235. Die Belagerung der Weidelburg.

Andere Auffassung.


Eine andere Sage erzählt den Hergang dieser Begebenheit also: Der Ritter hatte endlich eingesehen, daß jede Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang der Belagerung für ihn verloren war. Da ging seine Hausfrau, die schöne Agnes, hinunter in das feindliche Lager und ließ sich vor den Landgrafen führen. Weinend [163] fiel sie ihm zu Füßen und bat um Gnade. Der Landgraf war hocherzürnt und wollte durchaus, daß der Ritter sich ihm zum Gefangenen stelle; doch rührten ihn die Thränen des Weibes und er sprach: »Ob er sich gleich fest vorgenommen, nicht einen Hund auf dem Schlosse leben zu lassen, so solle ihr doch sammt ihren Jungfrauen und Mägden vergönnt sein, mit Allem, was Jeder lieb sei und sie tragen könne, frei von dannen zu gehen; der Junker aber und alle Mannspersonen sollten bis auf weiteren Bescheid droben verziehen.« Dessen setzte der Landgraf ihr sein fürstliches Wort zum Pfande. Sie eilte nach der Burg zurück, nahm ihren Eheherrn auf den Rücken, indeß ihre Jungfrauen sich mit ihren besten Kleidern und Kleinodien beluden und so zogen sie ab. Wie das der Landgraf sah, meinte er des Junkers Abzug habe nicht in seiner Zusage gelegen. Agnes erwiederte jedoch: »Was würde mir Anderes lieb und kostbar sein, wenn ich meinen Herrn hinter mir in Todesgefahr wüßte? Ihr habt mir erlaubt, mitzunehmen, was mir das Liebste sei; darum habe ich meinen theuersten Schatz genommen.« Solche Treue und Liebe brach des Landgrafen Zorn und er ließ sie ziehen.


Landau h. Ritterb. II, 316. – Mündlich.

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TextGrid Repository (2012). Lyncker, Karl. Sagen. Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. 235. Die Belagerung der Weidelburg. 235. Die Belagerung der Weidelburg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-25FB-2