[51] Fortunat mit seinem Säckel und Wünschhütlein.

Ein nicht reicher Mann zu Famagusta in Zypern, hatte einen Sohn, der wollte hinaus in die Welt, und die Aeltern dachten, so mag er denn hinaus, und sich etwas versuchen, und sehen, wo er sein Glück findet.

Er zog denn fort, zog durch viele Städte und Länder, so übel oder gut er konnte, diente an mehrern Fürstenhöfen ehrlich und treu, und weil er den Herren treu und darum lieb war, wollten ihn die Diener nicht leiden, und trieben ihn, durch die Kunst aller Künste, durch Hofkunst, fort.

Er zog denn fort, fürder und fürder, kam in gute und schlechte Gesellschaft, verthat sein ehrlich erspartes Geldchen, hatte zuletzt gar nichts mehr als guten Appetit, und nichts zu essen, und dachte mit Sorgen, hättest du doch dein Geldchen geschont. Da kam er in einen großen dichten Wald. Er war in einen großen Wald freilich hineingekommen, aber wie sollte er hinauskommen? Er zog der Kreuz und der Queer herum in dem Walde, aber er kam nur nicht hinaus. Wurzeln und Beeren und saure Holzäpfel, waren seine Kost, und das helle klare, liebliche Wasser einer reinen Quelle sein Trank, und das Brummen der Bären, und das Geheul der Wölfe seine Angst und Sorge.

Einmal, da er auch der Herren Bären wegen, die die Könige des Waldes waren, auf einen Baum geklettert war, um zu Nacht darauf zu schlafen, war ihm so ein Waldkönig oder Prinz, nämlich Petz Brummelbär, mit seinen tüchtigen Pratzen und Tatzen nachgeklettert, und trieb ihn von Zweig zu Zweig, immer höher und höher [52] hinauf. Jetzt konnte sich der Fortunat nicht mehr helfen, und zog in der Angst sein scharfgeschliffenes breites Schwert, und hieb und stach auf den Bär.

Der Bär, welcher ein Kerl von Ehre ist, wie ihr wohl wissen werdet, wollte das Stechen und Hauen nicht leiden, hielt sich mit Einer Vordertatze an den Baumast, und will mit der andern dem, der auf ihn sticht und einhaut, eine Antwort geben, wie es sich gebührt. Darüber läßt er die zweite Pratze fahren. Da prasselt er so arg und mit Gelärm vom Baume herab, daß die Thiere, die unten bei einer Quelle waren, gar schleunig davon flohen. Der Fortunat war aber in der Angst auch mit herabgefallen, und zwar also, daß er unten auf dem halbtodten Bären saß, wie auf einem Pferde, und als er sich besann, denselben ganz todt machte, indem er ihn mit seinem Degen todt kikte.

Er sog dem Bären das Blut aus der Wunde, und fand sich sehr erquickt, und wenn er nur gewußt hätte, wie man Feuer anmachen könnte, hätte er von den Bärenpratzen und Bärenschinken ein gar köstlich Mahl halten können. Aber er hatte nun einmal kein Feuer, müde war er gar sehr, und so legte er sich auf das weiche Haarfell des todten Bären, und schlief nach Herzenslust.

Als der Fortunat nach süßem Schlaf aufwachte, steht vor ihm eine schöne Jungfrau, aber er wußte nicht, von wannen sie war, und wie sie daher kam. Aber die Jungfrau sah ihn so lieb und gütig an, daß er ein Herz zu ihr gewann, und sagte: »Helft mir doch aus dem Walde, sonst muß ich umkommen!«

»Sollst nicht umkommen, sagte das Waldfräulein, und will ich dir leicht aus dem Walde helfen, aber ich will dir noch größere Gaben verleihen. Sieh hier meine Säckel, in denselben sind Reichthum, Weisheit, Gewalt, Schönheit, Gesundheit. Wähle dir Eine von den Gaben, die ich dir anbiete, aber nur Eine kann ich dir verleihen. – Wisse, daß ich die Jungfrau Fortuna bin.«

[53] Fortunat besann sich und wählte Reichthum. Hat man Geld, dachte er, so hat man ja Alles, kann sich Ehre und Vergnügen kaufen, kann groß und herrlich werden, und wird auch für weise gehalten.

»Wohl! sagte die hübsche Jungfrau, hier nimm den kleinen Säckel (Säckchen). So oft du hineingreifest, findest du so viel Gold- oder Silberstücke darin, als du haben möchtest. Benutze es gut. Du wirst immer die in jedem Lande gültige Münze finden. – Merke: daß dieser Säckel seine Tugend und Eigenschaft treulich behalten wird, als du und deine Kinder leben, und daß du in jedem Jahr am Ersten des Brachmonats (Junius) ein armes und frommes Mädchen, die einen braven Freier und kein Geld hat, mit vierhundert Goldstücken ausstatten mußt.« – Er gelobte das treulich und die Jungfrau war, nachdem sie ihm den kürzesten Weg aus dem Wald gezeigt, fort, der Säckel aber in seiner Hand.

Fortunat hatte nun freilich durch den willfährigen Säckel des Geldes mehr als er bedurfte, ward aber auch gleich ein wenig hochmüthig, und kaufte dem Grafen des Landes zwei Pferde, über welche dieser mit dem Roßkamm in Handel stand, gleichsam so vor der Nase weg, indem er gar nicht handelte, sondern nur sogleich bezahlte. Das nahm der Graf, weil er doch ein Graf, mithin ein vornehmer Herr und also empfindlich war, hoch übel, und wollte den Fortunat martern, hängen, köpfen, rädern lassen, um anzusagen, wie so ein Lump von Kerl zu so vielem Gelde käme. Hätten des Grafen Herrn und Diener nicht gar sehr für den armen Schelm gebeten und gebettelt, wer weiß wie es möchte gegangen sein, denn der Graf war, wie gesagt, ein gar sehr vornehmer Herr, der ein Paar Menschen schon kann todt machen lassen, wenns ihm beliebt.

