Ich suche denn nach in mir, ob ich nicht noch etwas habe, das sie mir nicht entziehen können, und das gibt mir einen gewissen Stolz, der mich über sie hinaussetzt und mein Herz wieder ruhig macht.

ARIST.

Wo will das aber hinaus, Mensch? – da läuft jemand die Treppe herauf, vielleicht bringt er dir irgendeine angenehme Nachricht.

STREPHON
der aus dem Fenster gesehen.

Es ist dieselbige Seele unter einer andern Haut. Da sollst du sehen, wie sinnreich die Natur in Hervorbringung der verschiedenen Wesen ist, die uns zu peinigen bestimmt sind.

4. Szene
Vierte Szene
Doria tritt ungestüm herein, den Hut auf dem Kopf.

STREPHON.
Wie befinden Sie sich, Herr Doria?
DORIA.
Wie Sie sehen, vir illustrissime et doctissime.

Tritt zu Strephons kleinem Bücherschrank, in dem er herum wühlt.
ARIST
heimlich zu Strephon.
Wer ist das?
STREPHON.
Laß nur – es ist der junge Deutsche, von dem ich dir vorhin erzählte.
DORIA.

Ich suche hier – ich suche hier – die Buchhändler werden Ihnen die ewige Seligkeit wünschen, Sie lassen sich von ihnen bezahlen und nehmen ihnen nichts ab.

STREPHON.
Was suchen Sie?
DORIA.

Ich sehe schon, Sie haben's nicht, Sie haben da lauter alte Tröster – Über die Schulter herab. Was haben Sie denn neulich wieder herausgegeben, das so vielen Lärm in der gelehrten Welt macht?

[288]
STREPHON.

Sie sind zu gütig, Herr Doria! Ich wüßte nichts als den kleinen Bogen vom Wasserbau, den der hiesige Baudirektor aus dem Französischen ins Spanische hat übersetzen lassen. Sie wissen aber, daß das schon seit zwei Jahren ist.

DORIA.

Sie tun auch verflucht geheimnisvoll. Alle gelehrte Zeitungen in Spanien sind voll davon. Das ist wahr, es wird heut zu Tage in die Welt hineingeschmiert, daß einem angst und bange dabei wird. Junge Leute, die noch kaum angefangen haben, zu denken –

ARIST.
Haben Sie sein Buch gelesen, Herr?
STREPHON.
Still doch, Vetter, Sie verstehen Herrn Doria nicht –
DORIA.
Ich wünschte, daß allen unnützen Schmierern von Obrigkeits wegen die rechte Hand abgehauen würde.
ARIST.
Ich will den Kerl zum Fenster herauswerfen.
STREPHON.
Wollen Sie sich nicht setzen, Herr Doria?
DORIA.

Ich denke, Sie kennen mich zu gut, liebster Strephon! als daß ich nicht den lebhaftesten Anteil an Ihrem Ruhm nehmen sollte. Ich bin zum voraus überzeugt, daß in Ihren acht Blättern mehr Wahres sein wird, als vielleicht jemals in allen Zeitungen Spaniens von der Arche Noah an ist gesagt worden! he he –

STREPHON.

Sagen Sie mir doch, Herr Doria, haben Sie mit Don Alvarez wegen der Sekretärstelle gesprochen? Sie können dreist zu ihm gehen, er kennt Sie aus meinem Munde.

DORIA.

O gehorsamer Diener, gehorsamster Diener, davon reden wir ein andermal. Also heut abend, mein allerliebster Herr Strephon, ich spreche Sie doch heut abend in Ihrer Pension. Ich will Sie nicht weiter aufhalten. Sie werden vermutlich mit dem Herrn was zu reden haben.


Geht ab.
ARIST.

Was ein Ochse ist denn das da? Und den willst du bei Alvarez unterbringen? Tor! und bei deiner eigenen Ratlosigkeit!

[289]
STREPHON.

Alvarez braucht einen Sekretär, besonders da er itzt eine Reise nach Frankreich vor hat, der in seiner Abwesenheit seine Briefe von der Westindischen Compagnie, bei der er mit interessiert ist, empfängt und beantwortet.

ARIST.
Und du selber, du selber?
STREPHON.

Ich schicke mich nicht dazu, auch braucht er mich zu andern Sachen, ich bin sein Freund, kurzum, daß du es weißt, und da er freundschaftliche und zärtliche Briefe zu beantworten hat und doch nicht will merken lassen, daß er das nicht könne – du verstehst mich, ich darf dir nichts weiter sagen, um meine Empfindlichkeit für ihn nicht zu beleidigen.

ARIST.

Und warum grad diesem den Bissen vorwerfen, den du dir vor dem Munde abschneidest? diesem Grobian, diesem –

STREPHON.

Siehst du denn nicht, daß er mir nicht so begegnen würde, wenn er nicht etwas von mir verlangte? Das Rauhe seiner Situation hat mich zuerst sympathetisch für ihn gemacht, und das Rauhe in seinem Betragen noch mehr –

ARIST.
Wenn er's noch mit Manier täte, so aber –
STREPHON.

Lieber Gott, er schmeichelt und trotzt, beides zusammen; es muß weit mit einem Menschen gekommen sein, wenn er dazu gezwungen ist.

ARIST.

Und in deinen eigenen verzweifelten Umständen – Wollen wir gehn und ein Billet auf die Landkutsche für Euch ausnehmen, ich seh, Ihr seid nichts nutz hier, Eure Freunde haben Euch angefressen, Ihr geht drauf, wenn's so fortwährt.

STREPHON
ganz in Gedanken.
Was ist dran gelegen?
ARIST.

Nicht diesen finstern tauben Blick der Mutlosigkeit! Kommt mit mir, Eurem Vater, Eurer Mutter in die Arme, die noch immer nach Euch ausgestreckt sind.

STREPHON
fällt ihm an die Brust.
O Grausamer!
[290]
ARIST.
Kommt! Euer vaterländischer Himmel wird Euch neues Leben in die Gebeine strömen.
STREPHON.
Ich kann nicht.
ARIST.
Ihr sollt Faßt ihn an den Arm. Fort –
STREPHON
setzt sich.
Tötet mich lieber. Ich kann keinen Nagelbreit fort von hier.
ARIST.

Was ist Euch? Was soll ich aus Euch machen? – Soll ich Euch mit Gewalt zu Eurem Glück zwingen? – Tritt vor ihn. Ich glaube, Ihr seid nicht recht bei Euch – Strephon – ermuntere dich Reinhold Strephon!

STREPHON.
So drauf zu gehen, Ihr glaubt nicht, welche Wollust darin steckt.
ARIST.
Wahnwitziger –
STREPHON.
Spart Eure Ausrufungen! Mein Vorsatz ist unerschütterlich –
ARIST
geht ganz erhitzt und legt sich ins Fenster.
Nach einer Pause. Da kommt wieder jemand: ich glaub, es ist ein Gläubiger.
STREPHON
springt auf.
Ein Gläubiger – wie sieht er aus?
ARIST.

Es war eins der verwischten Gesichter, das den Stempel der Natur verloren hat. Man sollte ihn für einen Peruckenstock halten, dem man Hut und Degen angetan.

5. Szene
Fünfte Szene
Mezzotinto tritt herein.

MEZZOTINTO.

Ei, Ihr Diener, Ihr Diener, lieber Herr Strephon. Schüttelt ihm die Hand. Wie geht's denn, was leben Sie, man sieht Sie ja gar nicht? Sie sind immer der Mann von Geschäften.

STREPHON.
Ach Gott, ich habe gar keine.
MEZZOTINTO.

Ja, gehn Sie nur, gehn Sie nur, man weiß doch, was man weiß. Ich komme eben vom Hafen, es [291] kam ein Schiff an für einen meiner guten Freunde, dem Don Alvarez und seine Schwester zusahen. Er sagte mir, er ginge ins Bad, wir haben auch von Ihnen gesprochen und Sie rechtschaffen ausgemacht. Donna Seraphina gleichfalls


Vertraulich winkend.
STREPHON
über und über rot.
Und wie kam das Gespräch auf mich, daß ich fragen darf?
MEZZOTINTO.

Wie es zu kommen pflegt. Sie wissen, wie die Donna ist, sie lag dem Bruder immer in den Ohren, Sie mitzunehmen. Er schien sich nur zum Schein zu wehren, aber Seraphina sagte, er muß mit mir, er mag wollen oder nicht. Und in der Tat Herr, Sie wären ein Tor, eine Gelegenheit wie die vorbeigehen zu lassen.

ARIST.

Ich hoffe, mein Vetter wird ein solcher Tor sein und, um das Maß voll zu machen, mit mir in sein Vaterland zurückkehren.

MEZZOTINTO.

Also ein Landsmann von Herrn Strephon? Ei was, er geht nun nicht mehr heim. Die Ideen sind einmal alle ausgelöscht, ich weiß, wie das ist – Aber Strephon! wissen Sie auch, was man in der Stadt sagt? Seraphina soll meinem Patron den Ring zurückgeschickt haben, Sie wissen doch, daß sie so gut als verlobt waren, und will mit ihrem Bruder nach Frankreich gehen, weil sie keine Lust zum Heiraten hat. Prado ist untröstlich darüber und möchte seinen Nebenbuhler kennen.

STREPHON.
Was für Märchen plaudern Sie mir denn da?
MEZZOTINTO
ihm die Hand schüttelnd.

Ja ja, mein lieber Herr Strephon, ich weiß mehr Neuigkeiten, als Sie wünschen, nicht wahr? Sie wissen, Prado hat nach Seraphinen schon acht Jahr gefreit, als sie noch im Flügelkleide ging, er hat sie aufknospen sehen, er hat sie gewartet, he, und eine solche Blume läßt man sich nicht gern unter den Fingern wegbrechen. Sie können denken, wie er zu Kehr geht.

[292]
STREPHON
ganz verwirrt.
Was geht mich denn alles das an? ich bitte Sie.
MEZZOTINTO.

Ich sage nur, Sie sollen die Gelegen heit nicht vorbeilassen, mitzugehen. Ich habe mit Alvarez drüber gesprochen, er schien etwas empfindlich über Ihre Widerspenstigkeit. Ich sagte, es wäre einmal Ihr Charakter, und denn könnten Sie noch andere kleine Ursachen haben; o die Bären sollen ihn nicht beißen, die er etwa hier angebunden hat, antwortete er mir.


