330. Pfingstrecht im Hanauischen.

Am zweiten Pfingsttage, Nachmittags nach geendigtem Gottesdienst, kommt eine Anzahl junger Bursche von Raveltzhausen auf jungen Pferden, welche an Schweif und Mähne mit buntfarbigen Bändern geschmückt sind, nach Rüdigheim, reitet in die Commenderie daselbst und erhebt 10 Kreuzer »Wolfsgeld«.

Ebendieselben reiten von da weiter nach Oberissigheim und nehmen bei den dortigen Pferchbeständern eben soviel ein.

An dem nämlichen Tage kommen in gleichem Aufzuge junge Bursche, so viele als schöne junge Pferde im Dorfe zu haben sind, von Rüdigheim nachRaveltzhausen, Langendiebach, Oberissigheim, Hirzbach und Marköbel, woselbst sie bei jedem Pferchbeständer, oder, wenn die Pferche herrschaftlich sind, bei dem Pächter, 10 Kreuzer »Wolfsgeld« erheben.

Auch kommt von Marköbel eine willkürliche Anzahl junger Leute zu Pferd nach Rüdigheim in die Commenderie, um 10 Kreuzer »Wolfsgeld« zu erheben. Diese aber kommen nicht, wie die Andern, am zweiten, sondern am ersten Pfingsttage, und zwar vor Sonnenaufgang, bei Verlust ihres Rechts. Die Pfingstreiter vom zweiten Pfingsttage dürfen mit ihren Pferden in den Hof der Commenderie bis vor das Fenster reiten und rufen: »Unser Pfingstrecht!« welches ihnen dann, ohne weiter zu fragen, wofür, gereicht wird; die vom ersten Tage aber müssen vor dem Thore absteigen, zu Fuß hineingehen, an das Fenster klopfen und sagen: »Hier sind die Pfingstknecht' und holen ihr Pfingstrecht!« Wenn [249] darauf gefragt wird: »Wofür?« erfolgt die Antwort: »Wegen des Wolfs!«

Han. Mag. 1778, S. 428.

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TextGrid Repository (2012). Lyncker, Karl. Sagen. Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. 330. Pfingstrecht im Hanauischen. 330. Pfingstrecht im Hanauischen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-25AE-E