Fortunat wurde nun ein bischen klug, und merkte bald, daß der Geringe nicht ungestraft und ungerupft Geld und Gut haben darf, und ging ein wenig vorsichtiger zu Werke. Dazu kam, daß [54] er einen viel versuchten und erfahrnen Mann, Leopold geheißen, antraf, welcher beinahe die ganze Erde der Länge und der Queere durchstrichen war. Den nahm er in seinen Dienst, gab ihm Geld genug, ließ in schalten und walten, Pferde kaufen und Knechte miethen, und weil der Fortunat nun Geld hatte, so war er auch ein Genie, und mußte aller Herren Länder besuchen, aber freilich nicht, wie unsere jungen Genies mit dem Knotenstöcke, sondern zu Pferde, und nicht mit zwei Hellern in der Tasche, sondern mit dem Säckel, der ihm Gold in Menge lieferte, und nicht nur so etwa auf ein halb Jahr, so daß man von ihm auch hätte sagen können:


Es flog 'ne Gans wohl über den Rhein
und kam ein Gick Gack wieder heim,

sondern er nahm sich wohl 15 Jahre Zeit, wo er denn Alles ordentlich und mit Bedacht besehen konnte.

Unter andern kam er nach Hibernia, jetzt Irland geheißen, zu einem armen Kloster, das er reichlich beschenkte, und welchem er auch ein großes Faß Wein verehrte, der den guten Mönchen und selbst ihrem Abte etwas seltenes war, sintemalen in Irland kein Wein wächst. Er hatte ihnen aber auch vom Besten gegeben.

Neben dem Kloster war aber eine große Höhle mit vielen Gängen und Wölbungen, die hieß Sant Patriks Fegfeuer 1, und konnte man sich leicht in derselben verirren, welches ihnen der Abt vorher sagte und sie treulich ermahnte, ja nicht zu weit hinein zu gehen. Er aber dachte sich das Ding gar nicht so schlimm, und ging mit Leopold hinein. Da ward er aber bald inne, daß man guten Rath nicht vorwitzig verachten soll. In Kurzem waren sie verirrt, und wußten nicht wo sie waren, und waren schon zwei volle Tage im Höhlenfegfeuer, kamen aus einem Gang in den andern, hörten [55] nicht das Rufen der Mönche am Eingange, worauf sie sich so sehr verlassen hatten, und wurden von der Angst, vom Suchen und Gehen, und vom Hunger so matt und hinfällig, daß sie ihre Seele der Erbarmung Gottes befahlen.

Den Mönchen wurde aber auch bange, denn sie fürchteten, wenn die beiden umkämen, es möchte kein frommer Wallbruder oder Pilger fürder mehr kommen, deren viele die Höhle besucht, und von welchen das Kloster seinen guten Genieß (Gewinn) gehabt hatte; und die Knechte des Fortunats waren auch in Todesängsten, denn so sollten sie einen so lieben und herzguten Herrn wieder bekommen? Und einen der so reichlich bezahlte?

Die Knechte setzten Alles in Bewegung, und versprachen hundert Rosenobel (oder Kronenthaler), wenn Jemand den Herrn und seinen treuen Leopold retten könne, den sie Alle ja auch recht lieb hatten, weil er so gut und fromm und so verständig war!

O biete nur Jemand viel Geld! Da kann er erlangen, was ein Mensch vermag.

Es fand sich ein Mann, der einst mit Bindfaden die Höhle nach allen Richtungen ausgemessen hatte, und da er hörte, worauf es ankam, und daß er hundert Rosenobel verdienen könnte, durchsuchte er die Höhle überall, und fand auch glücklich die Verschmachteten, erquickte sie zuvor mit Wein und Brodt, und führte sie dann aus der Finsterniß heraus.

Da war große Freude bei Allen!

Nachdem nun der Fortunat noch viel gereist, und viel erfahren hatte, ja beinahe einmal durch einen treulosen Wirth um seinen Säckel gekommen wäre, obwohl er von selbigem keinem Menschen etwas hatte vertrauet, selbst dem treuen Leopold nicht, reiste er wieder nach Famagusta. Da fand er noch seine armen Aeltern, und hielt sie in hohen Ehren, und machte ihnen ein vergnügliches Alter, aber von seinem Glückssäckel sagte er ihnen doch [56] nichts, denn die alten Leute hätten es doch wohl können ausplaudern.

Wer er nun geworden wäre, mußte die Welt freilich auch sehen, aber er selbst hatte ja auch so viel Herrlichkeit und Prächtigkeit gesehen, und baute sich einen großen weiten Palast, mit Gärten und Springbrunnen, und allen Kostbarkeiten, so herrlich, daß ihn der König so treflich nicht hatte. Dazu so baute er, auf einem großen erkauften Platz auch einen großen Dom oder Kirche, zur Ehre Gottes, der ihn gesegnet hatte.

Das machte den König aufmerksam! – Muß das ein Mann sein, dachte er, der so viel verbauen kann! Der hat auf seinen Reisen viel gefunden, und muß mehr können als Brod essen! – Das konnte er denn freilich.

Und kurz und gut, er vermählte ihn mit der Tochter eines armen Grafen, die ihn auch, weil er gar wohlgebildet und gut gestaltet war, gar gern nahm, obwohl die Aeltern das gräfliche Töchterlein gar nicht gern hergegeben hätten an einen bloßen Bürgersmann, hätten sie Geldes und Gutes nur satt gehabt.

Als er aber der lieben Frau Schwiegermutter, und dem hochgebohrnen Herrn Schwiegervater, und den lieben allergnädigsten Comtessinnen Töchtern herrliche Kleider, nebst vielem, vielem Gelde geschenkt, und wohl an drei Wochen oder noch drüber, Feste und Herrlichkeiten, Turniere und Stechen, Tänze und Bälle und leckere Gastmahle gegeben hatte, zu welchem sogar der König mitkam, – ja, da war er der scharmanteste, der allerliebste Herr Schwiegersohn und Herr Schwager.

Das machte das Geld! das Geld. Denn das Geld, das macht hübsch und schön, das macht klug und weise, das macht hoch und gewaltig. Man denkt es freilich nicht, daß im Gelde so viel steckt, aber man sieht es doch tagtäglich, und wenn der Frosch nur Geld genug hätte, könnte er schon ein Elephant werden.