Ein Bedienter tritt herein. Strephon winkt ihm und geht heraus mit ihm.
MEZZOTINTO
zu Arist.

Ja, mein werter Herr, so geht's Ihrem armen Vetter hier. Wenn er nicht noch Freunde hätte, die sich für ihn beflissen, so wäre es längst getan um ihn gewesen. Denn allgemein genommen ist der Charakter der Nation hier der allerunerträglichste am ganzen Mittelländischen Meer. Hier ist der Hefen von Spanien.

ARIST.
Ich glaube es wohl. Darum sollte er mit mir.
MEZZOTINTO.

Ja, das geht nun einmal nicht. Wenn man über die Jahre hinaus ist, es geht einem damit wie mit dem Heiraten. Man schiebt es von einer Zeit zur andern auf, bis einem die Lust vergeht. Auch wäre es schade um ihn, er würde sein Glück verscherzen. Er steht ungefähr mit Don Alvarez auf demselben Fuß, als ich mit Prado stehe. Ich kann mich rühmen, daß ich sein vertrautester Freund bin, den er wohl in seinem Leben gehabt, ich war auch der erste, der ihn in dem Hause bekannt machte, Alvarez hat ihn sogleich wegen seiner Gelehrsamkeit und Talente geschätzt und ihn zum Vertrauten aller seiner Geheimnisse gemacht. Unter uns, er schreibt ihm, glaub ich, Liebesbriefe, weil ich weiß, daß der Alvarez ein schlechter Franzos ist und dennoch mit einer gewissen Marquisin Chateauneuf, die jetzt seit zwei Jahren in Marseille wohnt, ein geheimes Verständnis unterhalten soll. Er hat mir alles anvertraut, aber – [293] Die Finger auf den Mund legend. ich weiß wohl, daß ein plauderhafter Freund oft eben so gefährlich ist als ein verschwiegener Feind. Winkt. Die Donna Seraphina ist ihm auch sehr gewogen.

ARIST.
Wem?
MEZZOTINTO.
Ihrem Vetter – je von wem reden wir denn?

Strephon tritt wieder herein, etwas verlegen.
STREPHON.

Sie haben mir doch Wind vorgemacht, Mezzotinto! Donna Seraphina denkt nicht an die Reise. Eben krieg ich ein Billet vom Don Alvarez, wo er meinen letzten Entschluß verlangt.

MEZZOTINTO.
Wie? sie reist nicht mit? – So muß ich mich verhört haben.
STREPHON.

Oder sie hat Sie zum besten gehabt.Wickelt das Papier auf. »Ich reise mit einem Bedienten und einem Coffre morgen vor Tage. Ich hoffe, die Wintertage werden so anhalten, entschließen Sie sich kurz, ich lasse für Ihre Schulden eine Anweisung zurück. Um fünf Uhr auf den Schlag kommen Sie zu mir, so reden wir weiter. Meine Schwester geht so eben mit ihrer Kammerfrau nach Sevilla ab, wo eine meiner Tanten auf den Tod liegt.«

MEZZOTINTO.
Weisen Sie mir doch das Billet, es ist nicht möglich.
STREPHON.
Es ist möglich Das Billet einsteckend. weil es so ist.
ARIST
bei Seite.
Das gefällt mir nicht.
STREPHON
zu Arist.
Also lieber Vetter! was soll ich tun? –
MEZZOTINTO.
Ei, Sie werden doch das nicht ausschlagen, oder Sie wären der größte Tor, der auf dem Erdboden –
ARIST.

Ich rate Euch Vetter, kommt mit mir. Warum wollt Ihr Euch in den Sturm wagen, da Ihr in den Hafen einlaufen könnt. Die Gelegenheit kommt nicht wieder, und Euer Vater ist sehr aufgebracht –

STREPHON
die Hand vor den Augen.
Ach –
[294]
ARIST.
Was wird er sagen, wenn er weiß, daß Ihr mit mir hättet mitkommen können und nicht gewollt habt?
STREPHON.
Schonet meiner!
ARIST.

Ich darf Eurer nicht schonen. Es sind acht Jahr, daß Ihr ihn nicht gesehen habt, daß Ihr so herumirrt und Euren nichtswürdigen Grillen folgt –

STREPHON
aufgebracht.

Vetter, das stille Land der Toten ist mir so fürchterlich und öde nicht als mein Vaterland. Sogar im Traum, wenn Wallungen des Bluts mir recht angsthafte Bilder vors Gesicht bringen wollen, so deucht mich's, ich sehe mein Vaterland.

ARIST.
Schande genug für Euch – rühmt Euch nicht, mein Vetter zu sein – Ihr? ein Philosoph? –
STREPHON
schlägt an die Brust.
Was soll ich tun dabei? –
MEZZOTINTO
geht in der Stube herum trallernd.
Grazie agl'inganni tuoi.
STREPHON.

Kann ich dafür, daß dem so ist? Daß dies allgewaltige, unerklärbare, unerklärbarste aller Gefühle mich zu Boden drückt?

MEZZOTINTO.
Ja wenn Sie gehen wollen, so haben Sie Zeit, Die Uhr hervorziehend. es ist gleich –
ARIST
auf einmal hastig und gerührt auf Strephon zugehend und ihn an die Hand fassend.
Noch ist es Zeit –

Die Stadtuhr schlägt fünfe.
STREPHON.
Wie zum Schaffot klingt mir das. – Meine Eltern – Aristen heftig umarmend. Wirst du es gut machen?
ARIST.
Wie kann ich – Auch gerührt. Unglückseliger Starrkopf – Vielleicht sehen wir uns niemals wieder.
STREPHON.
Niemals? – Lebt wohl! Grüßt meine Eltern!

Reißt sich von ihm los und eilt halb ohnmächtig ab.
ARIST
wischt sich die Augen, ohne ein Wort zu sprechen.
MEZZOTINTO
zu Arist.

Hab ich's nicht gesagt, daß er mitreist, und ich weiß auch, wohin sie gehen, ich will Ihnen alles zum voraus sagen.

ARIST.

Ach mein Herr, lassen Sie mich – ich muß packen, [295] und denn gleich auf die Post – Ich wünscht, ich wäre nie nach Cadiz kommen.

MEZZOTINTO.

Gehorsamer Diener. Und ich will gehn und meinem Prado von alle dem Nachricht geben. Ich weiß, er wundert sich nicht wenig darüber –

6. Szene
Sechste Szene
Der Schauplatz verwandelt sich in eine Straße vor Alvarez' Hause.
Strephon tritt wankend auf.

STREPHON.

Mögen sie aus mir machen, was sie wollen, ich gehe mit Seraphinen. Gott, wie kann es mir so dunkel in der Seele sein, der ich an der Schwelle des Himmels stehe! Seraphine Zieht das Billet aus der Tasche, wickelt es auf, küßt es und fällt auf die Knie. Sie will nicht heiraten – sie will nach Frankreich – in das angenehme, freie, gefährliche – nein ich will so wenig von ihr weichen als ihr Schatten, und sollt es mir Tugend und Leben kosten. Geht hinein.

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
Der Hafen von Marseille.
Strephon, der Seraphinen aus dem Schiff hebt.

STREPHON.
Willkommen!
SERAPHINE.

Willkommen. Reicht Strephon die Hand und läuft mit ihm das Ufer hinauf. Hier, Strephon, sind wir gleich.

[296]
STREPHON
wirft sich auf die Erde, die er küßt.
Glücklicher Boden, wo die Freiheit atmet. Hier Ihnen einen Tempel hinzusetzen, Seraphine –
SERAPHINE.
Ich sähe lieber eine Schäferhütte und Schäfchen so herum.
STREPHON
sich über ihre Hand bückend, die er mit seinen Lippen berührt.
Göttliche Seele, die alles verachtet, womit die armselige Welt sie zu belohnen suchte!
SERAPHINE.
So ein Gärtchen neben an, da wollt ich selber drin arbeiten.
STREPHON
ihre Hand emporhebend.
Mit dieser Hand? –
SERAPHINE.

Wir beide zusammen. Ich wünschte, ich könnte einmal recht arm werden, um mich selber kennen zu lernen.

STREPHON.

O wünschen Sie das nicht. Der fürchterlichste aller Wünsche, die Sie tun könnten. Wenn das Schicksal die vernachlässigte, die seine vorzügliche Sorgfalt verdienen – so wär es das grausamste, das ungerechteste, das widersinnigste und unleidlichste unter allen Spielen des Ohngefährs, die sich nur jemals ein menschlicher Verstand –

SERAPHINE
ihm ihr Kästchen Juwelen unter dem Arm wegreißend.
Ob Sie mich noch so reizend finden werden – Läuft damit nach dem Ufer zurück und wirft es ins Meer.
STREPHON
ihr vergeblich nacheilend.
Um alles – um Ihrer selbst willen – Zieht den Dolch. halten Sie inne –
SERAPHINE
kehrt lachend um.
Nun? In den Dolch fassend.
STREPHON.
Aus Mutwillen – und ich die Veranlassung –

Don Alvarez sehr feierlich aus der Kajüte hervortretend, mit verschiedene Bedienten.
ALVAREZ.
Was gibt's?
SERAPHINE.

Nichts Bruder! eine Kleinigkeit, um die Strephon so viel Lärmen macht. Als er mir aus dem Schiff half, ließ ich mein Kästchen Juwelen ins Wasser fallen – [297] und nun glaubt er, er sei schuld daran, und will sich umbringen deswegen.

ALVAREZ.
Bon. Wir müssen den französischen Fischen wissen lassen, daß Spanier angekommen sind.
STREPHON.
Aber –
ALVAREZ.

Ich hab Euch nicht mitgenommen, für mein Hauswesen zu sorgen. Schämt Euch, daß Ihr Euch umbringen wollt um solch einer Kleinigkeit. Wenn Ihr Mohrenblut unter Euren Ahnen hättet, so wollt ich's verzeihen: aber zu sterben geziemt nur einem Edelmann. Man muß auch in seinem Schmerz Grenzen zu halten wissen. – Kommt, sagt mir einen witzigen Einfall, den ich der Marquisin über unsre Ankunft sagen kann.

