Wetterleuchten

Blutigrote Feuergarben
Lohten auf am Himmelsrand,
Zuckten, flammten und erstarben
Hinter grauer Wetterwand.
Langsam kochte das Gewitter –
Heute ward das Wetter reif,
Blitz und Donner – und in Splitter
Flogen Eichen, stolz und steif.
Schlimmre Wetter seh' ich lohen
Unter der Gesellschaft Fuß,
Durch gedankenlosen, frohen
Maskentanz wie Todesgruß.
Wetterleuchten, da und drüben,
Arbeitsausstand, Straßenschlacht,
Darwinismussturmgetrieben
Sich der Weltenbrand entfacht.
Millionen Hände ballen
Sich nach oben grausenhaft,
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Millionen Finger krallen
Fest sich um den Messerschaft.
Blitz und Donner – auf die Tausend
Stürzt das Millionentier,
Geller Angstschrei, sterbensgrausend,
Hungerschrei voll Wut und Gier.
Zähneknirschendes Entthronen
Heulend durch die Länder zieht:
»Den Millionen die Millionen!«
Heißt das wilde Zukunftslied.

Münster 1890


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Wetterleuchten. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2183-E