[57] Funfzehn schöne liebe Jahre hatte der Fortunat mit seiner Frau – nein, Gemahlin muß ich sagen – zusammen gelebt, und der liebe Gott hatte ihm zwei tüchtige Jungen – oder Junker – gegeben, aber keine Mädchen, die er und sein eheliches Gemahl wohl auch gern gehabt hätten, aber dennoch nicht bekamen – weil das sich mit Gelde nicht machen ließ.

Fiel dem Fortunat die alte Reiselust wieder ein, da er sahe, daß sein ehelich Gemahl der Töchter keine bekommen würde, und obwohl die Gemahlin ihn gar sehr inständig bat, doch heim zu bleiben, half es doch nicht, und er antwortete ihr, er wolle schon ganzbeinig wieder heim kommen.

Somit zog er von dannen.

So kam er zuerst oder zuletzt, denn ich weiß es nicht mehr, gen Alexandrien, wo ein gar großer und gewaltiger Soldan thronte. Dem verehrte er, kraft seines Säckels, herrliche Kostbarkeiten und Kleinodien, die er in Venedig und Florenz, und da und dort eingekauft hatte.

Deß erstaunte der Soldan und dachte, daß er dem herrlichen und prächtigen Kaufmann, für welchen er ihn hielt, eine Ehre und Ergötzlichkeit schuldig sei, und ladete ihn ein zu Gaste, und zeigte ihm nachher seine Schatzkammer, mit allen Silber und Goldtruhen, und mit allen Edelsteinen und Kleinodien, und der Fortunat bewunderte Alles, und sagte aus purer lauterer Höflichkeit, daß er gar nicht verstehe, wie man so viel hohe Herrlichkeiten so zu- und beisammen haben möchte?

»Spaß das!« sagte der Soldan. »Nichts, gar nichts gegen ein anderes Kleinod, das ich nicht in meiner Schatzkammer, sondern in meiner Schlafkammer bewahre. All meine Schätze sind gar nichts dagegen!«

»Glaub in Unterthänigkeit Euer Hoheiten Alles, sprach der Fortunat, aber das zu glauben, ist mir denn doch fast zu hoch.«

[58] »Nun, du sollst denn schon sehen,« sprach der Soldan, und führt ihn in seine Schlafkammer, holt unter dem Bette aus einer alten Lade, einen alten unscheinbaren Hut hervor, und spricht: »Siehst du, dieses Hütlein ist mir mehr werth, als all meine Schätze; denn die Schätze kann ich allesammt wieder gewinnen, aber so ein Hütlein nimmermehr.«

»Hols Popanz, allergnädigster Herr, sagt Fortunatus, das kann ich nicht glauben; Euer Hoheit belieben zu spaßen. So ein abgeschabtes Hütlein sollt mehr werth sein, als alle Eure übrigen Prächtigkeiten und Herrlichkeiten, die auf Erden nicht zu finden sind!«

»O du einfältiger Fortunat, sagt der Soldan, so wiß denn, wenn ich aufsetze das Hütlein, und wünsche mich alsdann hundert oder tausend, oder auch zehntausend Meilen hinweg, so bin ich im Augenblick gleich da. Ich glaube, ich könnte damit über die Sonne hinaus, doch hab ich das nicht versucht, weil sie mich möchte verbrannt haben. – Aber will ich zu meinen Jägern im Wald zur Jagd, gleich bin ich da; will ich zu meiner Armee, wenn sie gegen den Feind zu Felde liegt, oder gar in Feinds Lager, siehst du, so bin ich auch gleich da, und kann also, wie der liebe Gott, überall sein.«

»Ja, gnädigster Herr, antwortete der Fortunat, weil Ihr es sagt, ist es freilich meine Schuldigkeit es zu glauben; aber Ihr wollet in Gnaden verzeihen, daß ich es fürwahr so für mich selbst nicht glauben kann.«

»Na! sagte der Soldan ein wenig hitzig, so sollst du es denn erfahren. – Dahier, nimms Hütlein, setz es auf, wünsch dich wohin dein Sinn steht, und wünsch dich wieder zurück zu mir.«

Fortunat wünscht sich flugs daheim, zu Weib und Kind, und siehe, da ging es zum Fenster hinaus, er wußte ja selbst nicht wie? – Und da war er da!

[59] Herr Soldan war wohl ein wenig viel dumm gewesen, als er dem Fortunat das herrliche Wünschhütlein anvertraute, und der Fortunat, sonst immer ein ehrlicher Mann, brachts ihm nicht wieder zurück, denn er glaubte, es passe und schicke sich gar treflich und köstlich zu seinem Säckel. Ich aber bin seines Glaubens nicht, sintemal es der rechte Glaube gar nicht war. Er hätt' es sollen wiedergeben, mein ich – ein Spitzbub blieb er doch immer! – Aber er gab es nicht wieder, und Ihr könnt denken, wie der treuherzige Soldan seine Treuherzigkeit bereute. Aber nun half es nicht mehr!

Was die Welt geben kann, hatte der Fortunat, mußte aber drum doch sterben, nachdem sein ehelich Gemahl schon zuvor gestorben war.


Als der Fortunat im Sterben war, ließ er kommen seine zwei Söhne; eröffnete ihnen das Geheimniß vom Säckel und Wünschhütlein und sagte ihnen, des Säckels Kraft hielte nur so lange noch vor, als sie leben würden, denn die Göttin Fortuna hätt' es ihm also gesagt. – Sollten hübsch beide Kostbarkeiten und Wunderdinge beisammen behalten, so könnten sie beide damit recht glücklich leben.

Aber der eine Sohn, der jüngste, wollte hinaus in die weite Welt, und wollt viel Staat und Pracht und Ritterspiel treiben, worin er denn hoch erfahren war. Er hieß Andalos, und stellte dem andern Bruder der Ampedos hieß, all sein Begehren gar mit vielen Worten vor, und sagte ihm:

I) Laß mir den Säckel auf 6 Jahre, und fülle dir daraus zuvor zwei oder drei große Truhen mit Gold, so viel, daß du es nicht mögest verthun können. Behalt auch das Wünschhütel, damit du, wenn du willst, gleich bei mir sein mögest. Nach sechs Jahren kehre[60] ich wieder, und alsdann mögest du sechs Jahre den Säckel nehmen, und damit in der Welt nach Herzenslust umherfahren.