SERAPHINE.
Wie sie erschrecken wird, Bruder, wenn sie uns sieht!
ALVAREZ.
Da seh ich unsern Pietro schon mit einer Kutsche kommen. Laßt uns hineinsitzen. Gehen ab.
2. Szene
Zweite Szene
Der Schauplatz verwandelt sich in einen Gasthof in Cadiz.
Dorantino, Strombolo, Doria, Mezzotinto und andere Gäste an einer Table d'hôte.

STROMBOLO
in der Zeitung lesend.
Er ist dem Hofe nach Ildefonse gefolgt, aber nur zwei Tage da geblieben.
DORIA.

Ein schlechter Kerl! Das ein Philosoph? Wenn zu einem Genie nichts mehr gehört, als Spitzbubenstreiche zu machen.

STROMBOLO
läßt das Blatt fallen.
Mit Ihrer Erlaubnis, von wem reden Sie?
DORIA.
Von wem Sie auch reden –
STROMBOLO.
Vom Minister?
DORIA.

Vom Strephon, zum Teufel, vom Strephon, von [298] wem anders? Ich dachte, Sie redten auch vom Strephon. Ein Spitzbube in optima forma. Er schickt mich zum Don Alvarez, der einen Gesellschafter sucht und mich hundertmal drüber angeredt hat, und als ich mich endlich entschließe und eben hinkommen will, ihm meine Einwilligung zu geben –

STROMBOLO.
Ich dachte, er brauchte einen Sekretär, haben Sie mir gesagt –
DORIA.
Nun ja, so hat er sich davon gemacht, ist mit Herrn Strephon zu Schiff gegangen.
MEZZOTINTO.

Zu Schiff, sagen Sie? – Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Doria, das muß ich besser wissen. Er ist nach Orensee ins Bad gereist mit seiner Schwester, von da werden sie –

DORIA.

Sie sind schlecht berichtet, Herr Mezzotinto. Ich muß es doch zum Teufel aus guter Hand haben, da ich mit dem Castellan selber gesprochen, der ihnen in ihrem Jagdschiff das Geleit gegeben.

MEZZOTINTO.
Sie wollen nach Hofe gehn, um Strephon eine Stelle dort auszumachen?
DORIA.

Nach Frankreich sind sie gegangen, mein Herr, nach Frankreich, und schweigen Sie still, wenn Sie es nicht wissen, und reden nicht so in den Tag hinein. Nach Frankreich, das können Sie Ihrem Neuigkeitskrämer wieder erzählen.

MEZZOTINTO.

Muß man denn alles sagen, was man weiß? Sehen Sie denn nicht, daß es nötig war, die wahre Absicht ihrer Reise zu maskieren? da Strephon – ich darf nichts weiter sagen, aber Sie sind doch alle einig mit mir, meine Herren, daß Strephon ein kluger Kopf ist. Ein wenig zu geheimnisvoll war er sonst, aber gegen mich nicht.


Lacht und trinkt.
STROMBOLO
mit einem vielbedeutenden Kopf schütteln, indem er Doria langsam auf die Schulter schlägt.
Ja, mein lieber Herr Doria, Herr Strephon war ein Mensch, wie alle andern Menschen auch sind.
[299]
DORIA.
Er war ein Spitzbube, ein Mensch ohne Ehre, ohne Treu und Glauben.
STROMBOLO.
Das möcht ich nun eben nicht sagen.Lächelnd. Verstand genug dazu hatte er –
DORIA.
Und auch den Willen. Das beweist die Tat.
STROMBOLO.

Er kann vielleicht in der Übereilung weggereist sein, ohne vorher an sein Versprechen zu denken, wiewohl das nun auch nicht artig ist –

MEZZOTINTO
schmatzend.

Ja meine lieben Herren, Sie können von alle dem gar kein Urteil fällen, sehen Sie einmal, weil Sie von den Umständen nicht unterrichtet sind. Ich weiß es vielleicht allein, warum Strephon nicht anders hat handeln können, als er gehandelt hat. Kehrt sich zu Dorantino, der ihm zur Linken sitzt, indem er sich auf den Tisch lehnt. Der Gemahl einer schönen und reichen Donna zu werden, Herr! das ist keine Narrenposse – da kann man die Philosophie schon scheitern lassen.

DORIA.
Was sagen Sie, mein Herr?
MEZZOTINTO
sieht ihn an, ohne ihm zu antworten.
STROMBOLO
der gehorcht hat.
Ja so – nun begreif ich's auch –
DORANTINO
sehr freundschaftlich zu Mezzotinto.

Aber hört einmal, lieber Mann, das ist doch nicht schön vom Herrn Strephon, daß er mir nichts davon gesagt hat. Ich bin sein ander Ich gewesen, er hat nichts vor mir geheim gehalten, ich bin der einzige gewesen, der ihn hier unterstützt hat, hätt ich ihm nicht auf die Beine geholfen, er läge itzt vielleicht am Zaun verreckt – Trinkt. Ich kann mir doch nicht einbilden, daß er so undankbar gegen mich sein würde und mir ein Geheimnis aus seinem Glück gemacht habe.

MEZZOTINTO.

Wenn ein gewisser Herr seinen Trauring von einer gewissen Person zurückgeschickt bekommt, so muß das doch seinen zureichenden Grund haben und den Grund weiß ich.


Trinkt.
[300]
STROMBOLO.

Das ist wahr, daß Herr Strephon immer für sich selbst zuerst zu sorgen pflegte. Er wußte sich aber doch bisweilen einen sehr großmütigen Anstrich zu geben.

DORIA.

Und war doch nichts als Judas dahinter. Da haben Sie nun ein wahres Wort gesagt, mein allerliebster Herr Strombolo.

STROMBOLO.
Alle Leute von Verstand und Genie handeln so. Und das muß auch sein. Es muß ein Unterscheid sein.
DORIA.

Darum wollt ich eben kein Mann von Verstand und Genie sein. – Ihr Herren, es hat zwei geschlagen, wer kommt mit mir aufs Kaffeehaus?

3. Szene
Dritte Szene
In Marseille.
Strephon allein im Saal auf- und abgehend.

STREPHON.

Tod oder Liebe! Strephon! Strephon! wie lang hast du gezaudert? Wie unerträglich ist's alle Tage! Blick auf Blick geheftet, Auge in Auge gewurzelt mit brennenden Lippen vor ihr da zu stehn und immer die Unmöglichkeit zu wissen, ihr Verlangen mein Verlangen – Ist denn kein Krieg da – es gibt keinen – überall Friede, schändlicher Friede – daß ich ein Teufel wäre, welchen anzuspinnen – Und wo soll ich hin von ihr – von ihr, die so jung, so reizbar, so wankelhaft – sie vielleicht zur Beute eines andern – eines Franzosen, der durch nachgemachte Empfindungen, verstellte Lebhaftigkeit sie hintergeht – ich weiß nicht, was der La Fare immer um sie hat, das gepuderte Totengeripp – er schwatzt in einem Atem mehr als ich in zehn Wochen, und sie hört aufmerksam zu, wenn er schwatzt – O ich sehe wohl, Seraphine war das höchste Gut, das ich mir [301] wünschen konnte, aber ich bin unterwegens am Angel hängen geblieben und muß mich verbluten – Was soll sie auch, wenn kein Mittel abzusehen ist, wie wir vereinigt – O verwünschte Philosophie, wie hast du mich zurückgesetzt? wo wär ich? auf dem Gipfel des Glücks, der Ehre, trüge itzt vielleicht Seraphinen eine Hand an, auf die sie stolz sein könnte – wenn du mich nicht mit deinen elenden Täuschungen in meiner beobachtenden Untätigkeit – Ha ein kühner Entschluß ist besser als tausend Beobachtungen – ich bin verfehlt – die Seufzer meiner Eltern haften auf mir – Seraphine, wenn ich nicht noch Hoffnung – Zieht mit konvulsivischen Bewegungen den Dolch. Seraphine tritt herein, im Domino.

4. Szene
Vierte Szene
SERAPHINE.
Was gibt's Strephon? ich glaube, Sie überhören Ihre Rolle schon.
STREPHON
steckt ein.

Nein Donna, ich spiele nicht mit – ich habe zu lange zugesehen – ja doch ich spiele mit. Meine Rolle soll Ihnen Vergnügen machen. Ich mache den Sohn der Lenclos.

SERAPHINE.

Ich bin so begierig auf das Stück als auf die Aufführung. Die Marquisin Chateauneuf gleichfalls, ich versichere Sie. Und der Marquis La Fare, Sie können sich nicht vorstellen, wie er sich auf Ihr Schauspiel freut.

STREPHON
halb die Zähne knirschend.
Er gibt Ihnen den Arm zum Ball heut.
SERAPHINE.
Er wird gleich kommen und mich abholen. Bin ich Ihnen so recht geputzt, Strephon?

Auf und nieder gehend.
STREPHON
halb abgewandt.
Diese zuvorkommende Güte stopft mir den Mund. Und doch hab ich nicht weniger Ursache zu klagen.
[302]
SERAPHINE.

Was murren Sie da für sich? – Auf ihn zugehend. Geschwind Strephon! Sie haben was – Sagen Sie's, eh die Kutsche kommt –

STREPHON
mit gebogenem Knie.

Ach so viel Güte wohnt nicht in sterblichen Körpern – Ich fühle jetzt, Fräulein! das ganze Gewicht meiner unglückseligen Bestimmung. Leidenschaft genug in der Brust, das Höchste zu wünschen, und doch zu wenig Mut und Kraft, was anders als Ihr Sklave zu sein.

SERAPHINE
ein wenig nachdenkend und lächelnd.
Ich errate – Wessen Schuld ist es? liegt es nicht an Ihnen allein? –
STREPHON
heftig.
An mir – ja an mir – ich Elender!
SERAPHINE.
Sie waren nicht zum Fidalgo geboren – Sie könnten, wenn Sie wollten –
STREPHON.
Reden Sie aus, ich beschwöre Sie –
SERAPHINE.

Sie sind in Frankreich, wo man Ihren Ursprung nicht weiß – mein Beutel, meines Bruders Beutel steht Ihnen zu Diensten – Ha der Wagen hält, ich will den Marquis nicht bemühen, heraufzusteigen. Leben Sie wohl Strephon –


Läuft ab.
STREPHON
außer sich.

