[89] 18.
Menalk und Mopsus

Eine Ekloge nach der fünften Ekloge Virgils.

ΙΙολλοι γὰρ δη τλημεν ὠλνμπια δωματ᾽ ἐχοντες
᾽Εἑ ἀνδρων χαλεπ᾽ ἀλγε᾽ ἐπ ἀλληοισι τιϑεντες.
Homer.
Ein Mahler ohne Falsch Menalk genannt,
Der Grenze seiner Kunst auf Dosen fand,
Vorzüglich gern geheime Deckel mahlte,
Die hier ein Priester, dort ein Weib bezahlte,
Sein Lieblingsstück der Fall vom ersten Paar,
Nahm ihm die Augen. Heva nackend war
Ihm was Pygmalion Elise. Wie vollendet
Der Busen! alle Kunst war an der Schaam verschwendet.
Welch göttliches Genie verrieth die Katze nicht,
Die bei ihr lag als Merkmal! Was geschicht?
Mit dem Verbessern an der Schaam, dem Feilen,
(Wies allen geht, die sich dabei verweilen)
Kam er um Aug' – und Ohren hätt' ich bald
Gesagt – kurz er ward blind und alt.
Gerächt war Adam; denn schon damals hatten
Die Albertiner all in ihm den Sitz 1. Im Schatten
Zerstöhrter Trieb' und Kräfte saß Menalk
Wie Milkon izt – allein ein ärgrer Schalk.
Mit Reimlein sucht' er nun das zu erreichen,
Was seinem Pinsel unerreichbar blieb. Das Zeichen
Von einer großen Seele, die durch nichts
[90]
Aus ihrem Gleis gerückt, des Tageslichts
Mit Freudigkeit entbehrt, kann sie von Idealen
Die Genitalien nur mahlen.
Sein Nebenbuler Mopsus hatte nie
Erfahren in dem Stück als mit der Phantasie.
Doch hatt' er von den frühsten Knabenjahren
Gelesen und studiert, was andere erfahren.
Vom Naso zur Pücelle alles excerpirt
Was nur verbothen hieß, dann schön filtrirt
Zum Ofen denn lauwarm hineingeschoben
Giebt einen Crem den Alt und Junge loben.
Von allen Orten her verschrieb man sich
Aus seiner Küche: Herrn und Grafen schlich
Das Ding so süß vom Mund in die Culotte,
Sie machten ihn zum Koch, das Volk zum Gotte.
Zu diesem hatt' in einer Sommernacht
Der lustige Menalk im Traum sich aufgemacht
Gelockt durch seinen Ruhm. Nun Leser stehe,
Daß dein geweihtes Aug den Aufzug sehe.
Agrippa sagt 2, es gab ein Medium,
Wodurch die Geister sich im Traum mittheilen: Krumm
Von Mutterleib, die Hände vorwärts hangen;
Kurz, Rousseaus Quadrupes mit glatten Wangen.
Doch nicht so glatt, ein Käsefarbner Bart
Hielt die Trenscheen drauf sehr wohl verwahrt.
Sein Schlafrock zugeschnallt, sein Bund gleich dem von Mosen
Und unaufhörlich zog er sich die Hosen.
Derweil lag Mopsus da, wie der Kanonikus,
Den Despreaux beschreibt, den ich citiren muß 3.
Der seidne Vorhang rauscht, er sieht Menalken stehen,
Glaubt fest den Anti-Seladon zu sehen
[91]
Und bebt. Sei ohne Furcht, ich bin dein Freund,
Umarmet ihn Menalk, der fast für Freude weint.
Ich bin von deinem Handwerk; laß uns eilen
In jene Grotte, wo Driaden heulen,
Und singen Wettgesang von Amors Macht.
Der Mond scheint hell und dunkel ist die Nacht.
Uns ruft die Nachtigall.
Abt Mopsus eilte,
Weil ihm das Medium den Stoß ertheilte,
Unwillig in die Grotte, wo sein Gegenmann
Voll Selbstgefühls, Trotz ihm, begann.
Menalk.