Ampedos war wundergut und sanft, und sprach: »Es wär mir viel lieber, mein Bruder, du bliebest bei mir, aber da du nicht willst, nun so fülle zwei Truhen mit Gold, damit ich denn auch doch habe, und ziehe mit Gott.« Nun so geschah es denn auch. Der Ampedos blieb heim, und nahm nicht mehr aus seinen Goldtruhen, als er eben brauchte, und der Andalos zog weit fort, mit Knechten und Dienern, durch vielerlei Land, stach und turnirte an Fürsten- und Königshöfen, trieb groß Wesen und Pracht, und ward viel bewundert, weil er viel aufgehen konnt lassen. Da war er denn sehr glücklich und froh, und dünkte sich gar hoch und viel, weil er so viel Geld hatte, und auch in allem Ritterspiel, Rennen und Stechen, fast immerdar den Preis und die Ehre davon trug.

Gut macht Muth, und zu viel Gut macht gewöhnlich zu viel Muth, nämlich Uebermuth.

Da kam denn auch seine Zeit und Stunde!

Er war an den Hof gen London gekommen, und hatte dem König und seinem Hofgesinde gar herrliche Mahle und Feste gegeben; ja selbst die Königin und die Prinzessin Tochter, mit ihren Frauen und Jungfrauen, waren bei ihm zu Tanz und Ball, zu Mahl und Fest gewesen, und hatte ihnen allen Alles recht wohl gefallen. Aber die Prinzessin Agrippina genannt, hatte den Augen des Andalos auch recht wohl gefallen, und hätte derselbe sie gar gern zum ehelichen Gemahl gehabt. Aber, was war er denn? – wer wußte es denn? – Sie war denn doch eine hohe Prinzessin, eine Königstochter. Aber wie die Menschen nun denken, so dachte sie auch – Ein Thaler Stand und Würden mehr, gegen zehntausend oder hunderttausend Thaler Geld mehr; – und Grafen und Edelmann und Prinzenkind, gegen Ruffian von Bürgerskind! – Nun man wird ja sehn, wie es wird gehn, und wie Sinn und Gemüth sind!

[61] Dem Herrn König, der sonst ein guter und ernster Mann war, beliebt es doch einmal mit dem Andalos einen Scherz zu treiben, und ihn in große Verlegenheit zu bringen. Da bat er sich denn auf einen Tag mit Gemahlin und Prinzessin, und vielem vornehmen Hofgesindel beim Andalos zu Gaste, welches der auch, wie sichs gebührt, für eine große hohe Ehre aufnahm. Aber heimlich hatte der König verbieten lassen, den Dienern des Andalos kein Holz zu verkaufen, damit er nicht sieden und schmoren und braten lassen könne, und könne man ihn alsdann recht auslachen.

Die herrlichsten Speisen waren eingekauft, und nun war kein Holz da.

Andalos merkte den Spaß, und wußte sich zu helfen. Die Venediger Kaufleute, in deren Händen damals der Welthandel war, hatten in London große Niederlagen von allen Gewürzen und Spezereien. Da ließ er aufkaufen Gewürznägelein, Zimmtrinden, Muskatnüsse, Sandelholz, und ließ dabei braten und kochen.

Als nun Essenszeit kam, zog daher der König mit seinem Hofstaat und mit vielen Dienern und Knechten, damit alle Welt den königlichen Spaß sollte sehen, und der Andalos sich recht möchte schämen. Wer sich aber eigentlich hätte schämen sollen, wäre die Hoheit, Se. Majestät gewesen, nur daß es die Hoheiten eben nicht an der Art haben, ein Bischen zu schamrötheln, indem Alles gut und recht ist, was sie zu thun geruhen.

Seine Majestäten kamen, und rochen schon weit von Andalos Pallaste mit Dero feinen Nasen, einen feinen und überlieblichen und würzigen Geruch, und die Speisen waren zugerichtet und fertig, und Andalos schämte sich nicht, aber der Herr König schämten sich auch nicht.

Nun mußte freilich Andalos ansagen, wie er Alles vermocht hätte, und machte denn auch gar kein Geheimniß daraus. Sie waren aus der Maßen lustig und fröhlichen Muthes, und als die Herrschaften wieder nach Hause eilten, gab der Andalos den vornehmen Herren und Damen [62] kostbare Ringe mit Juwelen, güldene Halsketten und dergleichen, und der gemeinen Dienerschaft gab er Jedem nach Rang und Stand 30 oder 20 oder 10 Golddukaten. Er wollte denn ein wenig dick thun, woran er aber wohl schwerlich klug und recht thun mochte, und er wirds denn auch schon sehen!

Frau Königin hatte eine feine feine Spitznase, und die Jungfer Prinzessin – ich weiß aber nicht ob die Prinzessinnen wirklich Jungfern sind, oder ob man sie so heißen darf, – hatte ein noch viel, viel feineres Näseleinelchen. – So wars!

Da schnüffelten denn Beide, nämlich Mütterlein und Töchterlein mit den Schnüffelnasen, woher wohl der Herr Andalos, dessen Hühner und Gänse doch Niemand kannte, sein unmenschlich vieles Geld haben möchte? Geldschiffe kamen für ihn doch nicht an, und gleichwohl ließ er so viel drauf gehen, als wären alle Wochen nicht blos Geld-, sondern Goldschiffe angekommen.

»Da hat es etwas Apartes und Absonderliches, dachten sie, und das müssen wir heraus bringen!« Freilich, die große Wißbegier, (denn Neugier wars doch wohl nicht, weil es Königin und Königstochter waren, die bekanntlich keine Neugier haben) mußte das auch heraus bringen, und brachte es auch heraus.