Kein Krieg da – keine Gefahr da, der ich um Seraphinens willen trotzen könnte. Nicht einen, tausend Tode zu sterben, wäre mir Wollust, nicht den körperlichen Tod allein, Tod der Ehre, der Freundschaft, der Freude, des Genusses, alles dessen, was Menschen wert sein kann. Wenn ein Abgrund offen stünde vor mir, ich stürzte mich hinab – Und La Fare, La Fare – La Fare, der den Freier macht – der durch mich, durch seine verstellte Freundschaft für mich ihr Herz zu erobern sucht – was ich empfinde, was ich verschweige, ihr vorplaudert, und auf Kosten meiner innern Qualen genießen will – o wie elend – elend bin ich. Und sie selbst, die Furcht, sie zu verlieren, verhindert mich, sie zu gewinnen, mich von ihr zu entfernen und in der schrecklichen Einöde des Hofes mein Glück zu versuchen.[303] – Ha, wenn ich mich ihres Herzens erst versichert habe – und das muß durch meine Ninon geschehen – so will ich die Gewalt sehen, die meine Bemühungen sie zu erhalten aufhalten soll.

5. Szene
Fünfte Szene
Alvarez tritt herein, einen Brief in der Hand.

ALVAREZ.

Da ein Brief, Strephon, vom Don Prado – seht doch einmal, was dran ist und beantwortet ihn – wenn Ihr vorher mit meiner Schwester geredt habt.

STREPHON
nimmt den Brief zitternd.

Vom Don Prado? – Bei Seite. Welch ein kalter Schauder überfällt mich! Etwas bebend im Ton der Stimme. Don Prado, wo mag er unsern Aufenthalt erfahren haben?

ALVAREZ.

Weiß ich es? die Schwester, glaube ich, könnte nach Polen gehen, er würde sie doch immer mit Briefen dahin verfolgen. Ich wünschte, der Mensch könnte sie vergessen, denn es tut mir doch leid um ihn.

STREPHON
mit schwacher Stimme.
Mir auch –
ALVAREZ.

Na, wie steht's mit unserm kleinen Theater? Seid Ihr bald fertig mit Euren Schauspielern. Ihr könntet Euer Stück auch immer nachher auf dem großen Theater spielen lassen, wenn die Marquisin von Chateauneuf es billigt, denn sie ist eine Kennerin.

STREPHON.

Das bin ich versichert. Ich will den Brief nicht aufbrechen, bis alles vorbei ist. Er könnte mich sonst in meiner Aktion stören.

ALVAREZ.

Gut, gut, wer treibt Euch denn? Mir zu Gefallen könnt Ihr ihn auch übers Jahr aufmachen. Nur daß unser kleines Spektakel was Guts werde, denn die Marquisin, hört einmal, hat einen sehr verwöhnten Geschmack. Ihr dürft ihr nichts Mittelmäßiges bringen, ich rat es Euch. Es muß nicht zu – tragisch sein, auch nicht zu – komisch, nicht zu heftig – auch nicht zu kalt, nicht [304] zu hoch – auch nicht zu gemein – kurzum, Ihr wißt schon, was ich sagen will.

STREPHON.
Ich hoffe, daß Sie alle sollen befriedigt werden.
ALVAREZ.

Na ich glaube, Ihr habt Euch eben vorbereitet, ich will Euch nicht stören. Lebt wohl und haltet Euch gut.


Geht ab.
STREPHON.

Vom Don Prado. Den Brief auf der Hand schlagend. Nimmer, nimmer will ich ihn erbrechen. – Don Prado, der alles das ist, was ich sein könnte – zu sein hoffe – nie sein werde – – – Und bin ich schuld daran? hab ich sie dir entzogen? hab ich den mindesten Schritt die geringste Bewegung gemacht, sie zu dem Bruch zu vermögen? Hab ich ein Haar dir im Weg gelegt? – Don Prado, Don Prado, du erdrückest mich – du verdienst sie, du verdienst sie – aber ich kann sie dir nicht abtreten, nimmer, nimmer, so lange noch Muskelkraft in diesem Herzen ist. – Wenn Doria – Mezzotinto – ach wie werden meine Freunde meinen Namen vierteilen – Doria – ach ich habe vergessen, von ihm mit Alvarez – Ich Unglücklicher, er hat einen andern – Guter Gott, was ist der Mensch? Mögen sie mich schwarz machen wie den Teufel, wenn ich Seraphinen erhalte, bin ich engelrein.

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
Ein kleines Theater in Alvarez' Wohnung.
Der Vorhang ist niedergelassen. Vorn steht eine Reihe Stühle. Vor ihnen spaziert Strephon herum, eine kleine Brieftasche in der Hand.

STREPHON.

Das erstemal meines Lebens, daß ich so dreist bin, etwas anzurühren, das ihr gehört. Aber es muß sein, [305] es muß sein, mein ganzes Leben hängt ab davon, das Schicksal hat es nicht umsonst in meine Hände fallen lassen. Sie, die sonst alles verschließt, dies im Speisesaal verloren – ha, wenn alles vorherbestimmt ist, was wir tun – er könnte mir nicht gelegener kommen, der Zufall, als in Augenblicken, die so entscheidend für mich sind.Durchsucht die Brieftasche. Vom Don Prado – vom Don Prado – die hat sie noch? hm! Das beste der weiblichen Herzen ist doch nicht von Eitelkeit ausgenommen – La Fare – ha! ich bin verloren, La Fare – an der Spitze aller meiner Entwürfe, meiner Laufbahn – La Fare – – Wenn ich nur das Herz erst hätte, zu lesen – sollte sie es mit Fleiß haben liegen lassen, mich zu warnen – mich zu überzeugen, wie wenig sie sich aus Briefen der Art mache – Ha ich will nur lesen, eh sie kommen – mag darin enthalten sein, was da wolle. Steckt die Brieftasche ein und liest das Billet. Ich denke, da sie weiß, daß ich eben im Begriff stehe, nach Paris zu gehen und alle unsere großen Hoffnungen auszuführen, wird sie doch so grausam nicht sein und mich – mich – Greift sich an den Kopf. nein, nein, lesen wir nur, lesen wir nur – »Wie Donna! der Fidalgo mit dem abstudierten bleichen Gesicht und weiter nichts sollte mir im Wege stehen.« Weiter nichts – –


Liest weiter.

»Hüten Sie sich, so ein Lächerliches zu geben. Es wäre das erstemal Ihres Lebens. Er bildt sich ein, ein außerordentlicher Mensch zu sein. Ich schätze seine Gelehrsamkeit« – Gelehrsamkeit? – Sie ist eine Verräterin – »noch mehr die Dienste, die er Ihrem Herrn Bruder erwiesen haben soll. Auch soll er mir im mindesten nicht beschwerlich, so wenig als gefährlich sein. Bleiben Sie immerhin seine Freundin, so wie ich um Ihrent willen sein Freund sein will. Mag er allenfalls, wenn er von seinen frostigen Beschäftigungen Atem holen will, vor den Kamin Ihrer Augen treten und sich, wie es solchen Sylphen zukommt, mit [306] einem Blick auf einige Monate abspeisen, ich bin ein Franzose, Donna, das einige Wort schließt mehr in sich, als Ihnen hundert Briefe erklären könnten.«

Holla! Marquis La Fare, nicht so gemeint – Ich merke – ich merke die ganze Absicht, warum sie ihn hat liegen lassen. Hier muß eingelenkt werden. Die Liebe leidet keine Teilung, mein luftiger Marquis, und wenn sie mir geraubt werden soll, müssen andere Leute als du mir sie streitig machen. – Also mich nach Paris zu entfernen, und mittlerweile ich Leben und Ehre in die Schanze schlage – – schöner Plan – sie kommen. Itzt den Komödianten gemacht, Strephon, oder den Narren auf ewig –


Alvarez mit der Marquisin, La Fare mit Donna Seraphina kommen und nehmen ihre Plätze ein. Strephon komplimentiert sie und entfernt sich nachher. Der Vorhang wird aufgezogen. Ein Zimmer der Ninon Lenclos erscheint.
2. Szene
Zweite Szene
Das kleine Theater. Vorn als Zuschauer Alvarez, die Marquisin von Chateauneuf, Seraphina und der Marquis La Fare.

NINON
tritt auf in einem reizenden Negligé und sieht einem Maler zu, der auf die Decke ihres Zimmers die Geburt der Venus malt.
Ninon brummt folgendes Liedchen für sich.
Gute Laune, Lieb und Lachen
Soll mich hier
Unaufhörlich glücklich machen,
Und die ganze Welt mit mir.
Auf dem Samt der Rosen wiegen
Sich die Weisen nur allein,
Liebe? ist sie nicht Vergnügen?
Nur die Treue macht die Pein.

Von Anfang.
[307]
MALER.

Mademoiselle Sich die Augen wischend. ich habe die Venus malen wollen, und habe Sie getroffen. Glücklicher Mann, der das alles einmal sein nennen kann.

NINON.

Den Wunsch nehm Er zurück, es wäre der unglücklichste Mann auf dem Erdboden, wenn ich gewissenlos genug sein könnte, mich einem zu er geben. Liebe ist ein Augenblick, und nur die unbändigste Eitelkeit der Mannspersonen kann sich überreden, diesen Augenblick dauren zu machen. Ich bitt Ihn, sag Er doch allen Mannspersonen, daß dem nicht so ist.

MALER.

So ein schönes Herz bei so schlimmen Grundsätzen, O Mademoiselle, warum sind Sie doch keine Deutsche? denen es die Väter so oft vorsagen, daß sie ihrer los sein möchten, daß sie beim ersten freundlichen Blick, den ein Mann ihnen zuwirft, gleich fragen: Mein Herr, werden Sie mich auch heiraten?


Strephon tritt auf, als der junge Lenclos, unter dem Namen des Ritter von Villiers.
NINON.
Sehen Sie hier unsere künftige Stoa. Und die Göttin der Weisheit oben.
VILLIERS
wirft einen unbedeutenden Blick drauf.
Ich höre, Ninon, Sie wollen den Marquis Riparo heiraten.
NINON.
Wer hat Ihnen das gesagt? Zum Maler. Lassen Sie es nur für heute so gut sein.

Maler geht langsam ab.
VILLIERS.
Es gibt viele unbeständige Dinge in der Welt, aber das unbeständigste ist ein Frauenzimmer.
NINON.
Ich bin Ihre Freundin, und als die beständig.
VILLIERS.

