[127] Sicilianen

Ein Frühlingsmorgen

Im Sonnenscheine schlief die Wetterfahne,
Aus Busch und Garten klang der Vögel Locken.
Wir freuten, ich und du, uns vom Altane
Des ersten zarten Grüns von unserm Roggen.
Hoch über uns, wie eine Karawane,
Zog seinen Weg ein Schwarm von Zirrusflocken.
Das Haus lag still im Schatten der Platane;
Mein Herz, mein Herz, hörst du die Friedensglocken?

Winterabend

Wie mag ich gern dem lieben Käuzchen lauschen,
Wenn einsam meine Schreibtischlampe brennt.
Durch Gartenruhe und durch Bäumerauschen
Bin ich von Stadt und aller Welt getrennt,
Und möchte wahrlich nicht mit einem tauschen,
Der nun im Smoking zur Gesellschaft rennt.
Viel netter ists, mit Annmarie zu plauschen,
Die, ach, so zärtlich meinen Namen nennt.

Der Friede?

Wohin auch immer deine Augen spähten,
Dich freute reife Frucht auf schwanken Halmen.
[128]
Zukünftig Jahr hat Rosseshuf zertreten
Dein Korn vielleicht, und deine Scheunen qualmen.
Du wirst dann ungebeugt von neuem jäten
Und neue Mühlen bauen zum Zermalmen.
Doch über Nacht, wenn sie dir Unkraut säten –
Schläft je dein Haus im Schutz der Friedenspalmen?

Lebenskampf

Wie kann das Leben anders sich verknoten,
Als eine Welt des Kampfes und der Schmerzen.
Wenn Frühlingsschein und Sommerfarben lohten,
Es wird sich bald der blaue Himmel schwärzen.
Und ob von Rittern oder von Heloten:
Ringsum der Feind, dein Dasein auszumerzen.
Getrost! Spartaner, nur dreihundert, boten
Viel tausend Pfeilen ihre Griechenherzen.

Rien ne m'est plus, plus ne m'est rien

Wappenspruch.


Da ich verloren habe, was mein war,
Verschmäh ich alles nun, was mir geboten.
Ich wandre mit dem Bettelstab, ein Narr,
Und schlafe auf dem dürren Feld der Toten,
Und bin ein Einsiedler und trostesbar,
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Und bin geringer noch als die Heloten.
Ich bin ein Elender, so ganz und gar,
Daß mir die Hoffnung, Freud und Leid verlohten.

Vers Dieu vais

Wappenspruch.


Ich gehe Gott entgegen, sagt die Flamme,
Und frißt dabei das große Holzgerüst,
Zu Gott empor aus dieser Erdenklamme,
Wo alles unnachgiebig droht: Ihr müßt!
Ins Friedensreich, hin zu dem hohen Stamme,
Wo Christus von den Engeln ward geküßt.
Dort ist es still, und hinter jenem Damme
Stört nichts die Ruhe, ihr habt abgebüßt.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Liliencron, Detlev von. Sicilianen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-EC9A-B