»Hör! Du Prinzessin, sagte die Frau Königin, Du mußt ihm das Geheimniß ablocken, denn ich habe wohl gemerkt, daß er in Dich verliebäugelt ist!«

»O! allergnädigste Frau Mutter, das weiß ich von selbst schon,« antwortete die Prinzessin.

Somit wurde denn heimlicher Rath gehalten, wie man dem verliebten Andalos das Geheimniß aus der Seele ziehn möchte, und die Prinzessin stellte sich nun auch in den Andalos, mit Worten und lieblichen Gebehrden verliebt, aber sie war es keineswegs, denn er war ihr viel zu geringe.

[63] Da mußte er denn einmal beichten, wie es denn zuginge, daß er so viel Geld und noch mehr aufgehen lassen könne, als ihr Herr Vater der König; er müsse ja dabei ganz zu Grunde gehen, und blutarm, und am Ende bettelarm werden, und keiner würde ihm dann etwas geben, denn die Welt liege gar sehr im Argen, und die Freundschaft daure niemals länger als das Geld. Dabei that sie denn so treuherzig und liebevoll, als ob wahr und wahrhaftig Alles wahr und ehrlich gemeint sei.

Und weil der Andalos nun so sehr verliebt war, und nun da sie von bettelarm werden sprach, auch ein bischen viel hochmüthig ward, so wollte er ihr zeigen, daß es ihm niemals fehlen könne, und verrieth das Geheimniß von seinem Säckel, und als die Prinzessin sich stellte, sie hielte das nur für Windbeutelei, da zeigte er ihr den Säckel, und machte die Probe damit vor ihren Augen, und schüttete ihr tausend Kronen in ihre Schürze.

Da war denn Herr Andalos ein wahrer Dummhans. Aber das bleibt unter uns. – Freilich wenn sich ein Bürgerskind in eine Prinzessin verliebt, und nun noch hochmüthig dazu wird, so ist er gerade doppelt oder zweimal dumm, der Verliebtheit und des Hochmuths wegen.

Das liebe kluge Töchterlein offenbart nun dem herzlieben hochgnädigen Mütterlein, Alles was sich zugetragen, und was sie gesehen hätte, und brachte ihr die tausend Kronen, die sie kaum zu erschleppen vermocht hatte.

Da wurden denn die beiden gleich einig, daß sie das anmuthige Säcklein haben müßten, und der alberne Peter möge zusehn, wo er ein anderes hernähme.

Das liebe Prinzeßchen hatte sich Größe und Gestalt des tugendreichen Säckels gar genau gemerkt, und ließ mit Rath von Allerhöchst Dero Frau Mutter, ein ähnliches Beutlein von einem Beutler verschaffen, und beschmutzte es so, daß es recht schlapp und verbraucht, und unscheinbar aussahe.

[64] Nun bat die Prinzessin den Peter Dummbart, zum heimlichen Abendessen, von dem, wie sie sagte, die Mutter nichts wissen müsse und dürfe, zu sich. Er trinkt, und trinkt, und am Ende trinkt er denn den Schlaftrunk. Ein einschläfernder, Schlaf machender Trunk war es ja freilich, denn er schlief und schlief wie ein Todter, und die Prinzessin nahm ihm den echten Wunder- und Goldsäckel ab, und hing ihm den falschen dafür an.

Als nun der Andalos, mit großem Verdruß über seinen Bärenschlaf, am frühen Morgen nach Hause kam, weil er mit der Prinzessin nicht hatte gekoset, wie er doch hätte gekonnt, wollt er sich so ein Bischen zerstreuen mit guten Freunden, deren man, wie schon gesagt, immer um so mehr hat, jemehr man Geld hat. Der Haushofmeister, der Alles anschaffen und besorgen mußte, wollte Geld haben.

Andalos, ums Geld nie verlegen, ging besonders, und griff in seinen Säckel, aber der Säckel gab ihm nichts her, obwohl er ihn links und rechts wendete, und so und so kehrte. Kurz der Säckel gab gar nichts her. – Da ward der arme Schelm trostlos, und dachte, er hätte den treuen Säckel wohl zu sehr mißbraucht, und darum habe derselbe seine Kraft verloren. Aber als er sich von seinem ersten Schrecken erholt hatte, und sein Säcklein recht ansahe, sahe er wohl, wie schändlich er betrogen worden war von der schönen Agrippina, der holden Prinzessin.

Er dankt alle seine Diener ab, die gar ungern von einem so guten, lieben und so freigebigen Herrn schieden, – bezahlt waren sie immer im Voraus – giebt ihnen obenein noch ein Zehrgeld, und reitet der Heimath und dem Bruder zu!

Fort war er aus London!

Bruder, spricht er, nachdem er gar kümmerlich und erbärmlich angekommen war, so und so ist mir es gegangen, und so und so [65] bin ich um den Säckel gekommen, und gib mir das Wünschhütlein, ich muß den Säckel wieder haben.

»Ich wollte, du ließest den Säckel Säckel sein,« sagte der ehrliche Ampedos, »denn du weißt ja, daß all seine Kraft verloren ist, wenn wir beide todt sind, und in den Truhen ist ja noch für uns Beide Goldes genug. Sieh hin, ich habe nicht viel verthan, denn ich habe es nicht gebraucht. Sie sind noch voll.«

Aber der Andalos ließ nicht ab und sprach, er wollte lieber das Leben missen, denn das Säcklein. Da gab ihm der gute Bruder Ampedos das Wünschhütlein, und wollt ihm noch Gold dazu geben, aber Andalos nahm fast nichts, und sagte, er wolle sich nun Goldes genug schaffen.

So wars auch. Er wünscht sich nach Venedig, und dann nach Florenz; ließ sich, so wie zur Auswahl, die allerkostbarsten Edelsteine und Kleinodien kommen, und war damit fort und besaß sie, ohne sie gekauft zu haben – kraft des Hütleins.

Das Hütlein brachte ihn denn auch nach London, wo er seine Kleinodien vor einer Kirche auslegte, wo die Agrippina früh morgens mit ihrem Hofe zur Metten oder Messe ging. Damit man ihn aber nicht kannte, hatte er sich eine große Nase über die ordentliche aufgeklebt, und sein Gesicht bemahlt.