Den Marquis Riparo, den kalten Narziß? Wenn Sie mich wenigstens einem jüngern feurigern Liebhaber aufopferten, aber – he, Sie haben drauf gesonnen, mich durch eine unerhörte Handlung zu einer ganz neuen Art von Verzweiflung zu treiben. Und das mit dieser Gleichgültigkeit, mit dieser heitern Miene –

NINON
faßt ihn an die Hand.
Ritter Villiers, ich bin nicht gleichgültig.
[308]
VILLIERS.

Gehen Sie, Sie sind weder freundschaftlich noch mitleidig, was auch diese Träne mir weis machen will, die Ihnen keine Mühe kostet. Soll ich Ihnen den wahren Inhalt Ihrer Miene sagen? Sie freuen sich, daß mich diese Heirat rasend macht, Sie sind nicht bloß gleichgültig gegen mich, Sie hassen mich.

NINON.

Ja ich hasse Sie, junger Mensch, wenn Sie mir Liebe abzwingen wollen. Unbesonnener, weißt du auch, was du verlangst? hört Liebe nicht auf, Liebe zu sein, sobald sie Gefälligkeit wird, liegt nicht ihr ganzer Zauber in ihrem Eigensinn?

VILLIERS.

Ach hätten Sie mir das das erstemal gesagt, als meine von Wollust schwimmenden Augen sich zu den Ihrigen erhoben und Blick auf Blick unsere Seelen verschwisterte. Hätten Sie mir's gesagt, als ich zum erstenmal zitternd Ihre Hand an diese Brust legte Seraphine unten wischt sich die Augen. und Sie leise riefen: Strephon, Strephon, was will aus uns werden?


Es wird ein Geräusch unten. Alvarez klatscht.
ALVAREZ.
Ha ha ha, Strephon, du hast dich versprochen, du Ochsenkopf.
VILLIERS
fährt fort.

Und jetzt diese Verwandlung – oder tatst du das nur, um mir deinen Verlust desto empfindlicher zu machen, wenn du mich anfangs mit der süßesten aller Hoffnungen geschmeichelt hättest? Ninon – Ihr die Hand vom Gesicht nehmend. du weinst? – Ninon – es ist das unnatürlichste Schauspiel, das ich mir je einbilden konnte – ein Weib in Tränen über einen Menschen, den sie zu verderben sucht. Entehre dein Geschlecht nicht, dessen Zierde du sonst warst. Ninon, Wohnplatz aller Freuden, aller Reize, aller Seligkeiten in der Natur – Und kann ich dich zu Tränen bringen und nicht zum Mitleid? Lache lieber, lache über meine Verzweiflung –

NINON
eilt ab.
VILLIERS.

Sie geht, lächelt, gleitet so hin über meine Qualen, ihr Leichtsinn wirft so ein falsches Licht darauf. O [309] das ist der menschlichen Leiden höchstes, für einen Komödianten angesehen zu werden, derweil wir doch fühlen, daß unsere Pein es so ernstlich meint. – Sterben – Sterben – das einzige, was mir übrig bleibt – ha sterben, und ausgelacht zu werden – Pocht an ihr Kabinet. Ninon! Ninon! – Sie werden glauben, ich töte mich aus Verdruß, aus Rache – nein Ninon! ich sterbe aus Liebe. Er zieht den Degen. Ein Bedienter öffnet die Kammertür und gibt ihm ein Billet. Er bricht es auf und liest. Bedienter ab. »Gehen Sie sogleich nach meinem Gartenhause in der Vorstadt des heiligen Antons. Ich werde Ihnen in einer Viertelstunde dahin folgen und Neuigkeiten von der äußersten Wichtigkeit entdecken« – Sagt Eurer Frau, ich fliege – er ist fort – Küßt und drückt das Billet und eilt ab.


Grammont und der Marquis Riparo treten auf, Freunde der Ninon.
RIPARO.

Sagen Sie mir doch Grammont, was fehlt unserer Lenclos, sie ist seit einiger Zeit ungewöhnlich bleich und nachsinnend. Nicht wahr, seit ihrer Mutter Tod hat sie noch nie diese Farbe gehabt? Sollte man die Ursache nicht erraten können?

GRAMMONT.
Ihr Rosenbett muß doch auch seine Dornen haben. Das Andenken ihrer Mutter vielleicht –
RIPARO.

Sollte man nicht vielmehr vermuten, daß sich ihr Herz an einen glücklichen Gegenstand zu befestigen anfinge, und daß dieser Streit zwischen ihren Grundsätzen und Empfindungen – –

GRAMMONT.
Und wer sollte der Glückliche sein?
RIPARO
lachend.
Ich weiß nicht.
GRAMMONT.

Schmeicheln Sie sich nicht, Marquis – oder beunruhigen Sie sich nicht. Sie sind der Mann nicht, Ninon schwermütig zu machen.

RIPARO
indem er eine Capriole mit den Füßen schneidet.

Wenn aber eine unvermutete eigensinnige Leidenschaft den Weg zu diesem Herzen gefunden – Es kann nicht [310] anders sein, auf einen langen Sonnenschein muß einmal ein Wetter folgen.

GRAMMONT.

Wenn Sie der Herr von Elbene wären, würde ich sagen, Sie hätten in einem Heldengedicht gelesen. Wie? Sie können töricht genug sein, sich einzubilden, daß es Ninon mit ihrer Verheiratung an Sie ein Ernst sei? Daß Sie der Alexander sein, der diese mit so vieler Weisheit und Entschlossenheit seit so langen Jahren bei ihr angelegten Befestigungen gegen den Ehestand mit einem Blick über den Haufen wirft? – Marquis, haben Sie denn in Ihrem ganzen Kopf nicht so viel gesunde Vernunft, einzusehen, daß diese vorgegebene Leidenschaft für Sie nichts als ein blinder Lärmen ist, den armen Ritter Villiers zurecht zu bringen, dessen ungestüme und unheilbare Leidenschaft sie um desto mehr bedauert, je weniger sie sie zu erhören willens ist. Lassen Sie sich also nur immer zum Temperierpulver brauchen, aber bilden Sie sich nicht ein –

RIPARO.
Gehen Sie, gehen Sie, Sie sind nicht klug. Lassen Sie uns nur hineingehen, Sie werden sehen.
GRAMMONT
klopft ihm lachend auf die Schulter.
Guter Marquis Riparo.

Beide gehen ins Nebenzimmer.
LA FARE
unten.

Sie werden mir verzeihen, Donna, es fällt mir ein, daß ich bei einem meiner Freunde, der auf den Tod krank liegt, einen Besuch zu machen habe. Er empfiehlt sich, nachdem er Alvarez gleichfalls ins Ohr geflüstert.


Der dritte Vorhang wird aufgezogen. Es erscheint das Gartenhaus der Ninon. Ninon in Trauerkleidern. Villiers vor ihr auf den Knien.
DIE MARQUISIN CHATEAUNEUF
unten zu Alvarez.

Jetzt wird das Gemetzel angehen, ich liebe dergleichen Szenen nicht. Wissen Sie was, es sind hier Seiltänzer angekommen, wollen wir gehen und ihnen zusehen?

ALVAREZ.
Seraphina, willst du mitkommen, wir wollen die Seiltänzer sehen?
[311]
SERAPHINE.
Mein Gott, lassen Sie uns doch wenigstens die Katastrophe abwarten.
ALVAREZ.

Die Marquisin liebt die Strophen nicht. – Weißt du was, du kannst ja mit Strephon nachkommen, wenn alles vorbei ist.


Führt die Marquisin ab. Donna Seraphina bleibt sitzen. Das Schauspiel geht fort.
NINON
oben.

So gibt es denn Zufälle, die alle Vorsicht der menschlichen Klugheit zu Schanden machen. Schlägt in die Hände. Unglücklicher! was hab ich nicht angewandt, Ihren verirrten Sinnen die Ruhe wieder zu schenken! So wissen Sie denn, weil Sie das so außer sich selbst setzt, daß meine ganze Heirat mit Riparo nur eine Erdichtung war. Ich kann Sie nicht lieben, ich darf Sie nicht lieben, und doch könnte ich mein Leben hergeben, Sie ruhig zu sehen. Villiers nimmt sie in seine Arme. Unsinniger! heben Sie Ihre Augen zu jener Uhr auf! Es sind schon fünf und sechzig Jahr, daß ich auf der Welt bin.

VILLIERS.

Wird die Sonne alt? Wärmt sie weniger als vor tausend Jahren. O Sie! noch immer Zauberin, heilige Beweglichkeit, unaufhörlicher Wirbel aller Reize.


Will sie küssen.
NINON.
Meine Kräfte verlassen mich. Gott! mußt ich bis zu diesem Augenblick leben?
VILLIERS.
Vollkommenstes, reizendstes, seligstes –

Küßt sie oft und feurig.
NINON
halb sterbend.

Mäßigt Euch – Erholt sich und rafft sich auf. Mäßigt Euch Rasender! was fängst du an Stößt ihn von sich. Ungeheuer! deine Mutter – –

VILLIERS.
Was ist Ihnen?
NINON.
Ich bin deine Mutter.
VILLIERS
stürzt hin, sie sinkt neben ihn.
NINON.

Was für ein Herz muß ich dir gegeben haben, daß es dir an diesem Orte nichts sagte. Ja, unnatürlicher Sohn, erkenne das Haus, wo ich dich zur Welt brachte – der Fluch meiner Mutter trifft mich itzt – Wenn ich [312] nicht fürchten müßte, daß die Leidenschaft eines Bastards Gott und Natur aus den Augen setzen könnte – ach die einzige Wonne meines Lebens, dich an dieses Mutterherz zu pressen – sie ist mir versagt –

VILLIERS
nachdem er sie mit wilden und wütenden Blicken angesehen, zieht jähling den Dolch hervor und ersticht sich.

Seraphine von unten winkt mit dem Schnupftuch. Der Vorhang fällt zu. Strephon kommt noch in der Kleidung des Ritter Villiers herab zu Seraphinen.
SERAPHINE
da sie ihn sieht.
Ach Strephon! wie gehen Sie um mit mir?
STREPHON
vor den Stühlen kniend.