Ich sing den Wald, die Jagd, die Schmelz und Schmiede 4.
Komm, Muse! leite mich, und werde nur nicht müde.
Hier hielt sich Mopsus schon die Ohren zu,
Und gähnte noch einmal um die gestöhrte Ruh.
Ist das ein Anruf? sprach er.
Wenn's belieben,
Versetzt Menalk, der Anruf kommt erst drüben.
Driaden, Faunen, Pan! steht meiner Schwachheit bei,
Und helfet, daß mein Lied vom Wald vernehmlich sei.
Verdammte Rauhigkeit, sprach Mopsus gähnend:
Zur Probe hört einmal, (sich lange dehnend,
Derweil Menalk die Ohren aufgespitzt,
Wie eine Katz' im Donnerwetter sitzt)
Ihr Grazien! wenn mein Dienst euch je gefällig war 5,
[92]
So laßt bei diesem Gesang mich euren Einfluß empfinden;
Wie könnt' ich sonder euch der Gefahr,
Die uns bevorsteht, mich und meinen Helden entwinden.
Die Wahrheit, so schön die Weisen sie unbekleidet finden,
Wird allzuoft dadurch den Schwachen ärgerlich.
Erlaubt ihr, Sokratische Grazien! sich
Vor Cynischen Faunen und kritischen Zwergen
In euren Schleier zu verbergen,
Und ist noch Raum – so deckt auch mich.
Menalk.

Das ist ja schön. Hum! das ist besser drum,
Beinah als meines.
Mopsus.

Ein Palladium,
Mich gegen die Kritik zu decken.
Menalk.

Drauf hab ich auch gedacht, die Kritiker zu schröcken.
Was mir zu Handen kommt, bring ich in mein Gedicht 6,
Und darum kehr ich mich an keine Regel nicht:
Könnt' ich das Wahre gleich vom Falschen unterscheiden,
Thät ich doch solches nicht –
Mopsus.

Halt ein, beim Jupiter!
Was ist das für Gewäsch?
Menalk.

Hört nur den Anruf, Herr!
'S ist an den Liebesgott:
»Begeistre meine Sinnen,
Entzünde meinen Trieb und laß mir nichts entrinnen!«
Mopsus.

Was Teufel schwatzt ihr da?
Menalk.

Ich sing die Hochzeitsnacht
[93]
Von meinem Gönner – gebt nur Acht!
Auf ein Vermählungsfest soll ich ein Loblied singen 7;
Jedoch bin ich im Stand, es würdig zu vollbringen?
Wie fang ich solches an? Stoff hab ich zwar genug;
Allein, die Kunst fehlt mir. Ich bin mir selbst nicht klug:
Drum helfet mir dazu, ihr kleinen Liebesgötter! 8
Auch Hymen höre mich! sei heute mein Erretter;
Begeistre meinen Sinn; flöß Feuer in mein Blut;
Entzünde meinen Trieb –
Mopsus.

Halt ein – es ist schon gut.
Hört, wenn ihr hören wollt, wie man von solchen Sachen
Sokratisch reden muß – und lieber Noten machen,
Wenn man uns nicht versteht.
Menalk hört ehrfurchtsvoll.

Mopsus.
(nachdem er sich geräuspert.).

Und endlich kommt die Nacht herangeschlichen 9,
In der das große Werk vollendet werden soll.
Schon steht mit fliegendem Haar um ihren weissen Nacken
Die Tochter Bambos hoffnungsvoll
Im magischen Kreise, schon blasen aus vollen Backen
Die Sonnengeister in die Gluth 10,
Hier mach ich eine Note
Menalk.

Das ist besser drum
Beinah als meins.
[94] Mopsus.

So steht doch nicht so krumm,
Ihr macht mich fast mein Lied vergessen
Für Lachen, hört doch grad;
Das Fräulein mag indessen
Im Schutz der Solarischen Geister und ihrer Unschuld stehen
Wir werden zu rechter Zeit schon wieder nach ihr sehen.
Menalk.

