Die Schweizer des Herrn von Tremouille

Herr Karl war verdrossen,
Sein Pulver verschossen:
»O Gunst der Bellona, du wandelndes Glück!
Umstarrt allerenden
Von Felsen und Wänden,
Laß ich meine herrlichen Büchsen zurück?«
Da kam aus der Pouille
Herr Ludwig Tremouille
Und sprach: »Ich bezwinge die schwindelnde Bahn!
Nicht Rosse, nicht Farren
Vor Büchsen und Karren!
Ich spanne mich selbst und die Schweizer daran.
Die kennen die Berge!
Das sind keine Zwerge,
Wie deine Gascogner, die zapplige Brut!
Die haben dir Arme,
So harte, so warme!
Herr König, ich steh für die Büchsen dir gut!
Ihr Herrn aus den Bünden,
Bedenkt eure Sünden:
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Den rollenden Würfel, den Becher, die Dirn!
Die wollen wir fegen
Auf brennenden Wegen,
Die büßen wir heute mit triefender Stirn!«
Weg warf er die Jacke,
Daß fester er packe
Das Seil um die erste Kanone geknüpft –
Da jauchzten die Buben
Und schoben und huben,
Im Nu aus den puffigen Wämsern geschlüpft.
Der stämmige Berner,
Der lust'ge Luzerner,
Sie streiften die nervigen Arme sich nackt;
Die Kinder der Rhone,
Der braune Grisone,
Sie zogen die rasselnden Büchsen im Takt.
Ein knarrendes Stöhnen,
Metallenes Dröhnen!
Sie fuhren zu Berg mit der Herde von Erz,
Vorüber den Schründen,
Die Herrn aus den Bünden,
Als ging' es zum Reigen mit Jubel und Scherz.
Ein prächtiges Wetter!
Drommetengeschmetter
Erschüttert die blaue, die strahlende Luft.
Ihr schollt, Apenninen,
Von hellen Klarinen
Und klangt bis in eure verborgenste Schluft!
Doch hartes Bedenken!
Da gab's keine Schenken
Für durstige Gaumen und siedendes Blut.
Herr Ludwig ruft munter:
»Bald geht es bergunter!«
Und reißt an dem Seil in der sengenden Glut.
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Wie kicherte Flore,
Wie höhnte Aurore,
Erblickten hemdärmlig den Ritter sie hier!
Mit keuchender Lunge,
Mit lechzender Zunge,
Den zierlichen Helden an Fest und Turnier!
Noch einmal geschoben,
Und jetzt sind sie oben!
Sie rasten, auf glühende Felsen gestreckt,
Und sehen mit Weiden
Und goldnen Getreiden
Die fette lombardische Fläche bedeckt.
Der Liebling der Frauen
Nahm, sich zu beschauen,
In Züchten sein silbernes Spieglein hervor,
Besah in der Wildnis
Sein schreckliches Bildnis
Und fluchte: »Potz Blitz! Ich bin Ludwig der Mohr!«

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TextGrid Repository (2012). Meyer, Conrad Ferdinand. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1892). 8. Genie. Die Schweizer des Herrn von Tremouille. Die Schweizer des Herrn von Tremouille. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-347D-3