Donna! es war notwendig – meine teuerste Donna – Wenn ich Sie beleidigt – wenn ich Sie durch diese Vorstellungen auch nur zu sehr beunruhigt habe – denn auch das ist Beleidigung – sprechen Sie, sprechen Sie das Todesurteil aus über mir. Ich bin bereit, es zu vollziehen – Sie werden mich glücklich machen.

SERAPHINE.

Setzen Sie sich – setzen Sie sich – –Strephon setzt sich auf der Reihe Stühle, die vor ihr stehen, neben ihr. Sagen Sie mir, Sie, der Sie so scharfsinnig die Herzen zu erraten wissen Sie sieht ihn lange an und schweigt. – was sind Ihre Absichten mit mir?

STREPHON
seinen Mund auf ihre Hand drückend, die sie auf die Lehne des Stuhls gelegt hatte.

O wie kann ich reden – bei diesem Übermaß von Glück – Aber Donna! Gottheit! wider die zu murren ich mich nie unterstehen werde – eh ich Ihnen meine Plane, um Sie zu erhalten, entdecke – Zieht einen Brief heraus. kennen Sie diesen Brief?

SERAPHINE.
Der Brief des La Fare? – Nimmt ihn ihm gelassen aus der Hand. und der setzt Sie so außer sich?
STREPHON
äußerst unruhig.
Wundert Sie das? –
SERAPHINE.
Ich wußte kein ander Mittel, unser beider Wünsche zu befördern, als meine Verheiratung mit ihm.
[313]
STREPHON.

O daß Sie das Wort nie gesagt hätten! Ein tötender Donnerschlag aus einem heitern Himmel wäre mir angenehmer gewesen. Wozu wollen Sie mich machen? zu einem Petrarchischen Sylphen, der in ewigen Elegien seufzend um Sie herumgeht? Glauben Sie, daß die Wünsche, die in dieser Brust toben, so schal, so schwach und so ohnmächtig sind, sich damit zu befriedigen? Ich muß Sie besitzen, Donna – oder nicht leben.

SERAPHINE.

Und was für Mittel haben Sie? lassen Sie doch hören. Sie wollen nach Paris gehn, Geschäfte zu übernehmen, die Sie bald zu einem Rang heben werden, der meinem Bruder den letzten Vorwand benehmen soll, unsere Verbindung zu hindern. Haben Sie das auch recht überdacht? Ist etwa in Paris ein Mangel an großen Leuten, sowohl in Ansehung der Talente als was Ihnen noch fehlt, Strephon – der Erfahrungen? Wie wollen Sie sich durch diese Weg machen, lieber Strephon, diesen vordrängen? Sie sind keiner von den jungen Aufgeblasenen, die sich in der ganzen Welt als den Mittelpunkt sehen und glauben, daß die ganze Welt auch so sehen werde. Bedenken Sie, was dazu gehört, an einem Hofe wie der französische nur bemerkt zu werden, geschweige sich emporzuarbeiten, sich unentbehrlich zu machen –

STREPHON
in tiefen Gedanken, mit einem unterdrückten Seufzer.
Ach –
SERAPHINE.

Sie könnten grau darüber werden. Auch haben wir dort keine Freunde, keine Unterstützungen, keinen Zusammenhang, weit weniger könnten wir Ihnen welche verschaffen – Wo also da Ausweg für uns, lieber Strephon, für unsere Wünsche? – Und glauben Sie, ein Frauenzimmer könne unterdrückte Wünsche so ruhig nähren, derweile Sie die Erlaubnis haben, sie ausbrechen, sie wüten und toben zu lassen? O ihr Mannspersonen, wie wenig besitzt ihr das Geheimnis, in einer weiblichen Seele zu lesen!

[314]
STREPHON
in die Höhe sehend.

Unbarmherziger Himmel! Nach einer Pause. Aber was hindert uns, Donna! das, was das neidische Schicksal uns versagt, uns selber zuzueignen? Fällt auf die Knie. Ich weiß, ich bin ein Verbrecher, indem ich dieses sage, aber der Himmel läßt mir keinen andern Ausweg übrig. Ach hinter dem süßen Schleier des Geheimnisses würden alle unsere Freuden, wenn es möglich wäre, noch einen höheren Reiz gewinnen, und es hat etwas Erhebendes für die Seele, Gott allein zum Zeugen einer Verbindung zu nehmen, die so ewig als er selber ist –

SERAPHINE.

Strephon, hören Sie alles. Ich hätte mich mit Don Prado verheiratet, wenn er nicht ein Mann gewesen wäre, von dem Sie alles zu befürchten gehabt hätten. Zu betrügen war er nicht, er wollte mein Herz, nicht meine Person, er hätte dieses Herz erworben, er hätt es Ihnen entzogen. La Fare ist ein Franzose, La Fare ist einer der bequemen Ehemänner, denen man nichts raubt, wenn man ihnen das Herz entzieht, die mit Höflichkeit zufrieden unsere Liebe nicht vermissen – Sie staunen Strephon! sehen Sie denn nicht, daß der Mann ausgebraust hat, ausgelebt hat? – und damit Sie den Schlüssel zu all meinen Entwürfen – zu unserer ganzen künftigen Glückseligkeit haben – Sie steht auf. La Fare ist arm. – Ich erkaufe unserer Liebe einen Beschützer. Geht schleunig ab.

STREPHON
allein.

Wo bin ich? – Sie ging, ihre Verwirrung, ihre Röte, ihre Tränen zu verbergen – Und ich – wie glücklich – wie schrecklich die Aussicht! La Fare sie in seine Arme schließen – der Leichnam – Nimmermehr. Gott! so viel Liebe – und ich hier, staunend, ohnmächtig, zerrissen von Dankbarkeit, Verzweiflung und Freude – Sie arbeitet darauf, mich wenigstens zur Hälfte glücklich zu machen – und ich so untätig – Ha Strephon – sie – sie muß ganz dein sein – oder du bist ihrer nicht wert – nicht wert auf einem Erdboden zu stehen, den sie [315] betrat. Wie? du ein Mann? – und dich so von einem Frauenzimmer übertroffen zu sehen? von einem Frauenzimmer, das an Jahren unter dir ist? Was hast du getan für sie? – der Gedanke tötet mich. – Diesen Engel mit einem La Fare zu teilen – zu sehn, wie seine Liebkosungen sie entweihen – wohl gar unsere schüchterne Liebe unter seiner Herrschaft – wenn er seinen Zweck erreicht hat – unter seiner Tyrannei zu sehen. Welch ein Licht geht mir auf! Welch ein Abgrund eröffnet sich mir! Zuzärtliche Seraphine! wohinein wolltest du dich stürzen? Nein, nein, ich habe noch Mittel, Alvarez hat Freunde, hat Unterstützungen, hat Zusammenhang in Buenretiro. Alvarez muß nach Spanien zurück, Seraphine muß aus den Klauen des Todes gerissen werden, eh ihre unglückliche Leidenschaft für mich – für einen Nichtswürdigen sie dahinreißt – sie muß, sie muß – und sollte ich sie verlieren – eh Seraphine unglücklich wird, muß die ganze Natur sich aufmachen, sie an dem Bösewicht zu rächen, der die Ursache davon ist.

4. Akt

1. Szene
Erste Szene
In Cadiz.
Alvarez' Wohnung.
Strephon sitzt an einem Tisch und schreibt. Auf einmal springt er auf und geht herum.

STREPHON.

Was für Wonnegenuß zerstörte ich mir! – – Mag's! man muß aufopfern, um mehr zu gewinnen, um alles – ha wie erkältend, wie erkältend die Angst [316] über mir schwebt, vielleicht alles – zu verlieren. Ha, wenn ein großer Mann sich durch dergleichen Besorgnisse abhalten ließe, den entscheidenden Schlag zu wagen – und ich muß Seraphinen verdienen, oder auf alles Verzicht tun. Ihrer unwürdig – ich kann den Gedanken nicht aushalten. Liebe ist nur unter Gleichen, unterschied sie die Geburt von mir, so muß mich mein Herz zu ihr erheben.

2. Szene
Zweite Szene
Seraphine tritt herein.

SERAPHINE.

Ich komme, Ihnen Glück zu wünschen, Strephon! Sie triumphieren. Sie haben ein Meisterstück gemacht, genießen Sie jetzt mit aller Selbstzufriedenheit, die Ihnen möglich ist, die Früchte desselbigen.

STREPHON.
Dieser Ton, Donna? –
SERAPHINE.

Kann Ihnen nicht unerwartet sein. Wie gesagt, Ihr Anschlag ist gelungen, alles, was darauf erfolgen kann, müssen Sie vorausgesehen haben, genießen Sie jetzt der einzigen Belohnung aller großen Anschläge, des schmeichelhaften Beifalls Ihres eigenen Herzens.

STREPHON.
Vorwürfe? –
SERAPHINE
setzt sich.

Nein Strephon! dazu bin ich itzt zu kalt geworden. Auch seh ich die ganze Triebfeder Ihrer unverbesserlichen Politik, denn zum Staatsmann sind Sie einmal geboren. Sie waren zu stolz, mich mir zu danken zu haben, Sie wollten mich Ihnen, Ihren eigenen Heldentaten verdanken, Sie spannen, trieben, arbeiteten bei meinem Bruder dahin, daß er seine Hochzeit mit der Marquisin hier in Cadiz vollziehen sollte, um mich an Ihrem Triumphwagen mit nach Cadiz zu schleppen; ein wunderbarer Staatsstreich! Und wir hier, Herr Strephon! hier, wo jedermann Sie kennt, mit Fingern auf [317] Sie weist – oder bilden Sie sich ein, daß, wenn Sie sich ein höheres Maß von Talenten vor einigen Ihrer hiesigen Freunde fühlen, Sie eben darum auch so hoch in der Meinung der Welt über sie herausgerückt sind? Bilden Sie sich ein, daß der Hof urteilen werde wie Ihre Freunde? und Ihnen den Vorzug eines großen Mannes mit eben so vieler Unterwerfung einräumen, als sie tun? Sie haben meinem Bruder gesagt, daß Sie nach Buenretiro gehen wollten, Sie haben ihn um Geld angesprochen; bilden Sie sich ein, daß der Herzog von Aranda zu regieren sei wie mein Bruder? Daß Sie einem ganzen Hofe vielleicht mit einer Komödie die Köpfe umdrehen wollen?