Was sind mit Verlaub das für Geister?
Mopsus.

Hört den Zusammenhang –
Kaum trat der Neger in den grünen Gang,
Der an die Terasse führte, wo Amadis kürzlich gestanden,
So sah er die fremde Dame und unsern Helden, so lang
Sie waren, ihn auf die Nase, sie rückwärts niedersinken
Et cetera
Menalk.

He, he was machten sie denn da?
Mopsus.

Dies alles zu rechnen, vom Fall der keuschen Schatouillöse,
Der unsers Helden Fall nicht ohne mancherlei böse
Vermuthungen nach sich zog, begab aufs längste sich
In zwanzig Sekunden
Menalk.

So? dauert das so lang?
Mopsus.

Ich weiß nicht. Hört doch nur auf den Zusammenhang
– – Doch plötzlich aufzustehen,
Läßt nach der Sache Gestalt der Wohlstand nicht geschehen
Und unter uns es war nicht falsche Schaam,
Er hatte von zwanzig Sekunden zum mindsten sechzehn vonnöthen
Dem kleinen Zufall, worinn der Neger ihn betreten,
Abhelfliche Maaß zu geben.
[95] Menalk.

He he he, ha ha ha!
Das heißt sokratisch scherzen. Nun das ist beinah
Doch besser drum als meins. Fast meine Ode
Vom Tode gäb ich drum 11. Welch eine Periode!
Wie man voll Ungeduld sich drinn verirrt,
Und doch am Ende nichts gereichet wird.
Wie wißt ihr doch das Ding so zierlich zu verstecken,
Und witzig den Priap bald auf bald zuzudecken.
Mopsus.

Das ist nun mein Talent. Und Schußfrei doch zu sein,
So kleid ich all das in Moralen ein 12.
Der Weiber Unbestand, das ist die güldne Lehre,
Die aus der Fabel fließt.
Menalk.

Das macht euch Ehre;
Sankt Augustinus schon stellt so die Weiber vor,
Chrysostomus nennt sie des Teufels Thor,
Tertullian den Teufel selber.
Mopsus.

Freilich.
Doch unter uns der Leichtsinn ist verzeyhlich.
Ich säh sie nicht gern anders. Gienge dann
Für unser einer nicht die lange Weile an? –
Doch die Moral ist das, was Schwefel bei den Weinen:
Verdirbt sie zwar, doch macht sie besser scheinen
Und blendt dem Volk die Augen.
Menalk.

Grade das
Gedacht' ich einst, als ich bei Even saß.
Gefällts manch einem nicht, die Nacktheit durchzugehen,
[96]
Dacht' ich, der kann derweil nach ihrer Katze sehen.
Nur, Möpschen, seid ihr doch ein wenig zu versteckt.
Mopsus.

Das ist das Heiligthum der Kunst. Nur das erweckt
Begierden in dem Bauch, die meine Leser brauchen,
Soll all mein Witz für sie, wie Riechsalz, nicht verrauchen.
Da, da steckt das Geheimniß. Nur gewinkt –
Wie kützelts ihren Stolz, Einbildungskraft, Instinkt,
Sich Sachen, die mein Pinsel nie kann mahlen,
Selbst zu erschaffen, mir dann zu bezahlen.
Ha ha ha ha.
Menalk.

Ihr habt gut Lachen drum;
Doch meynt nur nicht, ich sei auch gar zu dumm.
Mein Hochzeitslied ist drum nicht zu verwerfen;
Zwar braucht man nicht den Witz erst lang zu schärfen,
Es zu verstehn: doch ists natürlicher.
Hört einmal zu!
Mopsus.

Macht bald, beim Jupiter!

Menalk
(zieht sich die Hosen.)