Ei wie wurden die Kleinodien begafft und bewundert! und manche wollten sie auch kaufen. Ein paar Ringe verkaufte er denn auch um ein Spottgeld an die Kammerfrauen der Prinzessin, aber die schönsten Kostbarkeiten bot er zu hoch und zu theuer.

Was er damit gewünscht hatte, geschahe. Er mußte zur Agrippina kommen, die sich denn alle Herrlichkeiten besahe, und einige Edelsteine einhandelte, aber, obwohl sie den Säckel hatte, Alles grund wohlfeil, und eigentlich um gar nichts haben wollte.

Nachdem erst der Edelsteinmann sich überzeugt hatte, daß die Prinzessin Agrippina seinen Säckel sorgfältig am Gütel bei sich trug [66] und ihm daraus zahlen wollte, war der Handel bald gemacht. – Sie zahlte daraus. Da setzt' er sein Hütlein hurtig auf, und er umfing sie plötzlich, und wünschet sich in einen wilden dichten Wald, und – Burrheh, Burrheh! – gings durch die Luft mit ihr, in einen wilden dichten Wald, und sie wußte nicht, wie sie durch die Luft daher und dahin gekommen war. – War auch zu wissen weiter nicht nöthig. Genug daß sie da war.

»Ach Gott! ach lieber Gott! wo sind wir denn?« barmet und winselt sie, und thut fürwahr als müßte sie nun umkommen, obwohl die kleine Reise noch nicht zwei Minuten betragen hatte. Den Glücksäckel hatte sie noch an ihrem Gürtel, und dachte in der Angst nicht daran; der Andalos aber dachte wohl daran, und meinte, das schöne herzliebe Säcklein könne ihm ja doch einmal nicht mehr entgehen.

Weiß es nun freilich nicht, warum er sich nicht entdeckte, wer er sei? Er selbst wird es wohl gewußt haben.

Da saß denn das liebe Königskind unter einem Apfelbaume, und ob sie wohl satt und voll war, dachte sie doch, wenn sie nicht Alles hätte, was sie begehrte, müsse sie gleich sterben, denn sie war eine Prinzessin.

Sie schaut zum Apfelbaum hinauf, und sieht so schöne rothbackige Aepfel dort hängen, und bittet den Entführer mit süßen lieben Worten: »Ach wer doch nur ein Paar so schöne Aepfel hätte, damit ich nicht verschmachten müßte.« Sie wäre nicht verschmachtet, aber freilich, ich habs Euch ja gesagt, sie war eine Prinzessin.

Der gute Andalos steigt hinauf in den Baum, weil er das arme Ding nicht will verschmachten lassen; und weil er hinauf steigt, setzte er ihr sein Wunderhütlein auf den Kopf, damit es ihn im Steigen und Apfelbrechen nicht hindere. Von der Kraft und Tugend des Wünschhütleins wußte sie nichts.

[67] Sie hatte es indessen auf, als sie unter dem Apfelbaum saß, und fing an zu seufzen und zu wünschen, sie möchte doch wieder bei der herzliebguten höchstgnädigen Mama, und bei den demüthig gehorsamen Kammerfrauen, und bei ihrem weichen Bettlein sein! – Siehe, da war sie da. Denn Ihr kennt ja die Kraft des Hütleins.

Aber da der Andalos wieder vom Baume herunter war, fand er das Prinzeßchen nicht, und fand nur einen Narren, nämlich sich selbst, und wollte sich ergurgeln, erstechen, erhenken, ersäufen, erhungern u.s.w. – was wohl ganz vernünftig möchte gewesen sein, – ließ es aber dennoch recht sehr schöne bleiben, was noch vernünftiger war.

Herr Andalos hatte nun das Wünschhütlein nicht, und das Säcklein auch nicht, aber Lebensliebe hatte er noch, und lief im Walde dahin und dorthin, und dachte, er sei der armseligste Schächer und Narr auf Gottes Erdboden, worin ich ihm denn auch keineswegs zu widersprechen mich unterfange.

Er lief und lief! und kam wieder an einen gar herrlichen Apfelbaum, von dem er zwei Aepfel abbrach, und selbige mit gar großem Vergnügen aß, die ihm aber nicht sogar wohl bekamen – denn es wuchsen ihm an der Stirne zwei Hörner hervor, urplötzlich und gar nicht langsam, etwa so stark und tüchtig, wie die Hörner eines gewaltigen Ziegenbocks. – Da war er denn ordentlich gehörnt, und wenn er gewollt hätte, hätte er damit können stoßen.

»Ich unglücklicher, erbärmlicher Mensch,« schrie der arme Schelm, nachdem er gefühlt und gemerkt, und am Ende gar im Bache gesehn hatte, was aus ihm geworden, wo soll es denn nun hinaus? – Er schrie es mit vollem Halse, und lief mit den Hörnern gegen die Bäume, aber die Hörner saßen gar fest. Es giebt aber mehr Leute, die sich im Leben die Hörner nicht ablaufen.

[68] Als er nun schrie, heulte und schrie, da kam ein stiller Einsiedler daher und fragte: was lamentirst du denn so gar entsetzlich? Aber der Waldbruder sahe bald, worauf es ankam, denn er sahe die mächtigen Hörner.

»Du unseliger Mensch, wo bist du herkommen?« sagte der Waldbruder. »Dreißig Jahr leb ich in dieser Einöde, und habe Niemand gesehen, und wollte ich hätte dich auch nicht gesehen, indem ich einsam sein will, weil ich ein Einsiedler sein will!«

»Ach lieber, lieber Waldbruder, jammerte Andalos, weißt du keinen Rath gegen die Hörner, damit man mich in der Welt nicht für ein Ungeheuer ansehe, und vor mir davon fliehe?«

Da erklärte ihm nun der Siedler mit großem Ernst, woher die Hörner kämen, und fing mit den Aepfeln im Paradiese an, die auch so viel Unheils gestiftet hätten, und daß die 2 Aepfel, die er gegessen, und die ihn durch ihre Schönheit auch verführt hätten, wie die Urältern, möchten wohl gar Nachkommen oder doch weitläuftige Vettern von jenen Paradiesäpfeln sein. Das setzte er ihm sehr umständlich und andächtig auseinander, daß es der Andalos ordentlich hätte begreifen können, wenn er sonst gewollt hätte. Aber der wollte nur Hülfe; und sprach ihn jammernd darum an.

