9. Ein Hirt im Odenberge.

Ein andermal trieb ein Hirt am Odenberge; da fand er eine wunderschöne seltene Blume. Er steckte sie auf den Hut und legte sich in die Büsche, um zu ruhen. Auf einmal erschien ihm eine geisterhafte Jungfrau, die ihn anredete: »Warum er nicht in den Berg gehe, da er doch den Schlüssel dazu habe?« – »Welchen Schlüssel? Ich habe keinen«, sagte der Hirt. – »Greife doch nur auf deinen Hut.« – Der Hirt that's und hatte die Wunderblume in der Hand; da sah er eine Thür, die früher nicht dagewesen war, und die Jungfrau winkte ihm, zu folgen. Zagend trat er in den Berg, der von köstlichen Schätzen voll war; Haufen Goldes lagen vor seinen staunenden Blicken, von einem furchtbar aussehenden Hunde bewacht. Die Jungfrau lud ihn freundlich ein, zu nehmen, aber es hatte ihn eine wahre Todesangst ergriffen, daß er schnell umkehrte, das Freie wieder zu gewinnen; glücklich erreichte er die Thür, doch diese fiel so heftig und schnell hinter ihm zu, daß er ein Stück von seiner Ferse einbüßte. Die Blume hatte er aber drinnen liegen lassen und so fand er die Thür niemals wieder.


Mündlich.

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TextGrid Repository (2012). Lyncker, Karl. Sagen. Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. 9. Ein Hirt im Odenberge. 9. Ein Hirt im Odenberge. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2728-A