STREPHON.
O Donna, der Spott –
SERAPHINE.

Sie haben mir weit weher getan. Alles, alles zernichtet, was Liebe und Schwärmerei für Sie unternehmen konnte, und mich, die ich für Sie weiter ging, als je eine meines Geschlechts für den erkenntlichsten Liebhaber getan haben würde.

STREPHON
stürzt hin vor ihr.
SERAPHINE.

Stehen Sie auf – diese Schauspielerstellungen kommen itzt zu spät. Auch ich bin entschlossen – so fest entschlossen, als eine Sterbliche sein kann – weil Sie allen meinen Wünschen entgegengearbeitet, weil kein ander Mittel zu ergreifen ist – lesen Sie diesen Brief. Legt einen Brief auf den Tisch. Er ist von Don Prado – Strephon nimmt den Brief stumm. Strephon – Sie fällt ihm schluchsend um den Hals; dann plötzlich sich losreißend. Sie haben mich auf ewig verloren. Ab.

STREPHON
fällt hin auf einen Stuhl und bleibt eine lange Weile sitzen, ohne sich zu bewegen.

Endlich öffnet er das Papier und scheint drin zu lesen, läßt aber bald die Hände auf den Schoß sinken und sagt mit gebrochener Stimme. Auf ewig – Er fällt in Ohnmacht.

[318]
3. Szene
Dritte Szene
Zwei Bediente [treten herein.]

EIN BEDIENTER AUS DEM HAUSE.

Komm Er nur herein, komm Er nur hier herein, die Herrschaften sind alle zum Don Prado auf die Assemblee gefahren, wir sind hier allein.

STREPHON
der sich erholt.
Don Prado? – Wo war ich? – Zum Bedienten. Wo ist Don Prado?
BEDIENTER.

Nichts, gnädiger Herr – verzeih Er, daß wir hereingekommen sind; wir dachten, Er wär auch auf die Assemblee gefahren – bitten sehr um Verzeihung.


Gehn heraus.
STREPHON
nimmt den Brief von Don Prado aus seinem Schoß auf und liest ihn stillschweigend.

Am Ende wird er laut. »Den unbekannten Freund möchte ich kennen, der wie mein Schutzengel für mich gesorgt haben soll« – für dich? – Da ist der große Mann, den ihr aus mir gemacht habt, meine Freunde – ein Kuppler – Nach langem Nachdenken. Der Mensch ist so geneigt, sich selber zu betrügen; hat er Verstand genug, sich vor seiner Eigenliebe zu verwahren, so kommen tausend andere und vereinigen ihre Kräfte, seine entschlafene Eigenliebe zu wecken, um den Selbstbetrug unerhört zumachen. – Also ein Philosoph? – Und nichts weiter? – Und diese Sentenz, die ich gelernt habe, der Preis aller meiner Bemühungen? – Seraphine! wie gehst du um mit mir? – Es ist zu viel: ich bin es satt. Steht auf. Lahm – lahm nun alle Triebfedern, die mich zum Leben spornten. Was soll ich denn hier länger? Sucht nach seinem Degen. Das ist die kälteste Überzeugung, die ein Mensch haben kann, daß sein Tod von höheren Mächten beschlossen sei.

[319]
4. Szene
Vierte Szene
Don Prado tritt herein.

DON PRADO.

Ich komme, Sie tausendmal an mein Herz zu drücken, bester unter allen Freunden, den mir jemals die Vorsicht gab. Sie schenken mir Seraphinen wieder, die ich schon auf ewig verloren glaubte, edler Mann, edelster unter allen Menschen. Umarmt und küßt ihn. Glauben Sie nicht, daß Sie meinem Dank entgehen wollen, einen Wohltäter wie Sie würde ich aufgesucht haben, so weit menschliche Kräfte reichen. Sie sollen bei mir bleiben, Sie sollen Haus und Habe und unser beider Herz teilen, fürtrefflicher junger Mann.

STREPHON
fängt an zu weinen.
DON PRADO.

O ich fühle sie, ich fühle sie, die Belohnung eines Herzens wie das Ihrige in Tränen wie die sind, Tränen über das Glück eines andern.Umarmt ihn nochmals. Mein vollkommenster Freund.

STREPHON.

Ich habe nichts für Sie getan. Die Güte Ihres eignen Herzens wirft einen falschen Schein der Großmut auf das meinige.

DON PRADO.

Nichts für mich getan? – Diese Bescheidenheit wird Lästerung – In Seraphinens Herz die Abneigung gegen den Ehestand, die sie allein zu dem Schritt gegen mich vermochte, durch das Beispiel der Ninon mit einemmal nach sieben Jahren herausgewurzelt, einen Liebhaber, mit allen Künsten französischer Galanterie gewaffnet, ihr lächerlich gemacht, ihren Bruder und sie wieder in meine Arme geführt, sie sogar beredet, zu unserer Wiederaussöhnung und Wiedervereinigung den ersten Schritt zu tun –

STREPHON
sich an einen Stuhl haltend, im Begriff umzufallen.
Das ist zu viel –
DON PRADO.

Freilich zu viel für alle meine Erkenntlichkeit. Wenn ich irgend ein seltenes, ein über die gewöhnlichen Wünsche der Sterblichen hinausreichendes Gut [320] hätte, Ihnen zur Belohnung anzubieten. Eine Seraphine müßte ich haben, die Ihnen so teuer wäre wie mir die meinige.

STREPHON
fährt auf.

Was sagten Sie? – Faßt sich. Mein Herr, Ihre Trunkenheit der Freude leiht meinen Handlungen ein Licht, das ihnen nicht gehört. Wenn Sie wüßten, wie sehr ein nicht verdientes Lob erniedrigt, demütigt, zerknirscht –

DON PRADO.

Kommen Sie mit mir, Sie sollen Zeuge von meiner und Alvarez' Freude sein, von der wir beide Sie als die vornehmste Triebfeder ansehn. Wir halten heute abend unsere doppelte Hochzeit, Sie sollen uns in die Kirche, zum Altar begleiten, und Ihre Fürbitte wie die Fürbitte eines Heiligen alle Freuden des Himmels auf unsere beiderseitige Verbindung herabziehn.


Führt Strephon mit einigem Widerstande ab.
STREPHON
bei Seite.
O unerforschlicher Himmel! Nur daß ich ihnen nicht fluchen darf – – Ab.

5. Akt

1. Szene
Erste Szene
Mezzotintos Zimmer in Don Prados Hause, mit einem Alkov.
Mezzotinto und Strephon hochzeitlich geputzt, in der Morgenstunde nach Hause kommend.

MEZZOTINTO.

Ihr seid ja so still, so in Euch gekehrt? Auf der ganzen Hochzeit seid Ihr ja fast stumm gewesen. Was ist Euch Strephon, was habt Ihr?

STREPHON.
Nichts.
MEZZOTINTO.

Ihr habt Prados ganzes Herz, das ist nicht wenig. Und könnt zuversichtlich einmal auf eine Beförderung [321] bei Hofe rechnen, der Mann hat mehr Einfluß, als Ihr wohl glaubt. Sich den Rock ausziehend. Nun zieht Euch aus, schwatzen wir noch mit einander, ich kann doch so bald nicht einschlafen.

STREPHON.
Legt Euch schlafen, Mezzotinto, ich werde in Kleidern bleiben.
MEZZOTINTO.

Was? seht Ihr mich denn nicht an, wenn Ihr mit mir sprecht? Der Herr ist grausam abwesend, Scherzend. er wird doch wohl nicht gar noch Grillen in Ansehung der Donna Seraphina? he he he –

STREPHON.

Ich will nur noch einen Brief schreiben, Mezzotinto, und da werdt Ihr mir ein wahres Vergnügen machen, wenn Ihr Euch zu Bette legt, daß ich ungestört bin.

MEZZOTINTO
der fortgefahren sich auszukleiden, tritt hinter den Alkov.
Ihr seid ja doch sonst immer ein Philosoph gewesen –
STREPHON.
Seid ohne Sorgen!
MEZZOTINTO.
Da ist Dinte und Papier in meinem Schreibepult – Gute Nacht denn.

Hinter der Szene rufend.
STREPHON.
Gute Nacht.
STREPHON
allein.

So ist es denn bis dahin gekommen. In diesem Augenblick umfaßt er sie, genießt all der unaussprechlichen Reize, die mein waren, die ich aus – Philosophie in Besitz zu nehmen versäumte. Und ich mußte bis zu diesem Augenblick leben und Schritt vor Schritt ihn zu seiner grausamen Eroberung begleiten. Gut, so muß ich auch Zeuge von dem Letzten sein, um seinen Triumph und meine Verzweiflung vollkommen zu machen.Steht auf und geht zu Mezzotintens Kleiderschrank, wo er aus einer Schublade den Pulverbeutel hervorlangt. Ich will ihm die Hochzeit einschießen. Er nimmt eine Pistole von der Wand und lädt. Philosoph – welch ein Schimpf in meinen letzten Augenblicken! Ein Mensch, der allen Rechten der Menschheit entsagt, um sich bei andern in ein törichtes Ansehen zu setzen. So einer war ich freilich, Mezzotinto, wie jeder [322] Mensch gern das wird, wofür andere ihn halten. Seraphine hat meine Eitelkeit zuerst überwunden und mich überzeugt, daß ein bloßer Beobachter nur ein halber Mensch sei. Ihr, ihrem Glück, ihrer Ehre soll er aufgeopfert werden, dieser halbe Mensch, dessen Tod seine erste schöne Handlung ist. Er setzt die Pistole an die Stirn. Ha, diese Hand soll nicht zittern, dieser Fuß nicht wanken, keinen unzufriednen Laut will ich von mir geben, um ihre Hochzeitsfreude festlich zu machen. – Vorher aber muß ich sie noch einmal sehen, in den Armen ihres Buhlers, vielleicht vom lüsternen Monde beguckt. Ich will die Miene sehen, mit der sie eingeschlafen ist, ob in derselben keine Spur von Mitleid mit ihrem Strephon zu entdecken ist, damit ich getröstet sterben kann. Wenn er sollte zugeriegelt haben – so wird immer ein Fenster zu ersteigen sein. Ich komme nicht, dich in deinem Glück zu stören, liebenswürdiger, gefährlicher Prado, ich komme, dir die letzte Hindernis desselben auf ewig aus dem Wege zu räumen. Dieser Tod ist des wahren Philosophen würdig, dieser Tod ist: die erste gute Handlung meines Lebens. Geht mit wankenden Schritten heraus.