Nun hört nur zu: Ich schenk euch auch die Hosen
Für euer Lied. Sie sind von einem Virtuosen,
Mit dem ich um die Wett' ein Dosenstück gemahlt,
Das mir ein Pfarr mit zwölf Car'lin bezahlt.
Es war ein Sündenfall.
Mopsus.

Ich schenk euch diese Ruthe.
Sonst war den Kritikern vor ihr nicht wohl zu Muthe 13.
Bedient euch deren nur; ich brauche sie nicht mehr,
Weil ich selbst einer bin.

[97] Menalk
(giebt ihm schalkhaft einen Schlag.)

So setzet euch zur Wehr.
He he he he. Nun hört! sonst – Ich bin eben
Daran, vorm Brautgemach den Vorhang aufzuheben.
Was jedes hier verspricht, mahlt ein Poet zu matt 14;
Nur der begreift es recht, der es empfunden hat:
Denn es ist die Natur nicht immer leicht zu fassen.
Was unbegreiflich ist, kann sich nur fühlen lassen:
Drum laß ich mich nicht ein, wo mir Erfahrung fehlt.
Ich überlaß es dem, der sich so wohl vermählt,
(Mit Feuer.)

Der Hymens Zauberlust der ersten Nacht empfunden,
Der den verwahrten Schatz der Cypria gefunden,
In Paphos dunklem Hain die Götterkost geschmeckt,
(Mit dem höchsten Pathos.)

Des Jasons güldnes Vließ bekämpfet und entdeckt;
Der in das Heiligthum Cytherens eingedrungen
Und mit dem Scepter sich auf ihren Thron geschwungen.
Hier schwieg er – weil die Sonn' ihr schönes Antlitz wieß
Und über Bergen sie nach Hause gehen hieß.
Die Nachwelt wird sie spät in gleichen Ehren halten
Und über ihre Gruft noch Priaps Gottheit walten.

X.Y.Z.

Fußnoten

1 So pflegt Herr Goethe scherzweise alle kalte und doch dabei eifersüchtige Ehemänner zu nennen. Und nach der Orthodoxie steckte in Adam das ganze menschliche Geschlecht.

2 De philosophia occulta.

3 Im Lütrin. Dieses unschätzbare Gedicht verdient von all unsern Lesern und Leserinnen gelesen zu werden. Wir empfehlen es dahero jedermann.

4 Siehe Gallimatisches Allerley, oder Stadt–, Land-und Waldgedicht, bey Macklot in Carlsruh herausgekommen 1774. Wir können in der That unsern Lesern dieses Gedicht um so viel eher empfehlen, da der Verfasser gewiß mit einer in unserm Jahrhundert seltenen Bescheidenheit sich unter keinem andern Titel dem Publikum aufzudringen sucht, als den ihm jedermann zugestehen muß. Mit ein wenig mehr Geschmack würde er sein Buch goldenen Gallimathias genannt haben.

5 Siehe den neuen Amadis, das in seiner Art einzige Buch unsers Jahrhunderts, aus welchem diese Stelle wohl scheint mehr als nachgeahmt zu sein; wohin wir denn unsre Leser verweisen.

6 Siehe oben.

7 Siehe die zweite Auflage des Gallimatischen Allerley im siebenten oder neunten Gesange, die gegenwärtig unter der Presse ist.

8 Hier können wir nicht umhin, die Leser auf den Anfang des Tristram Shandi und seine Theorie von denhomunculis zu verweisen, welches Buch wir auch bestens empfehlen.

9 Siehe oben.

10 Siehe die vorhergehende Note.

11 Siehe die neue Auflage vom G.A.

12 Siehe des Herrn Schmidt, Professors der Moral, Entdeckungen über die komischen Erzählungen, in den kritischen Nachrichten vom deutschen Parnaß.

13 Siehe die Vorrede zum Diogenes von Sinope.

14 Siehe die zweite Auflage des Gall. Allerley, die nächstens die Presse verlassen wird.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lenz, Jakob Michael Reinhold. Gedichte. Gedichte. 18. Menalk und Mopsus. 18. Menalk und Mopsus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E3DD-1