Bodmer, Jacob und Joseph
[58] [33]Zürich
Wir sehen wohl, was die Absicht des Verfassers dieser Deutschen Pseudohexameter gewesen ist. Er hat eine rührende Geschichte, wozu die Verlierung des Joseph und seine glückliche Wiederfindung allerdings sehr geschickt gewesen, poetisch beschreiben, und dabei Gelegenheit nehmen wollen, seine Stärke in der Schilderung starker Gemütsbewegungen und in der von seinen kritischen Landsleuten so sehr und bis zum Ekel gerühmten malerischen Dichtkunst zu zeigen. Uns dünkt aber, es ist ihm gar schlecht, und zu weilen nur von ungefähr, gelungen. Er hat dazu die Klopstockische Versart, das ist, die in dem Virgil und Ovid so wohlklingenden Hexameter, deren unsere Muttersprache an sich vollkommen fähig ist, welche aber von dem geistreichen Verfasser des Messias und seinen Affen sehr gemißhandelt worden, erwählet. Wie können doch Deutsche Ohren bei diesem unerträglichen Übelklange so unempfindlich sein? Hat Horaz den Wohlklang im Sylbenmaße nicht so gut beobachtet, als Virgil und Ovid, so hat es ihm gewiß nicht am Willen, sondern an [33] der Fertigkeit in dieser poetischen Kleinigkeit gemangelt. Wir wollen aber einem Dichter, welcher sich nun einmal in ein solch höckerichtes Wesen verliebt hat, gern seine kleine Torheit vergeben, wenn er nur dabei das wesentliche Poetische in seiner Gewalt hat. Dieses können wir aber von dem Verfasser des »Jacob und Joseph« nicht sagen. Man lese einmal folgenden Anfang:
Man schreibe dieses ohne Absätze der Zeilen hin: so wollen wir demjenigen Trotz bieten, welcher merken wird, daß es Poesie sein soll. Und so ist fast das ganze Gedicht.
Gleichwie dieser Verfasser dem Verfasser des Messias in der Versart nachgeahmet hat, also hat er es dem Verfasser des Frühlings in den Lateinischen Buchstaben nachgetan. Das heißt gute Dichterglück lich nachahmen! Aber warum will man denn unsere ursprüngliche Sprache in das Joch fremder Charaktere zwingen? Laßt uns doch das ehrwürdige Altertum unserer Muttersprache auch in den ihr eigenen Buchstaben behaupten! Man wirft unsern Buchstaben vor,[34] daß sie so viel Ecken haben! Welch ein Vorwurf! Gleich als ob die Ecken nicht so ehrlich wären, als die Rundungen, und als ob die Lateinischen Charaktere nicht eben so viel Ecken hätten. Denkt man dadurch die Ausländer zu Erlernung unserer Sprache anzulocken, so irret man sich sehr. Wenn sie bis auf die Buchstaben, welche doch meistens den Lateinischen sehr ähnlich sind, kommen, so kommen sie auch weiter. Es ist übrigens ohne Zweifel wegen des Mangels an ü in dem Antiquaschriftkasten geschehen, daß man Statt derselben lauter y genommen hat, und weil hierdurch auch das Fach des y leer geworden, so hat man notwendig, anstatt des y, welches sonst ein guter alter ehrlicher Deutscher Buchstabe ist, allemal ein i genommen. Dergleichen Sprachverbesserungen können wir für nichts anders, als für Kinderspiele, ansehen, welchen gesetzte Deutsche Schriftsteller nachzuäffen sich jederzeit schämen werden; und das von Rechts wegen.