2. Szene
Zweite Szene
Das Brautgemach in Don Prados Hause.
Das Brautbett aufgeputzt. Auf einem Winkeltisch eine halb ausgebrannte Wachskerze. Seraphine sitzt an demselbigen auf einem Stuhl, die Hand auf den Tisch gestützt, mit der sie die Augen bedeckt, in einem reizenden Negligé. Graf Prado im Schlafrock steht vor ihr.

PRADO.
Nun, meine Seraphine.

Er versucht ihr ins Gesicht zu sehen; sie, ohne aus ihrer Stellung zu kommen, wirft ihm den linken Arm auf den Nacken.
[323]
PRADO
liebreich.

Was bedeutet dies? Ist der letzte Augenblick der Freiheit so schmerzhaft? – Noch ist's Zeit Seraphine! ich will Ihr Unglück nicht.Indem er seinen Mund an ihren Ellenbogen drückt. Noch sind Sie Meister Ihrer Entschließungen. Sprechen Sie mein Urteil, und ich werde mich über nichts beklagen.

SERAPHINE
immer wie vorher.
Gott! –
PRADO.

Ach hab ich so wenig Zutrauen bei Ihnen? Kennen Sie mich noch nicht? Zweifeln Sie noch, daß ich Sie um Ihr selbst willen liebe, daß ich Sie mehr liebe als mich, mehr als Ihren Besitz selbst? – –

SERAPHINE
sieht auf.

Prado – es gibt Augenblicke, in denen man sich selber haßt Wieder ihr Gesicht in ihre Hand versteckend. und das sind die unerträglichsten Augenblicke unsers Lebens – –

PRADO
nimmt einen Stuhl und setzt sich zu ihr, sehr aufmerksam sie ansehend.
Wie verstehen Sie das?
SERAPHINE
steht verwildert auf.

Es muß, es muß – Vor ihm niederkniend, ihr Gesicht auf seinen Schoß. Vollkommenster Mann! können Sie mir verzeihen?

PRADO
außer sich.
Seraphine! –
SERAPHINE.

Ich schätze Sie zu hoch, als daß ich Sie hintergehen kann. Ich habe mich selbst hintergangen, ich habe geglaubt, wenn ich Ihnen die liebsten Wünsche meines Herzens aufopferte, würde die Gewalt, die ich mir antat, und die Marter, die es mich kostete, mich Reize in Ihrer Verbindung finden lassen, die mein halsstarriges Herz sonst nicht drinne fand. Aber dieser entscheidende feierliche Augenblick leidet keinen Zwang, keine Verstellung mehr, es ist umsonst, Tugend und Pflicht sind nicht Liebe, Prado, und Sie wollen mein Herz – Sie verdienen eine Frau, die Sie liebt – und ich kann Sie nicht lieben.

PRADO
auf den Tisch fallend.
Nicht lieben? –
SERAPHINE.

Ich habe mich selbst überredet, ich könnte es – aber wie kann ich, wie kann ich Sie mit einer nachgemachten [324] Leidenschaft hintergehen – Ein anderer hat mein Herz, Prado – töten Sie mich, wenn das Sie beleidigt.

PRADO
springt auf.

Ein anderer – Wo ist der Glückliche, daß ich ihm die Nachricht bringe – daß ich ihm alles abtrete, um Sie wieder lächeln zu sehen? –

SERAPHINE
noch immer auf den Knien.

Diese Großmut ist vergebens – wenn Sie mich damit zu gewinnen hoffen. Nein Prado! Sie sind zu hoch über mir, als daß ich Sie lieben kann, ich könnte vor Ihnen zeitlebens auf den Knien liegen, aber nimmer in Ihre Arme, an Ihren Busen fliegen anders als mit dem Gefühl einer Tochter.

PRADO.

Nein, Donna, Sie irren sich, meine Großmut ist keine Verstellung, kein Kunstgriff, etwas von Ihnen damit zu gewinnen – ich entsage allem, allem, und Gott nehme ich zum Zeugen, daß ich Sie glücklich sehen will. Ich kenne kein Glück, unter dem Sie leiden sollen, ich verabscheue dieses Glück, wenn es Sie einen Seufzer, einen grämlichen Gedanken kosten könnte.

SERAPHINE
mit dem Gesicht auf die Erde.

O mein Schutzengel – In flehender Stellung mit gerungenen Händen. So höre denn alles, alles, und ahme der Gottheit nach, die mit Schonung in den geheimsten Gedanken der Sterblichen liest. Seit sieben Jahren liebte ich ihn.

PRADO.
Wen? Seraphine!
SERAPHINE.

Ihn, den mein letzter Atem noch nennen wird. Seit er meines Bruders Vertrauter wurde, seit ich sah, mit welcher Geduld er alle seine wunderlichen Launen und üblen Bewegungen verschmerzte, ohne sich jemals nur mit einem Laut, nur mit einer finstern Miene, nur mit einem Gedanken darüber zu beklagen. Ach Prado, er hat mehr gelitten, als du leidst, er hatte mir alles aufgeopfert – und nun verlor er auch mich – Es muß ihn das Leben kosten – ich sehe ihn immer noch vor mir, wie er gegen mich über stand, als ich am Altare dir den Meineid meiner ewigen Treue schwur – wie sein starrer [325] verwilderter Blick auf dem Boden ruhte, wo ich stand, und sich da sein Grab ausersah. Er stirbt, Prado, und ich habe ihn ganz umgebracht –

PRADO
richtet sie auf.

Nein, er soll nicht sterben, Seraphine – Nenne mir ihn, und wenn noch ein Mittel ist euch zu vereinigen – –

SERAPHINE
fällt an seine Brust.

Ach, daß ich so viel Großmut nicht lieben kann! Prado! wenn du uns vereinigst – ich bin eine Unglückliche, die ihres Herzens nicht mehr mächtig ist – aber das Heiligtum meines Herzens soll dir bleiben – in meinen süßesten Augenblicken der Erkenntlichkeit, der Bewunderung, der Begeisterung für alles, was groß ist, will ich dich nennen, und er soll deinen Namen von meinen stammelnden Lippen küssen – –

PRADO
ungeduldig und heftig.
Wer ist es, Seraphine, wer ist es?
SERAPHINE.
Einer, dem du alles zu danken hattest, und der dir wieder alles zu danken haben soll.
PRADO.
Strephon?
SERAPHINE.
So sei es denn Strephon!
PRADO.

O mit diesem Kuß empfange die letzte aller meiner Anfoderungen auf dich. Die Flamme, die für dich in diesem Herzen brennt, ist viel zu rein, als daß ihr ältere Verbindungen, die du getroffen hast, nicht heilig sein sollten. Strephon sei dein, weil du ihn zuerst gewählt hast, und wenn dein Bruder sich dieser Heirat widersetzen sollte, weil der Himmel so viele Ungleichheit zwischen eure Geburt gelegt hat –

SERAPHINE.
Eben dieses wenn –
PRADO.

O er tat es nur, um mir Gelegenheit zu geben, euch nützlich zu sein. Liebt mich meine Freunde, ihr müßt mich lieben, ich zwinge euch dazu, ich bin das Werkzeug des Himmels zu eurem Glück –


Mit einer Art der Entzückung.
SERAPHINE
äußerst gerührt nach ihm heraufblickend.
Prado!
[326]
PRADO.
Ich will den Namen eurer Heirat tragen.
SERAPHINE
fällt auf ihr Angesicht.
O mehr als ein Mensch!
3. Szene
Letzte Szene
Strephon öffnet das Fenster und steigt, ohne sie gewahr zu werden, herein, eine Pistole in der Hand.

STREPHON
der sich umsieht.

Ha noch Licht –Indem er sie gewahr wird. Ein tröstender Anblick! Seraphine kniend vor dem Liebenswürdigen – Gott wie konnte sie sich sieben Jahre lang verstellen!Seraphine und Prado fahren erschrocken auf, als sie ihn sehen. Ich komme nicht, euer Glück zu stören, junges Paar – ich komme, es vollkommen zu machen. Indem er losdrücken will, fällt ihm Prado in die Arme.

PRADO.
Unglücklicher, was machst du? Sie ist dein! –
SERAPHINE
vor ihm niederkniend.
Um unserer Liebe willen, Strephon! leben Sie für mich!
STREPHON.
Für Sie? –
SERAPHINE
nimmt seine Hand, aus der Prado die Pistole gewunden.

Für mich, für mich – diese Hand war es, der ich heut am Altar ewige Treue schwur. Prado war nur dein Abgeordneter.

STREPHON.
So sucht man einen, der im hitzigen Fieber liegt, zurechtzubringen.
PRADO.

Nein, kennen Sie Ihr Glück ganz, redlicher Strephon. Ich bin zu stolz, Ihnen ein Herz zu entziehen, das Ihnen mit so vielem Recht gehört. Vielmehr will ich dem Wink des Himmels folgen, der mich zum Mittel hat brauchen wollen, zwei so standhafte Herzen auf ewig mit einander zu vereinigen. Sie heiraten Seraphinen in meinem Namen, und ich will Ihr beiderseitiger Beschützer sein. Die Wollust einer großen Tat wiegt die Wollust [327] eines großen Genusses auf, und es wird noch die Frage sein, wer von uns am meisten zu beneiden ist. Kommen Sie in den Garten, der Morgen bricht an, er soll unsere gemeinschaftlichen Freudentränen sehen, und derweile Sie beide, Hand an Hand, die letzten Töne der einschlafenden Nachtigall genießen, will ich Ihnen den Plan unserer künftigen Lebensart erzählen, der unter uns dreien ein ewiges Geheimnis bleiben soll.

STREPHON
faßt ihn an die Hand und sieht ihm fest in die Augen.
So ist es denn möglich, Prado? –
PRADO
umarmt ihn schluchsend, ohne ein Wort zu antworten.
STREPHON
windet sich los aus seinen Armen; indem er ihm die Knie umschlingt.
O welche Wollust ist es, einen Menschen anzubeten!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lenz, Jakob Michael Reinhold. Dramen. Die Freunde machen den Philosophen. Die Freunde machen den Philosophen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E232-1