»Nur ruhig mein Sohn! sprach der Waldbruder, Hülfe soll dir auch werden. Komm mit!«

Damit führte er ihn zu einem Baum, der auch voll schöner Aepfel hing, aber sie sahen ganz anders aus, als die Aepfel, welche Hörner gemacht hatten, und als er zwei Aepfel hatte gegessen, da waren die Hörner so schnell fort, als sie waren gekommen.

Da kam der Andalos nun auf eigene Gedanken, wie er Säckel und Wünschhütlein wieder möchte erlangen. Er bat den Waldbruder um die Hörneräpfel, und um die Hörner vertreibenden Aepfel.

[69] »Nimm mein Sohn, sagte der ehrlich treue Waldbruder, wie viel dir davon gefällt. Die Bäume sind ja nicht mein, und gehören dir so wohl als mir.« – Da nahm der Andalos von beiderlei Arten Aepfeln, dankte dem Waldbruder, und suchte wieder den Weg nach London, wohin er denn auch bald gelangte, indem er eben nicht weit davon war.

Er kam nach London, verstellte sein Gesicht, und klebte sogar ein Auge zu, damit ihn keiner sollte kennen.

Da legte er die wunderherrlichen Aepfel aus, von welchen die Leute gehörnt wurden, wie Ziegenböcke, und rief sie da aus, wo die Prinzessin vorbei ging, und sagte: es seien Aepfel von Damask, und bot das Stück drei Kronen.

Da wollte sie denn freilich niemand kaufen, aber die Prinzessin mußte doch wissen, welche herrliche Aepfel zu drei Kronen der Apfelhändler hätte, und wie solche theure Aepfel schmeckten, und kaufte sich zwei derselben, und aß sie als sie zu Hause war recht gierig, zumal da der Händler sagte, daß man von diesen Aepfeln recht schön würde. Und als sie dieselben gegessen hatte, bekam sie denn auch zwei hübsche stößige Ziegenbockshörner.

Da war denn große Noth, und sie ließ sich, wenigstens vor dem Vater nicht sehen, auch die Kammerfrauen waren so sehr vor ihr erschrocken, als wäre sie der böse Geist.

Leicht könnt Ihr denken, daß der Aerzte viele heimlich berathfragt wurden – aber da konnte kein Arzt helfen.

Der Andalos hatte das Laufen und Rennen der Aerzte wohl gesehen, denn er hatte auf Alles gemerkt, und wußte sich bald bemerklich zu machen, als einen fremden Doctor in der Arzenei, dem nichts zu hoch oder zu schwer wäre.

Es versteht sich, daß er sich verkleidet hatte. Da wurde er denn freilich heimlich berufen, ließ sich Alles erzählen, verhieß Hülfe, indem er schon in Hispanien ein hohes Prinzeßlein von ähnlichem [70] Uebel befreiet habe, – und die Königstochter ward höchlich froh, und verhieß ihm große Summen.

Der fremde Doktor ging in sein Quartier, und überzog eine Hälfte eines Apfels von den heilbringenden Aepfeln mit Rhabarber, Zucker und köstlichen Gewürzen, so daß er höchst lieblich schmeckte. Er machte auch eine wohlriechende Salbe um die Hörner zu salben, und sie, wie er vorgab, geschmeidig zu machen. So geschah es denn, und nun rieth er der ächzenden Kranken, gutes Muths zu sein, und ein wenig zu ruhen.

Richtig! da waren die Hörner um ein Viertheil eingeschwunden, und die Prinzessin war hoch erfreut, und folgte nun dem Wunderdoktor in Allem.

Da gab er ihr einmal einen kleinen Schlaftrunk, weil zur fernern Kur Ruhe sehr noth thue, und während sie schlief, schickt er ihre Kammerfrau fort, um aus seinem Quartier eine vergessene Büchse mit Arznei zu holen. Während dessen sucht er im Zimmer umher, und entdeckt glücklich unter dem Bette das kostbare Wünschhütlein. Agrippinchen, so schlau und listig es war, hatte doch auch dumme Stunden, und hatte nicht gemerkt, daß sie durch Tugend und wundersame Eigenschaft des Hütleins aus dem wüsten Wald war erlöset worden. – Den Glücks- und Geldsäckel hatte sie, als ihr kostbarstes Kleinod um ihren Leib befestigt immerdar gehalten, und das hatte der verkappte Doktorsmann schon ganz im Anfang weggehabt.

Er umfaßte die kluge Prinzessin, und flog mit ihr nach Hibernia zu, und als sie aufwachte, fand sie sich mit dem Doktor wieder in einer wildwüsten Waldgegend. Da riß der Doktor die falsche Nase, den langen falschen Bart, und den scharlachrothen Doktors-und – Scharfrichters Mantel sich ab.

[71] Ihr könnt denken, wie erschrocken die Jungfer Prinzeß war, da sie den Andalos sahe, und dieser sie donnernd und scheltend und grimmig mit harten Worten anfuhr, und ihr all' ihren Lug und Trug, und alle ihre Ränke und Nichtswürdigkeit vorhielt. Aber Ihr könnt auch leicht denken, wie sie nun wimmerte und wehklagte, sich selbst eine thörichte, vermessene und vorwitzige Person schalt, und tausend Entschuldigungen hervorbrachte, und die meiste Schuld auf die Frau Mutter schob, die sie verführt hätte.

Sie bat, sie bat, ach sie bat gar innigst und kniefällig, sie zu der Frau Mutter zu bringen, oder ihr doch die Hörnchen abzunehmen, daß sie wenigstens mit Ehren sich wieder zurück machen könnte.

Andalos ward schon wieder weichherzig, denn er liebte sie doch gar zu sehr; aber er war auch gar zu sehr gewitzigt worden, und dachte sie ein für allemal unschädlich zu machen, daher denn ihr Bitten nichts half. Er brachte sie unweit des St. Patricks Feuer in ein ehrsames Nonnenkloster, gab sie für sein Töchterlein aus, die ein feines Angesicht habe, und der nichts weiter fehle, als daß sie etwas zuviel habe, nämlich die Hörnlein auf dem Kopfe, die ihr niemand abnehmen möge, und daß sie sehr boshaftiger Natur und Art sei, daher es denn wohlgethan sei, sie in Zucht und Buße zu bringen.

Die Aebtin war eine gar ehrwürdige Frau, und gar willig und bereit, die gehörnte Kostgängerin anzunehmen, und sie mit Geißeln und Kasteyen, Metten und Chorsingen, recht zur Buße anzuhalten, nur freilich gegen die Gebühr, die ihr denn der Andalos doppelt und dreifach erlegte, wofür er auch von ihr als ein frommer und großgebiger Herr gar höchlich gerühmt wurde. Er führte nun sein Töchterlein dem Kloster zu, wohin sie gern ging, weil die gehörnte Schönheit nicht an den Hof wieder mochte. Man kann schon denken warum?

[72] Wie es den Aeltern der Verlornen zu Muth gewesen sein mag, ist unnoth zu erzählen. Sie dachten, die Prinzessin Tochter wird schon wieder kommen, wie das erstemal, aber sie kam nicht wieder, und soll, wie man gehört hat, ohne Wiederkommen gestorben sein.


Der Andalos konnte nun seine Reiselust und Prachtlust gar leicht befriedigen, er hatte ja Hütlein und Säcklein. Zuerst jedoch besuchte er den Bruder, den er immer geliebt hatte, und erzählte ihm Alles, wie es gegangen sei. Der Bruder Ampedos ermahnt ihn gar fleißig nun zu Hause zu bleiben, da er von den unglücklichen Glücksgaben so schlimme Erfahrungen gemacht hätte. Sie wollten ehrsam und vergnüglich beisammen leben, und sich allenfalls noch ein Paar Truhen mit Gold füllen. – So meinet es Ampedos.

Andalos wollte jetzt dem Bruder den Säckel lassen aber Ampedos wollte ihn nicht, und blieb dabei, er seie kein Glücks- sondern ein Unglückssäckel, und des Goldes hab er ja in den Truhen genug. Da nahm denn Andalos den Säckel, und der Bruder bot ihm auch das Hütlein an, da er es ja nicht brauche, welches aber Andalos nicht annahm.


Armer Andalos! Dein Glück im Stechen, Turnieren und Rennen und allem ritterlichen Spiel, das dir neben dem Geldglück der Säckel auch schien verleihen zu wollen, daher du allen andern Rittern obgelegen warst, und deine große Pracht und Herrlichkeiten, zu welchen der Säckel Alles hergab, – kurz der Glückssäckel wurde dein Unglückssäckel, wie der Bruder wohl hatte geweissagt, denn er brachte hämische und hochmüthige und mächtige Menschen gegen dich auf.

[73] Es war eine große Pracht und Herrlichkeit an einem Orte auf der Insel Zypern gewesen, und Andalos hatte viel Ehre und Ruhm im Turnier erlangt, und große Feste gegeben, und wollte von da wieder an den Königshof gen Famagusta. Da hatten ihm zwei hochgewaltige Grafen auflauern, seine Diener ermorden, ihn selbst auf eine kleine einsame Insel führen lassen, wo sie ihn in den Stock legten.

Der Bruder hörte, Andalos sei verschwunden, und hielt ihn eben so wohl für ermordet, als seine Diener. Er ahnete wohl, daß es des unglücklichen Säckels wegen sei, suchte beim König Hülfe, und erhielt gute Zusage. Aber damit es ihm mit dem Hütlein auf ähnliche Weise nicht möchte ergehen, nahm er dasselbe, zerhackt' es, und verbrannt es im Feuer, bis daß es zu Pulver ward vor seinen Augen.

Den Andalos hielten die Grafen so hart gefangen, daß ihm im Stock die Beine fast abfaulten. – Sie wollten wissen, woher er so viel Geld habe? Und da ers nicht wollte ansagen, ließen sie ihn jämmerlich und erbärmlich gar vielmals martern, bis er sein Geheimniß offenbarte. Da nahmen sie ihm den Säckel ab, probirten ihn, und fanden es so wie der arme Gemarterte gesagt hatte. Und da ein Bubenstück immer das andere hervor bringt, und sie wohl wußten, daß ein todter Mann nicht mehr klagen kann, so würgten sie ihn mit eigenen Händen ab, damit er gewiß todt sei.

Sie wurden nun eins, daß jeder von beiden ein Vierteljahr ums andere den Säckel haben sollte. Aber nach dem ersten Vierteljahr starb der gute Ampedos auch aus Gram um den Bruder, und – aus Alter.

Als nun der andere Graf das Säcklein versuchen wollte, zog er nichts heraus, (denn der Säckel hatte ja nur Kraft, bis zum Tode der beiden Brüder) er aber dachte, er sei von dem Andern [74] betrogen, und der Säckel sei nachgemacht. Und die Grafen kamen heftig an einander, fuhren mörderisch mit dem Schwerte auf einander hinein, und der eine ward fast tödtlich verwundet. Das erfuhr der König, und es nahm ihn groß Wunder, weil die Grafen bisher in gar herzlicher Vertraulichkeit hatten gelebt. Er bekam Verdacht, forschte bei den Dienern der Grafen nach, und es kam heraus, das ganze Bubenstück, und –


die Herren Grafen wurden gerädert.


Das war denn das Glück des Glücksäckels.

Fußnoten

1 Patricius oder der heilige Patrik, ist Irlands Schutzheiliger.

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TextGrid Repository (2012). Löhr, Johann Andreas Christian. Märchen. Das Buch der Mährchen. Erster Band. Das Buch der Mährchen. Fortunat mit seinem Säckel und Wünschhütlein. Fortunat mit seinem Säckel und Wünschhütlein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-1DC9-B